Verstehen des Koran

Zu Sura 33, Vers 33: Frauen zuhause einsperren?

Frieden sei mit Ihnen, liebe LeserInnen,

eine Schwester fragte nach Vers 33:33 nach, ob man daraus tatsächlich ableiten könne, dass gottergebene Frauen zuhause bleiben müssen – oder anders formuliert: dürfen Männer ihre Frauen zuhause einsperren, weil sie laut Koran zuhause bleiben müssen? Eine gängige Übersetzung dieses Verses lautet wie folgt:

 

33:33 Und bleibt in euren Häusern und prunkt nicht wie in den Zeiten der Unwissenheit und verrichtet das Gebet und entrichtet die Zakah und gehorcht Gott und Seinem Gesandten. Gott will nur jegliches Übel von euch verschwinden lassen, ihr Leute des Hauses, und euch stets in vollkommener Weise rein halten.

 

Zu diesem Vers gibt es zwei wichtige Umstände anzumerken. Erstens, dass hier lediglich die Frauen des Propheten gemeint sind (siehe Vers 33:32). Die Aussagen können deswegen nicht verallgemeinert werden. Das Problem besteht jedoch darin, dass diese Frauen, von denen die Rede ist, als Vorbilder für eine Gottergebene (arabisch: muslīma) gelten und diese Verse deshalb je nach Absicht und kulturell-traditioneller Prägung zu bestimmten Zwecken missbraucht werden.

Zweitens, und dies ist der wichtige Punkt, kann das erste Verb im Vers auf zwei Arten gelesen werden (an den arabischen Buchstaben wird hierbei nichts geändert), abhängig davon, ob man den Buchstaben „waw“ als Teil des Verbes sieht (Wurzel waw-qaf-ra) oder nicht (Wurzel qaf-ra-ra). Die arabische Sprache ist im Wesentlichen eine sogenannte Konsonantensprache, welche auf Wurzeln aufgebaut ist. Diese Wurzeln stützen sich in den meisten der Fälle auf drei, in wenigen Fällen auf vier Konsonantenbuchstaben, aus denen die Verben, die Nomen und Adjektive abgeleitet werden.

Die traditionelle Lesung „wa qarna“ (und bleibt ihr; Imperativ des femininen Plurals), die aus diesem Wort die Wurzel q-r-r herausliest und was ansiedeln, auf dem Boden sitzen, absitzen bedeuten kann, ist in den gängigen Übersetzungen zu finden (wie eingangs zitiert). Wir wissen bereits aus der Übersetzung des Verses 34 aus Sura 4, dass die Übersetzer nicht sehr vorsichtig sind in ihren Übersetzungen und noch mit patriarchalischen Denkmustern an den Koran herangehen, also mit ideologischen Vorurteilen.

Die gängige Übersetzung des zu Beginn zitierten Verses wird dahingehend missbraucht, um die Frauen zuhause einzusperren oder um zumindest eine patriarchalische, nicht islamische Sichtweise in der eigenen Kultur zu rechtfertigen. Andere missbrauchte Verse wie 4:34 tragen dazu bei. Etliche unsinnige Gesetze aus den Aḥādīṯ (sekundäre, im Koran nicht vorkommende Literatur; fälschlicherweise dem Propheten Mohammed zugeschrieben und untergejubelt) stärken diese Sicht, beispielsweise indem eine Frau alleine nicht mehr als 80 Kilometer reisen dürfe ohne einen „zulässigen männlichen Begleiter“, sei es auch nur der fünfjährige kleine Cousin. Auch hierzu gibt es dann noch etliche Variationen.

Nun was ist denn die zweite Lesart?

Meine bevorzugte Lesevariante wäre, weil sie dem Missbrauch keinerlei Raum bietet: wa qirna, abgeleitet von (waqara-yaqiru; وَقَرَ-يَقِرُ), was von der Wurzel Waw-Qaf-Ra abstammt und in etwa soviel bedeutet wie: handelt/seid ehrwürdig, respektabel, ernst, achtsam. Siehe auch hier für den Gebrauch im heutigen Arabisch. Diese Lesung wäre erst dann nicht korrekt, stünde „qararna“ (Wurzel Qaf-Ra-Ra) im Vers statt „qarna“. Die Verse dieser Wurzel q-r-r:

2:36 2:84 3:81 3:81 6:67 6:98 7:24 7:143 11:6 14:26 14:29 19:26 20:40 22:5 23:13 23:50 25:24 25:66 25:74 25:76 27:40 27:44 27:61 28:9 28:13 32:17 33:51 36:38 38:60 40:39 40:64 54:3 54:38 75:12 76:15 76:16 77:21

Diese Wurzel wird im Allgemeinen dazu gebraucht, um etwas oder jemandem „Gewicht zu verleihen“. Einige Araber oder Personen, die der arabischen Sprache mächtig sind, mögen hier einwenden, dass diese Wurzel auch im Sinne von „bleiben“ gebraucht werden kann und wird. Und tatsächlich, im symbolischen Sinne „dem Ort Schwere zu verleihen“ bedeutet nichts anderes als „sitzen, bleiben“. Für die Bedeutung des „bleiben“ werden im Koran aber bereits andere Wurzeln verwendet, weshalb diese Wurzel primär nicht als „bleiben“ verstanden werden sollte. Hier die entsprechenden Wurzeln:

– Wurzel qaf-ra-ra (قرر), auch im Sinne von „entscheiden“, Beispielvers:

40:39 O mein Volk, dieses irdische Leben ist nur Nutznießung. Das Jenseits aber ist die Wohnstätte zum Bleiben. (دَارُ ٱلْقَرَارِ – dāru-l-qarār)

 

– Wurzel qaf-ʾAyn-dal (قعد), Beispielvers:

9:46 Wenn sie hätten hinausziehen wollen, hätten sie fürwahr Vorbereitungen dazu getroffen. Aber Allah war ihr Ausziehen zuwider, und so hielt Er sie zurück. Und es wurde gesagt: „So bleibt (daheim) mit denjenigen, die (daheim) sitzen bleiben!“ (اقْعُدُوا مَعَ الْقَاعِدِينَ – aqʾudū maʾa al-qāʾidīn)

 

– Wurzel ba-qaf-ya (بقى), auch im Sinne von „übrig bleiben“, Beispielvers:

43:28 Und er machte es zu einem bleibenden (bâqiyyatan – بَاقِيَةًۭ) Wort unter seinen Nachkommen, damit sie umkehren.

 

Aus diesem Grund ist die Wurzel w-q-r in einem anderen Sinne zu verstehen. Etwas Gewicht zu verleihen bedeutet auch eine Wichtigkeit beizumessen, jemandem Ehre erweisen oder eine Angelegenheit nicht einfach verfliegen zu lassen. Gewicht zu verleihen bedeutet auch Ruhe und Gelassenheit. Und genau in diesem Sinne wird diese Wurzel in den berühmtesten Wörterbüchern der arabischen Sprache beschrieben. Für jene unter den Leserinnen und Lesern, die kein Arabisch, aber dafür Englisch beherrschen, sei das Lexikon von E.W. Lane empfohlen, Seiten 2960-2961. Beispielverse, in denen diese Wurzel w-q-r vorkommt:

 

48:9 Damit ihr an Gott und seinen Gesandten glaubt, ihm beisteht und ihn ehrt (تُوَقِّرُوهُ – tuwaqqirūhu), und (damit ihr) Ihn preist morgens und abends.

71:13 Was ist mit euch, dass ihr Gott kein Gewicht beimesst? (وَقَارًا – waqāran)

 

Der Vollständigkeit halber liste ich hier noch die komplette Liste an Versreferenzen zu dieser Wurzel auf: 6:25 17:46 18:57 31:7 41:5 41:44 48:9 51:2 71:13. Also würde die korrekte, sinngemäße Übersetzung dann lauten:

33:33 Und seid ehrwürdig in euren Häusern und prunkt nicht wie in den Zeiten der Unwissenheit und verrichtet den Kontakt und steuert zur Verbesserung bei und gehorcht Gott und Seinem Gesandten. Gott will nur jegliches Übel von euch entfernen, ihr Leute des Hauses, und euch in Reinheit reinigen.

 

Mittels dieser Übersetzung wird der Kontext auch um einiges klarer und die Aufforderung ergibt mehr Sinn, da es sich hierbei um Haltungen und Lebensweisen handelt.

Leqaa Hussein, Teacher, Jordan - World Bank Photo Collection

Was ist gleich? Foto: Dana Smillie, CC BY-NC-ND 2.0

Es ist auch bekannt, dass die Frauen des Propheten ein eigenes Einkommen und Vermögen hatten (man denke dabei zum Beispiel an Khadija). Es ist offensichtlich, dass diese Lesevariante eher dem Wesen der Gottergebenheit (arabisch: Islām) entspricht, wonach Frauen allgemein positiv bewertet und ihnen Rechte und Verantwortungen gleich wie dem Manne erteilt werden, dass ihnen gar Königspositionen (Königin von Saba; siehe 27:23,44) zugesprochen werden können und die Königin von Saba gerecht, mächtig und am Ende rechtgeleitet war. Und dies, obwohl der Koran das Königstum als etwas grundsätzlich Negatives (18:79, 27:34) beschreibt. Wie würde Gott also wollen können, dass Frauen zuhause eingesperrt bleiben und demzufolge keine gesellschaftlichen Aufgaben (z.B. in der Politik) übernehmen können sollen, wenn Er als der Allwissende gerade eine Frau als positives Beispiel anführt, wo die Männer dafür gesorgt haben, das Bild des Königs zu vermasseln?

Im Gegensatz dazu haben wir die Ahadith, welche meinen, dass keine Nation Erfolg hätte, wäre ihr Anführer eine Frau. (Sahih Bukhary Band 9, Buch 88, Nr. 219)

Noch einmal wird ersichtlich, welch erhebliche Kluft zwischen den Ahadith, die leider fälschlicherweise als Teil der Gottergebenheit (Islam) wahrgenommen werden, und dem Koran besteht, der eine ethische Hochreligion beschreibt, die friedensstiftend zwischen den Völkern wirkt bei angemessener Ausübung und Auslebung der im Koran vollständig erhaltenen und beschriebenen Religion.

 

49:13 Oh ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennenlernen möget. Wahrlich, vor Gott ist von euch der Angesehenste, welcher der Rechtschaffenste ist. Wahrlich, Gott ist allwissend, allkundig.

Menstruation und Beten im Islam, Fasten während der Menstruation…

Der Koran, der alles erklärt (16:89; 6:114), was wir für unsere Rechtleitung benötigen, schränkt einzig und allein den Geschlechtsverkehr ein, wenn es um die Menstruation geht.

 

 

Foto: Jennifer Hayes – CC BY-NC 2.0

 

2:222 Und sie fragen dich nach der Menstruation. Sage: „Sie ist eine Beeinträchtigung!“ So haltet Abstand von den Frauen während der Menstruation und nähert euch ihnen nicht (sexuell), bis sie gereinigt sind. Wenn sie sich reinigten, dann kommt zu ihnen, von wo euch Gott gebot. Gewiss, Gott liebt die Bereuenden und liebt die sich Reinigenden


Der Koran beinhaltet alles, was unsere Rechtleitung betrifft. Und so beschreibt er in diesem Vers alles, was die Menstruation angeht. Laut Koran ist Regelblutung eine Beeinträchtigung, ein Unwohlsein und Gott sieht für uns vor, dass wir während dieser beeinträchtigenden Phase keinen Geschlechtsverkehr üben. Unser Herr beschreibt die Menstruation nicht als eine spirituelle Unreinheit, sondern als eine Beeinträchtigung. Man soll sich auch nicht durch den nachfolgenden Satz verunsichern lassen, in dem das aus der Wurzel T-h-r (طهر) abgeleitete Verb (يطهرن – yaThurna, femininer Plural der dritten Person) verwendet wird. So wie das Wort „rein“ im Deutschen mehrere Bedeutungen in sich tragen kann, wie etwa in „eine reine Weste haben“, kommen die von der Wurzel abgeleiteten Wörter im Koran in unterschiedlichen Varianten vor:

  • materielle, körperliche Reinheit: 2:25, 2:222 (die ersten beiden Vorkommnisse im Sinne von „sich der Menstruation entledigen“), 3:15, 4:57, 8:11, 25:48, 76:21
  • geistige Reinigung: 2:222 (letztes Vorkommnis), 2:232, 3:55, 5:41, 9:103, 33:33, 33:53, 56:79 (die hier beschriebene Reinheit hat nichts mit der rituellen Waschung (غسل – Ghusl) vor dem Gebet zu tun*), 58:12,  80:14, 98:2
  • Geistige und materielle/körperliche Reinigung: 2:125, 3:42 (könnte auch als rein geistige Reinheit gelten), 4:43, 5:6, 7:82, 9:108 (ebenso möglich: nur geistige Reinheit), 11:78 (ebenso möglich: rein geistig), 22:26, 27:56, 74:4

* Koranisch gesehen bedeutet Ghusl, anders als in der traditionellen Lehre üblich, sowohl Ganzkörperwaschung als auch die Waschung vor dem Gebet, siehe 4:43 und 5:6 (und die Wortwahl des arabischen Textes), wohingegen aus 5:6 zu verstehen ist, dass طهارة – Tahaara im Kontext des Gebets (und nicht allgemein) durchaus als reine Ganzkörperwaschung verstanden werden kann. Achtung: Hier beim allgemeinen Ghusl bedeutet dies nicht, dass die Person in dem Moment körperlich unrein sei, um Missverständnisse zu vermeiden. Dies hat lediglich mit dem Gebet zu tun.

Es gab und gibt verirrte Menschen, die die Menstruation bei Frauen gar als eine göttliche Strafe ansehen. Ihre Ansichten und Interpretationsweisen haben auch ihren Weg in die Kommentaren und Tafsir-Bücher gefunden, wonach man eine Frau nicht nur sexuell nicht berühren, sondern gleich komplett vermeiden sollte. Dies wird ebenso ersichtlich in den Übersetzungen, welche die Menstruation in 2:222 wie folgt beschreiben bzw. das Wort (أَذًى – adhan) wie folgt übersetzen:

  • Khoury, Bubenheim, Rassoul: Leiden
  • Azhar, Ahmadeyya: Schaden
  • Paret: Plage
  • Zaidan: Beschwerlichkeit
  • Pickthall: Krankheit (illness) (sic!)
  • Qaribullah: Verletzung (injury)
  • Khalifa, Progressive Muslims, Amatul R. Omar: schädlich (harmful)
  • M. Asad: verwundbarer Zustand (vulnerable condition)
  • Ali F. Yavuz: eine verhasste Unreinheit (nefret edilen bir pisliktir) (sic!)

Wie wir sehen tun es sich die Übersetzer nicht gerade einfach, das Wort angemessen zu übersetzen. Auch während unserer Übersetzung von 2:222, die wir eingangs zitierten, hatten wir lange diskutiert. Insbesondere in gewissen Übersetzungen wie die von Paret, Pickthall oder von meinem persönlichen Favorit in der Kategorie „abstruseste Übersetzung“ Ali F. Yavuz sieht man deutlich, welch lausige Arbeit da verrichtet wurde bei der Übersetzung.

Im Koran kommt dieses Wort an 24 Stellen in verschiedenen Formen vor: 2:196 2:222 2:262 2:263 2:264 3:111 3:186 3:195 4:16 4:102 6:34 7:129 9:61 (2x) 14:12 29:10 33:48 33:53 (2x) 33:57 33:58 33:59 33:69 61:5

Dass es sich bei diesem Wort nicht um den Aspekt der „Schmerzen“ handelt, wird klar, wenn man bedenkt, was „schmerzhaft“ auf Arabisch heißt: مُؤْلِم – mu’lim oder أَلِيم – ‚aliim, was im Koran sehr oft in der Wendung ‚Adhaabun ‚aliimun (schmerzhafte Qual) vorkommt. Dieses Wort bedeutet auch nicht „Schaden“ (ضَرَر – Darar, türkisch: zarar) an sich, denn man betrachte Vers 3:111:

لن يضروكم إلا أذى وإن يقتلوكم يولوكم الأدبار ثم لا ينصرون

Sie werden euch nicht schaden (lan yaDurruukum), bis auf eine Beeinträchtigung (‚illaa ‚adhan). Wenn sie euch bekämpfen, werden sie euch den Rücken kehren und weglaufen. Keine Hilfe wird ihnen zuteil werden.

Hier wird das Wort zwar mit Schaden in Verbindung gebracht, aber dennoch sprachlich wie auch inhaltlich getrennt. Im Vers hätte auch ‚illa qaliilan (bis auf ein wenig) stehen können. Jedoch wird durch diese Wortwahl klar gemacht, dass das Wort in der Bedeutung schwächer als „Schaden“ (Darar) ist (das Verb yaDurruuna stammt von derselben Wurzel ab wie das Wort Darar) und damit etwas anderes ist als Schaden.

Dasselbe Wort kommt in den übrigen 23 Stellen in der Bedeutung „bedrücken, belästigen“ (zum Beispiel im Sinne einer Beleidigung, siehe 3:186 oder 6:34) oder „leiden“ (auf dem Wege Gottes „leiden“, siehe 3:195) vor, allgemein aber im Sinne von einer „Einschränkung“, weshalb wir uns für das Wort „Beeinträchtigung“ entschieden hatten. Nirgends, aber nirgends erhält es die Bedeutung „verhasste Unreinheit“! Es bedeutet auch in keinster Form „unrein“ oder „Schmutz“. Doch nur in 2:222 Stelle übersetzen gewisse Übersetzer dieses Wort anders.

Wieso erst dann, wenn es sich um Frauen handelt?

Traditionell wird gelehrt, dass eine menstruierende Frau spirituell und körperlich vor Gott unrein sei, und deshalb nicht beten, nicht fasten und die Pilgerfahrt nicht vollziehen dürfe. Der Koran, der alles erklärt (16:89; 6:114), was wir für unsere Rechtleitung benötigen, schränkt einzig und allein den Geschlechtsverkehr ein, wenn es um die Menstruation geht. Hätte Gott gewollt, dass Frauen nicht beten, nicht fasten und auch den Koran nicht lesen, so hätte dies Gott, Der weder wortarm noch vergesslich ist, mit Leichtigkeit erwähnen können. Sowieso enthält der Koran die Einzelheiten zu den Umständen, die dem Kontaktgebet im Weg stehen: Urinieren, Stuhlgang oder die spirituelle Unreinheit durch Geschlechtsverkehr (dschunub).

Eine menstruierende Frau hat zu beten und zu fasten und die Pilgerfahrt zu vollziehen. Sie kann den Koran auch zu jeder Zeit lesen. Falls die Menstruation eine erhebliche Beeinträchtigung ist und körperlich von der Frau viel abfordert, so kann sie das Fasten aufschieben (2:184f.). Jedoch ist dies keine allgemeine Regel und sehr individuell behaftet, da nicht jede Frau das Menstruieren als ein intensives Leiden erlebt.

Männer waren es, die diese Interpretation den Frauen aufgezwungen haben und wieder Männer waren es, die die menstruierenden Frauen von den Moscheen, vom Gebet, vom Fasten und vom Koran ferngehalten haben. Die patriarchalische Mentalität, welche die Frauen davon fernhält, Gott zu dienen, zu Gott zu beten und mit Ihm eine innige Verbindung aufzubauen wie etwa durch das Koranlesen, hat dafür gesorgt, dass sich viele Frauen, insbesondere die jungen Mädchen vor der Gesellschaft sehr verlegen fühlen können und ihnen das Gefühl gegeben, dass sie etwas im Körper haben, dass sie vor Gott unrein mache. Damit wurden sie in den Hintergrund gedrängt. Sie haben auch dafür gesorgt, dass auch die Frauen den Koran verlassen haben und von der Klage unseres Propheten angesprochen werden (25:30).

Die sogenannte Scharii’a, die durch die erfundenen und erlogenen Ahadith und mittels der Dutzenden Idschtihad der Gelehrten Jahrhunderte später eingeführt und dem letzten Propheten Gottes untergejubelt wurde (42:21), hat das diesseitige wie auch das jenseitige Leben der Muslime (arabisch für „Gottergebene“) ins Verderben geführt.

Die Gottergebenen, welche den Koran, den gesamten Koran und nur noch den Koran einhalten wollen, werden mit Gottes Hilfe und Erlaubnis diesen Aberglauben aufdecken und entlarven.

Die Geschichte von Moses und dem Gottesdiener

Eine im Koran sehr interessante Geschichte ist die Geschichte von Moses und einem Diener Gottes. Dieser Diener wird nicht näher benannt, doch es wurde ihm Wissen von Gott gegeben:

Dann fanden sie einen Unserer Diener, dem Wir Unsere Barmherzigkeit verliehen und den Wir Unser Wissen gelehrt hatten. [18:65]

Moses sagte zu ihm: „Darf ich dir folgen, auf dass du mich über das rechte Handeln belehrst, wie du gelehrt worden bist?“ [18:66]

Er sagte: „Du vermagst nimmer bei mir in Geduld auszuharren. [18:67]

Und wie könntest du bei Dingen geduldig sein, von denen dir keine Kunde gegeben worden ist?“ [18:68]

Er sagte: „Du wirst mich, so Allah will, geduldig finden, und ich werde gegen keinen deiner Befehle ungehorsam sein.“ [18:69]

Er sagte: „Nun gut. Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“ [18:70]

So machten sich beide auf den Weg, bis sie in ein Schiff stiegen, in das er ein Loch schlug. Er (Moses) sagte: „Schlugst du ein Loch hinein, um seine Mannschaft zu ertränken? Wahrlich, du hast etwas Schreckliches begangen!“ [18:71]

Er sagte: „Habe ich nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:72]

Er (Moses) sagte: „Stelle mich nicht meines Vergessens wegen zur Rede, und sei deswegen nicht streng mit mir.“ [18:73]

So zogen sie weiter, bis sie einen Jüngling trafen, den er erschlug. Er (Moses) sagte: „Hast du einen unschuldigen Menschen erschlagen, ohne dass (er) einen anderen (erschlagen hätte)? Wahrlich, du hast etwas Verabscheuliches getan!“ [18:74]

Er sagte: „Habe ich dir nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:75]

Er (Moses) sagte: „Wenn ich dich nochmal nach etwas frage, so begleite mich nicht weiter; von mir aus wärst du dann entschuldigt.“ [18:76]

So zogen sie weiter, bis sie bei den Bewohnern einer Stadt ankamen und von ihnen Gastfreundschaft erbaten; diese aber weigerten sich, sie zu bewirten. Nun fanden sie dort eine Mauer, die einzustürzen drohte, und er richtete sie auf. Er (Moses) sagte: „Wenn du es gewollt hättest, hättest du einen Arbeitslohn dafür erhalten können.“ [18:77]

Er sagte: „Dies führt zur Trennung zwischen mir und dir. Doch will ich dir die Bedeutung von dem sagen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest. [18:78]

Was das Schiff anbelangt, so gehörte es armen Leuten, die auf dem Meer arbeiteten, und ich wollte es beschädigen; denn hinter ihnen war ein König, der jedes Schiff beschlagnahmte. [18:79]

Und was den Jüngling anbelangt, so waren seine Eltern Gläubige, und wir fürchteten, er könnte Schmach durch Widersetzlichkeit und Unglauben über sie bringen. [18:80]

So wollten wir, dass ihr Herr ihnen zum Tausch (ein Kind) gebe, das redlicher als dieses und anhänglicher wäre. [18:81]

Und was nun die Mauer anbelangt, so gehörte sie zwei Waisenknaben in der Stadt, und darunter lag ein Schatz für sie (verborgen), und ihr Vater war ein rechtschaffener Mann gewesen; so wünschte dein Herr, dass sie ihre Volljährigkeit erreichen und ihren Schatz heben mögen – als eine Barmherzigkeit deines Herrn; und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen. Das ist die Bedeutung dessen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest.“ [18:82]

Bei dieser Geschichte handelt es sich um die Verdeutlichung genau einer Sache,  nämlich dass nichts so sein muss, wie es auf den ersten Blick scheint. Dies zu berücksichtigen hilft zu erkennen, dass der Mensch gar nicht in der Lage ist, die Geschehnisse, auf die er keinen Einfluss hat in ihrer letzten Konsequenz als gut oder schlecht zu bewerten. Gott steuert alles und es kann auch sein, dass eine augenscheinlich schlechte Tat in sich einen guten Kern trägt. Dies zu begreifen ist sehr schwierig, vor allem dann, wenn man bereits über ein festgefügtes Weltbild verfügt und einem der Blick für das Verborgene fehlt. Selbst die Propheten kennen nicht das Verborgene. Dies ist nur Gott bekannt und denjenigen, denen er dieses Wissen zu Teil werden lässt. Dies verdeutlicht auch die allegorische Bedeutung dieser Geschichte, denn niemand von uns kann behaupten, er habe Kenntnisse über das Verborgene. Meist sind wir Betroffene und Beobachter: wir sehen, dass ein Kind stirbt und halten es für ein grundsätzlich negatives Ereignis. Dies ist es auch, doch nicht im Lichte der Barmherzigkeit Gottes, denn womöglich wird dadurch ein noch viel größeres Leid verhindert.

Überlegen wir einmal: Der Fremde tötet einen Jüngling. Entweder ist der Jüngling ein guter Mensch, so erwartet er das Paradies und ist aller Prüfungen ledig. Für ihn eine an sich positive Situation. Dies sollten – bei aller Trauer – auch die Eltern nicht vergessen. Doch ist er ein schlechter Mensch, so ist sein Tod letztlich doch eine Erleichterung für die Eltern, die sie auf Grund des Trennungsschmerzes gar nicht wahrnehmen können, doch wird sie Gott letztlich darüber informieren, worüber sie sich grämten.

Der eine oder andere übereifrige Gläubige mag möglicherweise nun dazu neigen, in einer solchen Geschichte eine Aufforderung dazu sehen, plötzlich Dinge zu zerstören oder gar Menschen zu töten, wenn er bestimmte Dinge bzw. Situationen erwartet. Dies wäre jedoch eine grundfalsche Interpretation, denn es besteht ein Unterschied zwischen der Kenntnis und der Vermutung. In Vers 65 erfahren wir, dass der Fremde Wissen von Allah hatte. Wie anders hätte er erahnen können, wem das Schiff gehört und dass ein König Schiffe beschlagnahmt? Er wusste es nicht, doch Allah wusste dies.

Ebenso verhält es sich mit dem Jüngling. An dieser Stelle wird sogar der Plural (18:80) benutzt, während ein Vers zuvor der Fremde noch auf eigene Faust handelt, wenn er das Schiff zerstört. Man kann also sagen, dass in Vers 79 das Wissen durch eigene Taten genutzt wird, für die kein direkter Befehl Gottes vorhanden ist, während in Vers 80 der Fremde lediglich den Befehl Gottes ausführt.

Denselben Fall haben wir bei dem Schatz. Es wäre Anmaßend gewesen für den Fremden, zu entscheiden, ob nun der Vater oder die Kinder den Schatz finden sollten, da er nicht weiß, was die Zukunft bringt. Womöglich wäre der Vater ob des Reichtums dem Konsum verfallen und hätte alles verschwendet. Doch der Fremde stellt klar, dass er auch hier nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hat:

„[…]und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen.[…]“

Damit wird noch einmal ganz deutlich, dass diese Geschichte nur eine Parabel ist, die uns Demut gegenüber den Entscheidungen des Herrn lehrt. Ohne diese Demut würden wir es bei unserem Herrn nämlich nicht aushalten können, weil wir daran verzweifeln würden, da wir es  nicht greifen können. Wir stranden stattdessen bei der Frage, wieso Gott „Böses“ zulässt. Wieso er uns dieses oder jenes antut. Doch in Wahrheit ist es nur unser Denken, dass es zu etwas Bösem macht, doch alles, was Allah bestimmt ist in letzter Konsequenz doch gut und irgendwann wird Gott uns dies Deutlich machen, so wie der Fremde es auch Moses verspricht:

„[…]Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Allein Gott lehrt und erklärt die Lesung

Die Lesung ist ein Buch mit Geschichten, Gesetzen, Lehren, Gleichnissen, Herausforderungen und vielem mehr. Für viele von uns ist sie das erhabene, wundervolle Wort Gottes, unverfälscht vorhanden und geschützt, überliefert durch Seinen auserwählten Propheten Mohammed. Die Lesung ist für uns der Atemzug, ohne den wir nicht leben möchten, in der Tradition aller Propheten und Gesandten stehend, Frieden sei auf allen. Selbst die Ableugner der Lesung sind von ihm derart (aus ihrer Wahrnehmung heraus negativ) fasziniert, dass sie ihm viel Zeit und Raum schenken, sich damit auseinanderzusetzen.

Folgende Frage stellt sich für jeden von uns: Wie soll ich die Lesung verstehen? Sie ist nicht immer nach der Länge geordnet, enthält Aussagen, die man nicht immer gleich versteht. Verworrene Schachtelsätze in den Übersetzungen mit eingeschobenen Klammerausdrücken, Worte die in einem anderen als dem üblichen Sinn verwendet werden und die dichterische Erzählweise erschweren für den Anfänger den Zugang zur Lesung, vom Angebot an Kommentaren und der Interpretationen ganz zu schweigen.

 

20:114-115 Erhaben ist Gott, der wahre König. Und übereile dich nicht mit der Lesung, bevor dir gegenüber ihre Offenbarung vollzogen wurde. Und sage: „Mein Herr, mehre mich an Wissen!“ Und Adam legten wir früher schon eine Vereinbarung auf. Doch er vergaß. Und wir fanden bei ihm keine Entschlossenheit.

 

Die Lesung selbst gibt also zu verstehen, Geduld zu üben, bevor uns ihre Erklärung zuteil wird, ihre innere Wahrheit uns durch Gott eingegeben wird. Durch das Beispiel Adams können wir uns selbst ermahnen, auf der Suche nach der Wahrheit entschlossen zu bleiben und nach mehr Wissen zu bitten. Der Vers rät uns davon ab, eilige Schlüsse von einzelnen Versen oder einzelnen Sätzen zu ziehen, die aus dem Kontext gerissen wurden (noch nicht zu Ende eingegeben wurden).

Was ist die erste Regel, der erste Ansatz beim gründlichen Verstehen der Lesung? Und da liegt des Pudels Kern:

Keine Gottheit außer Dem Gott.

Es gibt einen Vers, der uns aufzeigt, wie unvorsichtig wir vorgehen, wenn wir über die Lesung sprechen, wie sehr wir uns in Verwirrungen steigern, und wie wir im Namen Gottes tiefgreifend Falsches aussagen. Und derselbe Vers beinhaltet eine wundervolle Ermahnung, welche uns von genau diesen Fehlern im Glauben abhalten will.

 

11:1 Alif Lam Ra. (Dies ist) ein Buch, dessen Verse festgefügt sind …

 

Diese Festfügung der Verse wird nochmals in einem anderen Vers (15:9) rhetorisch bekräftigt, woraus wir den Schutz der Lesung durch Den annehmen dürfen, Der sie selbst niedersandte. Auch in Vers 22:52 ist zu verstehen, dass Propheten den Verfälschungen von Satan ausgesetzt sein werden, Gott aber die List Satans auslöscht. Es ist also zu sehen, dass Propheten nicht fehlerlos sind, sondern dass im Endeffekt die Botschaft nur durch Gottes Wirken geschützt und verbreitet wird. Es gibt weder eine Auslassung noch eine Hinzufügung zu den Worten Gottes. Alle Verse, die unser Herr als Offenbarung zukommen lassen wollte, haben in diesem Buch Zugang gefunden und genießen den Schutz des Einen, des Höchsten.

Keine Gottheit außer Dem Gott.

Doch der Vers geht weiter:

 

11:1 … und hierauf dargelegt sind.

 

Das arabische Wort für „dargelegt“ (فصلت) ist gleichzeitig auch der Name für das 41. Kapitel der Lesung und bedeutet auch „detailliert“.

 

41:1-3 Ha Mim. Dies ist eine Herabsendung von dem Gnädigen, dem Barmherzigen; ein Buch, dessen Verse dargelegt sind, ein arabischer Koran für Menschen, die sich um Wissen bemühen.

 

Es ist also zweifelsfrei klargestellt, dass die Verse des Buches erläutert und dargelegt wurden. Insbesondere für die entschlossenen Menschen, die sich um Wissen bemühen. Daher ist es auch kein Wunder, dass einer der Beinamen der Lesung „mubīn“ (مبين) lautet, das heißt offenbar, klar und sich selbst erklärend.

Doch wer hat die Lesung selbst dargelegt? Lesen wir weiter im Kapitel „Hud“:

 

11:1 … und hierauf dargelegt sind von einem Allweisen und Allkundigen.

 

Und aus diesem Grund ist es auch ein zentraler und unumstößlicher Bestandteil unseres Glaubens zu sagen:

Keine Gottheit außer Dem Gott.

Denn Gott teilt uns mit, dass die Verse detailliert dargelegt wurden. Und Er teilt uns im selben Satz mit, dass Er es ist, Der die Lesung erklärt – und zwar in Seinen eigenen Versen (25:33). Es gibt keine andere Gottheit, die ebenso weise und kundig wäre, außer Dem Gott, Dem Weisen und Kundigen. Wenn wir einen bestimmten Vers nicht verstehen, so wird dieser in einem anderen Vers oder in anderen mehreren Versen erklärt und klargestellt. Manchmal beschränkt sich die Lesung nicht auf ein Buch, sondern beinhaltet ebenso die Natur und die Schöpfung. Dann müssen wir die Verse, die Zeichen aus der Natur ebenso kennen und verstehen, damit wir eine bessere Einsicht in Gottes schriftlich festgefügte Worte geschenkt bekommen.

Die Lesung wurde also dargelegt. Die Verse der Lesung wurden wiederum in der Lesung klargestellt. Menschen wie Buchārī, Muslim ibn al-Haddschadsch, Abu Dawud, Tirmiḏi oder Ibn Madschah sind mit ihren Büchern zu den größten Widersachern der Gottergebenheit (Islām) geworden, indem sie diese klar dargelegte Wahrheit mit ihren eigenen Worten und den Worten, die sie dem Propheten angedichtet und in seinen Mund gelegt haben, vermischten. Menschen wie Buchārī, Tirmiḏi, Malik Ibn Anas, Ahmad ibn Hanbal, An Nawawi, Ibn Babawaih, Abu Hureira und Konsorten sind zu falschen Gottheiten, Götzen, Beigesellten neben Gott und Idolen geworden, die die Gottergebenheit von innen infiltriert haben, Symbolbilder für den inneren Feind und die Erfinder des Mislam: Mainstream-Islām. Sie werden gedankenlos zu Autoritäten erhoben, die keine Autoritäten neben Gott sein können.

Keine Gottheit außer Dem Gott.

Aḥādīṯ, zu Deutsch Aussprüche, erklären die Lesung nicht, sie verwässern sie vielmehr mit neuen Worten und neuen Fragen, neuen (oft sinnlosen) Gesetzen, Aberglauben und teils gar Blasphemien. Sie erheben sich als eine weitere Autorität neben Gottes Wort, indem sie sich als „islamisch“ verkaufen. Sie verlangen von uns unbewusst, dass wir sie Gottes Wort beigesellen und uns somit der Kapitalsünde im Glauben schlechthin schuldig machen, nämlich des Schirk, der Beigesellung anderer Gottheiten und Autoritäten neben Gott. Diese Aussprüche stellen keine Prophetenworte dar. Der Prophet selbst war stets gegen die Niederschrift seiner persönlichen Aussprüche (Sunan Al-Daramy; Ibn Abdil Berr, Camiul Bayanil Ilm ve Fazluhu 1/64-65; Ibn Sad, Tabakat 5/140; Sahih al-Bukhari: 9.468 und 7.573), weshalb im ersten Jahrhundert kein Buch aufgeschrieben wurde, welches die persönlichen Worte des Propheten festhält.

Erst zwei Jahrhunderte später hat ein alter Perser namens Buchārī das erste sehr umfangreiche Buch zusammengestellt. Dabei gibt es große Ungereimtheiten in der Geschichte der Zusammenstellung. Denn im Buch Fatḥu-l-bārī von Ibn Hadschar Al-Asqalānī, einem der bedeutendsten Gelehrten des sunnitischen Islām, steht, dass Buchārī, der insgesamt 60 Jahre gelebt haben soll (810–870), aus 600 000 Aussprüchen seine Auswahl getroffen habe. Gehen wir davon aus, dass Buchārī in seinem Gebiet der Ḥadīṯ-Wissenschaften sehr gut war, sehr schnell reisen konnte und vorzügliche Menschenkenntnis besaß für die nötige Beurteilung der Überlieferer, so rechnen wir pro Klassifizierung eines einzelnen Ausspruchs insgesamt eine Stunde. Bei 600.000 Stunden ergäben dies 25.000 Tage oder ungefähr 68,5 Jahre (Schaltjahre nicht mitgezählt). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Buchārī natürlich schlafen, essen und weiterhin studieren musste. Wir gehen auch davon aus, dass er zudem betete, fastete und auch sonst sämtliche Rituale vollzog. Er schrieb auch andere Bücher, die auch Zeit kosteten. Es darf nicht vergessen werden, dass er sämtliche Wiederholungen eines Ausspruchs penibel niederschreiben musste, um seine von ihm begründete Klassifizierung und seine Theorie überhaupt belegen zu können. Schreiben Sie einmal einen längeren Ausspruch einschließlich der Überliefererkette von Hand ab und stellen Sie sich vor, Sie leben im neunten Jahrhundert ohne Computer und sonstigen Hilfsmitteln. Sie werden dann leicht einsehen, dass eine Stunde wirklich eine sehr kurze Zeit darstellt. Selbst wenn wir nur von der Hälfte ausgehen, also 300.000 Aussprüchen, so reicht das gesamte Leben des Buchārī immer noch nicht aus, um sein Werk zu begründen. Diese Darstellung wird von jemandem wiedergegeben, der als einer der bedeutendsten Gelehrten des sunnitischen Islām gilt, der für sein Buch Fatḥul-bārī sage und schreibe 25 Jahre benötigt haben soll, in diesen 25 Jahren aber diese einfache Rechnung nicht durchgeführt hat, um die Unglaublichkeit seiner eigenen Behauptung zu überprüfen.

Kurz gesagt sind die Aussprüche dem Propheten zugeschobene, erfundene Worte von Menschen, die Gott nicht zugehört haben und dachten, Gotteswort bräuchte ihre Arbeit, damit es vollständig sein könne. Sie haben Gottes Worte offensichtlich an vielen Stellen missachtet, denn nicht der Gesandte erklärt durch eigenes Zutun die Lesung, sondern:

 

55:1-2 Der Gnädige lehrt die Lesung.

 

Keine Gottheit außer Dem Gott,
dem einzigen Lehrer der Lesung!


In der Lesung wird uns erklärt, dass unser Herr Seine eigenen Verse wiederum dort erklärt. Gott ist derjenige, Der die Lesung offenlegt und dem Menschen das Vermögen schenkt, Seine Worte zu verstehen. Er gibt uns die Werkzeuge der Vernunft, der Logik, der Intuition und der Kreativität. Kein Wandel und keine Kraft ist möglich außer mit Gott (lā ḥawla wa lā quwwata illa billah – لا حول ولا قوة إلا بالله). Nicht zuletzt deshalb heißt es, dass Er die Art und Weise der Vorlesung festlegt und Seinem auserwählten Diener, Seinem menschlichen Postboten und Gesandten, nichts anderes auferlegt als die exakte und genaue Befolgung der Vorlesung. Und aus diesem Grund trägt die Lesung auch den arabischen Namen „Al-Qurʾān“ – zu Deutsch: das Vorgelesene, die Lesung.

 

75:18 Wenn Wir ihn vorlesen, folge seiner Lesung!
75:19 Dann obliegt es uns, ihn zu erläutern.96

 

Weitere Verse, die zeigen, dass der Gesandte die einzige und alleinige Aufgabe hatte, die Botschaft eins zu eins zu verkünden, ohne sie selbst zu erklären: 5:92, 5:99, 16:35, 16:82, 24:54, 29:18, 42:48, 64:12.

Kennen Sie die Lesung als Gesamttext also gut und folgen der arabischen Lesung möglichst genau, gibt es auch keine Hindernisse mehr, auch die zu Beginn nicht so verständlich erscheinenden Verse mit Gottes Hilfe zu ergründen. Dabei brauchen Sie keine Kenntnisse des Arabischen auf Expertenniveau:

 

41:44 … Ob fremdsprachig oder arabisch? Sage: „Sie ist für diejenigen, die glauben, eine Rechtleitung und eine Heilung.“ …

 

Ernähren wir uns geistig an den Lehren der Lesung, so können wir uns durch die Lesung zu den Vordersten zählen, die auf dem Weg der Wahrheit schreiten.

Unsere Aufgabe ist es nun, herauszufinden, welche Verse durch welche Verse erklärt und klargestellt werden. Unser Bestreben (Dschihad) sollte darin liegen, die Wahrheiten der Lesung mittels wiederum der Verse aus der Lesung zu vermitteln. Auch Sie können das, die Lesung ist kein Buch mit sieben Siegeln, sie ist nur ein Buch, die uns herausfordert, darin zu studieren.

 

54:17,22,32,40 Wir haben die Lesung zum Nachdenken leicht gemacht. So gibt es welche, die es bedenken?

 

Für jemanden, der sich durch falsche Idole, Götzen oder Gottheiten einschüchtern lässt, das Denken abgeschaltet hat und sich mit geistigen Krücken durch die Welt bewegt, Gott in eine Ecke schiebt und nicht ins Zentrum seines Lebens stellt, zu Faulheit neigt, lieber das irdische Leben mit seinen Verlockungen in Ableugnung genießen will, für den wird die Lesung verschlossen bleiben (17:45–46). Gott will aber durch Seine Lesung von uns, dass wir unser Potential in uns ausschöpfen, uns in Vernunft, Geduld und Weisheit üben und als Mensch insgesamt besser werden. Dies ist der Ausdruck Seiner Liebe und Fürsorge. Wir haben uns nur von den Viren des Denkens zu heilen und zuerst alles neben Gottes Worten in den Müll zu werfen, damit unsere Seele frei wird für die Lehren Gottes – für die richtige Lesung.

Keine Gottheit außer Dem Gott.

Unabhängigkeit von den Gelehrten zu üben und Gott als einzige Autorität anzunehmen ist der erste Schritt in Richtung der ursprünglichen Gottergebenheit. Nicht auf Gott zu hören, falschen Gottheiten wie Buchārī und Konsorten zu folgen, als hätten sie die Autorität im Namen des Propheten und dadurch kaschiert und verborgen im Namen Gottes sprechen zu dürfen, Gottes Wort weitere Wörter beizugesellen, selbst wenn es die persönlichen Worte eines Gesandten sein sollten, Gelehrten blind zu folgen, der Tradition unserer Väter blind zu folgen, Gottes Anordnungen durch Anordnungen von Menschen zu ersetzen (wie im Falle der Waschung vor dem Gebet), Gebote wie auch Verbote in Seinem Namen aufzuführen, die nicht in Seiner an uns offenbarten Lesung zu finden sind, Worte, die nicht von Gott offenbart wurden, als etwas von Gott Offenbartes zu vermitteln, Aussagen und Worte als Verse darzustellen, die keine Verse sind, oder aber auch umgekehrt das von Gott herabgesandte zu verheimlichen, die Aussagen der edlen Lesung auf Biegen und Brechen mit der eigenen Zunge anzupassen, sie zum Opfer unseres Geschwätzes werden zu lassen, all dies ist Ausdruck der Beigesellung (schirk), der Heuchlerei und des Lügens. Wer Gott nicht zuhört, der vernachlässigt die Begegnung mit Ihm im Jenseits.

 

75:20-21 Aber nein! Ihr liebt die Eile und vernachlässigt das Jenseits.

 

Es ist deshalb auch kein Wunder, dass Gott auch noch begründet, wieso Er die Lesung selbst erklärt.

 

11:3 … damit ihr nur Gott dient. Ich (als Gesandter) von Ihm bin euch ein Warner und ein Verkünder.

 

Klare Aufteilung: Gott erklärt die Lesung, Sein Gesandter hingegen warnt die Menschen und verkündet die frohe Botschaft. Und nicht zuletzt deshalb trägt der wichtigste Glaubenssatz in der Gottergebenheit (Islām), das Glaubensbekenntnis (schahādah), eine so tiefgreifende und weitreichende Bedeutung über eine bloße Glaubensformel hinaus. Und an vielen Stellen will uns Gott in Seiner Lesung daran erinnern, dass Er zu jeder Zeit die einzige Quelle der Leitung und der einzige Brunnen ist, aus dem das Wissen sprudelt. Und wiederum ist Er der Einzige, Der uns lehrt.

 

39:36 Genügt Gott seinem Diener nicht?

 

Jene, die Buchārī oder anderen ähnlichen Menschen folgen wollen, beantworten diese Frage unbewusst mit „nein, Gott genügt nicht“. Wenn sie nur wüssten, was sie damit anrichten!

 

39:45 Und wenn Gott allein erwähnt wird, verkrampfen sich die Herzen derer, die nicht an das Letzte glauben. Und wenn anstelle Seiner diese (Anderen) erwähnt werden, da sind sie freudig.

 

Jene, die mit Gott allein nicht zufrieden sind und erst dann Ruhe in ihrem Herzen empfinden, wenn Buchārī, Ibn Madscha, Abu Dawud, Abu Huraira und Konsorten erwähnt und als Quelle herbeigezogen werden, ja jene werden vom Verständnis der Lesung ausgeschlossen.

Nicht die Islamophoben von außen sind die größten Feinde der Gottergebenheit, sondern es sind im Inneren die Gelehrten selbst, weil sie zusammen mit der blinden unwissenden (dschahil) Zustimmung des Mainstreams die Ergebung in Gott (Islām), von innen heraus zersetzen und ihn zu einer dem Menschen fremden und Gott entfernten Lebensweise gestalten. Unabhängigkeit von den Gelehrten zu üben und Gott als einzige Autorität anzunehmen ist der erste Schritt in die Richtung der ursprünglichen Gottergebenheit.

Keine Gottheit außer Dem Gott,
dem einzigen Lehrer der Lesung!

Takiya / Taqiyya – Der Mythos des Lügens

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Einer der größten Mythen, die über den Islam im Internet kursieren und vor allem von islamophoben Menschen und aktiven Islamgegnern, die kein seriöses Wissen besitzen, verbreitet werden, ist der Mythos, dass Takiya (oder je nach Transliteration Taqiyah, Taqija, Taqiyyah oder Taqiyya – تقية) dem Muslim erlaube böswillig zu lügen, um Absichten zu vertuschen – insbesondere dann, wenn es „dem Islam dienlich“ sei. In hetzerischen Veröffentlichungen über den Islam wird ihnen immer wieder vorgeworfen, dass sie ihre „wahren Absichten“ verschleierten, im Konkreten die „Machtübernahme“ hierzulande und in Europa, und nach Außen ein anderes, „harmloseres“ Gesicht zeigten, als sie es eigentlich hätten. Das Interessante hierbei ist, dass der überwiegende Großteil der heute lebenden Muslime das Wort Takiya und die entsprechenden Verse nicht einmal kennt! Wie sollen diese also wissen, dass es ihnen angeblich erlaubt sei, zu lügen?

Dieses Scheinargument wird dazu verwendet, um dem Ansehen und dem Bild des Islam und dem Ansehen der Muslime zu schaden. So werden beispielsweise muslimische Prediger, die sich gegen die Zwangsheirat, Ehrenmord, Terrorismus oder Frauenunterdrückung und für die Demokratie, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, Wissenschaft und Gerechtigkeit aussprechen, schlicht als Lügner bezeichnet. Ihr Lieblingsargument: dieser Prediger würde sich doch lediglich auf Takiya berufen!

„Es gibt ja die Taquyya, die im Islam erlaubte Verstellung und Täuschung bei der Auseinandersetzung mit Ungläubigen. Die Ditib ist für mich die Materialisierung der Taquyya. Egal, wie die Antwort ausfällt: Ehrlich wird sie nicht sein. Das ist Taquyya. Die Erlaubnis für Muslime, Ungläubige zu belügen.“

Ralph Giordano, Schriftsteller


Erstens ist zu dieser Aussage zu sagen, dass im Islam nicht von „Ungläubigen“, sondern von Ableugnern (kuffar oder kâfirun, der Plural von Kafir) die Rede ist. Ableugner sind Menschen, welche die Wahrheit bedecken, vertuschen, verheimlichen oder verhindern, dass sie ans Licht gelangt. Rein theologisch wirft Herr Giordano den Muslimen also vor, dass sie gerade zu der Kategorie von Mensch gehören, der sie laut Koran auf keinen Fall angehören dürfen.

Takiya ist das Konzept des Überlebens in lebensgefährlichen Situationen. Zurück zu Takiya. Wir stehen vor einem logischen Paradoxon, wenn von nichtmuslimischer Seite her betrachtet wird. Wenn das Lügen aus welchen Gründen auch immer erlaubt wäre, wieso sollten man zugeben, dass man lügen darf? Wenn man lügen dürfte, dann würde man doch sicher auch lügen, wenn es darum geht, dass man nicht lügen dürfe. Wenn Muslime nicht lügen dürfen, dann müssen die Muslime sich daran halten und ebenfalls behaupten, dass man es nicht darf. Es kann nicht behauptet werden, dass man lügen dürfe, wenn die Muslime nicht lügen dürfen!

Aus diesem Grund werden die Islamgegner, welche einer blinden, religiösen Wut nachjagen und den konstruktiven Dialog in der Gesellschaft zu verhindern versuchen, egal was hier folgt dennoch dran glauben, dass Muslime lügen würden. Mit dem Ergebnis, dass die Muslime egal was sie tun dem negativen Bild nicht entgehen können. Sie sind bereits vorverurteilt – die Anklage wird bereits zur Verurteilung!

Der Begriff der Takiya ist somit ein Beispiel für islamisch nicht korrekt verwendete Begriffe, um religiöse Hetzerei zu treiben. Dieser Vorwurf hat im Islam keinerlei Grundlage. Der Fachbegriff Takiya wird in der einschlägigen Standardliteratur, welche für die Muslime gedacht ist, damit diese ihre Religion auch rechtens lernen, nie in diesem von den Islamophoben behaupteten Kontext verwendet.

Dieses fadenscheinige Argument dient Islamgegnern als Hauptargument gegen den Islam, sodass jeder positive Beitrag und jede positive Tat eines Muslims in Frage gestellt werden kann. Das Ziel dieser Menschen ist es, ein Bild vom Islam zu erzeugen und aufrechtzuerhalten, welches undurchsichtig, unmoralisch und gefährlich erscheint.

Was sagt der Koran zu Takiya?

In Wirklichkeit ist es islamisch gesehen verboten, zu lügen und zu manipulieren. Es ist dem Muslim keineswegs erlaubt, Unwahrheiten über den Islam zu verbreiten. Insbesondere wenn es darum geht, Dinge zu verheimlichen, damit im Gespräch diese Religion einem Nichtmuslim gefalle. Der Koran sagt jedoch unmissverständlich:

22:30 … und meidet das Wort der Lüge!

Dieser Vers allein reichte aus, um das unhaltbare Argument der islamophoben Menschen zu widerlegen. Gemäß Koran ist es auch nicht der Mensch, der einen anderen Menschen zur Rechtleitung verhilft, sondern nur Gott der Schöpfer. Nicht einmal Propheten können die Menschen rechtleiten oder zur Vergebung verhelfen (9:80, 28:56, 30:29, 43:40, 45:23). Wieso sollte also ein Bedarf auf muslimischer Seite bestehen, durch ungerechtfertigtes Lügen Gott dienen zu wollen? Würde man eine Falschaussage über den Islam machen, käme dies einer Erneuerung und Veränderung der Religion gleich. Dies ist jedoch im Islam strikt verboten. Neuerungen oder Modernitäten, oder aber auch Traditionen und Kulturen als Religion zu vermitteln ist so zu behandeln, dass es eine Beigesellung (shirk) weiterer Wesen zur Autorität Gottes bedeutet, die uns eine andere Religion vorschreiben, die nie von Gott verordnet wurde (42:21). Damit würde sich der Muslim theologisch gesehen vor Gott der Kapitalsünde schlechthin schuldig machen (4:48, 4:116).

Wieso sollte sich ein Gottergebener (ar.: Muslim) so verhalten, dass es Gottes Abscheu erregte?

61:2-3 O die ihr glaubt, warum sagt ihr, was ihr nicht tut? Welch schwerwiegende Abscheu erregt es bei Gott, dass ihr sagt, was ihr nicht tut.


Lassen Sie uns einen Blick in den Koran werfen, inwiefern Takiya erwähnt wird:

3:28 Die Gläubigen sollen sich nicht die Ableugner anstelle der Gläubigen zu Verbündeten nehmen. Wer das tut, hat nichts mit Gott, außer wenn ihr euch vor ihnen wirklich schützen müsst. Gott warnt euch vor Sich selbst. Und zu Gott führt der Lebensweg.

16:106 Wer Gott verleugnet, nachdem er geglaubt – den ausgenommen, der gezwungen wird, indes sein Herz im Glauben Ruhe findet – jene aber, die ihre Brust der Verleugnung öffnen, auf ihnen ist Gottes Zorn; und für sie ist eine gewaltige Strafe.


Im ersten zitierten Vers wird die Regel allgemein gehalten, während im zweiten Vers diese Regel ausgeführt und die Ausnahme behandelt wird, in der es für den Muslim möglich ist, seinen Glauben an den Islam und Gott zu verleugnen, wenn er dazu gezwungen wird – obwohl er im Inneren seines Herzens glaubt. Wohlgemerkt ist hier nicht davon die Rede, dass der Muslim lügen könne, um dem Islam zu dienen! Hier ist von der kompletten Verleugnung der eigenen Religion die Rede! Diese Fälle können auftreten, wenn Muslime Morddrohungen erhalten, durch Folter dazu gezwungen würden oder ihre Existenz fürs Leben sonst wie direkt bedroht wird. Es wird in der Geschichte überliefert, dass dies in der ersten Generation der Muslime geschehen sei. Nach der Überlieferung überlebte der Muslim Amar ibn Yasser die Verfolgung und Folter der Heiden und Beigeseller nur dadurch, indem er seine Zugehörigkeit zum Islam zurückwies. Seine Eltern taten dies hingegen nicht und wurden ermordet.

Die Erlaubnis zur Verleugnung seiner Religion in den oben erläuterten akuten Bedrohungssituationen bezieht sich vor allem auf Muslime, die sich in der Position einer unterdrückten Minderheit befinden. Gerade dies wird von den Hetzern ja nicht so gesehen. Hier wird also ein Ableugnen der eigenen Religion eher sogar noch provoziert, wenn nämlich die Situation entsteht, dass das öffentliche Ausleben der eigenen Religion bekämpft, nicht mehr toleriert und missbilligt wird und Anhänger einer Religion insgesamt unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Anders als es von Islamophoben und gewissen Orientalisten geglaubt und vor allem im Internet verbreitet wird, ist das Lügen im Islam verboten. Der Muslim hat sich an die Wahrheit zu halten. Noch gravierender wird es für den Muslim, wenn er Unwahrheiten über den Islam verbreitet, indem er bestimmte Regeln verändert, unumstößliche Prinzipien der Wahrheitshaltung auslässt oder Erneuerungen hinzu dichtet. Nicht einmal in Notsituationen dürfen islamische Regeln oder theologische Inhalte des Koran verleugnet werden! Das Lügen ist in diesen Fällen strikt verboten. Erlaubt ist lediglich, sich vom Islam loszusagen, wenn dadurch der eigene Tod oder auch der anderer wie etwa durch Folter oder Morddrohung vermieden werden sollte. Der Islam bietet also dem Muslim keinesfalls die Möglichkeit, Nichtmuslime über die Regeln und Glaubensinhalte der Religion anzulügen. Daher sind die Aussagen Giordanos und aller derer, die seiner Meinung zustimmen, schlicht und einfach falsch.

In der Geschichte fand die Takiya auch bei den Schiiten Anwendung, weil diese öfters von den Sunniten verfolgt und auch oft bedroht wurden. Sie erlebten durch die Hand vieler Sunniten Zwang oder Gefahr für Leib und Besitz und mussten ihre rituelle Pflichten missachten und den eigenen Glauben verheimlichen.

Das arabische Wort Taqiyya stammt von der Wurzel waqa (وقى) ab, was soviel bedeutet wie behüten, beschützen, bewahren, schützen oder sichern. In der Grundbedeutung dieser Wurzel wird also ersichtlich, weshalb es einem erlaubt wurde, in lebensgefährlichen Situationen den eigenen Glauben zu verleugnen – aus Schutz und zur Sicherung des eigenen Lebens und das anderer. Und interessanterweise ist auch genau diese Wurzel die Quelle des arabischen Wortes „muttaqii“, das als Bezeichnung für jemanden im Koran gebraucht wird, der sich gegenüber dem Bösen hütet, sich in Sicherheit bringt vor dem, was schädlich und verletzend ist und zu guter Letzt achtsam ist seiner Pflichten gegenüber anderen Menschen und vor allem Gott. Aus diesem Grund übersetzen wir dieses Wort „al-muttaqiin“, welches im Koran an 49 Stellen vorkommt, als die Achtsamen. Dieses Wort kommt im Koran oft in Verbindung mit denen vor, die Wahrhaftigkeit pflegen.

2:177 (Die Aufrichtigen sind diejenigen,) die ihre Vereinbarung einhalten, wenn sie vereinbarten, und die in der Not, im Leid und wenn es schlimm zugeht, geduldig sind. Das sind die Wahrhaftigen und das sind die Achtsamen

39:33 Diejenigen aber, die mit der Wahrheit kommen und sie für wahr halten, das sind die Achtsamen.


Takiya ist zusammenfassend gesagt das Konzept des Überlebens in lebensgefährlichen Situationen.

Zweideutigkeit gewisser Koranverse

Ich suche Zuflucht beim Herrn vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Erbarmers

Es ist im Koran öfters so, dass ein gewisses Wort, ein Satz, ein Versabschnitt oder gar mehrere Verse unterschiedlich verstanden werden können – wenn man das Arabische betrachtet. Ich verfolge die Methodologie, dass solange eine spezielle Lesart (die sich im Groben an die ursprünglich vokalisierte Fassung hält, aber die Vokalisation nicht als zwingend gegeben erachtet) dem Koran nicht widerspricht oder neue Widersprüche erzeugt, sie ebenso anzunehmen ist. Zweideutigkeit wird also nicht als Widerspruch, sondern als Bereicherung verstanden. Ein „sowohl-als auch“ statt eines „entweder-oder“.

Ich möchte hier gewisse Verse anführen, die man unterschiedlich oder zweideutig lesen kann. Die Auswahl ist subjektiv, da ich nach eigenem Ermessen die „interessanten“ Beispiele heranziehen will und die durchaus unterschiedliche Motivationen im Glauben aufwerfen können. Ich persönlich sehe JEDE dieser Lesarten als einen wesentlichen Inhalt des Islam an, solange sie keine Widersprüche im logischen Sinne oder mit den mehr oder weniger abgesicherten Tatsachen der heutigen Wissenschaften erzeugen.

 

Der Zweifel, den es nicht geben soll

Ein Beispiel, was ein Satzteil eines Verses an unterschiedlichen Bedeutungen ausmachen kann, ist „la rayba fihi“ aus dem zweiten Vers der zweiten Surah. Dieses Beispiel wird im von hier zitierten Artikel näher betrachtet:

In der ersten regulären Sure, der zweiten nach der gebetsformelhaften Eröffnungssure, heißt es in Bobzins Übertragung: „Dies ist das Buch, in dem kein Zweifel ist – es ist Geleit für Gottesfürchtige.“ Die Übersetzung „Buch“ ist ein Anachronismus, der jeden Leser unbewusst in die Irre führt, weil er suggeriert, der vorliegende Text sei zu gebrauchen wie das, was man in Buchhandlungen findet. Nun ist dieser berühmte Vers, der zweite der zweiten Sure, für koranische Verhältnisse von der leichtverständlichen, durchaus übersetzbaren Sorte, und doch lauern bereits hier alle Tücken. In der Übersetzung von Muhammad Asad, einem Text, den der Patmos Verlag aus dem Englischen ins Deutsche weiterübertragen lassen musste, heißt die Stelle: „Diese göttliche Schrift – keinen Zweifel soll es darüber geben – ist eine Rechtleitung für alle Gottesbewussten.“

Der Zweifel, den es nicht geben soll

Und schon der Zweifel, den es nicht geben soll. Glauben wir dem deutschen Professor oder dem intellektuellen Abenteurer und Islamkonvertiten deutsch-jüdischen Ursprungs? Wer die bei Asad schon anklingende elliptische Emphase mag, kann auch zu der Übersetzung von Ahmad Milad Karimi und Bernhard Uhde im Herder Verlag greifen. Um die deutsche Syntax wird hier kein Federlesens gemacht: „Dies die Schrift, darin kein Zweifel, Rechtleitung für die Gottesfürchtigen.“ So expressionistisch das klingt, man könnte einen oder sogar zwei klassische Übersetzungsfehler vermuten. Das Arabische kennt die Kopula „ist“ nicht, man muss sie also ergänzen. Aber handelt es sich überhaupt um einen Aussagesatz, wie Bobzin nahelegt? Wir schlagen in seinem zweihundertseitigen Kommentar nach. Dort steht: „Den Vers könnte man auch übersetzen: ‚Dieses Buch – kein Zweifel ist in ihm.‘“ Nun scheint wieder Asad mit seiner Fassung recht zu haben. Aber was heißt eigentlich, „darin“ sei kein Zweifel? Ist das nur schlechtes Deutsch für „daran“, eine Art sprachlicher Ansteckung durch das arabische fî, wörtlich „in“? Was soll es bedeuten, wenn ein Zweifel „in“ einer Schrift ist – außer dass sie angezweifelt werden kann? Dann aber hieße der Satz sinngemäß nichts anderes als: „Diese über jeden Zweifel erhabene Schrift ist ein Wegweiser für Gottesfürchtige.“

Genau so wird die Bedeutung klar, und doch wird in allen Übersetzungen ein Krampf daraus. Karimi und Uhde scheinen zu glauben, gerade die Treue zum Original sei besonders archaisch-expressionistisch. Bei Asad kommt es allein auf die ihm genehme theologische Stimmigkeit an – der Wortlaut, zumal bei dieser Zweitübersetzung aus dem Englischen, zählt gar nicht. Bei Bobzin wiederum schwingt die ganze Geschichte der abendländischen Koranrezeption mit. Daher das „Buch“, daher die um Genauigkeit an falscher Stelle bemühte Halbherzigkeit bei der syntaktischen Einordnung des „Zweifels“, daher das altertümliche, fast heideggerianisch anmutende „Geleit“ – eine Eskorte ist doch wohl kaum gemeint! Erfahrene Übersetzer würden diesen irreführenden Interpretationsmöglichkeiten nicht auf den Leim gehen. Genau das ist Teil des Problems: Alle Koranübersetzer, die neuen wie die alten, der gute alte Rückert ausgenommen, sind keine Übersetzer, geschweige denn erfahrene. Sie sind nur und allein Koranübersetzer und ansonsten Akademiker (Bobzin), Schwärmer (Karimi/Uhde) oder Gläubige mit einer spezifisch exegetischen Agenda (Asad).

 

Nahm sich Gott einen Freund?

Es ist eine sehr schöne Angelegenheit einen vertrauten Freund zu haben, mit dem seine Geheimnisse teilen oder auch zusammen arbeiten kann, ohne zu befürchten, von ihm verraten zu werden. Ein wahrhaftiger Freund kann mir auch näher stehen als nahe Verwandte. In Vers 4:125 soll es jedoch davon handeln, dass Gott solch einen Freund zu sich nahm. Ist es möglich?

Exemplarisch zitiere ich eine deutsche und auch eine englische Übersetzung, die dies behaupten:

ومن أحسن دينا ممن أسلم وجهه لله وهو محسن واتبع ملة إبرهيم حنيفا واتخذ الله إبرهيم خليلا

Khoury Und wer hat eine schönere Religion als der, der sich völlig Gott hingibt und dabei rechtschaffen ist und der Glaubensrichtung Abrahams, als Anhänger des reinen Glaubens, folgt? Gott hat sich Abraham ja zum Vertrauten genommen.

Khalifa Who is better guided in his religion than one who submits totally to God, leads a righteous life, according to the creed of Abraham: monotheism? God has chosen Abraham as a beloved friend.

Hierbei handelt es sich nicht um eine falsche Wiedergabe des Verses, sondern das durch die klassische Vokalisation übernommene Verständnis führt zur Annahme, Gott habe sich einen Freund genommen. Eine ähnliche Stelle im Koran ist auch:

ومن الناس والدواب والأنعم مختلف ألونه كذلك إنما يخشى الله من عباده العلمؤا إن الله عزيز غفور

35:28 Auch die Menschen, die Zug- und Lasttiere und das Vieh sind von verschiedenen Arten und Farben. Nur die Wissenden unter Seinen Dienern fürchten Gott. Gottes Allmacht und Vergebung sind unermesslich.

Die Reihenfolge der fett markierten, arabischen Worte ist anders als man es durch die Übersetzung vermuten würde, nämlich: … denn Gott fürchten einige Seiner wissenden Diener

In diesem Beispiel haben diejenigen, welche die Vokalisation vor ca. zwölf Jahrhunderten einführten, um das Lesen des Koran für Nichtaraber wie auch für Araber zu vereinfachen, aufgepasst. Sie setzten ein Fatha-Zeichen auf das Wort Allah. Der unkundige und unvorsichtige Leser würde sonst ein Damma-Zeichen voraussetzen und „Allahu“ lesen, was bedeutete, dass Gott sich vor den Wissenden fürchten würde.

Genauso verhält es sich bei Abraham und Seinem Herrn. Doch dieses Mal wurde ein Damma-Zeichen auf das Wort Allah gesetzt statt eines Fatha-Zeichens. Deshalb wird heutzutage verstanden, Gott hätte sich einen Freund genommen. Selbst auf Deutsch könnte es bei entsprechend knapper Ausdrucksweise zu solchen Verwechslungen kommen. Denn die Phrase „Gott nahm sich Abraham als Freund“ könnte auf zweierlei Arten verstanden werden:

  1. „Gott nahm sich den Abraham als Freund“  oder
  2. „Gott nahm sich der Abraham als Freund“

Derjenige, der damals die Vokalisation einführte, hat sich fälschlicherweise für die erste Möglichkeit entschieden. Diese Art der Interpretation, dass Abraham der Freund Gottes sei, ist ähnlich zur Bibelstelle Jesaja 41,8 und es lässt sich fragen, ob der Vokalisator von diesem Vers Bescheid wusste. Doch die entscheidende Frage kann hier gestellt werden: Braucht Gott einen Vertrauten? Gepriesen sei Gott über das, was behauptet wird ….

72:3 Und hoch erhaben ist Unser Herr. Er nahm sich weder Partnerin noch einen Sohn

Nein, nicht Gott ist es, der die Menschen braucht oder der Schwächen hat, die er jemandem anvertraut, oder der sich einsam fühlt und deshalb Freunde, Lebenspartnerin oder Kinder braucht. Es ist eher so, dass sich Abraham Gott als Vertrauten nahm. Gott, dem man alles erzählen kann, ohne zu befürchten, von ihm nicht ernst genommen zu werden, oder von Ihm verraten zu werden. Abraham, der in seiner Einsamkeit nicht einsam war, denn er hatte ständig einen außergewöhnlichen Freund neben sich, Der ihm immer wieder mit einem guten Rat weiterhelfen kann. So soll das Beispiel Abrahams nicht als Sonderfall gelten, sondern uns allen als Vorbild dienen, dass wir uns Gott in dieser Form annähern mögen.

 

Gott bezeugt oder wird als Zeuge genommen?

Ein weiteres, durchaus interessantes Beispiel aus Sura 2, die Kuh: die Verse 204 und 205. Unsere Übersetzung, das heißt, unsere Entscheidung für diesen Vers:

204 Und unter den Menschen gibt es den, dessen Rede dir im weltlichen Leben gefällt. Doch Gott bezeugt, was in seinem Herzen ist, dabei ist er der Übelste der Streitsüchtigen
205 Und wenn er sich abwendet, so strebt er auf der Erde danach, auf ihr zu verderben und den Acker und die Fortpflanzung zu vernichten. Doch Gott liebt nicht das Verderben

Im Vergleich dazu eine der gängigen deutschen Übersetzungen des entsprechenden Abschnitts: und er nimmt Allah zum Zeugen für das, was in seinem Herzen ist, und doch ist er der streitsüchtigste Zänker.

Die ganze Sache entscheidet sich an einer einzigen Vokalisation! Nämlich im Wort „Gott“ aus dem Vers 204. Die Vokalisation lässt sich wie folgt wiedergeben:

  • kurzes a: Fatha
  • kurzes i: Kasra
  • kurzes u: Damma
  • kein Vokal: Sukun

Der Akkusativ- wie auch Nominativfall sind die möglichen Fälle für diesen Vers. Setzt man den Akkusativ für Gott, also ein Fatha auf das „ha“ bei Allh, so endet der Satz noch lange nicht und der Mensch, dessen Rede rhetorisch eindrücklich sein soll, ruft Gott noch zum Zeugen auf für das, was er in seinem Herzen trägt – „Gott“ wird in den Akkusativ gesetzt, also zum Objekt des Bezeugens. In diesem Sinne übersetzen auch fast alle anderen Übersetzer (Khoury, Al Azhar, Ahmadeyya, Paret, Bubenheim, Rassoul, Bobzin und Zaidan als einige Beispiele), weil sie die klassische Vokalisation übernehmen. Natürlich weckt auch der nachfolgende Satzteil „wa huwa aladdu alkhisami“ den Eindruck, als sei der Satz vorher noch gar nicht beendet worden.

Setzt man jedoch den Nominativfall, also ein Damma auf das „ha“ bei Allh, so hat der Satz vorher seine grammatikalische Trennung erhalten und wird nun in einer folgenden Betrachtung weiter kommentiert. Nämlich dass Gott sehr wohl weiß, was in seinem Herzen ist. Gott ist also das Subjekt, welches bezeugt. Der nachfolgende Satzteil „wa huwa …“ greift dann inhaltlich gesehen wieder zurück auf den Redner. Von der Syntax her wäre es möglich, dass mit „huwa“ Gott gemeint wäre. Allerdings macht es vom Semantischen, also von der Bedeutung her überhaupt keinen Sinn, Gott als den „Übelsten unter den Streitsüchtigen“ zu bezeichnen – was jeglichem gesunden Menschenverstand und jedem Gottergebenen zuwider sein muss. Wir haben also zwei mögliche Bedeutungen:

  • Gott wird innerhalb einer Rede zum Zeugen aufgerufen; als Bekräftigung und Nachdruck für das, was der rhetorisch gewandte Redner im Herzen tragen soll
  • Gott weiß genau was in seinem Herzen (d.h. im Herzen des Redners) ist und sagt aus, dass Er darüber Zeuge ist.

Da die deutschen Übersetzungen bereits die erste Variante weitgehend verbreitet haben, legen wir mit unserer Übersetzung die zweite Variante vor und unterstützen beide Sichtweisen. Ungleich wie im Deutschen sieht man aber an den englischen Übersetzungen, dass beide Varianten vorkommen, wir also nicht die ersten sind, die so übersetzen (was uns aber erst bei der näheren Besprechung des Verses aufgefallen ist).

Inhaltlich an Vers 204 gebunden ist der nachfolgende Vers, Vers 205. Dieser ist zwar nicht mehr zweideutig von der Übersetzung her, doch gebunden an das Verständnis aus Vers 204. Die folgenden (nicht sehr wesentlich unterschiedlichen) Konsequenzen ergeben sich:

  • in der rhetorisch gewandten Rede wurde Gott als rhetorisches Mittel verwendet, sozusagen als Spiel mit den Gefühlen, ein Bluff; ein falsches Versprechen, zum Beispiel eines Politikers, der sich auf Gott beruft in seinen Aussagen – im Anschluss aber Unheil und Verderben anstiftet im Land (auf der Erde)
  • Gott wurde in der Wortkultur des Redners nicht zwingend zum Objekt und schließt somit auch alle die ein, die Gott nie in den Mund nehmen würden. Allerdings ist ihre Rede ebenso geheuchelt. Sie verstehen es zwar, die Menschen mit ihren Worten zu beeinflussen und zu manipulieren, doch vergessen dabei, dass Gott Zeuge über sie ist – nämlich was sie wirklich in ihren Herzen tragen, was ihre wahre Absicht ist hinter dieser Rede (21:110). Oder auch, ob sie das überhaupt ernst meinen, was sie sagen. Es kann auch aus einer sozialen Notwendigkeit herausgehen, so zu reden, wie sie reden.

Zu Punkt 2 gibt es noch einige weitere Betrachtungen, die man vornehmen kann: bezüglich den Heuchlern im Glauben gibt es zum Beispiel den Vers, der ihr Gebet als „Pfeifen und Klatschen“ (8:35) charakterisiert. Sehr viele von diesen können durchaus gut reden, doch ihr Glaube ist leer, nichts weiter als eine seelenlose Abfolge von Körperbewegungen und Einhalten von Ritualen. Bezüglich des „leeren Geredes“ gibt es ebenso Verse, die den Punkt weiter erläutern. So zum Beispiel all die Menschen, die zwar an Gott glauben, Ihn aber nicht beachten, wenn sie für sich alleine sind (70:27, 3:102, 8:29, 36:11, 64:16, 8:2, 35:18, 5:94, 21:49 uvm). In ihrem Herz hat Gott kein Gewicht und keine Wichtigkeit (71:13). Sie glauben aus sozialen Normen heraus und nicht aus Wissen, Herzensüberzeugung und gefühlter Nähe zu Gott. Das ist insbesondere auch dann zu sehen, wenn Sunniten oder Schiiten meinen den Islam zu leben, ihm aber in Wahrheit schaden (31:6) und mit ihrem Verhalten und ihrer Unterstützung dieses sozialen Gefüges dabei helfen, das Verderben auf Erden aufrechtzuerhalten. Insbesondere Vers 6:23 legt nahe, wie ignorant und unwissend die meisten Menschen über das Konzept der Beigesellung (shirk) sind. Shirk wird im Koran oft mit sehr negativen Handlungen verbunden, wie etwa politischer Unterdrückung oder gesellschaftlichen Fehlentwicklungen.

Somit sind all die Verhaltensweisen miteingeschlossen, die sowohl direkt wie auch indirekt dem Verderben auf der Erde dienlich sind. Anders gesagt helfen sie damit dem Teufel. Es ist wohl nicht nötig zu erwähnen, dass dies ein weiteres Beispiel nebst den zahlreich vorhandenen ist, dass der Koran sich selbst erklärt und deutlich, einfach, alles umfassend und detailliert (!) ist, sogar detaillierter als man es erwartet hätte. Das System des Koran ist wie ein lebendiger Organismus. Gott sei gepriesen!

Für den Gottergebenen, der zum Gläubigen aufsteigen will und Gottes Liebe sucht (denn Gott liebt die Verderbenden nicht), ergibt sich eine klare Konsequenz:

Lerne die Kunst des Wortes (Rhetorik), um dich nicht beeindrucken oder hinters Licht führen zu lassen und beobachte dich selbst in dieser Hinsicht, ob du auch so bist, wie du redest.

Als Abschluss dieser Betrachtung ein Koranvers, denn wessen Wort wäre geeigneter als letztes?

61:2 O ihr, die ihr glaubt, warum sagt ihr, was ihr nicht tut?
61:3 Großen Abscheu erregt es bei Gott, dass ihr sagt, was ihr nicht tut.

Die Ahlus sunnah ertränkt sich gerne in Widersprüche

Während Ahlu-l-quran, die Leute des Koran, den Koran als die einzige Religionsquelle sehen, betrachtet die Ahlus sunnah, die Leute der Sunna, nebst dem Koran Dutzende Hadith-Bücher ebenso als Religionsquelle(n). Gleiches gilt für die Ahlu-sch-Schiah und allen anderen Gruppierungen, die irgendeine weitere Quelle neben dem Koran heranziehen.

Wir leben in einer Zeit, in der die zeitgenössischen Persönlichkeiten, die bei den Menschen als “große Religionsgelehrte” gefeiert werden, mit den Ahadith nicht zufrieden sind wegen ihrer zahlenmäßigen Vielfalt und den Widersprüchen, die sie mit der Vernunft, dem Koran oder auch schon untereinander erzeugen. Aus diesem Grunde findet man heutzutage viele von ihnen auf dem Weg der Aussortierung dieser Ahadith. So gab das türkische Ministerium für religiöse Angelegenheiten bekannt, dass eine Gruppe von Gelehrten die Sammlung der Ahadith revidieren würde.

Wenn nun aber einige dieser Ahadith durch die Aussortierung im Müll landen, wird die Religion der Ahlu-s-sunnah nicht lückenhaft sein?

Die Gläubigen glauben an sämtliche von Gott herabgesandte Bücher, so auch an die Torah und das Evangelium. Der Grund, wieso die Gottergebenen dem Koran folgen und an ihm festhalten wollen, liegt im Versprechen Gottes, den Koran zu schützen. Ebenso in der inneren Widerspruchsfreiheit und in der Unterstützung seiner Botschaft durch wissenschaftliche und mathematische Zeichen. Nicht zuletzt liegt es auch an der Unsicherheit eines zum Beispiel beliebigen Verses aus den vier Evangelien als Gottes Wort. Selbst wenn dieser eine Vers keinen Widerspruch erzeugte, könnten wir nicht sicher sein, ob er zu 100% vom Schöpfer kommt. Der Koran ist das einzige Buch, welches sich durch die bereits erwähnten Zeichen in seiner Gesamtheit unter allen Büchern besonders hervortut.

Wenn nun die Leute der Sunna neben dem Koran weitere Partnerquellen wie die Ahadith akzeptieren, wieso begegnen sie diesen Gerüchten über die angeblichen Aussprüche unseres geliebten Propheten nicht mit derselben Unsicherheit? Wo doch offensichtlich zu sehen ist, dass die Ahadith untereinander widersprüchlich sind, sie teils gar dem Koran widersprechen, und dass einige von den Ahadith selbst laut den “Hadith-Experten” erfunden seien. Wie können wir es als Gläubige wagen, Gerüchte über den Propheten über das Evangelium, woran wir als Gottes Offenbarung glauben müssen, zu stellen?

Es mögen einige der Leute der Sunna hervortreten und meinen, dass der Unterschied darin bestünde, dass sich die Hadith-Sammler durch “besondere Charaktereigenschaften” hervorgetan hätten, sich “in jahrelangem Studium” befindend “größte Mühen und Strapazen” erlitten hätten, um “sicherzugehen”, dass nur die wahrhaftigsten Aussprüche in die Sammlungen gelangten. Diese Scheinargumente halten aber einer näheren Überprüfung einfach nicht stand.

Einer von ihnen meinte nichtsdestotrotz auch, dass wenn ein Hadith in Sahih Bukhari und Sahih Muslim als authentisch eingestuft wurde, er zweifellos als Prophetenwort zu sehen sei, da sich gerade diese zwei Persönlichkeiten unter allen Sammlern besonders hervorgetan hätten.

Ist es nicht so, falls beispielsweise in den Tausenden Ahadith aus Sahih Bukhari ein erfundener Hadith entdeckt wird, die Sammlung von Bukhari in Gefahr gerät? Die Standardfrage, die sich jeder aus den Leuten der Sunna stellen sollte: sowohl in Sahih Muslim wie auch in Sahih Bukhari finden sich als authentisch autorisierte Ahadith, welche die Steinigung als Gesetz Gottes beschreiben – im Namen unseres gütigen, liebevollen und sanftmütigen Propheten und im Namen unserer Hochreligion der Gottergebenheit (Islam)! Die Standardreaktion gibt zu erkennen, dass Widersprüche zum Koran abgelehnt werden müssten. Anders gesagt ist also ein nach ihrer eigenen Lehre autorisiertes Wort des Propheten abzulehnen, als ob der Prophet Gott widerspräche! Es gibt einige, die ihre Vernunft und die von Gott geschenkte Barmherzigkeit im Herzen vollkommen abgeschaltet und verdrängt haben, die aus Verzweiflung über den offensichtlichen Widerspruch die Ahadith verteidigen wollen und somit die antikoranische Steinigung als Gesetz akzeptieren. Wie viel Leiden und welch ein Ausmaß an Grauen wurden schon durch die angeblichen Worte unseres Propheten erlitten und erfahren!

Wohin denn nun?

Die Frage ist: wie kann ein Mensch heute herausfinden, welcher Hadith eine Lüge und welcher Wahrheit ist? Würden die Scheichs und Absolventen der Al-Azhar Universität der Kürzung der Ahadith zustimmen, die vom türkischen Religionsministerium vorgenommen wird? Wenn ja, weshalb? Wenn nein, wieso nicht? Wem sollen wir vertrauen? Sind nicht alle ausgewiesene Religionsgelehrte, die Wissen haben sollten? Wieso sieht der Islam in der Türkei zum Beispiel in rein religiösen Ritualen wie das Gebet anders aus als in Tunesien?

Die gemäßigten aus den Leuten der Sunna meinen, dass man einen Hadith akzeptieren sollte, solange er dem Koran nicht widerspricht. Wieso akzeptieren diese dann nicht die Aussprüche von Jesus in den vier Evangelien genauso, wo ihnen doch im Koran befohlen wird, keinen Unterschied zwischen den Gesandten zu machen? Sie ziehen es aber stattdessen vor, den Evangelien gegenüber misstrauisch zu bleiben, aus dem der Koran Zitate anführt!

Es ist für die Menschen zu schwer, die ihre Vernunft nicht einschalten, die vom Weg des Unsinns nicht abkommen können und die zu stolz sind, zu den wahren Folgern des Koran zu gehören. Sie steuern sich selbst in die Widersprüche hinein. Statt am Koran festzuhalten, die Ahadith vollständig aus ihrem Leben als Partner neben Gottes Wort zu verbannen und lediglich den Gesetzen, Geboten und Verboten des Koran zu folgen, ziehen sie es vor, Büchern Glauben zu schenken und ihnen zu folgen, die von ihnen verlangen Muscheln nicht zu essen, von Saiteninstrumenten fern zu bleiben, schwarze Hunde zu töten, Gold und Seide zu verbieten, Ehefrauen nicht weiter weg als 90 km alleine gehen zu lassen und einigen weiteren ähnlichen Irrsinn zu praktizieren.

Sie sagen, dass der Islam Geschlechtertrennung kennen würde, aber benutzen öffentliche Verkehrsmittel, wo keine Geschlechtertrennung vorhanden ist.
Sie sagen, dass das Einschalten des Verstandes eine Pflicht im Islam sei, doch gebieten im nächsten Atemzug, nicht zu hinterfragen und niemals zu zweifeln und sich die Antworten von einem Gelehrten geben (“vorkauen”) zu lassen.
Sie sagen, dass der Islam nichts anderes als Frieden bedeutete, folgen aber Hadith-Büchern, welche unsere jüdischen Geschwister versteckt oder offen als Unheilstifter beschreiben.
Sie sagen, dass die Einheit Gottes der zentrale Kern der Religion und Ihm andere Partner beizugesellen nichts anderes als Shirk sei. Sie fühlen sich auch sehr wohl dabei die Menschen zu kritisieren, die an die Dreifaltigkeit glauben wollen. Doch selbst haben sie keinerlei Mühe, neben Gottes Wort, dem Koran, weitere Partner wie Bukhari oder auch Tirmidhi beizugesellen, die nie eine Autorität von Gott erhalten haben und nur Namen sind, die unsere Vorväter uns beibrachten.
Sie sagen, der Koran stünde über alle anderen islamischen Quellen, doch nehmen stillschweigend in Kauf, dass gewisse Ahadith Koranverse für ungültig erklären!

Eigentlich folgen sie keinem irrsinnigen Hadith. Sie ähneln vielmehr den Mönchen, die das Mönchstum erfanden aber nicht einmal ihrer eigenen Lehre richtig folgten. Die Leute der Sunna lieben den Widerspruch.
Sei es doch auch nur ein kleiner.
Sie können nicht loslassen – ein Rausch, der sie im Griff hat.
Und die meisten wissen und sehen es nicht.

Wenn ihre Herzen nur wüssten!

Am Koran festhalten

von Prof. Dr. Bayraktar B.
aus dem Türkischen von Kerem A.

Um sicher am Koran festhalten zu können erfordert es, dem Koran zu folgen, ihn ins eigene Leben zu übertragen und sich ihm zu unterordnen. Wenn wir uns eng an den Koran halten, wird er uns Ehre einbringen. Denn wer sich an ihm festhält, wird dadurch mit Würde beschenkt und ihm wird Ehre zuteil.

Einer der Wege, die Probleme der HEUTIGEN islamischen Gemeinschaft zu erkennen und zu lösen, wird sein, die unten zitierten Verse in ihrem Inhalt umzusetzen. Die Verse lauten wie folgt:

“Halte fest an dem Koran, den Wir dir offenbart haben! Du bist auf dem geraden Weg. Das ist eine Ehre für dich und dein Volk. Und ihr werdet (davon) zur Verantwortung gezogen.” (43 Az-Zukhruf, 43-44)


Auch wenn die Verleugnenden und die Heiden sich über Sie lustig machen und sie der Offenbarung Gottes den Rücken zukehren und ihm nicht zuhören, so müssen Sie an dem festhalten, was Ihnen offenbart wurde. Das heißt, Sie sollten den Koran gut verstehen und ihn den Menschen erklären und näher bringen, ihn im eigenen Leben umsetzen. Denn der Koran, der Ihnen offenbart wurde, begründet den geraden Weg, der zu Gott führt.

Das bedeutet, dass man am Koran festhalten muss, um auf dem rechten Weg sein zu können. Wir können folgendes für unsere Zukunft schließen: der Erhabene Gott befiehlt dem Propheten, sich an dem festzuhalten, was ihm offenbart wurde. Derselbe Befehl betrifft auch uns. Denn der Prophet ist nun verstorben, doch dieser Vers wird bis zum Jüngsten Gericht weiterleben. Deshalb ist dieser Befehl auch an uns gerichtet.

Halten nun die Muslime am Koran, also an der Offenbarung Gottes fest, oder den Fatwas der sogenannten Aliim (Religionsgelehrten)? Da liegt des Pudels Kern aller Fehler.

Der Mensch kann es bei all den Arbeiten nicht abschätzen wo er nun gerade steckt und deshalb möchte er wissen, wo er jetzt ist. Der Erhabene Gott sagte seinem Propheten, dass er auf dem rechten Weg war und beleuchtete dadurch seinen bevorstehenden Weg. Wenn wir uns auch fragen wo wir stehen, so müssen wir uns fragen, wie es um unsere momentane Beziehung zum Koran genau bestellt ist. Halten wir fest am Koran? Oder wessen Vorstellungen nehmen wir als Religion an?

Gerade die Antworten zu diesen Fragen werden bestimmen, wo wir jetzt stehen. An welchen Ideen halten wir fest? Sind unsere Aussagen über die Religion gegenüber anderen Menschen und uns selber die Offenbarung Gottes oder die Vorstellungen der Menschen? Die objektive Antwort zu dieser Frage wird uns mitteilen, wo wir gerade sind.

Wie können wir am Koran festhalten, den wir nicht studieren, verstehen und nicht ins Leben übertragen? Wir halten an anderen Dingen fest. Wir halten am Koran nicht gleichermaßen fest, wie wir an menschlichen Vorstellungen festhalten. Woran halten wir fest, wenn wir den Koran zur Seite stellen? “Mit dem Vers zuvor können wir folgern, dass der Koran euch Ehre schenken wird, wenn ihr euch an ihm festhaltet.” Doch wie können wir vom Koran die Ehre erhalten, womit sollen wir an ihm festhalten? Die Antwort zu dieser Frage können wir mit den folgenden Versen geben:

a) “Wir haben ja ein Buch zu euch hinab gesandt, in dem eure Ehre liegt . Begreift ihr denn nicht?” (21 Al-Anbiyâ, 10).

Das heißt, um mit der Ehre des Korans geehrt zu werden, muss man den Verstand gebrauchen, sich dem Koran mit der Vernunft annähern. Den Koran mit der Vernunft zusammenzubringen bedeutet einen Gewinn an Ehre:

b) “Ich folge nichts anderem als dem, was mir offenbart wird.” (10 Yunus, 15).

Zu wissen, was der Religion unterliegt, und dieses Wissen im Leben umzusetzen, wird Ehre bringen. Um am Koran festhalten zu können muss man sich ihm unterordnen, ihm folgen und ihn ins Leben übertragen.

Vom Ausdruck “Das ist eine Ehre für dich und dein Volk.” verstehen wir, dass der Koran sowohl der Einzelperson als auch dem Volk Ehre schenkt. Wenn der Mensch sich dem Koran nähert, ihn gut versteht und aus aller Kraft und nach seinem Vermögen ihn im Leben umsetzt, so wird er die Ehre erhalten. Wenn eine Gesellschaft all dies vollbringt, so wird sie gleichzeitig auch geehrt.

Man sollte die Äußerung “dein Volk” im Vers in einer sehr breiten Bedeutung verstehen. Er meint nicht nur das Volk zu Lebzeiten des Propheten oder das arabische Volk. Er umfasst auch alle echt muslimischen, das heißt Gott ergebenen Völker bis zum Jüngsten Gericht. Der Koran ist eine Quelle der Ehre. Wenn die Zeit kommt, also irgendwann in der Zukunft, werden Sie für ihre Haltung gegenüber dem Koran zur Rechenschaft gezogen. Auch unser Prophet wird sich verantworten müssen. Sie werden über Ihre Annäherung, Haltung und Beziehung zum Koran, der die Quelle von Ehre ist, hinterfragt werden.

Abschließend können wir sagen, dass wir an Ruhm, Ruf, Prestige, Ehre, Stolz und Ansehen gewinnen, wenn wir den Koran eingehend lernen, gut verstehen, angemessen erklären und den Herzen und dem Leben der Menschen nahe bringen. Die Religionsgelehrten und Lehrer müssen dies machen. Dieser Auftrag bildet die unabdingbare Voraussetzung für die religiöse Erziehung. Es muss das Ziel der religiösen Erziehung sein, Wege zu öffnen, um den Koran von Hirn zu Hirn, von Herz zu Herz, und von Leben zu Leben zu übertragen. Die Menschen mit dem Koran zusammenzubringen bedeutet, sie an die Quelle der Ehre heranzuführen.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beispiel 2 – Kāfir: Der Mensch als Ableugner

Wer ungläubig scheint,
kann in Wahrheit gläubig sein.

Dieser Satz fasst das Ergebnis dieses Beispiels zusammen. Der Begriff Kāfir (كافر) wird in den gängigen Übersetzungen oft mit „Ungläubiger“ übersetzt. Leider wird in anderen, durchaus bekannten, sich als muslimisch ausgebenden Plattformen dieser Begriff offen und in voll abwertender Bedeutung auf alles „nichtmuslimische“ angewandt. Dieser Zustand ist höchst bedauerlich. Daraus resultieren auch manchmal verständliche empörte Reaktionen derjenigen, die an keinen Gott glauben wollen, weil sie glauben, dass diese (rassistische) Haltung allgemein aus der Lesung abgeleitet wird. Die von bestimmten Gruppierungen übliche pauschale Betitelung eines Nichtmuslims als „Kāfir“ wirkt in der Tat mittlerweile wie ein rotes Tuch. Aber auch „muslimische Abweichler“ vom sog. „rechten Glauben“ (und das scheint die Mehrheit zu sein) werden in bestimmten Kreisen geradezu mit Wonne und inflationär den Kāfirūn oder Kuffār (كفّار , plural von Kāfir) zugerechnet. Deshalb ist bei der Beschreibung der Kāfirūn geboten, sich Folgendes zu merken: Ein Ablehner oder Ableugner zu sein, hat nicht zwingend allein mit einem Glaubensbekenntnis zu tun, sondern mit bestimmten Wesenszügen. Hierbei stehen immer die inneren Werte im Vordergrund und nicht, wie viele glauben, das Aussprechen eines Bekenntnisses. Denn laut der Lesung ist das bloße Aussprechen eines Bekenntnisses kein Zeichen wahren Glaubens (2:8–10).

Die nachfolgende Liste soll deutlich machen, dass ein Ableugner nicht lediglich jemand ist, der sich nicht zum gottergebenen (muslimischen) Glauben bekennt, sondern auch ein offizieller Gottergebener sein kann, der beispielsweise gewisse Regeln der Gottergebenheit zu seinem eigenen Vorteil auszulegen versucht. Einem Menschen steht es nicht wirklich zu, andere Menschen als Ableugner im von Gott verurteilten Sinne zu betiteln; dieser Urteilsspruch steht am Jüngsten Tag allein Gott dem Allweisen und Allwissenden zu. Deshalb sollte folgende Liste nicht dazu dienen, die Fehler bei anderen zu suchen, sondern wohl eher dazu, dass wir uns selbst an der eigenen Nase fassen und an uns arbeiten, damit unsere Seele im Positiven gedeihen kann! Kurz gesagt: Diese Liste dient für die Selbstüberprüfung und nicht für die Verurteilung anderer Menschen. Im Gegenteil, die Lesung Gottes mahnt uns, dass wir ihnen stattdessen mit Vergebung entgegentreten sollen:

 

45:14–15 Sprich zu denen, die glauben, sie mögen denen vergeben, die nicht mit den Tagen Gottes rechnen, auf dass Er die Leute für das belohne, was sie verdienen. Wer Gutes tut, tut es zu seinem eigenen Vorteil. Und wer Böses tut, tut es zu seinem eigenen Schaden. Zu eurem Herrn werdet ihr dann zurückgebracht.

45:18–19 Dann brachten Wir dich auf einen klaren Pfad in der Sache des Glaubens: So befolge ihn, und folge nicht den Launen derer, die nichts wissen. Sie können dir vor Gott nichts nützen. Diejenigen, die Unrecht tun, sind einander verbündet. Gott aber ist der Verbündete der Rechtschaffenen.

 

Ayman Teryaki, mein werter Freund, schrieb zu diesem Vers den folgenden Satz, dem ich nichts hinzuzufügen habe:

 

Dass Gott uns aus Seiner Barmherzigkeit Sein Wissen gab, heißt nicht, dass wir Anderen gegenüber überheblich sein dürfen. Andere zu verurteilen, gilt sicher nicht als Pluspunkt bei unserem Herrn. Nur wer rechtschaffen handelt und sich unter Gottes Willen verbündet, kann von Gott Beistand erhalten.

 

Außerdem tauchen dermaßen viele verschiedene Faktoren auf, dass Sie sie sicherlich nicht alle bei einem einzigen Menschen finden werden. Die meisten der genannten „Eigenschaften der Ableugner“ könnten sowohl auf Gottergebene als auch auf solche zutreffen, die nicht Gott ergeben sind.

Es darf natürlich nicht vergessen werden, und das ist bei solch einer Auflistung schlichtweg unmöglich darzustellen, dass die Eigenschaften auch in der Lesung nochmals verschieden bewertet werden. Beispielsweise ist die einzig unverzeihliche Eigenschaft des Menschen das Ableugnen der Einheit Gottes – damit verbunden auch die Ableugnung des Jüngsten Tages, wenn sie unveränderlich bis zum Tod beibehalten wird. Dies ist uns aus den vorigen Kapiteln als Beigesellung bekannt. Alles andere ist verzeihlich. Doch nur Gott kann verzeihen, weswegen wir stets um Vergebung bitten müssen. Niemand ist ohne Sünde, so dass er ohne Vergebung auskäme (35:45, 16:61). Die Mindestkriterien zum Erlangen des Seelenheils und um in die Barmherzigkeit Gottes auch am Jüngsten Tag aufgenommen zu werden sind, dass ein Mensch, ob er sich „Muslim“ nennt oder nicht, an Gott und an das Konzept der Verantwortlichkeit für die eigenen Taten (also an das Jüngste Gericht) glaubt und gute Werke vollbringt (2:62, 5:69).

 

2:64 … Ohne die Huld Gottes gegen euch und seine Barmherzigkeit wärt ihr gewiss unter den Verlierern.

 

Gelobt sei der Herr aller Welten und jeglicher Dank gebührt Gott für seine großzügige, allumfassende Barmherzigkeit.

Menschen können nicht in die Herzen ihrer Mitmenschen blicken. Wir sollten deshalb auch nicht urteilen. Wer ungläubig scheint, kann in Wahrheit gläubig sein. Viele hungern und dürsten im geistigen Sinn, aber sie finden keinen Ausweg und hängen sich deshalb an vergängliche, meist irdische Dinge, obwohl wir uns und unser Herz zuerst an Gott hängen sollten. Ein Fehler ist der, dass die „Gläubigen“ sich anmaßen fromm und besser als die „Ungläubigen“ zu sein. Das ist eine Sünde, denn:

 

Lukas 14:11 Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

 

Vor Gott zählt der Mensch mit seinen rechtschaffenen Taten und nicht der Status (49:13).

 

Verwendung des Wortes „Kufr“ in der Lesung

Wenn wir das Verbalnomen „Ableugnung“ (kufr) betrachten, so werden wir in der Lesung sehen, dass damit nicht nur der spirituelle Aspekt gemeint ist, also nicht nur „Unglauben an eine Gottheit“. Beispielsweise werden in 57:20 die Säleute als „kuffār“ bezeichnet: Arbeiter auf dem Feld, die den Boden bestellen. In dieser Verwendung der Wurzel kāf-fā-rā sehen wir bereits die Grundbedeutung: Das „Verbergen“ oder „Bedecken“ irgendeiner Sache oder Angelegenheit, in 57:20 also das Verbergen des Samens in der Erde.

In vielen Fällen wird das Wort „kufr“ im Sinne einer „Undankbarkeit“ verwendet.106 Meistens aber wird das Wort als Gegenteil von Glaube (Īmān) verwendet. Daher erhält dieses Wort auch die Nebenbedeutung von „jemand, der nicht an Gott glaubt“ oder auch jemand, der „ständig alles anzweifelt und die Wahrheit innerlich oder äußerlich ableugnet“ (ich erinnere an die vorigen Kapitel, in denen ich erklärte, dass Īmān mit einer gesicherten Überzeugung zu tun hat). Ich hatte in unserer Methodik die semantische Ebene betont. Das heißt, wenn ein Wort als klares Gegenwort zu einem anderen Wort steht, erhält es beträchtlichen semantischen Wert als das Gegenwort. Nichtsdestotrotz ist dies nur eine Nebenbedeutung, der in der Lesung am meisten Gewicht verliehen wurde. Im Versuch, ein all diese Kategorien von kufr umfassendes Wort zu finden, entschieden wir uns in unserer Ḥanif-Übersetzung für „Ableugnung“ und dementsprechend ist ein Kāfir also ein Ableugner.

Die Ableugung ist jedoch keine rein dogmatische Kategorie, die sich am Fehlen und am Ableugnen der Glaubensbezeugung (schahādah) erkennen ließe, sondern stellt eine Lebenshaltung dar, die aktiv und bewusst auftritt. Dies ist besonders daran zu erkennen, dass die Ableugnung immer wieder im Sinne einer Undankbarkeit verwendet wird, denn in Undankbarkeit verbirgt man die Gaben und die Gunst Gottes und allgemein betrachtet verbirgt man also wissentlich die Wahrheit. Dieses Ableugnen findet meist als aktive Zurückweisung statt. Nicht von ungefähr werden dann in der Lesung mit diesem Wort Haltungen verknüpft, die als aktiv arrogant und unterdrückerisch beschrieben werden.

Wer ungläubig scheint, kann in Wahrheit gläubig sein.Ableugnung darf infolgedessen nicht mit der rein religiösen oder weltanschaulichen Ablehnung des Monotheismus in Verbindung gebracht werden. Es ist äußerst interessant, wenn wir sehen, dass ein solcher Ableugner laut der Lesung früher gar das Vorhandensein einer solchen Gottheit anerkannte (2:61–63; 31:25; 33:9,78), aber keine Konsequenzen daraus zog, wie etwa sich selbst und seine eigene Lebensweise auf politischer, soziologischer und kultureller Ebene zu ändern (9:34,35; 13:18).

Die 525 Stellen in der Lesung, welche die Wurzel kāf-fā-rā (ك ف ر) betreffen, kommen in insgesamt 465 Versen vor. Dabei werden die nachfolgend aufgeführten Formen der Wurzel verwendet, wobei ich hierbei daran erinnern möchte, dass die klassisch-arabischen und nicht die modernen Bedeutungen des heutigen Standardarabisch untersucht werden.

  • 289 Mal als das Verb des ersten Verbstammes: ableugnen (kafara – كَفَرَ)
  • 53 Mal als das Verbalnomen des ersten Verbstammes: Ableugnung (kufr – كُفْر; kufrān – كُفْرَان; kufūr – كُفُور; kafūr – كَفُور, letzteres im Sinne von Undankbarkeit)
  • 157 Mal als das aktive Partizip als Singular oder Plural des ersten Verbstammes: Ableugnende/ableugnend (kāfirūn – كَٰفِرُون und kuffār – كُفَّارٌ ; synonym dazu fünfmal kaffār – كَفَّار als Adjektiv oder Nomen), ableugnend (kāfira – كَافِرَة) und Ableugnender/Ableugner (kāfir – كَافِر)
  • 14 Mal als das Verb des zweiten Verbstammes: verbergen/entfernen/zurückweisen (kaffara – كَفَّرَ), auch im Sinne von wiedergutmachen oder Sühne
  • Viermal als Nomen abgeleitet vom zweiten Verbstamm: „Sühne“ (kaffāra – كَفَّٰرَة)
  • Einmal als das Verb des vierten Verbstammes: Ableugnung veranlassen, undankbar sein (ʾakfara – أَكْفَرَ)
  • Einmal je nach Sichtweise als das Nomen Kampfer oder als das Adjektiv entlastend (kāfūr – كَافُور) und einmal als das Nomen „Ableugnende“ (kawāfir – كَوَافِر)

Wir sehen also deutlich, dass die Grundbedeutung eher im „Verbergen“ liegt und sowohl negativ (in Bezug auf die Ableugner und Undankbaren) als auch positiv (das Verbergen von Sünden: Die Sühne) verwendet werden kann. Die Lesung zeigt uns vor allem auf, dass das „Ableugnen“ immer auch ein Bezugssystem braucht, man also je nach Kontext ein „erwünschter Ableugner“ oder „unerwünschter Ableugner“ sein kann. So etwa, wenn Abraham zu seinem Volk sagt, dass er sie ableugnet im Sinne von Ablehnung der Falschheiten. Insofern war Abraham ein Ableugner, nur in einem anderen Kontext! (60:4)

Ein Beigeseller (muschrik) ist des Weiteren per Definition auch ein Ableugner (kāfir), da er mindestens dem Prinzip der absoluten Einheit Gottes (tawḥīd) widerspricht, indem er beispielsweise die absolute, alleinige Autorität Gottes in der Religion nicht in vollem Umfang akzeptiert, sondern in anderen Worten diese Wahrheit vor sich selbst oder anderen verbirgt. Er lehnt das Prinzip ab, leugnet es also in seinen Grundzügen. Ein Ableugner hingegen verbirgt die Wahrheit, um sein eigenes Ego, sein Selbst (nafs) zu schützen, weshalb er sich selbst Gott beigesellt, statt sich allein Gott zu ergeben.

Die Begriffe Ableugner und Beigeseller sind zwar unterschiedliche Worte, doch es gibt keinen Ableugner, der kein Beigeseller ist und umgekehrt genauso. Die beiden Begrifflichkeiten beschreiben verschiedene Aspekte desselben Zustands, in dem sich der Mensch befindet. Leugnet man die Wahrheit ab, so gesellt man eine Unwahrheit bei und folgt seinen eigenen Neigungen. Die eigene Neigung wird also beigesellt. Gesellt man Gott etwas bei, so wird die Wahrheit der Einheit Gottes abgeleugnet, man ist also ein Ableugner.

Weitere wesentliche Merkmale von Ableugnern:

  • Halten sich nicht an Friedensverträge, die sie unterschrieben haben, kooperieren mit den Feinden. (9:4)
  • Geben keine Acht auf die Rechte der Anderen, wie Freiheit, Sicherheit und Wohlstand der Gesellschaft. (9:7, 9:45–49)
  • Sie würden sogar Profites wegen die Beziehungen der Verwandten trennen. (9:8)
  • Sind äußerst aggressiv und tätlich. (9:12-13, 2:191)
  • Treiben Menschen aus dem Land fort und beginnen mit fadenscheinigen Gründen einen Krieg. (9:13, 60:7-9)
  • Die Bestimmungen der Gesellschaft bewerten sie nach ihrem eigenen Interesse, und führen sie nach eigenem Interesse aus. (9:37)
  • Wollen nicht, dass andere es besser haben als sie selbst, prahlen mit ihren Erfolgen. (9:50)
  • Leben ihre Religion, der sie angehören, nicht angemessen und nur oberflächlich aus und wollen lediglich gesehen werden. Sie geben die Spenden nicht von Herzen und sind in Wahrheit Heuchler. (9:52–54, 9:63–66, 107:4)
  • Befolgen ihre eigene Meinung, Ideologie oder Religion nicht, alles bleibt beim Wörtlichen. (62:5)
  • Provozieren Streit und Missverständnisse in der Gesellschaft durch Täuschung. (9:56-59)
  • Geben ihren Freunden ein falsches Vertrauen und lügen; wenn die Situation ernst wird, lassen sie sie im Stich, stehen nicht zu ihrem Wort. (59:11–20, 9:56–57, 96:16)
  • Sind gierig, äußerst geizig und gehen dem Geld nach; ordnen sich ihren eigenen Gelüsten unter. (9:58–59, 9:76–77)
  • Spornen einander nicht zu rechtschaffenen Eigenschaften an. (9:67–68)
  • Haben keine Interessensgebiete außer Besitz, Anwesen und Kindern. (9:69)
  • Ermorden oder versuchen Gottes Propheten und diejenigen zu ermorden, die für die Gerechtigkeit kämpfen. (4:155; 5:70; 8:30)
  • Sehen in den guten Taten der Menschen stets das Lückenhafte, sehen auf jene herab, die keine Hilfe anbieten können aufgrund der fehlenden nötigen Mittel. (9:79)
  • Teilen die Menschheit in einander feindlich gesinnte Gruppen und stiften Unfrieden. (9:107, 3:103-105, 85:10, 42:13)
  • Bei Hilfeleistungen stehen sie im Weg, statt zu helfen. (107:7)
  • Denken stets, dass jemand sie angreifen will, und haben das Bedürfnis sich zu verteidigen. (63:4)
  • Stellen sich über andere und versklaven die Menschen. (79:24; 12:39–42)
  • Solange Andersdenkende ihre Gedanken/Ideen nicht für den Vorteil der Ableugner ändern, gehen sie mit ihnen nicht geziemend um. (68:9)
  • Schwören, demütigen und rügen andauernd, halten sich nicht an ihre Worte, sind Tyrannen (Despoten) und respektlos, verhindern die Wohltat. (68:10–13)
  • Möchten die Gesetze zu ihrem Vorteil anwenden. (36:41)
  • Nähern sich keiner Idee gelassen oder sachlich, welche nicht mit ihren Gedanken übereinstimmt, sondern wollen regelrecht den Eigentümer dieser Idee mit großer Respektlosigkeit angreifen. Glauben nur dem, das ihrem Ego, ihren Begierden und ihrer Neigung passt, hinterfragen nicht, was die Wahrheit ist. (53:23, 68:51, 74:16–25)
  • Trotz der Gaben, schönen Kinder, Güter, Reichtümer und ihrer unzähligen Möglichkeiten sind sie unersättlich. (74:11–16)
  • Streiten sinnlos über die Verse Gottes und Gott selbst. Statt dass sie sich vom Buch ermahnen lassen, hängen sie an bildlichen Formulierungen fest, verzeichnen keinerlei ethischen/moralischen Fortschritt. (2:139, 3:7, 40:4, 74:31)
  • Obwohl sie keine Veranlagung dazu haben, die Wahrheit sehen zu können, warten sie darauf, dass sie sogar Offenbarungen erhalten, um glauben zu können. (74:52)
  • Sind (im Herzen) unselig und elend. Werden auf eine allegorische Weise mit den Toten verglichen. (35:22, 6:122; 27:80; 30:52, 87:11–13)
  • Schreiben weltlichen Gelüsten eine große Wichtigkeit zu. (87:16–17)
  • Spenden den Waisen nicht, behandeln sie schlecht und sättigen die Armen nicht. Sie kennen keine Testamentsgrenzen und verzehren (das Erbgut) auf verbotene Weise. Sie lieben materielle Güter sehr. Weigern sich allgemein, von ihrem Wohlstand etwas für die Armen abzugeben. (2:254, 3:179, 9:34–35, 41:7, 89:17–20, 107:2-3)
  • Möchten wenig geben, aber viel nehmen. Obwohl sie wenig Wissen besitzen, möchten sie in jedem Thema die Bestimmungen festlegen. (53:33–35)
  • Sind dazu geneigt, das kleinste bis zum größten Lebewesen zu ermorden, sind barbarisch/erbarmungslos. (91:11–14)
  • Sie dienen falschen Göttern. (21:98)
  • Verschwören sich und planen Ränke gegen die Gottergebenen und versuchen sie auf hinterlistigste Art zu bekämpfen. (8:30, 4:101–102)
  • Hängen dem Stammestum und Elitendenken an, sind generell rassistisch. (7:48; 9:79; 19:77, 42:42, 48:26)
  • Verachten die Anrufung Gottes. (40:14)
  • Machen sich über die Propheten lustig und schikanieren und verfolgen sie. (14:13, 21:36)
  • Betrachten die Lesung als eine Lüge, Hexerei und Zauberei und dementieren die göttliche Natur der Offenbarung. (6:25, 46:7, 34:43)
  • Spotten über die Vorstellung der Stunde (Tag des Gerichts) und lehnen die Existenz des Jenseits ab. (34:3,7; 64:7; 50:2,12; 27:67)
  • Lehnen alle Schriften Gottes ab. und beharren spöttisch darauf, die Wahrheit abzulehnen (34:31, 85:19, 4:140)
  • Disputieren mit sinnlosen Argumenten, um die Wahrheit abzuschwächen. (18:56)
  • Feiern ihre „Eigen-Herrlichkeit“ und ihren Separatismus. (38:2)
  • Sind fehlgeleitet, aber meinen, es nicht zu sein. (2:78, 3:154, 6:116, 6:148, 10:36, 10:66, 18:103-105, 28:85, 41:23, 48:12, 53:23)
  • Verlangen ein Entgelt für Almosen und verrichten gute Taten nicht aus Selbstlosigkeit. (92:19)
  • Meinen, dass Jesus Gott sei und sprechen ohne Wissen über Gott. (5:72, 22:8)
  • Verharren in ihrem Nichtglauben und selbst wenn sie glauben, verharren sie lieber in ihren traditionellen, götzendienerischen Denkmustern. (2:170, 12:103, 12:106)
  • Begehen Beigesellung (schirk), eine der Gefahren des Ableugnens, wie etwa die Macht und die Quelle der Lebensordnung bei anderen Wesenheiten als Gott zu suchen. Gesellen beispielsweise Gott auch ihre Kinder bei. (6:100, 7:189–190, 16:86, 30:13, 34:40)
  • Nehmen die Aussagen von Gelehrten, Theologen, Priestern, Predigern, Scheichs usw., als ob sie die Religion und das Wort Gottes darstellten. (9:31)
  • Töten ihre eigenen Kinder. (6:137)
  • Führen den Kampf auf dem Wege des Bösen. (4:76)
  • Sie glauben sporadisch an die Macht und Einheit Gottes, geben sich geistig aber mehreren Herrschern und Beigesellten hin. (30:28, 39:29, 29:65)
  • Sie vergöttern sich selbst und ihr Besitztum. (2:258, 18:32–42, 6:136)
  • Unterdrücken die Schwachen. (4:168, 14:13, 4:75-76, 8:26, 28:4)
  • Gründen ihre Meinungen lediglich auf Vermutungen, Schätzungen und Gedankenspielereien. (10:66, 24:15)
  • Zeigen Eigenschaften wie Hochnäsigkeit oder Hochmut ähnlich wie Iblis. (38:76, 28:76–82)
  • Schweigen angesichts von Unterdrückung. (5:63, 5:79)
  • Bemühen sich unter anderem auch finanziell darum, die Menschen von Gott und der Gerechtigkeit abzubringen. (6:26, 7:45, 8:36, 8:73, 96:9–10)
  • Verachten die Gottergebenheit und verspotten die Gottergeben regelmäßig. (10:79, 15:11, 18:106)

Und natürlich viele weitere Verse…

Möge Gott die Gläubigen vor den Gefahren der Ableugnung beschützen, so Gott will.

Der Unterschied zwischen Lebenssystem (Diin) und religiöser Herangehensweise

Die meisten Menschen glauben, dass Offenbarungen wie der Koran der Menschheit gesandt wurden, um das Götzentum der Menschen auszulöschen. Dass Gott sich über Leute ärgerte, die Ihm nicht dankten, dass unser Leben das Anbeten von Gott ist und dass Er wütend wird, wenn wir an Götter neben Ihm glauben. Dass wir ins Paradies gelangen, allein durch den Glauben an Gott allein. Wahrer Monotheismus reiche aus, um ein Gottergebener zu sein und um ins Paradies zu gelangen.

Dieses Gottesbild ist menschengemacht und ergibt sich aus der Bestimmung, dass Menschen Anerkennung für ihre geleisteten Werke verlangen. Sie stülpen Gott diese menschliche Emotion über. So wie menschliche Herrscher Anerkennung für ihre Herrschaft und Macht verlangen, so glaubte die Menschheit auch, dass Gott dies verlangte. Die einzig bekannte Definition von Macht, welche die Menschheit kennt, ist die, wie sie selbst die Macht ausüben.

Aber ist dies wahr? Verlangt Gott Anerkennung für Seine Einzige Herrschaft so wie menschliche Herrscher, wie z.B. Könige und Diktatoren dies verlangen? Ist dies der Zweck der Offenbarung, des Koran? Ist Gott eifersüchtig auf andere Idole, kümmert Er sich darum, ob wir an andere Götter glauben? Gott selbst sagt:

14:8 Moses sagte euch: „Wenn ihr ableugnet und mit euch alle Menschen auf der Erde, schadet ihr Gott nicht. Gott ist auf keinen angewiesen, Preiswürdig.“

Er braucht nichts, wir sind es, die bedürftig sind.

3:97 … Wer aber ablehnt, Gott ist auf keinen angewiesen und unabhängig von allen Geschöpfen.

An Gott zu glauben ist ein Teil davon, die Realität zu akzeptieren. Es hat NICHTS mit Gott selbst zu tun. Gott ist preiswürdig, aber verlangt es NICHT, dass wir ihn preisen. Mit den Worten von Salomon:

27:40 … Er sprach: „Dies geschieht durch die Gnade meines Herrn, dass Er mich prüfen möge, ob ich dankbar oder undankbar bin. Und wer dankbar ist, der ist dankbar zum Heil seiner eigenen Seele; wer aber undankbar ist siehe, mein Herr ist Sich Selbst genügend, freigebig.“

Was ist nun der wahre Zweck, an Gott zu glauben, dass Er Einer ist?

22:73-74 O ihr Menschen, ein Gleichnis ist geprägt, so hört darauf: Gewiss, jene, die ihr anruft statt Gott, werden in keiner Weise vermögen, eine Fliege zu erschaffen, selbst wenn sie sich dazu zusammentäten. Und wenn die Fliege ihnen etwas raubte, sie können es ihr nicht entreißen. Schwach ist der Suchende wie der Gesuchte. Sie schätzen Gott nicht nach Seinem Wert. Gewiss, Gott ist kraftvoll, allmächtig. (6:92, 39:67)

An den Einen Gott zu glauben ist die simple Wahrheit, es ist die unmittelbare Beobachtung der Wirklichkeit. Gott als Einen zu sehen, ist der erste Schritt, sich vom Kufr zu entfernen. Kufr bedeutet „Die Augen gegenüber der Realität verschließen/Die Wahrheit vor sich selbst verdecken“.

Diese Beobachtung der Realität ist sehr schön in der Geschichte Abrahams zu sehen:

6:75-79 Wir zeigten Abraham das Reich der Himmel und der Erde, damit er unerschütterliche Überzeugung (von der Wahrheit) erlange. (Einige seiner Zeitgenossen waren Götzenanbeter und andere waren Naturanbeter.) Als über ihn dann die Nacht hereinbrach, sah er einen Planeten. Er sagte: „Das ist mein Herr.“ Doch als dieser unterging, sagte er: „Ich mag nicht solche, die verschwinden.“ Als er (nächste Nacht) dann den Mond aufgehen sah, sagte er: „Das ist mein Herr.“ Als er aber (am Horizont) verschwand, sagte er: „Wenn mein HERR mich nicht rechtleitet, so werde ich gewiss zu den irregegangenen Leuten gehören.“ Als er daraufhin die aufgehende Sonne sah, sagte er: „Dies ist mein HERR, diese ist größer.“ Da sie aber unterging, sprach er: „O mein Volk, ich habe nichts zu tun mit dem, was ihr anbetet. Ich wende mich nunmehr als Monotheist (Hanif) demjenigen zu, der Himmel und Erde geschaffen hat. Ich gehöre nicht zu den Polytheisten.“

Abraham sah, dass der Glaube an Idole nicht der Wirklichkeit entsprach, sondern auf selbstauferlegtem Glauben. Er gründet nicht auf Beweise.

Wir können im Universum klare Strukturen erkennen. Alles funktioniert durch festgelegte Gesetze, nicht durch Chaos. Dies ist ein klarer Hinweis auf einen Einzigen Kontrolleur. Wären es mehrere Enstcheidungsträger über den Zweck des Universums und seine Regierung gewesen, wäre das Universum ein Chaos, da jeder Kontrolleur seinen eigenen Willen auferlegen wollen würde. Ordnung bedeutet, dass es nur Einen Willen gibt, der das Universum regiert. Gott stellt dies ebenso mit diesem Vers klar:

21:22 Gäbe es in ihnen (Himmel und Erde) weitere Götter außer Gott, dann wären wahrlich beide zerrüttet. Gepriesen sei Gott, der Herr des Thrones, hoch erhaben über das, was sie ersinnen! (6:3, 16:51, 39:67, 3:84).

Demnach ist der Glaube an den Einen Gott, Einen Schöpfer eine Bestätigung der Wirklichkeit. Dies ist auch der Grund, wieso wir sagen:

3:18 Gott bezeugt, dass es keine Gottheit gibt außer Ihm. Desgleichen die Engel und die Wissenden. Er sorgt für Gerechtigkeit. Es gibt keinen Gott außer ihm, dem Mächtigen und Weisen. (21:22)

Dies ist die gottergebene (muslimische) Glaubensüberzeugung.

Ashhado anna laa illaha illa Allah

Auf Arabisch bedeutet Shahada „zu bezeugen/zu beobachten und bestätigen“. Dies ist genau das, was wir tun, wenn wir dieses Bekenntnis aussprechen. Wir sehen als Erstes, dass es keine mehreren Herrscher gibt, die dieses Universum regieren. Dadurch bezeugen und bestätigen wir Gottes alleinige Souveränität.

Es gibt noch einen weiteren, sehr wichtigen Faktor, welcher aus dem Glauben an Gott allein hervorgeht. Wenn Menschen an mehrere Götter, Idolen oder Herren glauben, wird letztendlich jede Person ein persönliches Idol haben, weshalb die Gruppe in unterschiedliche Nachfolger gespalten sein wird. Sie alle behaupten, an dieselben Götter zu glauben, doch sie haben immer einen Favoriten und glauben, dass er der einzige ist, der ihnen Sieg im Diesseits oder Jenseits bringen wird. Dies ist eine in jeglicher Religion beobachtete Tatsache. Die Römer glaubten an Hunderte von Göttern, wobei jede Familie ihren Favoriten hatte, den sie über andere Götter anbeteten und verehrten. Dies können wir im Hinduismus sehen, wo mehrere Tempel für spezifische Götter gebaut wurden, und nicht für alle von ihnen. Deshalb sind sie geteilt in der Praxis und dem Ziel, obwohl sie alle an dieselben Gruppe von Göttern glauben.

Im Buch „The History of God“ (Die Geschichte von Gott) von K. Armb, wird über den Glauben an eine Gottheit folgendes gesagt: „Weil die Zwölf Stämme der Hebräer einen Höchsten Gott hatten, waren sie in einem einzigen Ziel vereint.“ Gott sagt dasselbe:

30:32 Die Polytheisten (Mushrikeen), die ihren Glauben spalten und in Parteien (Sekten) zerfallen – jede Partei freut sich über das, was sie selbst besitzt. (3:104, 6:160, 23:53, 42:13; Sektierertum basiert ausnahmslos darauf, Menschen als ‚Autoritäten‘ zu nehmen.)

An den Einen Gott zu glauben ist die direkte Beobachtung der Realität und es vereint uns, da wir alle dasselbe Ziel haben, dieselbe Quelle der Ernährung anerkennen und alle denselben Göttlichen Willen akzeptieren. Dies ist der Grund, an Gott als Einen zu glauben. Doch ist dies der Hauptgrund für Offenbarung und Lebenssystem (Diin)? Ist das Hauptziel des Göttlichen Systems an den Einen Gott zu glauben? Schauen wir, was Gott uns durch die Geschichten der Früheren versucht zu sagen:

12:111 Wahrlich, in ihren Geschichten ist eine Lehre für Menschen von Verstand. Dies(e Offenbarung) ist keine erdichteter Hadith. Sie bestätigt die früheren Schriften und gibt eine deutliche Erklärung aller Dinge. Und sie ist eine Führung und Barmherzigkeit für all jene, die sie akzeptieren.

Was sagt also Gott über die Hauptrolle der Propheten und ihrer Offenbarung? Wir haben die Geschichte von Moses, als er bei der Rückkehr vom Berg Sinai sieht, dass sein Volk eine Statue errichtet hat und begann, sie zu verehren. Aaron, sein Bruder und Prophetengefährte, war geblieben, um sie zu führen. Moses sieht den Shirk (Götzendienst) und richtet sich wütend gegen Aaron:

20:92-94 Er (Moses) sagte: „O Aaron, was hinderte dich, als du sie irregehen sahst, mir zu folgen? Hast du dich meinem Befehl widersetzt?“ Aaron sagte: „O Sohn meiner Mutter! Pack mich nicht am Bart und am Kopf! Ich fürchtete, du würdest sagen: Du hast die Kinder Israels abspalten lassen in Gruppen (Sekten).“ (Moses akzeptierte diese Erklärung, da Sektierertum ebenso ein Verbrechen ist wie jegliche Form von Götzentum. Am Bart und Kopf zu packen gehört zur harschen Vernehmung 7:150).

Hier sehen wir deutlich, dass der Prophet Aaron die EINHEIT seiner Leute ÜBER das Konzept von Gott stellt. Als Moses dies sieht, ist er natürlich geschockt, doch die Wahl von Aaron ist weise. Wieso?

Wenn Menschen sich an ein falsches Idol oder falsche Idole zuwenden, braucht es Zeit, bis sie sich spalten. In den ersten Phasen sind sie immer noch vereint, da ihr selbstauferlegtes Idol noch nicht mit der Realität in Konflikt geriet. Erst nach einer langen Zeit werden sich die Menschen zersplittern, da ihr erstes Idol-Konzept der Wirklichkeit widerspricht, weswegen ein neues errichtet wird, um damit die Realität zu bestätigen. Jedesmal werden sie scheitern und weiterhin versuchen, ihr Konzept der Realität zu errichten. Die menschlichen Konzepte der Realität werden sich mit der Zeit unterscheiden, und die Leute werden sich abspalten.

Hätte der Prophet Aaron ohne die Hilfe von Moses sie unmittelbar an ihrem Götzentum angegriffen, wäre ein großes Risiko vorhanden, die Autorität über sie zu verlieren, die sie über ihnen hatten. Sie hätten sich untereinander abgespalten zu denjenigen, die entweder Aaron zuhörten oder nicht. Diese Trennung wäre für die Mission von Aaron und Moses verhängnisvoll gewesen.

Menschen, die vorerst ein neues Idol errichtet haben, sind immer noch vereint, aber können auch auf schnelle Weise wieder reformiert werden, wenn ihnen das richtige Konzept der Realität und damit von Gott gegeben wird.

Deshalb steht die Einheit der Menschen über der richtigen Auffassung von Gott. Und demnach ist das die größte Form von Shirk (Götzendienst).

20:94 Aaron sagte: „O Sohn meiner Mutter! Pack mich nicht am Bart und am Kopf! Ich fürchtete, du würdest sagen: Du hast die Kinder Israels abspalten lassen in Gruppen (Sekten).“

Und deshalb ist das Hauptziel der Offenbarungen die Menschen zu EINEN, und sie unter demselben Ziel vereint zu halten.

Propheten begannen zuerst mit dem Konzept Gottes, da die Menschen äußerst gespalten waren und da alle ihrem eigenen Realitätskonzept folgten. Um sie unter einem einzelnen Ziel zu vereinen, müssen sie zuerst das wahre Konzept der Wirklichkeit kennen lernen, bevor sie sich zusammen um den Diin, dem Göttlichen System, bemühen können. Die korrekte Auffassung von Gott ist eines der Mittel, uns in unserem wahren Ziel zu unterstützen.

Gottergebene glauben alle an einen Gott. Und doch sind sie gespalten. Wie kann das sein?

Weil sie denken, dass die Anbetung und das Bekenntnis zur Einheit Gottes das Hauptanliegen des Koran ist. Wegen diesem falschen Gedanken streiten sie sich darüber wie dieser Bekenntnisbegriff zu erfüllen ist.

30:31 Seid reumütig, fürchtet Gott, verrichtet die Gebete und reiht euch nicht unter die Götzendiener, die Gott Gefährten beigesellen. (2:213)

Sie nähern sich dem Koran aus einer RELIGIÖSEN Sichtweise und nicht aus der Sichtweise des „Lebenssystems“ (DIIN) selbst. Sie verstehen nicht, dass Gott über ihrem selbstauferlegten Verlangen steht, Ihn zu bestätigen.

3:97 … Wer aber Gott leugnet, muss sich vergegenwärtigen, dass Gott allmächtig und auf die ganze Welt nicht angewiesen ist.

Er fordert nicht die Bestätigung Seiner Herrschaft, Er möchte dass sie sie erkennen:

56:57-59 Wir haben euch erschaffen. Warum wollt ihr da nicht die Wahrheit zugeben. Denkt über euren Samen nach! Erschafft ihr ihn, oder sind Wir es, Die ihn erschaffen?

Der Glaube an den Einen Gott wird die Gottergebenen solange nicht vereinen, solange sie sich dem Koran aus einem religiösen Standpunkt nähern. Der Koran ist nicht dazu gedacht, uns zu lehren wie wir Gott bekennen sollen, wir tun das indem wir die Wirklichkeit und die Schöpfung betrachten.

3:191 Für diejenigen, die Gott im Stehen, im Sitzen und auf der Seite liegend gedenken und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken und sagen: „Unser Herr, Du hast all das nicht umsonst geschaffen. Gepriesen seist Du! Behüte uns vor der Strafe des Feuers!“ (Wenn Menschen sich die Kräfte der Natur nutzbar machen und für das Allgemeinwohl verwenden, entfernen sie sich von der Hölle und nähern sich dem Paradies in beiden Leben 45:13-14.)

Das wahre Anliegen des Koran ist die Welt zu VEREINEN. Sie wieder zu EINER Gemeinschaft zu machen, wie sie zuvor war. Wenn wir uns dem Koran mit diesem Gedanken nähern, würden wir die Vorstellung fürchten, getrennt zu sein, weil wir dann der koranischen Zielsetzung zuwiderlaufen würden. Wenn wir diese wichtigsten Worte von Aaron hören, werden wir die korrekte und wahre Annäherung an den Koran erkennen:

20:94 Aaron sagte: „O Sohn meiner Mutter, greife nicht nach meinem Bart, noch nach meinem Kopf. Ich fürchtete, du könntest sagen: „Du hast die Kinder Israels gespalten und mein Wort nicht beachtet.“

Das ist die richtige Annäherung an den Koran und seine Lehren. Er ist kein Buch, das uns lehrt, wie wir Gott anbeten sollen. Er ist ein Buch, das uns lehrt, wie wir die beste Gesellschaft bilden können, welche die Menschheit wieder zu EINEM Volk macht, so dass wir alle auf das gemeinsame Ziel fokussiert sind, Yauwm ed Diin (Tag des Diin), die Ära der Erfüllung, zu erreichen.

Der Egoismus der Menschen führte zu ungerechtfertigter Kennzeichnung von Land und zu persönlicher Anhäufung. Die Unterdrückung der Schwachen hatte begonnen. Gott hat ihnen gesagt, dass sie von einem hohen Stand der Menschlichkeit abgefallen sind (7:24). Sie hatten das Gesetz ignoriert, dass die „Menschheit eine Gemeinschaft ist“ (10:19). Von da an würden sie in Stämmen und Nationen leben, gegenseitig verfeindet sein. „Auf der Erde habt ihr bis zum bestimmten Zeitpunkt eine Bleibe und Genuss.“ (Stammestum; vgl. 49:13)

10:19 Die Menschen waren einst nur eine einzige Gemeinde, dann aber wurden sie uneins. (2:213)

Hätte unser Herr nicht dass Gesetz des freien Willens für die Menschen verfügt, hätte Er ihre Streitigkeiten sofort gerichtet (2:30, 2:256, 11:118, 16:9, 76:2-3). Alle Gesetze des Koran, alle gegebenen Begriffe wie Hadsch und Saum und Salâh sind alle dafür gedacht, die Menschheit zu VEREINEN, nicht nur um Gott anzubeten.

Wir können uns Hadsch als ein Ritual vorstellen, sich zu versammeln, wo jeder sich nur auf Gott besinnt, um Gottes Allmacht anzuerkennen. Wir können alle das Fasten für Gott gedacht ansehen. Wir können Salah als das einzig gültige Gebet sehen. All diese Anschauungen kommen daher, den Koran aus einer frommen Sicht zu betrachten.

Aber wie ich gezeigt habe, ist das alles menschengemachtes Gedankengut, zu ihrem Zweck. Gott sagt im Koran, dass WIR der zentrale Gegenstand sind.

21:10 Wahrlich, Wir haben euch ein Buch herabgesandt, worin eure Ehre liegt; wollt ihr es denn nicht begreifen? (21:24, 23:70, 43:43-44)

Wenn wir den Koran aus einer Sichtweise des LEBENSSYSTEMS angehen, ändert sich alles. Der Zweck des Koran ist es dem Menschen das PERFEKTE GÖTTLICHE SYSTEM zu geben, um sie zu vereinen und uns Würde zu verleihen. Deshalb ist die Vorstellung, Hadsch (Pilgerfahrt) sei nur um Gott in den Mittelpunkt zu stellen, NICHT koranisch.

Hadsch bedeutet im klassischen Arabisch wörtlich „Debatte“ oder „Diskussion“. Seine Wurzeln haben auch noch die zweite Bedeutung „Jahr“. Deshalb bedeutet Hadsch eine jährliche Versammlung. Und der Koran sagt ganz klar, dass das eine Pflicht für ALLE Menschen ist.

In ihm sind deutliche Zeichen (um das begehrte Ziel und die Rückkehr zu erreichen), wie Abraham einst Stellung bezog (gegen alle Spaltungen der Menschlichkeit und ihm wurde die Führerschaft über die ganze Menschheit gegeben 2:124-125; 3:97). Diejenigen, die das symbolische System aufnehmen, werden dadurch inneren Frieden und äußere Sicherheit erlangen. Deshalb ist es eine PFLICHT FÜR ALLE MENSCHEN gegenüber Gott, sich der Pilgerfahrt zu diesem Hause anzuschließen, sofern sie die Möglichkeit dazu haben. Wer aber ableugnet sollte wissen, dass Gott nicht auf die Welten angewiesen ist.

Deshalb bedeutet Hadsch eine jährliche internationale Debatte, um Konflikte zu lösen und die Menschheit zu bessern. Es ist nicht auf Gott sondern auf uns fokussiert.

Das gleiche gilt für das Wort Salâh. Salâh bedeutet genau zu beachten, Verbundenheit, Kontakt, Gebet und noch vieles weiteres. Wenn wir die Bestätigung Gottes als das Ziel des Koran annehmen, dass es ein Buch ist, das darauf abzielt Gott zu bestätigen, dann ist es logisch, dass Salâh lediglich Gebet bedeutet. Aber da es klar ist, dass WIR der Zielpunkt des Koran sind, wird die Bedeutung eine völlig andere. Die Bedeutung von Salah wird erklärt in:

24:41 Siehst du denn nicht, dass alle Wesen in den Himmeln und auf der Erde Gott lobpreisen, so wie die Vögel, die im Flug ihre Flügel ausbreiten? Jedes Wesen weiß, wie es sein Gebet und seine Lobpreisung verrichtet. Gott weiß genau, was sie tun.

Tassbeh bedeutet sich sehr bemühen, einer Frage/einem Auftrag nachgehen, große Fortschritte machen. Salâh bedeutet genau befolgen.

So wissen alle Lebewesen gemäß dem Vers, was sie genau befolgen, um sich bei ihrer Suche sehr zu bemühen. Sie kennen ihren Salâh und Tasbeeh. Wie folgen die Tiere? Es ist ihr Instinkt, der ihnen sagt, wie die Naturgesetze auf beste Art zu nutzen sind, um dadurch der Stärkste zu werden und sich zu vermehren.

Wir als menschliche Wesen haben keinen Instinkt auf herrschender Ebene. Deshalb müssen wir die Naturgesetze genau beobachten, um ihnen zu folgen. Aber es gibt auch viele Gesetze, die wir nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen wahrnehmen können. Diese Gesetze werden uns durch Offenbarungen erklärt. Offenbarungen sind der Instinkt für die Menschheit, um sie freiwillig zu befolgen.

Deshalb bedeutet Salâh den göttlichen Gesetzen der Natur und der Offenbarung zu folgen, damit wir wissen, wie wir uns bemühen sollen bei unserer Suche und Aufgabe.

Das ist der Unterschied und die Notwendigkeit bei unserer Herangehensweise. Der Glaube an den Einen Gott ist eine Bestätigung der Wirklichkeit und der erste Schritt dazu, die Menschheit und die Muslime zu vereinen. Aber es ist dieselbe Herangehensweise an den Koran, der uns wirklich vereinen wird. Es ist deutlich, dass der Koran uns anvisiert, nicht Gott. Er hat uns den Koran gegeben, damit wir die besten Menschen auf der Erde werden können. Um das Paradies auf Erden zu machen, das im nächsten Leben fortgesetzt wird. Wir alle müssen uns dem Koran aus diesem Gesichtspunkt nähern und dann werden die wahren Bedeutungen der Worte ersichtlich.

Dann können wir beanspruchen:

3:110 (Da ihr vom Koran bestärkt seid,) seid ihr die beste Gemeinde, die für die Menschen entstand. Ihr sollt eindringlich ermahnen zu dem was Recht ist und die Türen schließen zu dem was Falsch ist durch euer Beispiel, da ihr an Gott glaubt (und Sein letztes Wort akzeptiert, als Maßstab für Richtig und Falsch (3:4).) Und wenn die Leute der Schrift geglaubt hätten, wahrlich, es wäre gut für sie gewesen! Unter ihnen sind Gläubige, aber die Mehrzahl von ihnen sind Frevler.

Der Koran lehrt uns ein stetiges moralisches Wertesystem und kennzeichnet deutlich die Bedeutung der ansonsten vagen Begriffe „richtig“, „falsch“, „gut“ und „böse“.

aus dem Englischen von Kerem A.