Wie ein muslimischer Mathematiker gegen religiösen Fanatismus kämpft

Kategorien: Presse

Eine Gruppe junger Muslime trifft sich regelmässig in Zürich zum Gebet. Nun wollen sie eine Moschee gründen, um mit den Worten Gottes gegen den konservativen Islam zu kämpfen.

Lesen auf: https://www.nzz.ch/zuerich/offene-moschee-geplant-mit-dem-koran-gegen-religioesen-fanatismus-ld.1310005


Es gab eine Rückfrage zum Artikel, der bei der NZZ über mich erschien:

Könnten Sie mir sagen, welche Moschee in der Schweiz für Frauen oder Homosexuelle nicht offen steht?

Meine Antwort (Kerem Adıgüzel):
Theoretisch gesehen sind selbst die Salafisten offen für den Besuch von Homosexuellen in den Moscheen. Wir reden hier aber von der Theorie und von einzelnen Besuchen. Wenn die Moscheen so offen sind, wie suggeriert wird, wieso braucht es dann überhaupt unsere Moschee, die Offene Moschee Schweiz oder die Inclusive Mosque Initiative in London oder die Muslims for Progressive Values in den USA oder den Liberal-Islamischer Bund in Deutschland und viele weitere in anderen Ländern? Darüber hinaus gibt es unzählige homosexuelle Muslime, die sich leider nicht in die traditionellen Moscheen getrauen wegen ihren vielen negativen Erfahrungen diesbezüglich. So habe gar ich Mühe, einem homosexuellen Muslim klar zu machen, dass er sich bei uns und in unserer zukünftigen Moschee, so Gott will, in Sicherheit wähnen darf, weil die Vorbehalte so gross sind.

Ich betone noch einmal den Aspekt, dass sich die Moscheen theoretisch offen präsentieren für diese Gruppen. Heterosexuelle haben es da natürlich einfacher, dennoch sind in unserer Gruppe einige heterosexuelle Frauen, die sich in den hiesigen Moscheen auch nicht wohl fühlen oder nicht einmal einen Platz kriegen. Die Ressentiments sind schlichtweg überwältigend, auch für Frauen ohne Kopftuch oder eben Homosexuelle als ständige (!) Moscheegänger.

Diskutieren wir also nicht theoretisch herum, sondern werden praktisch und klären in den eigenen vier Wänden auf, dass es flächendeckend auch bspw. homosexuelle Imaminnen ohne Kopftuch geben darf und dies nicht als Widerspruch empfunden (!) wird. Erst wenn diese Belanglosigkeiten als nebensächlich empfunden werden, bin ich bereit, die hiesigen Moscheen als praktisch offen für Frauen und Homosexuelle anzusehen. Denn im Koran steht auch:

7:26 O Kinder Adams, Wir gaben euch Kleidung, eure Scham zu bedecken, und zum Schmuck; doch das Kleid der Achtsamkeit – das ist das beste. Dies ist eins der Zeichen Gottes, auf daß sie (dessen) eingedenk sein mögen.

Also spielen nicht die Äusserlichkeiten eine Rolle, sondern der Charakter und die Achtsamkeit eines Menschen – unabhängig vom Geschlecht. Man muss nicht einverstanden sein, dass eine Person Homosexualität als normal betrachtet, man muss aber tolerieren können, dass eine Person anderer Meinung sein kann und dies auch so ausleben darf. Kleiden wir uns also ein mit der Achtsamkeit und achten auf unsere Mitmenschen.