Verstehen des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Erklären, Offenbarung und Gehorsam

Das Verb „erklären“ oder auch „klarmachen“ ist sowohl auf Arabisch als auch auf Deutsch mehrdeutig. So wie die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ keine ausführliche, in jeglicher Hinsicht ausformulierte Erklärung meint, sondern eine Erklärung im Sinne einer Verkündigung, verhält es sich ähnlich mit dem Aufruf an den Gesandten, die Lesung zu „erklären“, ihn also nicht zu verbergen. Mit dieser „Erklärung“ wird die Grundidee einer zu vermittelnden Botschaft dargelegt, wie eben im Falle der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die selbst juristisch für jeden Staat neu ausgelegt werden. Ich belege meine Behauptung durch den Wortgebrauch im folgenden Vers:

 

3:187 Und als Gott die Verpflichtung derer entgegen nahm, die die Schrift erhielten: Ihr müsst sie den Leuten klarmachen (latubayyinunnahu) und dürft sie nicht verborgen halten (taktumūnahu)! …

 

Demnach ist es klar, dass dieser Vers zwei gegensätzliche Verben beinhaltet:

  • bayyana: proklamieren, klar/sichtbar machen, zeigen, etc.
  • katama: verbergen, unsichtbar machen, verstecken, etc.

Wenn wir auf Arabisch zum Beispiel „dschāʾanā al-bayān at-tālī“ (جاءنا البيان التالي) sagen, so bedeutet dies sinngemäß „Zu uns kam folgende Verkündung.“ Hier wird al-bayān als Verkündung verstanden. Die Wurzel des Verbes bā-yā-nūn (ب ي ن) kommt in der Lesung 523 Mal vor in dreizehn verschiedenen Wortformen (darunter 266 Mal als das Wort „zwischen“: bayn – بَين). In ihrem Kern sagt diese Wurzel aus, dass etwas „klar“ ist. Deshalb werden Wörter wie „Erklärung“ oder „Klarheit“ mit dieser Wurzel verbunden. Und die Lesung selbst trägt den Beinamen „al-qur’ān al-mubīn“: die klare, offenkundige, nicht verborgene Lesung. Die Wurzel wird auch für die Wiedergabe des Wortes „Beweis“ gebraucht, so z.B. in bayyina (بَيِّنَة). Weil die Angelegenheit so klar ist, wird diese Angelegenheit selbst als Beweis angeführt. Dies alles zusammengefasst erklärt die Grundbedeutung der Wurzel, dass es sich um eine Klarheit handelt und nicht um eine Erläuterung (tafsīr). Dass Gott Sein Buch „klar“ bezeichnet, wird auch insofern deutlich, wenn die Verse 54:17, 54:22, 54:32 und 54:40 berücksichtigt werden, die alle in ihrem Wortlaut dasselbe aussagen: Die Lesung wurde zum Nachdenken einfach gemacht.101

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Lesung kein verborgenes, unverständliches, irgendwelche Erklärungen benötigendes Buch ist. Eher im Gegenteil, das Buch Gottes wird als klar oder deutlich (mubīn, 28: 2), ausführlich detailliert (mufaṣṣal, 41:3, 6:114, 7:133), leicht (yasīr, 54:17,22,32,40) zu bedenken und vollständig (mutimm, 6:115) bezeichnet, fernab jeglicher Unvollkommenheit und Unklarheit, die durch den Gesandten weiter erklärt werden müsste!

Es sei nochmals betont, dass die Lesung an unzähligen Stellen klar macht (es also mubīn wird), dass Gott allein die Entscheidung obliegt (5:50, 6:57, 12:40, 12:67, 42:10, 42:21). Ein weiterer missdeuteter Vers ist 75:19, welcher gerne im unmittelbaren Kontext dahingehend interpretiert wird, dass hier nicht die Lesung gemeint sei, sondern das Buch des Menschen, welches er am jüngsten Tag bekommt, in dem alle seine Taten verzeichnet sein werden. Folgender Vers widerlegt diese Ansicht:

 

17:14 Lies dein Buch! Du selbst genügst heute als Abrechner über dich.102

 

Also bedarf es keiner Erklärung, um „das Buch des Menschen“ am jüngsten Tag erklären zu müssen – er selbst genügt seiner selbst. Deshalb muss in 75:19 die Lesung selbst gemeint sein.

 

Die Offenbarung, die keine Offenbarung ist

Es gibt noch einen weiteren Vers, mit welchem die Traditionalisten die Sunna sogar mit der Offenbarung gleichzusetzen versuchen:

 

53:1–3 Und der Stern, wenn er sich neigte. Weder irrte euer Gefährte noch wurde er verführt. Und er äußert sich nicht aus der Neigung.

 

Auf die Wiedergabe dieses Verses und dem soeben erwähnten Argument, die Offenbarung und die Sunna seien auf gleicher Stufe, ist die Antwort einfach zu geben, indem lediglich der nächste Vers gelesen wird:

 

53:4 Es ist nichts als eine offenbarte Offenbarung.

 

Weitere Quellen neben Gottes Wort können nicht als Offenbarung gelten, weil dies mittelbar und unmittelbar durch Gott selbst klargemacht wird. Insofern kann auch die traditionell überlieferte Sitte, die dem Propheten untergejubelt wird, keine Offenbarung sein (45:6, 7:185, 77:50). In diesen Versen kommt im arabischen Original das Wort Ḥadīṯ vor und gibt uns zu verstehen, dass die Lesung selbst der einzige Ḥadīṯ sein soll, dem wir zu folgen haben. In diesen Versen wie auch in anderen (zum Beispiel 12:111) wird verdeutlicht, dass Gottes Ḥadīṯ mit keinem anderen Ausspruch gleichgestellt werden kann, da sie als erfunden (yuftará) beschrieben werden. So sind außerkoranische Aussagen keine Offenbarungen und wie wir bereits an Beispielen gezeigt haben, war der Prophet nicht sündenfrei. Er beging mehrere Fehler. Eine Offenbarung hingegen ist fehlerfrei und makellos:

 

41:41–42 Diejenigen, die nicht an die Ermahnung glauben, wenn sie zu ihnen kommt (sind die Verlierenden). Und fürwahr, es ist ein ehrwürdiges Buch. Falschheit kann nicht daran herankommen, weder von vorn noch von hinten. Es ist eine Offenbarung von einem Allweisen, Preiswürdigen.103

 

Darüber hinaus ist sehr viel Falschheit in die Sammlung der Aussprüche gelangt.

Fest steht: Wir müssen dem Gesandten folgen und ihm gehorchen, damit wir Gott gehorchen können (2:143, 3:20, 3:31, 24:54, 2:129, 3:164, 4:80 und 62:2). Nur wie folgen wir ihm? Das wird in der Lesung geklärt. Der Prophet folgte nämlich nur dem, was ihm offenbart wurde (6:50, 6:106, 7:203, 10:15, 33:2, 46:9). Allgemein wird betont, dass das blinde Nachahmen der Vorväter, wie Buchārī oder Asch-Schāfiʿī, uns eher davon abhalten wird, die Botschaft zu begreifen. Wir werden durch sie davon abgehalten, unsere Seelen durch die Lesung zu reformieren (6:116, 2:170, 31:21, 5:104, 10:78, 6:155, 3:53). Doch der wichtigste Vers in dieser Angelegenheit ist der folgende, der sowohl an unseren Propheten als auch an uns gerichtet ist:

 

7:3 Folgt dem, was zu euch von eurem Herrn herabgesandt worden ist, und folgt außer Ihm keinen (anderen) Schutzherren! Wie wenig ihr bedenkt!104

 

Anzumerken ist hier noch weiter, dass nicht dem Gesandten die Rechtleitung obliegt, sondern Gott rechtleitet. Also selbst mit dem Wissen, wie sich der Prophet angeblich verhalten haben soll (die Quellen der Aḥādīṯ sind nicht zweifelsfrei), können wir nicht sicher sein, dass wir dadurch die Rechtleitung erhalten (2:272, 28:56). Hieraus wird klar, dass Gott im Gesandten seinen Verkünder in Bezug auf Seine Botschaft sieht und das nur so die eben angeführten und genauso die nachfolgenden Verse einen logischen Sinn ergeben können:

 

9:1 Eine Loslösung seitens Gottes und dessen Gesandten von den Beigesellern, mit denen ihr vereinbartet

9:3 Und eine Bekanntmachung von Gott und seinem Gesandten für die Leute am Tag der großen Debatte, dass Gott sich von den Beigesellern loslöst und auch sein Gesandter. Bereutet ihr, dann ist es gut für euch. Kehrtet ihr euch ab, dann sollt ihr wissen, dass ihr euch Gott nicht entziehen könnt. Und verkünde denjenigen, die ableugneten, eine schmerzhafte Qual.

 

Gott hatte sich selbstverständlich nicht zuerst mit dem Gesandten beraten, wie sie vorgehen sollten, sondern Gott offenbarte durch den Gesandten die Bekanntmachung, an die wir uns alle zu halten haben. Wenn wir also Gott gehorchen wollen, müssen wir der durch den Gesandten überlieferten Botschaft gehorchen, was nichts anderes bedeutet, als Gott zu gehorchen. Im vierten Kapitel der Lesung finden wir zu Beginn zahlreiche Gesetze Gottes, wonach dann folgender Vers erscheint:

 

4:13–14 Dies sind die von Gott gesetzten Schranken. Und jene, die den Befehlen Gottes und des Gesandten folgen, werden in Gärten eingelassen, durch die Bäche fließen, und wo sie für ewig verweilen. Das ist der größte Triumph. Und wer Gott und Seinem Gesandten den Gehorsam versagt und Seine Schranken übertritt, den führt Er ins Feuer, worin er ewig bleibt. Und er soll eine schmerzhafte Strafe haben.

 

In diesen Versen wird erklärt, uns also klar gemacht, dass die Einhaltung der Befehle und Gesetze Gottes dem Gehorsam gegenüber Gott sowie Seinem Gesandten gleichkommt. Da dies die Gesetze Gottes sind, die der Gesandte verkünden musste, agiert er im Namen Gottes und als Gesandten. Der Prophet nahm dadurch unweigerlich den Charakter einer Autorität an, der die Verfügungen Gottes durch göttliche Eingebung übermitteln oder aufheben kann. Dem Gesandten zu gehorchen bedeutet also der Lesung als Ganzes zu folgen.

 

Allen Gesandten ist zu gehorchen, nicht nur einem

Noch eine weitere Anmerkung zur Behauptung, dass der Aufruf, dem Gesandten zu gehorchen, angeblich der dem Propheten zugeschobenen Sunna zu folgen bedeute: Wir haben die gottergebene Pflicht, keinen Unterschied zwischen irgendeinem der Gesandten Gottes anzustellen (2:285). Lesen wir darüber hinaus beispielsweise folgende Verse:

 

26:108,110 (Noah sagte:) So fürchtet Gott und gehorcht mir.

26:126,131 (Hūd sagte:) So fürchtet Gott und gehorcht mir.

26:144,150 (Ṣāliḥ sagte:) So fürchtet Gott und gehorcht mir.

26:163 (Lot sagte:) So fürchtet Gott und gehorcht mir.

26:179 (Schuʿayb sagte:) So fürchtet Gott und gehorcht mir.

 

So lässt sich folgende berechtigte Frage stellen: Wo ist dann die Sunna von Noah, Hūd, Ṣāliḥ, Lot, Schuʿayb und all den anderen Gesandten? Wo ist die Sunna Abrahams, wenn er ebenso als Vorbild für uns gilt (60:4)?

Indem wir nur einer einzigen spezifischen Sunna folgen, begehen wir gleich mindestens in drei Angelegenheiten Fehler:

Erstens gilt das Wort „Sunna“, dessen Wurzel in der Lesung 21 Mal in 15 Stellen vorkommt105, nur für Gott. Es ist also Gott, der eine wie auch immer zu definierende Sunna bestimmt. Es wird darüber hinaus betont, dass die Sunna Gottes nie verändert wurde (17:77, 33:62, 35:43, 48:23). Diese Sunna Gottes galt also für die vorherigen wie auch die nachkommenden Gesandten. Von einer „Sunna Mohammeds“ als religiöser Quelle zu reden kommt deshalb einer Beigesellung des Propheten und seiner Lebensweise neben Gott und seiner Sunna gleich.

Zweitens dürfen wir keinen einzigen Unterschied zwischen den Gesandten aufstellen. Der Wortlaut aus den Versen 2:136, 2:285 und 3:84, nach denen wir unseren Glauben bekräftigen müssen, ist in dieser Hinsicht klar, deutlich und eindeutig:

 

Wir machen keinen Unterschied zwischen irgendeinem von ihnen / von den Gesandten.
Transliteration: lā nufarriqu bayna aḥadin minhum / min rusulihi.

 

Dies ist die Aussage von aufrichtigen, überzeugten Gottergebenen, die Gottes Wort ernst nehmen. Indem ein einziger Gesandter speziell behandelt wird und man der ihm zugeschriebenen Lebensweise folgt, missachten wir in Tat und Wahrheit diesen Vers und handeln gegen Gottes Wort.

Drittens wurden die Lebensweisen der Propheten und Gesandten, Frieden sei auf allen, nicht von ihnen selbst niedergeschrieben, sondern sind der missglückte Versuch ihrer Anhänger die Vermutungen und das Hörensagen über diese Menschen festzuhalten. Sie handelten entgegen der Absichten der Propheten und Gesandten und schufen einen Personenkult um sie herum. Kurz gesagt haben sie die Propheten in ihrer Botschaft nicht verstanden.

Das Prinzip der stillen Post, also die Verzerrung und Verfälschung von Überlieferungen durch die wiederholte mündliche Weitergabe, gilt auch hier. Die Überlieferungen müssen deshalb als verzerrt, verfälscht und unwahr angenommen werden, wie am Beispiel der erfundenen und meist widerlichen Aussprüche, die dem Propheten Mohammed angedichtet wurden, deutlich der Fall ist. Sie sind als Gerüchte, Hörensagen und Missverständnisse zu deuten.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Die Werkzeuge der Vernunft

In diesem Kapitel werden wir uns den uns zur Verfügung gestellten Werkzeugen des Denkens widmen. Dieses Kapitel ist meines Erachtens eines der wichtigeren in diesem Buch, da selbst eine Vielzahl der „muslimischen“ Intellektuellen Aussagen von sich geben, die keiner mit einem gesunden Menschenverstand und einer Mindestportion an Ausbildung auszusprechen wagen würde. Wieso ich in dieser Hinsicht gerade die Logik in den Vordergrund stelle, also eine mathematische Disziplin, hat nicht nur damit zu tun, dass ich selbst Mathematik studiert habe, sondern auch damit, dass viel im Verstehen der Lesung vereinfacht wird, wenn wir zumindest die grundlegenden Prinzipien des Schlussfolgerns beherrschen und die häufigsten Fehler vermeiden.

Oder um es in den Worten Karl Mengers zu sagen:

 

Nicht etwa, daß bei größerer Verbreitung des Einblicks in die Methode der Mathematik notwendigerweise viel mehr Kluges gesagt würde, aber es würde sicher viel weniger Unkluges gesagt.

– Karl Menger

 

Hierbei werde ich keine bestimmte Logik von Grund auf neu aufbauen. Dazu gibt es viele gute Bücher auf dem Fachmarkt. Wichtig ist zu wissen, dass es nicht die, also nur eine Logik gibt, sondern mehrere. Worauf ich mich beziehen will ist die sogenannte klassische Aussagenlogik, also die Art von Logik, welche sich mit den Aussagen und deren Verknüpfungen befasst. Mithilfe dieser Logik werde ich Aussagen aus der Schrift untersuchen oder verknüpfen. Sie müssen keine studierte Mathematikerin oder ein studierter Mathematiker sein, um die wichtigsten Regeln der Aussagenlogik begreifen und anwenden zu können. Wichtig ist einfach, dass Sie Interesse haben, sich selbst nicht in die Irre zu führen durch Wunschdenken, Verleugnung oder Angst. Die Wahrheit wird uns freisetzen und uns alle zu einem friedvolleren Leben führen.

Da ich wie schon erwähnt die Regeln der Aussagenlogik nicht neu erklären will, möchte ich mich doch die wichtigsten kurz erwähnen. Eine Aussage hat entweder den Wahrheitsgehalt wahr oder falsch und es gilt das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten (es gibt nichts zwischen wahr und falsch). Dieses Prinzip wird es uns vereinfachen, Aussagen auf ihre Plausibilität zu überprüfen.

Aussagen können verbunden werden durch „und“, „oder“ oder „nicht“. Aus diesen leiten sich dann auch Begrifflichkeiten wie „A genau dann, wenn B“ (Gleichwertigkeit) und „wenn A, dann B“ (Bedingung) ab für Aussagen A und B. Diese Regeln können erweitert oder auch zusammengefasst werden, wie zum Beispiel in den bekannten De Morgan Regeln.

Wichtig hierbei ist, dass Sie beispielsweise verstehen, dass die Aussage „wenn A, dann B“ gleichwertig ist zur Aussage „wenn nicht B, dann nicht A“. Überprüfen Sie diese Behauptung, um ein Gefühl dafür zu erhalten, dass Ihnen die technische Seite der Mathematik, der Formalismus zu weiteren Aspekten verhilft. Sie sehen das Eine, denken aber an das Andere und erhalten das Dritte aus der ganzen Sache!

Wieso kümmern wir uns also um die Logik? Was bringt die Logik mir in meinem Alltag? Bedeutet Logik, dass ich meine Gefühle und Instinkte total abschalte? Nein!

Die Logik ist zuerst einmal eine Worthülse, wenn wir nicht genauer definieren (oder es zumindest versuchen zu definieren), was sie bedeutet. Viele von uns denken bei der Logik an die Alltagslogik, die mit der Disziplin der mathematisch-philosophischen Logik nur am Rande etwas zu tun hat. Dass einem etwas „logisch erscheint“ sagt nur etwas darüber hinaus, dass dieser Gedanke oder diese Idee einem selbst gefällt. So sagt die Alltagslogik mehr über die Person aus als über den Wahrheitsgehalt der Idee selbst.

Durch die Regeln des logischen Schlussfolgerns können Sie Aussagen kombinieren und sie auch hinterfragen. Im besten Falle können Sie herausfinden, ob Ihre Aussage es überhaupt wert ist, diese zu überprüfen und ihr nachzugehen, oder ob sie von vornherein falsch formuliert wurde. Der Nutzen der Logik ist also immens und selbst ihre Gefühle, ihre Intuition können Ihnen dabei helfen, nützliche und wertvolle Aussagen überhaupt erst zu finden. Doch die Überprüfung jeglicher Aussagen ist eine gottergebene Pflicht!

 

Seit man begonnen hat, die einfachsten Behauptungen zu beweisen, erwiesen sich viele von ihnen als falsch.

– Bertrand Russell, britischer Mathematiker

 

Trügerische Logik des Alltags

Viel wichtiger als der Bezug auf die klassische Aussagenlogik ist meines Erachtens die Kenntnis der häufigsten Fehler, die man in der Begründung der eigenen Aussagen begeht, damit man sie vermeiden kann.

Es gibt sehr viele Fallen der Alltagslogik, weshalb ich eine kurze Umschreibung der meines Erachtens häufigsten logischen Fehlern bieten will. Wer sich selbst in den Gebieten der Logik und der Wahrheitsfindung weiter entwickelt, kann das entwickeln, was ich als die rationale Gesundheit der Seele (nafs) bezeichne. Denn für eine ganzheitlich gesunde Seele braucht es nicht nur die spirituelle und emotionale Gesundheit der Seele, welche nicht nur das Herz und die Empfindungen umfasst, sondern ebenso die rationale Gesundheit, wobei der Verstand als ein unzertrennlicher Teil der Seele aufgefasst werden muss.

Insbesondere folgende logische Fehler sind leicht zu vermeiden:

Strohmann-Prinzip:

Ich erfinde eine Aussage, schiebe sie meinem Gegenüber zu und widerlege dann diese Aussage, die ich mir selbst zusammengebastelt habe zu diesem Zweck. Das Prinzip heißt deshalb Strohmann-Prinzip, weil man sich seinen eigenen Strohmann bastelt, den man leicht schlagen kann. Unterstellungen fallen in diese Kategorie, da sie scheinbar unser Gegenüber schwächen. Eine unredliche Art, die der Wahrheitsfindung nur im Weg steht und unnötig Zeit raubt.

 

Annahmen generalisieren:

Da Atome unsichtbar sind, und ich aus Atomen bestehe, bin ich selbst unsichtbar. Da ich aber nicht unsichtbar bin, gibt es keine Atome. Hier wird nicht die Annahme generalisiert, dass Atome unsichtbar sind, sondern die versteckte Annahme dahinter, dass unsere Augen das Maß aller Dinge seien

 

Falsche Kausalität (Korrelation):

Nur weil etwas miteinander korreliert, also miteinander in Bezug steht, heißt das noch lange nicht, dass sie sich gegenseitig verursachten. Nur weil in einer Studie herausgefunden wurde, dass Kaffee mit erhöhtem Krebsrisiko zusammenhängen kann, heißt das noch lange nicht, dass Kaffee die Ursache ist. Vielleicht sind Kaffeetrinker auch öfters Raucher als Nicht-Kaffeetrinker?

 

Zirkelschlussprinzip:

Die Aussage X ist wahr, weil in Y steht, dass X wahr ist. Oder ein anderes Beispiel: Die Offenbarung Gottes muss wahr und geschützt sein, weil es ja in Vers 15:9 steht!

 

Appell an die Emotion:

Etwas ist wahr, weil uns die Geschichte so berührt hat oder die vortragende Person dermaßen rührend war und man es ihr nicht zutrauen kann, dass sie lügt. Andererseits: Insbesondere der direkte Appell an die Emotionen im Sinne von „seid ihr etwa tolerant gegenüber Kinderschändern, dass ihr das Gesetz XY nicht akzeptiert?“ fällt in diese Kategorie.

 

Mehrheitsdenken:

Etwas ist wahr, weil die Mehrheit der Menschen dasselbe sagt. Dies ist leider immer noch einer der häufigeren Fehler, den viele Sunniten begehen, indem sie etwa denken: Wir als Sunniten sind zahlreicher als die Schiiten, hätte Gott dies nicht gewollt, wäre dies nicht passiert, also haben die Sunniten Recht!

 

Autoritätsdenken:

Etwas ist wahr, weil es Prof. Dr. Dr. Dr. Müller sagt oder weil es Scheich Dr. Dr. Ibrahim sagt. Auch wenn es oft stimmt, dass Fachleute auf ihrem Gebiet besser Bescheid wissen als andere, heißt das noch lange nicht, dass sie deshalb immer Recht haben müssen. Der Wahrheitsgehalt misst sich nicht an der Person, sondern an der Aussage (dem Inhalt) selbst.

 

Appell an die Natur:

Weil XY in der Natur vorkommt, ist es „natürlich“. Gemäß dieser Aussage wären also sämtliche Pädophilen und Mörder Menschen, die wir rechtlich nicht mehr belangen dürften. Ein anderes Beispiel wäre: über 1500 Tierarten in der Natur zeigen homosexuelle Züge (und nicht „sind sexuell“!), also ist Homosexualität etwas Natürliches.

 

Schlechte Begründung bedeute Behauptung sei auch falsch:

Dies ist besonders tückisch, da selbst dann, wenn eine Behauptung vom Vortragenden grottenschlecht oder gar falsch begründet wurde, dies noch lange nicht bedeutet, dass die Wahrheit der Behauptung widerlegt sei. Beispiel einer schlechten Begründung einer aber höchstwahrscheinlich wissenschaftlich gesicherten Behauptung: Die globale Erderwärmung ist von den Menschen verursacht, weil meine Tochter Verdauungsprobleme hat.

 

Von A gleich Z ableiten (schlüpfrige Argumente):

Von der Behauptung einer Sache gleich übertriebene Konsequenzen erwarten. Nur weil etwas eintrifft, das mir nicht gefällt, muss ich nicht gleich die Weltkatastrophe erwarten. Wenn etwa die gleichgeschlechtliche Heirat erlaubt werden soll, so heißt das nicht, dass damit Türe und Tore offen sind für die Heirat von Minderjährigen, Tieren oder dergleichen.

 

Ad hominem:

Die Person angreifen statt die Aussage der Person. Beispiel: „Kerem hat mit seiner Aussage XY Unrecht, weil er keine Professur in klassisch-orthodoxer Theologie des Fiqh hat.“ Ich mag zwar keine Professur innehaben, doch vielleicht sage ich etwas, das von Belang ist? Wenn ich die Unwahrheit erzähle, kann man das ignorieren, aber wieso sollte man irgendeine Person ignorieren, die die Wahrheit erzählt, nur weil die Person selbst nicht „beliebt“ ist oder diese Person keinen fachlichen Abschluss hat? Akzeptieren wir die Wahrheit nur dann, wenn sie hinter Abschlüssen und Diplomen auftaucht?!

 

Tu quoque (du auch):

Mir wird vorgeworfen, dass meine Aussage XY falsch war. Meine Reaktion darauf: Ja, Ihre Aussage YZ war auch falsch! Hier versuche ich, meinen Fehler zu vertuschen, indem ich auf den inhaltlichen Fehler des Angreifers aufmerksam machen will. Selbst dann, wenn ich Recht behalten sollte, dass sein Fehler falsch war, so möchte ich doch, wenn mein Fehler auch falsch war, dies der Wahrheit, also Gott zuliebe wissen wieso?

 

Anekdoten-und Erfahrungsbeweise:

Begründungen einer Aussage auf Anekdoten und Erfahrungen können nicht angenommen werden, weil diese nur schwer überprüf- oder wiederholbar sind. Wie kann ich den Traum eines anderen darauf überprüfen, ob der Traum tatsächlich so stattgefunden hat? Die Wahrheit ist die Wahrheit, weil sie nicht von einer Person abhängt. Da Gott die Wahrheit ist, formulieren wir das um: Gott und Sein Wirken sind nicht von einer Person abhängig.

 

„Zu komplex“, unverständlich:

Dieser Fehler ist leider gang und gäbe, insbesondere, wenn es sich um Mathematik handelt. Aussagen wie „Gott will doch von uns nicht, dass wir nach mathematischen Eigenschaften suchen, da nur wenige Menschen überhaupt Mathematik verstehen“ gehören in diese Kategorie. Nur weil man sich selbst und die Mehrheit der Menschen als zu dumm ansieht, heißt das nicht, dass die Wahrheit sich dem angeblichen Dummheitsniveau der Menschen in einem bestimmten Bereich anzupassen hat!

 

Schwarz-Weiss-Vereinfachung:

Entweder ist die Aussage wahr, oder sie ist gänzlich falsch! Dies ist ein logischer Fehler, der schwieriger zu entdecken ist, aber prinzipiell kann man mit Gewissheit sagen, dass nur weil die Gesamtaussage nicht ganz korrekt war, die Aussage nicht vollständig zu verwerfen sei. Es kann durchaus sein, dass die Aussage wahr wird, wenn man sie ein wenig inhaltlich ändert.

 

Postulieren, im Nachhinein rationalisieren oder Unwahres einfach wiederholen:

Im Nachhinein lässt sich vieles erklären und eine Ordnung (er)finden. Dies ist ein besonders hartnäckiger Fehler der Alltagslogik, weil man dazu psychologisch prädestiniert ist, sich selbst und sein eigenes Weltbild zu verteidigen und zu rechtfertigen.

 

Fragen mit unterschwelligen Annahmen:

Dies könnte auch als ad hominem aufgefasst werden. Eine Frage wie „Haben Sie Probleme mit Drogen?“ hat den unterschwelligen Ton einer Unterstellung.

 

Beweislast:

Ich behaupte, dass XY nicht möglich ist, beweise mir das Gegenteil! Hier ist der Fehler, dass der Behauptende eigentlich die Beweislast trägt und nicht der, dem die Behauptung an den Kopf geworfen wird. Dies wird dann besonders tückisch, wenn man über eine Person sagt „du kannst dies oder das nicht“, da sich diese Aussage leicht falsifizieren ließe, indem eben der andere sein Können unter Beweis stellt. Nichtsdestotrotz liegt die Beweislast beim Behauptenden.

 

Selektive Wahrnehmung:

„Jedes Mal, wenn ich an meine beste Freundin denke, ruft sie an!“ Das ist ein typischer Fehler vieler Menschen, weil sie nur das wahrnehmen, was in das entsprechende Konzept passt. Es gibt eigentlich vier Fälle, die man für diese Aussage untersuchen müsste:

  1. Ich denke an eine Person und sie ruft an.
  2. Ich denke an eine Person und sie ruft nicht an.
  3. Ich denke nicht an diese Person und sie ruft an.
  4. Ich denke weder an diese Person noch ruft sie an.

Erst die gesamtheitliche Betrachtung all dieser Fälle wird Aufschluss darüber geben, ob der Anruf wirklich immer dann eintrifft, wenn an diese Person gedacht wird. Nur einzelne Betrachtungsweisen vorzunehmen hinterlässt Lücken in der Analyse, die leicht angegriffen werden können.

 

Mehrdeutigkeit:

Wörter können mehrdeutig sein, insbesondere in Gesprächen. So kann „Dieser Bereich wird zur Verhütung von Straftaten durch die Polizei videoüberwacht.“ mutwillig falsch verstanden werden, dass die Polizei Straftaten begehe. Viel besser wäre es stattdessen nachzuhaken, was genau gemeint wurde.

 

Quellenkritik (kommt von / ist aus X, deshalb ist es wahr/falsch):

Ähnlich wie im Falle von ad hominem wird beispielsweise behauptet, dass eine Aussage XY nicht wahr sein kann, weil sie im Buch von Buchārī auftaucht. Selbst wenn Buchārī ein Mörder und Psychopath gewesen wäre, so müsste man stets seine Aussagen analysieren statt zu sagen: Weil es im Buch von ihm steht, ist es nicht richtig.

 

Der Irrtum des Glückspielers:

Ein weiterer häufiger Fehler ist der Irrtum des Glücksspielers, der aus dem Bereich der Glücksspieltheorie entstammt. Dabei wird die Erwartungshaltung beschrieben, dass man beispielsweise bei einem Münzwurf fälschlicherweise nach zwanzig aufeinanderfolgenden Treffern auf Kopf die Erwartungshaltung hat, dass beim nächsten Wurf bestimmt die Zahl kommen muss. In Wahrheit ist die Wahrscheinlichkeit für Kopf oder Zahl genau gleich hoch wie vorher.

 

Falsche Kompromisse:

Ein Beispiel für einen falschen Kompromiss sei wie folgt gegeben: Ich sehe ein, dass meine eigene Aussage nicht stimmt. Da mir aber die Aussage meines Gegenübers immer noch nicht passt, schlage ich deshalb einfach den Mittelweg ein. Dies ist deshalb falsch, weil die Hälfte von falsch und wahr immer noch falsch ist! Wenn man zum Beispiel damit aufhört zu sagen, dass die traditionellen Ḥadīṯ-Bücher restlos wahr seien, aber stattdessen meint, dass man ohne diese die Religion auch nicht verstehe und deshalb einen Mittelweg einschlagen muss, der begeht genau diesen Fehler des falschen Kompromisses – gleichgültig davon, ob dieser Weg richtig wäre oder nicht, die Begründung war falsch.

Ich bin mir sicher, dass ich in diesem Buch irgendwo einen dieser Fehler auch begangen habe. Besonders die Illusion, dass ich es ja „wissen muss“, weil ich Mathematik und Logik studiert habe, erleichtert es solchen Fehlern, dass sie sich in die eigenen Gedankengänge einschleichen. Auch besonders bei emotionalen Angelegenheiten können apologetische Appelle vorhanden sein. Wir müssen uns deshalb stets von neuem überprüfen, ob wir rational gesund agieren. Die rationale Gesundheit der Seele ist mindestens wie die körperliche Gesundheit zu pflegen, denn sie sind beide Geschenke des Schöpfers.

Nachdem wir nun die Probleme der Alltagslogik oder der Rhetorik kennen gelernt haben, möchten ich kurz diese Prinzipien stichwortartig zusammenfassen:

  • Strohmann-Prinzip
  • Annahmen generalisieren
  • Falsche Kausalität (Korrelation)
  • Zirkelschlussprinzip
  • Appell an die Emotion
  • Mehrheitsdenken
  • Autoritätsdenken
  • Appell an die Natur
  • Schlechte Begründung mache die Behauptung unwahr
  • Von A gleich Z ableiten (schlüpfrige Argumente)
  • Ad hominem
  • Tu quoque (du auch)
  • Anekdoten-und Erfahrungsbeweise
  • „Zu komplex“, unverständlich
  • Schwarz-Weiss-Vereinfachung
  • Postulieren, im Nachhinein rationalisieren oder Unwahres einfach wiederholen
  • Fragen mit unterschwelligen Annahmen
  • Beweislast
  • Selektive Wahrnehmung
  • Mehrdeutigkeit
  • Quellenkritik
  • Der Irrtum des Glückspielers
  • Falsche Kompromisse

 

Analytisches Denken – Kombinieren und Schlussfolgern

Die Wichtigkeit und den Nutzen des kombinierenden Denkens möchte ich an einem konkreten Beispiel aus der Lesung aufzeigen:

In der Lesung finden wir in Kapitel 47 einen Vers, in dem Gott uns versichert, dass uns im Garten Eden im Jenseits ein sogenannter köstlicher Wein zubereitet wird. Dies wirft notgedrungen die Frage auf, wieso in dieser Welt berauschende Psychostimulanzien, also Drogen jeglicher Art von Alkohol bis Cannabis, zu vermeiden sind und als Satans Werk beschrieben werden (5:90, 2:219)? Es entsteht zwar kein logischer Widerspruch zwischen diesen zwei Stellen der Lesung, dennoch erübrigt sich die Frage nicht, wieso Gott uns das eine im Diesseits als „zu vermeiden“ und als „Sünde“ zu verstehen gibt, dasselbe aber im Jenseits erlaubt sei.

Hier kommen das analytische Denken und die Fähigkeit zum Zug, verschiedene Aussagen zu kombinieren und damit Schlussfolgerungen zu erhalten.

Betrachten wir also den 15. Vers aus dem 47. Kapitel und die Verse 76:21 und 52:23, so sehen wir aus 76:21, dass das Trinkbare im Jenseits nicht berauschend, sondern reinigend ist, und nicht mit dem Berauschenden dieser Welt zu vergleichen ist, da es keine Sünde in sich beherbergt.

 

76:21 An ihnen werden Kleider von feiner, grüner Seide sein und Brokat. Und geschmückt wurden sie mit silbernen Spangen und ihr Herr gab ihnen ein reinigendes Getränk zum Trinken.

52:23 Darin reichen sie einander einen Becher, der nicht zu Geschwätz verleitet und in dem nichts Sündhaftes steckt.

 

Vers 76:21 zeigt uns, dass das Trinkbare im Garten Eden reinigende Wirkung haben kann. Dennoch heißt es im Vers, dass da „ein“ Getränk gegeben wird und nicht notwendigerweise das in 47:15 erwähnte Getränk ist. Es könnte also auch ein anderes Getränk gemeint sein. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass die Getränke im Jenseits als rein beschrieben werden und keine Kopfschmerzen verursachen und auch nicht berauschend wirken (56:19). Berücksichtigen wir weiter, dass das Berauschende im Diesseits auch als „Sünde“ (2:219) beschrieben wird, welches zwischen den Menschen zu Feindschaft und Hass führt (5:91), so wissen wir aufgrund von 52:23, dass damit nicht dasselbe Getränk gemeint sein kann. Bedenken Sie hierbei für einen kurzen Moment, dass wir nirgends von einer allegorischen Interpretation des Verses 47:15 ausgegangen sind, was natürlich in Anbetracht der Beschreibung des Jenseits sehr plausibel wäre.

Es wäre bestimmt interessant in Erfahrung zu bringen, was dabei herauskommt, wenn man die Lesung nach sämtlichen logischen Aussagen aufteilt und inhaltliche Analysen aufgrund der Logik betreibt. So können Partikel wie „fa“ (so), „aw“ (oder), „wa“ (und), „iḏ / iḏā“ (wenn/als), „law“ (wäre) und dergleichen aus der Lesung in logische Operatoren umgewandelt werden. Ich lade die kundigen Leserinnen und Leser dazu ein, solche Analysen durchzuführen, um zu wissen, wie weit man mit solchen Gedankengängen kommen kann.

 

37:45–47 Dabei wird ihnen ein Becher aus einem Quell herumgereicht, weiß, genussvoll für die, die (daraus) trinken. Darin steckt keine heimtückische Beeinträchtigung, und dadurch werden sie nicht berauscht.84

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: 5. Verse gleichen Themas zusammenstellen

Die eine Schwäche bei den meisten Gottergebenen, die leider schon seit mehreren Jahrhunderten besteht, ist die Fähigkeit, die Verse ihrem Thema gemäß zusammenzustellen, um die dahinterliegende Bedeutung zu suchen. In der Lesung selbst steht, dass wir eine Zusammenstellung machen sollen – auch bekannt als der Befehl „rattil“:

 

73:2–4 Bleibe die Nacht auf, außer ein wenig: Ihre Hälfte oder verringere davon ein wenig oder füge dazu. Und ordne (rattil – رَتِّل) die Lesung auf ordnende Weise.

 

Wegen der falschen Bedeutung, die in den gängigen Übersetzungen wiedergegeben wurde, ist hier eine Erklärung vonnöten. Rattala (رتّل) steht als arabisches Wort im zweiten Verbstamm, was im Allgemeinen die Verstärkung der Bedeutung aus dem ersten Verbstamm andeutet. Alles in allem geht es bei dieser Wurzel um die „Wohlordnung einer Sache“, nämlich dass sie „regulär“ und „aufgeräumt“ ist. Das Wort „ratila“ kann nicht verwendet werden, wenn etwas irregulär oder nicht geordnet ist oder aus dem Konzept fällt. So wird auf Arabisch eine in einer Linie aufgestellte Reihe an Panzern „ratil dabābāt“ (رتل دبابات) genannt oder auch einfach „ein Konvoi von Panzern“. Wir würden „ratil“ nicht verwenden, wenn die Dinge nicht ähnlich wären. Auch wenn wir zum Beispiel eine Rede vorbereiten und die Rede in ihrem Aufbau ordnen und jemand ausdrücken will, dass der Redner die Zusammenstellung der Rede in ihren Einzelteilen gut strukturiert und die Aussprache klar und deutlich gestaltet hat, so sagt er oder sie einfach „rattala al-kalām“ (رتّل الكلام), weil sowohl der Inhalt als auch die Artikulation eine wohlgeordnete Art und Weise der Rede aufzeigen. Hier sei aber Vorsicht geboten, denn sowohl dieses Verb wie auch das Verbalnomen hierzu, tartīl ( تَرْتِيل ), wurde durch die Jahrhunderte hindurch auf eine einzelne Bedeutung beschränkt, was sich dann auch in die gängigen Übersetzungen eingeschlichen hat. Statt die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel als Grundlage zu nehmen, bei der es um diese Wohlordnung geht, wird dieses Wort nur noch im Sinne eines „langsamen Vortragens“ der Lesung verstanden, also nur noch im artikulativen Sinne, was aber den ganzheitlichen Sinn verfehlt.

Aus diesem Grund müssen wir, wenn wir irgendein Thema in seiner Tiefe studieren wollen, alle Verse, die dieses Thema behandeln und über das Buch hinweg gestreut sind, finden und in ihre „Zusammenstellung“ und „Ordnung“ (tartīl) bringen. Nach dieser Zusammenstellung ist der nächste Schritt das „Relativieren der Bedeutung“.

 

73:20 Gewiss, dein Herr weiß, dass du weniger als zwei Drittel der Nacht, die Hälfte oder ein Drittel von ihr aufbleibst, ebenso eine Schar von denjenigen, die mit dir sind. Und Gott bemisst sowohl die Nacht als auch den Tag. Er wusste, dass ihr ihn nicht erfassen werdet; deshalb vergab Er euch. So lest (iqra’ū) von der Lesung, was leicht ist. Er wusste, dass es unter euch Kranke geben wird und andere, die sich auf der Erde durchschlagen, um nach Gottes Gunst zu streben, und andere, die auf dem Weg Gottes kämpfen. So lest von ihm, was leicht ist und haltet den Kontakt aufrecht und steuert zur Verbesserung bei und hinterlasst bei Gott einen schönen Vorschuss. Was ihr für euch selbst an Gutem vorausschickt, werdet ihr bei Gott finden. Es ist besser und ein größerer Lohn. Und bittet Gott um Vergebung. Gewiss, Gott ist vergebend, gnädig.

 

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Ablesen eines Textes, einer bloßen Rezitation, und dem gründlichen Lesen, dem studierenden Lesen, dem verstehenden Lesen. Anders gesagt geht es hierbei darum, dass wir das Gelesene mit dem Rest der Lesung in Bezug setzen, dass wir also seine Bedeutung gesamtheitlich relativieren. Beim Vortragen eines Textes, wie etwa wenn eine Person die Nachrichten von einem Blatt Papier oder einem Teleprompter abliest, wird auf Arabisch eher “talā-yatlu” (rezitieren) verwendet und nicht „qara’a“ (lesen). Ein weiteres Beispiel haben wir, wenn eine Lehrerin in Physik ihren Schülern das Konzept der Relativität beibringt, so “taqra’u” (liest sie vor und erklärt dabei) die Bedeutung, ähnlich wie bei einer Vorlesung. Dies lässt sich auch aus den ersten Versen des 96. Kapitels ableiten:

 

96:1–5 Lies im Namen deines Herrn, Der erschuf. Er erschuf den Menschen aus einem Embryo. Lies! Dein Herr ist Der Edelste, Der durch den Stift lehrte. Er lehrte den Menschen, was dieser nicht wusste.

 

Hier wird dem Zuhörer oder Leser nicht einfach das bloße Lesen nahegelegt, sondern auch darauf hingewiesen, dass der Mensch durch den Stift lernt. Durch das flüchtige Lesen eines Buches hab ich es nicht studiert und deshalb nicht tiefgreifend begriffen. Es scheint so zu sein, dass das selbständige Wiederholen durch den Gebrauch des Stiftes das Wissen festigt. Durch den Stift, der heute auch in Form von Rechnern in Einsatz kommt, wurden die Wissensbücher geschrieben, auf denen wir unser Wissen aufbauen und das, was wir noch nicht wussten, mittels desselben Stiftes festhalten, dass es anderen Menschen dienlich sein mag. Dieser Vers legt uns also nahe, „lesen“ als „verstehendes, lernendes Lesen“ aufzufassen. Das Prinzip des ordnenden, verstehenden Lesens führt uns zum wichtigen Schritt, Verse zur selben Thematik auch gleichzeitig zu betrachten. Dies ist das Prinzip des „Das Eine sehen und an das Andere denken.“

 

Beispiel einer Zusammenstellung von Versen über dasselbe Thema – Scheidung

Wenn wir das Thema „Scheidung“ untersuchen, so sehen wir, dass das Thema über drei verschiedene Kapitel verteilt ist (Kapitel 2, 33 und 65), welche erst miteinander kombiniert ein komplettes Bild der Prozeduren und den Gesetzen bzgl. der Scheidung liefern.

 

2:226 Für diejenigen, die sich von ihren Frauen abwenden, ist ein Abwarten von vier Monaten. Und wenden sie sich wieder zu, so ist Gott gewiss vergebend, gnädig.53
2:227 Entschlossen sie sich jedoch zur Scheidung, so ist Gott gewiss hörend, wissend.
2:228 Und die in Scheidung stehenden Frauen selbst haben drei Menstruationszyklen abzuwarten und es ist ihnen nicht erlaubt zu verschweigen, was Gott in ihren Gebärmüttern erschuf, wenn sie an Gott und den letzten Tag zu glauben pflegten. Und ihre Ehemänner sind berechtigter, sie zurückzunehmen, falls sie eine Schlichtung möchten. So gilt für die Frauen Gleiches, wie über ihnen ist, in erkenntlicher Weise, und für die Männer eine Stufe über ihnen.54 Und Gott ist ehrenvoll, weise
2:229 Ist die Scheidung zweimal55, dann entweder in erkenntlicher Weise behalten, oder gutwillig freigeben.56 Und es ist euch nicht erlaubt, etwas von dem zu nehmen, was ihr ihnen zukommen ließt, außer wenn beide fürchten, die Grenzen Gottes nicht aufrecht zu erhalten. Fürchtet ihr aber, dass beide die Grenzen Gottes nicht aufrechterhalten, dann ist für beide kein Verstoß darin, worauf sie verzichtete. Jene sind die Grenzen Gottes, übertretet sie also nicht. Und wer die Grenzen Gottes übertritt – solche sind die Ungerechten
2:230 Ließ er sich dann von ihr scheiden, so ist sie ihm danach nicht erlaubt, bis sie einen anderen Partner heiratet. Lässt dieser sich von ihr scheiden, so ist es kein Verstoß für beide, dass sie zurückkehren, wenn sie meinen, dass sie die Grenzen Gottes aufrechterhalten. Jene sind die Grenzen Gottes, die Er klarstellt für ein Volk, das weiß
2:231 Und wenn ihr euch von den Frauen scheiden ließt und sie ihre Frist vollendeten, dann behaltet sie in erkenntlicher Weise oder gebt sie frei in erkenntlicher Weise. Und behaltet sie nicht aus Schadenfreude, um zu übertreten. Und wer dies tut, tat sich selbst Unrecht. So nehmt euch Gottes Zeichen nicht zum Spott und gedenkt Gottes Gunst an euch und dessen, was Er aus der Schrift und der Weisheit auf euch herabsandte, euch damit zu belehren. Und seid Gottes achtsam und wisst, dass Gott in allen Dingen wissend ist
2:232 Und wenn ihr euch von den Frauen habt scheiden lassen und sie ihre Frist vollendet haben, dann zwängt sie nicht ein, auf dass sie ihre Partner heiraten, wenn sie miteinander in erkenntlicher Weise zufrieden sind. Damit wird der von euch belehrt, der an Gott und den letzten Tag zu glauben pflegte. Dies ist lauterer für euch und reiner. Und Gott weiß, ihr aber wisst nicht

33:49 O ihr, die ihr glaubt! Wenn ihr gläubige Frauen heiratet und euch dann von ihnen scheiden lasst, ehe ihr Geschlechtsverkehr mit ihnen gehabt habt, so besteht keine Wartefrist von ihnen euch gegenüber, die eingehalten werden muss. Darum beschenkt sie und entlasst sie auf geziemende Weise.

65:1 O Prophet! Wenn ihr euch von den Frauen scheidet, beachtet die Wartezeit, die ihr genau berechnen sollt! Fürchtet Gott, euren Herrn! Ihr dürft sie aus ihren Wohnungen nicht ausweisen, es sei denn, sie begehen eine abscheuliche Tat. Das sind die Rechtsbestimmungen Gottes. Wer Gottes Rechtsbestimmungen übertritt, hat sich selbst unrecht getan. Du weißt nicht, vielleicht läßt Gott nach der Scheidung etwas Unerwartetes geschehen.
65:2 Wenn die Wartezeit ihrem Ende zugeht, dürft ihr die Scheidung rückgängig machen und die Frauen in Würde behalten oder euch würdig von ihnen trennen. Ihr sollt zwei rechtschaffene Leute von euch als Zeugen nehmen. Das Zeugnis vor Gott soll genau eingehalten werden. Damit soll der ermahnt werden, der an Gott und an den Jüngsten Tag glaubt. Wer Gott fürchtet, dem schafft Gott aus jeder Not einen Ausweg
65:3 und gewährt Gaben, von wo er sie nicht erwartet. Wer sich auf Gott verläßt, dem genügt Er. Gott setzt Seinen Willen durch. Für alles hat Gott Maß und Zeit bestimmt.
65:4 Für die Frauen, die in der Menopause sind, beträgt die Wartezeit drei Monate, wenn ihr Zweifel hegt. Die Wartezeit für Frauen, die keine Menstruation haben und schwanger sind, endet mit der Entbindung. Wer auf Gott hört, dem erleichtert Gott seine Angelegenheiten.
65:5 Das ist Gottes Vorschrift, die Er euch herabgesandt hat. Wer Gott fürchtet, dem tilgt Gott die schlimmen Taten, und dem erhöht Er den Lohn.
65:6 Laßt sie, euren Möglichkeiten entsprechend, in einem Teil eurer Wohnstätten wohnen. Ihr sollt sie nicht belästigen, um sie in der Wohnstätte zu beengen. Wenn sie schwanger sind, kommt ihr für ihren Unterhalt auf, bis sie gebären. Wenn sie eure Kinder stillen, habt ihr ihnen ihre Aufwendungen zu entrichten. Beratet darüber miteinander auf würdige Weise, wie es Brauch ist. Wenn ihr euch aber nicht einigen könnt, so soll eine andere Frau das Kind stillen.57

 

Hier ist eine Zusammenfassung dieser Regeln für die Scheidung, erhalten durch die Zusammenstellung der ähnlichen Verse:

  • Eine „Abkühlzeit“ von vier Monaten wird benötigt, bevor eine Scheidung überhaupt beginnen kann. (2:226)
  • Wenn immer noch auf die Scheidung bestanden wird, so müssen die Ehefrau und der Ehemann nach dieser Abkühlzeit während der Wartefrist im gleichen Haus zusammenbleiben. (65:1)
  • Wenn sich das Paar versöhnt, lässt sich der Scheidungsprozess widerrufen und die Wartefrist wird unterbrochen. (2:229)
  • Die Scheidung wird automatisch widerrufen, wenn die Partner während der Wartefrist geschlechtlichen Verkehr miteinander hatten. (2:226, 65:1)
  • Die benötigte Wartefrist beträgt drei Menstruationszyklen. Die Wartefrist bei Frauen, die keine Menstruation mehr haben, beträgt drei Monate. Die Zeit bei schwangeren Frauen beträgt solange, bis sie ihr Kind bekommen. (2:228, 65:4)
  • Es kann keine Wartefrist geben (bzw. es wird keine benötigt), wenn noch nie ein geschlechtlicher Kontakt stattfand. Es kann also wieder geheiratet werden. (33:49)
  • Wenn das Paar immer noch wünscht, die Scheidung nach der Wartefrist zu vollziehen, so werden zwei Zeugen gebraucht, um die Prozedur zu vervollständigen. (65:2)
  • Ist dies die dritte Scheidung, so kann das Paar nicht mehr miteinander heiraten, bis die Frau mit einem anderen Mann verheiratet war und sich geschieden hat. (2:230)

Wie in diesem Beispiel der Scheidung gezeigt wird, erbringt der simple Schritt der Untersuchung aller relevanten Verse eine sehr detaillierte Beschreibung der Scheidungsschritte, welche in jeder modernen und zivilen Gesellschaft angewandt werden können. In vielen Ländern hält man sich sogar an die koranischen Gesetze, wenn man die Gesetze des Landes befolgt! Statt diese Methodik anzuwenden haben viele Gelehrte unzählige, nicht mehr zeitgemäße, teils der Lesung extremst widersprechende Gesetze erfunden, die viel Leid hervorgebracht haben, wie etwa Steinigung oder die Strafe für die Apostasie. Es ist Zeit, sich nur noch an Gottes Lesung zu orientieren, denn:

 

 65:3 … Wer sich auf Gott verlässt, dem genügt Er. …

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Schlüssel zum Verständnis des Koran: Koranische Hermeneutik – Die Auslegungsmethodik

Sie werden in diesem Kapitel eine Auslegeweise kennenlernen, die Sie selbst auch relativ leicht anwenden können. Es sind sieben Prinzipien, welche für jede Studentin und jeden Student der Lesung unabdingbar sind. Diese legen die Rahmenbedingung fest, nach der wir die Textstellen der Lesung auslegen werden. Gewisse Punkte werden vielleicht trivial oder offensichtlich erscheinen, dennoch zeigen sie gewisse Fallen und Tücken auf, in die man tappen könnte. Wenn Sie nun an eine Stelle der Lesung gelangen, die Sie gerne genauer verstehen wollen, so halten Sie sich mindestens an folgende Schritte:

  1. Die Sprache ist kein Hindernis
  2. Den Vers vollständig durchlesen
  3. Umliegende Verse nicht vergessen
  4. Das Wort selbst und seine Mehrdeutigkeit beachten – der „Tunnelblick“
  5. Verse gleichen Themas zusammenstellen
  6. Nach Beispielen in der Lesung suchen
  7. Geduldig sein und Gott um Hilfe und Rat bitten

Sie müssen sich nicht an diese spezielle Reihenfolge halten. Manchmal wird Punkt 4 der wichtigste Punkt in ihrer Analyse sein, weshalb Sie diesen zuerst ausführen möchten. Wichtig ist aber, dass Sie jeden dieser Punkte anwenden.

Den ersten Punkt haben wir bereits erläutert, der zweite und dritte Punkt wurden auch eingangs mit Beispielen versehen. Die wirklich aufwändigen und zeitintensiven Schritte der Auslegung betreffen die Punkte 4 – 7. Dennoch werde ich hier der Vollständigkeit halber auf alle Punkte eingehen.

Studenten der traditionellen Islāmwissenschaft werden hier mindestens drei der folgenden sechs Kategorien für die traditionelle Methodik der Exegese wiedererkennen:

  1. Interpretation der Lesung durch die Lesung. (تفسير القرآن بالقرآن – tafsīru-l-qurʾān bil-qurʾān)
  2. Interpretation der Lesung durch die angebliche „prophetische Sunna“. (السنة النبوية – as-sunnatu-n-nabawiyyah)
  3. Interpretation der Lesung durch die angeblichen Aussagen der Prophetengefährten. (أقوال الصحابة – ʾaqwālu-ṣ-ṣaḥābah)
  4. Interpretation der Lesung durch die angeblichen Aussagen der Tābiʿīn. (أقوال التابعين – ʾaqwālu-t-tābiʿīn)
  5. Interpretation der Lesung durch die Sprache und der Philologie. (اللغة وعلومها – al-lughatu wa ʿulūmuhā)
  6. Interpretation der Lesung aufgrund von Meinung und gemeinsamer Übereinkunft. ( الرأي والاجتهاد – ar-raʾyu wal-idschtihād)

Es ist das ausdrückliche Ziel dieses Buches, aufzuzeigen, dass nur drei dieser sechs Kategorien, nämlich die erste, die fünfte und sechste, ausreichen für ein vollständiges Verständnis der Lesung. Insbesondere muss aber für eine zeitgerechte und vor allem der Lesung treu bleibende Auslegung die sechste Kategorie neu aufgerollt werden und kann nunmehr nicht allein aufgrund vergangener Gelehrtenmeinungen begründet werden, da sich diese auf die Vermutungen von Ḥadīṯ und Sunna stützen.

Wir werden im weiteren Verlauf sehen, dass diese Methodik bereits die Lesung selbst in sich beherbergt, weshalb ich sie als eine koranische Hermeneutik betrachte.

 

1. Die Sprache ist kein Hindernis

Der erste Punkt im Studium der Lesung ist verständlicherweise die Sprache. Die meisten der Gottergebenen, die an der Schrift festhalten wollen, wurden unterrichtet, dass die Lesung nur auf Arabisch verstanden und vorgelesen werden und dass keine Übersetzung je die exakte Bedeutung wiedergeben könne. Es ist wirklich unterhaltsam, dass die gleichen selbsternannten Gelehrten den Arabern sagen werden, dass die Lesung für sie „zu schwer“ zu verstehen sei und dass sie das Verständnis den „Experten“ überlassen sollten! Es sieht so aus, als ob Galileo Galilei solch eine Erfahrung ebenfalls gemacht habe, denn er soll einst gesagt haben:

 

„Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen.“

– Galileo Galilei, italienischer Mathematiker

 

Natürlich sagt die Lesung selber, dass die Sprache kein Hindernis darstellt um sie zu verstehen (41:44), da Gott Derjenige ist, Der ihn den Menschen erklärt (75:19, 55:2), die ihr Herz Ihm gegenüber öffnen (29:49). Es sei wiederholt, dass Gott die Menschen nicht mit „O ihr Araber“ oder „O ihr, die ihr Arabisch sprecht“ anspricht, sondern mit „O ihr, die ihr glaubtet“. Gottes Buch ist anders als jedes andere Buch auf Erden, da es Seinem System und Seinen Gesetzen entspricht. Das Verständnis wird an der Ehrlichkeit wie auch an der geistigen Reinheit der Leser gemessen und nicht allein an der Sprache, den Qualifikationen oder am Fachwissen:

 

56:77–80 Dass dies wahrlich eine edle Lesung ist. In einer wohl aufbewahrten Urschrift. Keiner kann sie erfassen, außer den Reinen. Eine Offenbarung vom Herrn der Welten.

 

Natürlich ist jegliches Fachwissen wie auch jegliches Können von Vorteil, aber keine Voraussetzung. Das Verständnis zum Beispiel des Wortes „ḥadīṯ“ lässt sich auch mittels Transliterationen und weiteren Hilfsmitteln erarbeiten.

Dieser Punkt ist auch deshalb so wichtig, weil jeder Mensch die Lesung aus seinem eigenen Blickwinkel heraus betrachten wird, ja muss. So wird der Philosoph andere Schwerpunkte setzen und andere Zusammenhänge erkennen als der Arzt, welcher im Normalfall die physiologischen Vorgänge im Körper besser begreift. Eltern, die erst vor Kurzem ihr Kind bekamen, haben in ihrem Leben andere emotionale Schwerpunkte als ein junger Mensch, der gerade seine Pubertät durchlebt. Durch bloßes Wissen und Können werden keine theologischen Inhalte erschlossen. Erst die Kombination ergibt die richtige Mischung, was uns auch in folgendem Vers sinngemäß mitgeteilt wird:

 

49:14 Die Araber sagten: Wir glaubten! Sage: Ihr glaubtet nicht. Aber sagt: „Wir haben uns ergeben“ bis der Glaube in eure Herzen eingetreten ist. Wenn ihr Gott und Seinem Gesandten gehorcht, wird Gott von euren Taten nichts mindern. Gott ist verzeihend, gnädig.

 

Nur durch das Aussprechen eines Satzes wie „ich glaube, dass es nur einen Gott gibt“, wird man laut den Prinzipien Gottes, die wir aus der Lesung entnehmen können, nicht automatisch zu einem Gläubigen. Dies hat auch mit der Bedeutung des arabischen Wortes Īmān zu tun, nichtsdestotrotz war dieser Vers an Araber gerichtet, denen die Erfahrung und die tiefe Überzeugung in ihrem Herzen noch fehlte.

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Schlüssel zum Verständnis des Koran: Das „wa“ in der arabischen Sprache

Es gibt noch zahlreiche weitere Feinheiten dieser kunstvollen Sprache. Da ich aber kein Buch über die arabische Sprache schreiben will und auf dem Büchermarkt bereits viele gute Lehrbücher vorhanden sind, werde ich mich hier nur auf die wichtigste Feinheit beschränken, die eine wichtige Bedeutungsänderung nach sich ziehen kann. Erinnern Sie sich an den in diesem Kapitel eingangs zitierten Vers:

 

41:44 Hätten wir sie zu einer fremdsprachigen Lesung gemacht, hätten sie gesagt: „Hätten ihre Verse nicht erklärt werden müssen?“ Fremdsprachig oder arabisch? Sprich: „Sie ist eine Führung und eine Heilung für die Gläubigen.

 

Die rhetorische Frage „Fremdsprachig oder arabisch?“ in Vers  41:44 wird in den meisten Übersetzungen anders wiedergegeben, in etwa wie folgt: „Ein fremdsprachiges Buch für einen Araber?“24

Wörtlich kann der entsprechende Teil auch so verstanden werden: „fremdsprachig und arabisch? “, ءاعجمى وعربى – transliteriert: ʾa-aʿdschamiyyun wa ʿarabiyyun. In diesem Ausdruck sind vereinfacht gesagt vier Wörter, die von den Übersetzern auf unterschiedliche Weise wiedergegeben wurden. Vier Möglichkeiten ergeben sich in der Bedeutung dieses kleinen Satzes:

  • ein Fremder und/oder ein Araber (Zaidans Übersetzung ist hier anzusiedeln)
  • ein Fremder und/oder arabisch
  • fremdsprachig und/oder ein Araber (die meisten Übersetzer entschieden sich hierfür)
  • fremdsprachig und/oder arabisch (unsere Variante)

Wieso habe ich mich für die vierte Variante entschieden? Zu Beginn wird ein Fragepartikel verwendet, welches klarstellt, dass dieser Ausdruck eine Frage und keine Aussage ist. Die Frage kann auch rhetorischer Natur sein, um auf etwas aufmerksam zu machen. In dem Sinne könnte der Ausdruck auch rhetorisch als „Ob fremdsprachig oder arabisch?“ verstanden werden.

Es ist zwar korrekt, dass ʿarabī „ein Araber“ und ʾaʿdschamī „ein Fremder“ bedeuten kann, jedoch fordere ich Sie auf die von unserem Hanif-Team wiedergegebene Bedeutung mit den anderen Übersetzungen zu vergleichen, welche logisch gesehen nicht ganz einwandfrei sind. Wenn der Einwand der Araber „Ein fremdsprachiges Buch für einen Araber?“ als folgerichtig angesehen wird, so muss auch eingeräumt werden, dass der Einwand von Milliarden von Nichtarabern, also Fremden, der dann „ein arabisches Buch für einen Fremden?“ lautete, ebenfalls berechtigt ist. Man müsste hierzu lediglich die Wortreihenfolge ändern: aʿarabīyun wa aʿdschamīyun. Bei der gängigen Übersetzung wird dieses Recht des Einspruches den Nichtarabern geradezu gegeben.

Was will der Vers aussagen? Wenn Sie diese Frage in Gedanken halten und den jeweiligen Vers einige Male aufmerksam lesen, so werden Sie treffender in ihrer Auswahl der richtigen Übersetzung sein. Sprachlich gesehen gibt es zwei Punkte, die ich genauer erläutern muss:

Erstens, in der Lesung wird für die Araber das Wort „aʿrāb“ verwendet, welches in der Mehrzahlform steht (vgl. 9:97–98,101,120; 33:20; 48:11,16; 49:14; anders als im heutigen Standardarabisch nicht ʿarab). Für Nichtaraber hingegen wird die Mehrzahl des Wortes aʿdscham verwendet, also „aʿdschamīn“ (vgl. 26:198). Die Wörter aʿdschamī und ʿarabī werden hingegen für Sprachbezeichnungen verwendet. Der Buchstabe “yā” (ي – ī), welcher an das Ende der Wörter ʿarab und aʿdscham hinzugefügt wird, setzt die Bedeutung dieser Wörter auf „arabisch“ und „adschemisch“. Wenn wir nämlich alle Verse betrachten, in denen das Wort ʿarabī vorkommt, so werden Sie sehen, dass alle auf die Bedeutung „arabisch“ hinauslaufen (12:2; 13:37; 16:103; 30:113; 26:195; 39:28; 41:3, 44; 43:3; 46:12). In gleicher Weise verhält es sich mit dem Wort aʿdschamī, welches die Bedeutung „fremdsprachig“ erhält (16:103; 41:44). Durch den konsistenten Gebrauch dieser Worte als eine Beschreibung der verwendeten Sprache (arabisch, fremdsprachig) außerhalb von 41:44 ergibt es wenig Sinn, die Bedeutung in 41:44 als „ein Fremder und ein Araber“ festzulegen.

Wenn wir den Tunnelblick verlassen und den gesamten Vers im Kontext seiner umliegenden Verse lesen, wird es noch deutlicher, weshalb unsere Variante passender ist:

 

41:43 Es wird dir nur das gesagt, was schon den Gesandten vor dir gesagt wurde. Dein Herr ist wahrlich voll der Vergebung und verhängt (auch) schmerzhafte Strafe.25

 

Im Vers davor geht es also um die Botschaften, welche den vorherigen Gesandten auch schon mitgeteilt wurden. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Botschaft durch die Gesandten stets in der Sprache des Volkes mitgeteilt wurde (14:4), wird es klar, dass es sich hierbei um den Inhalt der Botschaft und nicht die eingesetzte Sprache handelt. Denn gerade dieser Inhalt der Lesung wird als Rechtleitung und Heilung beschrieben. Es wäre verkehrt anzunehmen, dass Gott nur jene Menschen rechtleitet, die Arabisch beherrschen. In der traditionellen Vorstellung von Paradies und Hölle wurde nicht selten die Ansicht geäußert, dass die Sprache im Garten Eden das Arabisch der Lesung sei! Dies hat natürlich nichts mit der Botschaft der Lesung gemein, welche gerade betont, dass die Sprache keine Rolle spielt.

Betrachten wir den nächsten Vers, so wird die Angelegenheit weiter verdeutlicht:

 

41:45 Und Wir gaben bereits Musa die Schrift, doch wurde man darüber uneinig. Und wenn es nicht ein früher ergangenes Wort von deinem Herrn gegeben hätte, so wäre zwischen ihnen wahrlich entschieden worden. Und sie sind darüber fürwahr in starkem Zweifel.26

 

Wenn wir also berücksichtigen, dass die Sprache von Moses die Sprache seines Volkes war, ihnen die Schrift in ihrer Sprache mitgegeben wurde, so wird es hier auch klar, dass es der Inhalt ist, um den es sich hier handelt und weshalb die Leute von Moses darüber uneinig waren.

Zweitens haben Sie sich bestimmt gefragt, wieso ich in den vier Varianten „und/oder“ geschrieben habe und somit eigentlich acht Varianten gemeint sein könnten. Dazu ist es wichtig zu wissen, wie das Wort „wa“ (و – allgemeine Bedeutung „und“) in der klassisch-arabischen Sprache verwendet wird, denn die Lesung zeigt uns deutlich auf, dass dieses Wort, das aus nur einem Buchstaben besteht, je nach Anwendung zahlreiche Bedeutungen annehmen kann und so der Interpretation eine gewisse Vielfalt einräumt.

Das Bindewort „und“ hat auch auf Deutsch mehrere Bedeutungen, die das arabische „wa“ auch umfasst:

 

1. Logische Verknüpfung zweier Aussagen:

Es ist Nacht und es regnet.

Hier werden zwei verschiedene Dinge angesprochen. Die Nacht ist kein Regen und der Regen ist zeitlich nicht auf die Nacht eingeschränkt. Ein Beispielvers:

 

10:5 Er ist es, der die Sonne zur Leuchte und den Mond zum Licht gemacht und ihm Stationen zugemessen hat, damit ihr die Zahl der Jahre und die Zeitrechnung wißt.27

Transliteration: huwa allaḏī dschaʿala asch-schamsa ḍiyā’an wa al-qamara nūran wa qaddarahu manāzila litaʿlamū ʿadada as-sinīna wa al-hisāba …

 

2. Zusammenfassung zu Gruppen in Verbindung mit Substantiven:

Cem und Peter trugen den Sack voller Bonbons hinunter.

Hierbei ist es ersichtlich, dass beide zu einer Einheit zusammengefasst werden, sie beide zusammen haben dieselbe Sache erledigt. Es war nicht so, dass jeweils Cem einen Sack trug und Peter einen weiteren. Ein Beispielvers hierzu:

 

33:36 Weder hat ein Gläubiger noch eine Gläubige, wenn Gott und Sein Gesandter eine Angelegenheit entschieden haben, die Entscheidungsmöglichkeit in ihrer Angelegenheit. Und wer sich Gott und Seinem Gesandten widersetzt, der befindet sich ja in klarem Irrtum.

 

Hier werden Gott und Sein Gesandter, also der Prophet Mohammed, als eine Einheit zusammengefasst erwähnt. Dies liegt darin begründet, dass der Gesandte Gottes naturgemäß seiner Pflicht nachzukommen und die Entscheidungen Gottes eins zu eins zu verkünden hat. Da der Gesandte die Entscheidungen Gottes auch umsetzt, sind es auch seine Entscheidungen als Gesandter, ob er nun damit als Mensch einverstanden wäre oder nicht. Zu diesem Punkt werde ich später im zweiten Teil des Buches unter „die Aufgaben des Gesandten“ noch einmal näher eingehen.

 

3. Angabe einer zeitlichen Reihenfolge, wonach die Stellung bedeutungsrelevant ist:

Man kann dies tun, wenn man alt wird und Zeit hat.

Mit diesem Satz wird ausgedrückt, dass man Zeit haben wird, nachdem man alt wurde. Ein Beispiel hierzu aus der Lesung:

 

79:29 und ließ seine Nacht verdunkeln und seine Morgendämmerung hervorkommen

Transliteration: wa ʾaghṭascha laylahā wa ʾachradscha ḍuḥāhā

 

Zuerst wird das Licht dem Tag entzogen und erst danach kann das Licht der Morgendämmerung wieder hervortreten.

Weiterer Beispielvers:

 

4:1 O ihr Menschen, seid eures Herrn achtsam, der euch aus einer einzigen Seele erschuf und aus ihm ihren Partner erschuf und aus ihnen beiden viele Männer und Frauen ausbreiten ließ. …

Transliteration: yā ʾayyuhā an-nāsu ittaqū rabbakumu al-laḏī chalaqakum min nafsin wāḥidatin wa chalaqa minhā zawdschahā wa baṯṯa minhumā ridschālan kaṯīran wa nisāʾan …

 

Die Erschaffung des Menschen geschah zuerst aus einer einzigen Seele (nafs), und nicht aus einem einzigen Menschen heraus, wonach ihr Partner erschaffen wurde. Die Menschen haben sich im Anschluss dann aus diesen durch Fortpflanzung vermehrt und sich auf der Erde ausgebreitet – gemäß den von Gott auferlegten Regeln, die wir heute als Evolutionstheorie erforschen. Es sollte also hierbei deutlich angemerkt sein, dass aus dieser einen Seele zur selben Zeit auch mehrere Menschen erschaffen sein können und der Partner allgemein das „andere Geschlecht“ beschreibt und auch mehrere Menschen umfassen kann.

Dies alles kann also auch mit dem arabischen „und“ ausgedrückt werden. Wenn wir jedoch „wa“ bloß als „und“ verstehen, schränken wir die Bedeutungsvielfalt des arabischen Wortes ein, wonach das „wa“ weitere Funktionen erfüllen kann. Dies ist eine wichtige Angelegenheit, denn selbst gewisse Araber und solche, die Arabisch sprechen können, vergessen diesen Umstand und kommen dann im Verstehen der Lesung zu falschen Schlüssen.

Weitere Bedeutungen:

4. Anzeige für den Anfang eines Satzes ohne weitere große Bedeutung. Beispielvers:

 

74:3 Und deinen Herrn preise hoch
74:3 Preise deinen Herrn!28

Transliteration: wa rabbaka fakabbir29

 

Hiervon gibt es eine schier unzählige Menge an Beispielen in der Lesung.

 

5. Ausdruck eines Schwurs, bekanntestes Beispiel wäre „Wallahi“ (bei Gott!). Beispielvers:

 

100:1 Bei denen, die schnaubend laufen.

Transliteration: wa al-ʿādiyāti ḍabḥan

 

6. Gebrauch im explikativen („erklärenden“) und einschließenden Sinne. Beispielvers:

 

33:7 Und (damals) als wir von den Propheten ihre Verpflichtung entgegennahmen, und von dir, und von Noah, Abraham, Moses und Jesus, dem Sohn der Maria! Wir nahmen von ihnen eine feste Verpflichtung entgegen.30

Transliteration: wa ʾiḏ ʾachaḏnā min an-nabīyīna mīṯāqahum wa minka wa min nūḥin wa ʾibrāhīma wa mūsá wa ʾīsá ibni maryama wa ʾachaḏnā minhum mīthāqan ghalīẓan

 

Hier bedeutet „min an-nabīyīna“ „von den Propheten“ und „wa minka“ „und von dir“. Obwohl derjenige, der mit „dir“ gemeint ist, auch ein Prophet ist, und obwohl auch Noah, Abraham, Jesus, der Sohn der Marias, und Moses – obwohl alle Propheten sind, werden diese mit „wa“ verknüpft.

Ein weiterer Beispielvers:

 

3:102 O ihr, die ihr glaubt, fürchtet Gott, wie Er richtig gefürchtet werden soll, und sterbt nicht anders denn als Gottergebene.31

Transliteration: yā ʾayyuhā al-laḏīna ʾāmanū ittaqū allaha ḥaqqa tuqātihi wa lā tamūtunna ʾillā wa ʾantum muslimūna

 

Viele Kommentatoren, unter ihnen beispielsweise auch Ibn Kaṯīr, verstehen dies als zwei separate Aufforderungen und verbinden die beiden Bedeutungen nicht. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sich das „wa“ in diesem Kontext als die Einleitung eines Satzes, welches die genaue Erklärung und Klarstellung liefert, wie man richtige Ehrfurcht vor Gott empfinden kann. Gott zu fürchten, wie Er richtig gefürchtet werden soll, bedeutet sein eigenes Leben in der Ergebung (Islam) zu Gott im Wissen zu gestalten, dass man jederzeit sterben könnte. Gottes achtsam zu sein (taqwá üben) bedeutet auch zu verstehen, in welch einem schlimmen Zustand ein Gestorbener ist, der als jemand starb, der Unrecht beging und von Gott verurteilt wird. Ein in dieser Hinsicht Achtsamer (muttaqī) weiß um die Selbstillusion, seine moralischen Pflichten vor sich herzuschieben, indem man meint, man werde Gott noch genug anbeten und Rechtschaffenes tun, wenn man alt wird und Zeit hat. Der Prophet Josef dient uns hier als Beispiel (12:101), der sich nicht durch weltliche Errungenschaften ablenken ließ.

Wem dieses Beispiel zu unklar erscheint, der schaue sich folgendes Beispiel genauer an:

 

55:68 In ihnen gibt es Obst: Datteln und Granatäpfel.

Transliteration: fīhimā fākihatun wa nachlun wa rummānun

 

Der Granatapfel (ihre rote Frucht) wie auch die Dattel sind Obstsorten. Das erste „wa“ steht hier demzufolge im explikativen Sinne, wohingegen das zweite „wa“ als Aufzählung verstanden werden kann. Noch ein Beispiel:

 

2:238 Wacht über die Gebete und das mittlere Gebet, und steht demütig vor Allah.32

Transliteration: ḥāfiẓū ʿalá aṣ-ṣalawāti wa aṣ-ṣalāti alwuṣṭá wa qūmū lillahi qānitīna

 

Es ist offensichtlich, dass das „mittlere Gebet“ (Mittagsgebet) auch ein Teil der Gebete ist. Weitere Beispiele für diese explikative oder auch einschließende Funktion des „wa“ lassen sich in 8:60 (einsatzbereite Pferde sind auch eine Kraft) oder in 5:15 (das Buch ist ein Teil des Lichts33) finden.

 

7. Empathische Funktion, um etwas besonders hervorzuheben:

Dasselbe „wa“ aus 2:238 kann nebst einer erklärenden Funktion auch eine empathische Funktion innehaben, wonach das „wa“ im Sinne von „besonders“ verwendet wird.34

Diese empathische Funktion ist eng verknüpft mit der explikativen Funktion. Weiteres Beispiel:

 

70:4 Die Engel und der Geist steigen zu ihm auf an einem Tag, dessen Maß fünfzigtausend Jahre ist.

 

Mit „Geist“ ist hier traditionell der Engel Gabriel gemeint und kein weiteres Wesen nebst den Engeln. Gemäß dem aschʿarītischen Philosophen Fachr ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1209) wird der „Geist“ deshalb separat erwähnt, um auf seine Größe, seinen Wert bei Gott und seinen besonderen Stand bei den Engeln hinzuweisen. In diesem Sinne können dann auch die Verse 2:97–98 verstanden werden.

 

8. Gebrauch in einer Aufzählung. Wir können den Beispielvers von vorhin verwenden:

 

33:7 Und (damals) als wir von den Propheten ihre Verpflichtung entgegennahmen, und von dir, und von Noah, Abraham, Moses und Jesus, dem Sohn der Maria! Wir nahmen von ihnen eine feste Verpflichtung entgegen.

Transliteration: … wa min nūḥin wa ʾibrāhīma wa mūsá wa ʾīsá …

 

Das arabische „wa“ verschwindet im Deutschen in einer Aufzählung im Kommazeichen außer vor dem zweiten und letzten Wort. Natürlich könnte man hier jedes einzelne „und“ ausschreiben, jedoch störte dies den Lesefluss erheblich und widerspräche den gängigen Regeln einer Aufzählung in der deutschen Sprache.

 

9. Im Sinne von „oder“, obwohl die arabische Sprache auch eigene Wörter für „oder“ hat, wie etwa am (أم – meist in einer Frage) oder aw (أو – meist in einer Gegenüberstellung), welche beide auch in der Lesung auftauchen (z.B. in 2:6, 2:19). Beispiel für das „wa“ als „oder“:

 

73:20 Gewiss, dein Herr weiß, dass du weniger als zwei Drittel der Nacht oder die Hälfte oder ein Drittel von ihr aufbleibst …

Transliteration: ʾinna rabbaka yaʿlamu ʾannaka taqūmu ʾadná min ṯuluṯayi al-layli wa niṣfahu wa ṯuluṯahu

 

Es ist unmöglich, gleichzeitig zwei Drittel, die Hälfte und ein Drittel der Nacht aufzubleiben, weil man ansonsten davon ausgehen müsste, dass zwei Drittel gleichviel sind wie die Hälfte und dieses wiederum gleichviel wie ein Drittel der Nacht, was aber widersprüchlich ist. Deshalb wird hier das wa definitiv als Gegenüberstellung unterschiedlicher Einheiten aus demselben Bereich verwendet. Nächstes Beispiel:

 

2:177 Aufrichtigkeit ist nicht, wenn ihr eure Gesichter in Richtung des Ostens oder des Westens wendet, sondern Aufrichtigkeit ist, …

Transliteration: laysa al-birra ʾan tuwallū wudschūhakum qibala al-maschriqi wa al-maghrib

 

Es ist auch offensichtlich, dass man sich nicht gleichzeitig in Richtung des Ostens und des Westens wenden kann.35

Weitere Beispiele ließen sich auch hier finden. Da in 41:44 kontextuell zwei Gegensätze gegenübergestellt werden  (fremdsprachig – arabisch), ist die Wahl von „oder“ an dieser Stelle am passendsten.

 

10. Im Sinne von „aber“, obwohl auch hier ein eigenes „aber“ vorhanden ist, wie in lākin (لكن – z.B. in 2:12) oder in ammā (أما – z.B. in 80:8).36 Ein Beispielvers:

 

2:70 Sie sagten: Rufe deinen Herrn für uns, um uns darüber aufzuklären, wie sie ist, da uns die Kühe gleich erscheinen, aber dann sind wir, so Gott wollte, rechtgeleitet.

Transliteration: qālū adʿu lanā rabbaka yubayyin lanā mā hiya ʾinna al-baqara taschābaha ʿalaynā wa ʾinnā ʾin schāʾa allahu lamuhtadūna

 

Das „aber“ in diesem Vers ist ebenso in den Übersetzungen von Khoury, Azhar, Paret und Bubenheim (hier als „doch“) zu finden.

Zusammengefasst haben wir also mindestens folgende Anwendungsmöglichkeiten:

  1. Logische Verknüpfung
  2. Zusammenfassung zu einer Gruppe oder Einheit
  3. Angabe einer zeitlichen Abfolge
  4. Am Anfang eines Satzes
  5. Schwurausdruck
  6. Explikative Funktion
  7. Empathische Funktion
  8. Aufzählung
  9. Im Sinne von „oder“
  10. Im Sinne von „aber“

Im Normalfall ist die Bedeutung einfach „und“ und wird im Alltag auch so gebraucht. Doch es ist nicht immer leicht, die Bedeutung von „wa“ genau zu bestimmen. Manchmal passen auch mehrere Varianten. Meist wird eine kontextuelle Analyse Aufschluss über die genaueren Bedeutungsmöglichkeiten geben. Manchmal muss man sich die Bedeutung aus dem Gesamtkontext der Lesung erschließen. Denn viele der heutigen Gottergebenen machen immer noch den Fehler, ihre Meinung, ihre Ideen und ihre Ansichten in den Versen der Lesung bestätigt finden zu wollen und zitieren dann unvorsichtig Verse, die scheinbar das Gesagte oder das Geschriebene bestätigen. Stattdessen sollte man zu verstehen versuchen, was die Lesung genau aussagen will und einzelne Verse nicht aus dem Gesamtkontext der Lesung herausreißen. Auch wenn es sich hierbei „nur“ um die Bedeutung eines einzelnen arabischen Buchstabens dreht.

 

Quellen für die Wortanalyse

Wir haben nun bereits einiges über die arabische Sprache kennengelernt. Für die Studentin oder den Studenten der Lesung werden nebst der Lesung selbst die Sprache und ihre Wörterbücher auch eine entscheidende Rolle spielen, falls diese Person es sich zur Aufgabe machen will, tiefer in die Bedeutungen der Worte einzutauchen. Die arabischen Wörterbücher sind, anders als in der deutschen Sprache, nicht nach den Anfangsbuchstaben der Worte geordnet, sondern nach den bereits erwähnten Wortstämmen, den Wurzeln (dschizr), welche den jeweiligen Worten zugrunde liegen. Für den Anfänger ist es natürlich schwieriger, die Wurzeln selbständig zu erkennen. Durch entsprechende Hilfsmittel37 oder mit der Hilfe einer der arabischen Sprache mächtigen Person können Sie schnell herausfinden, um welche Wurzel es sich in einem bestimmten Wort handelt.

Doch auch hier sei Vorsicht geboten, denn wenn die Vokalisation des arabischen Textes entfernt wird, können sich Mehrdeutigkeiten einschleichen, die genau untersucht werden müssen. Ein Beispiel ist das Wort al-miḥāl (المِحال) in 13:13, was mit einem Kasra (i) vokalisiert wird und von der Wurzel m-ḥ-l (م ح ل) abstammt und in etwa „Blockaden aufstellen“ oder „eine List planen“ bedeutet. Dies wird dann beispielsweise von Paret so übertragen: „… Dabei streiten sie (d.h. die Ungläubigen) über Gott, wo er (sich doch so gewaltig zeigt und) voller Tücke ist (wa-huwa schadiedu l-mihaali).

Entvokalisiert kann man durch Abändern des Kasra zu einem Ḍamma (u) das Wort al-muḥāl (المُحال) bilden, was aber von der Wurzel ḥ-w-l (ح و ل) abstammt und in etwa das „Undenkbare, Unmögliche, Unerreichbare“ beschreibt. Beide Wörter tragen in sich die Bedeutung einer Barrikade oder Blockade38, weshalb unsere Übersetzung dieses Wortes als Folge der kontextuellen Analyse, in der die Souveränität und absolute Position Gottes dargestellt wird39, wie folgt lautet:

 

13:13 Und der Donner preist ihn mit seinem Lob, auch die Engel aus Furcht vor Ihm. Und Er sendet die Donnerschläge und trifft damit, wen Er will. Und sie streiten noch über Gott, wo Er der völlig Absolute ist.

 

Es gibt viele gute Wörterbücher, an die man sich wenden kann bei Bedarf. In Anhang C werden die wichtigsten unter ihnen aufgelistet.

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Teil I: Voraussetzungen, Theorie und Rüstzeug

Um die Lesung (Koran) in ihrer gesamtheitlichen Sicht begreifen zu können, muss sich jeder Student dieser Schrift einiger Voraussetzungen im Klaren sein, ohne die kein ausgereiftes Verständnis der Lesung möglich sein wird. In diesem Teil werden die formalen Grundlagen erarbeitet, nach denen wir die Stellen und Texte der Lesung untersuchen werden. Hierbei müssen wir zwei Bereiche genauer durchleuchten.

Der erste und damit vergleichsweise technische, einfachere Bereich ist die äußere und innere Form der Lesung: Mit welcher Textform haben wir es zu tun und welche Herangehensweise führt definitiv zu falschen Ergebnissen? Wie wichtig ist der arabische Text für das Verständnis der Stellen? Gibt es Unterschiede in der Wichtigkeit arabischer Passagen für die theologische Bedeutung? Welche Lesarten gibt es und wie kann ich zwischen ihnen unterscheiden? Wie verstehe ich die Lesung auch ohne tiefgreifende Kenntnisse der arabischen Sprache?

Zweitens muss sich jeder Mensch mit sich selbst auseinandersetzen. Theologen wie Farid Esack kommen hier zur Ansicht, dass es bei der Suche nach dem Sinn keine Objektivität geben kann.5 Dies bedeutet für mich, dass objektive Auslegungen eines Textes nicht möglich sind, da jeder Mensch unweigerlich seine Kultur, seine Sprache, seine Weltanschauung, den „Blick aufs Leben“, seine Geschichte und seine individuell geprägten Fähigkeiten mitbringt. Die Interpretation der Lesung kann also nicht vom Interpretierenden getrennt werden. Ohne den Interpretierenden ist die Lesung nur eine Ansammlung von toten Buchstaben.

Allein die Lesung historisch zu betrachten und nicht sich selbst in einem historischen Kontext zu sehen, wird zu einer verzerrten Wahrnehmung des Textes führen. Objektive Wahrheiten gibt es deshalb nicht und präsentierte „Wahrheiten“ müssen immer in Relation zu Umfeld und Mensch gesehen werden. Denn der einzig Absolute ist der Schöpfer. Die Schöpfung steht stets in Relation zum Schöpfer, aber auch zur Schöpfung selbst. Um aber dennoch nützliche Ideen aus der Lesung abzuleiten, werde ich dem Ideal folgen, dass Wahrheiten vorhanden und ableitbar sind und ich nur meine Auslegungsweisen (die auf einer bestimmten Axiomatik begründete Methodik) wo nötig anzupassen habe, ähnlich den Modellen in der Wissenschaft, welche ebenfalls ständig neuesten Erkenntnissen angepasst werden. Unsere Theorie verkörpert also ein Modell. Um es mit folgendem Zitat zusammenzufassen:

 

„Im Wesentlichen sind alle Modelle falsch, aber manche sind nützlich.“
– George Box, britischer Statistiker

 

Ich bin davon überzeugt, dass das in diesem Buch vorgestellte Modell äußerst nützlich ist.

 

Zur inneren Art und Form der Lesung

Die Lesung ist kein gewöhnliches Buch. Sie ist das arabische Buch, welches die arabische Sprache definiert. Sie ist das Buch, dem über einer Milliarde Menschen zu folgen behaupten. Ihr Einfluss ist immens auf die Menschheit. Doch wieso verstehen sie so wenige? Wieso begehen selbst die Gläubigen leicht zu vermeidende Fehler im Verständnis wie auch in der Ausübung der Lebensweise, die dieses Buch vorschlägt als den aufrichtigsten, besten Weg (17:9)?6 Ein Teil der Antwort liegt in der Art und Weise dieses Buches. Es ist weder chronologisch noch thematisch aufgebaut. Es gleicht vielmehr einem Freund, den man kennenlernen muss, um ihn zu verstehen. Haben Sie schon einmal einen Menschen, gar einen Fremden aus einer anderen Kultur auf den ersten Blick verstanden? Oder begannen Sie seine Handlungen erst dann nachzuvollziehen, als Sie diese Person näher kennenlernten, ihn wie einen Freund behandelten? So ist es mit der Lesung, zugänglich für alle, die ihr Freund werden wollen. Wenn Sie die Lesung also nicht von Anfang an verstehen, so sind Sie damit nicht allein!

Die Lesung ist wie ein lebendiger Organismus, erst im Gesamtbild der Verzweigungen ergibt sich ein schlüssiges Bild. So wie ein Ausschnitt des Bildes nicht dessen gesamte Idee vermittelt, so ist es mit den Versen der Lesung. Allem voran ist zu sagen, dass die Lesung nicht wie die Bibel studiert werden kann. Sie ist nicht narrativ aufgebaut oder in Predigten eingeteilt, die für sich alleine stehen können und in mehr oder weniger abgeschlossener Form fundamentale Ideen übertragen. Die Lesung hingegen überträgt Ideen, während sie auch schon andere Ideen überträgt. Selbst wenn wie beim Beispiel der Scheidung eine Fülle von Versen aufeinanderfolgen (2:228–237, 2:240–241), sind weitere nötige Informationen woanders zu finden (Kapitel 65), manchmal gar nur in einem einzigen Vers eines anderen Kapitels (33:49). Es ist auch zu sehen, dass wie im Beispiel des zweiten Kapitels einfach zwei Verse über ein scheinbar entferntes Thema eingeschoben werden (2:238–239). Auch dies hat seine pädagogische wie auch inhaltliche Bedeutung, nämlich auch in emotional turbulenten und schwierigen Zeiten die Momente der Einkehr und die Verbindung zu Gott nicht zu vergessen.

Wieso scheint es also so zu sein, dass Gott es uns schwer machen will, obwohl Er doch verspricht, dass Er für uns Leichtigkeit und uns keine Bürde auferlegen will?

 

4:28 Gott möchte euch Erleichterung gewähren. Der Mensch wurde ja schwach erschaffen.7

7:2 Ein Buch, das zu dir herabgesandt wurde, so soll in deiner Brust keine Bedrängnis seinetwegen sein. Dies, damit du mit ihm warnst, als eine Erinnerung für die Gläubigen.

 

Wieso nicht einfach alles thematisch aufreihen, um das Ausleben dieser ethischen Lebensweise der Gottergebenheit (Islām) zu vereinfachen? Wie wir aus 4: 28 sehen, weiß Gott also um unsere Schwäche und gerade deshalb möchte Er uns Erleichterung zukommen lassen.

 

21:10 Wir haben ja ein Buch zu euch hinabgesandt, in dem eure Ehre liegt. Begreift ihr denn nicht?8

43:43–44 Halte fest an dem, was dir offenbart wurde! Du bist gewiss auf einem geraden Weg. Es ist wahrlich eine Erinnerung für dich und dein Volk. Und ihr werdet (davon) zur Verantwortung gezogen.

 

Die Lesung bekämpft mit ihrer Beschaffenheit, ihrem Aufbau und ihrer Botschaft die unter den Menschen vorhandene Faulheit und den unnötigen Minimalismus, welcher über die bloße Genügsamkeit hinausgeht. Gott kaut uns nicht alles vor. Als der perfekte Lehrer und unser Schöpfer weiß Er natürlich, dass eine Einsicht aufgrund eines Aha-Erlebnisses viel eher haftet als vorgefertigte Weisheiten in Form von Zitaten auf Versandkarten, deren Inhalte uns eigentlich bei näherer Betrachtung fern erscheinen. Mit diesem Buch wird bei angemessenem Studium das aktive Differenzieren, Analysieren und das tiefe Denken geschult. Der Schüler Gottes, der Gottes Worte ernst nimmt, lernt auch zur selben Zeit Gründlichkeit und Organisation einzuhalten. Er beginnt auch die Geduld zu schätzen und lässt sich deshalb vom Status quo oder den Forderungen von Menschen nicht beirren, ohne in Trägheit zu übergehen. Er begreift auch, wie wichtig das Einüben der Aufrichtigkeit ist – vor allem sich selbst gegenüber. Er schätzt mit der Zeit die Art dieses Buches, weil sie enorm zur Vereinfachung der Verinnerlichung der Inhalte für die Gläubigen und Studenten des Buches beiträgt, etwa durch eine konsistente Wortwahl, durch wiederholte oder ähnliche Formulierungen oder durch pädagogisch wie auch stilistisch passende Formen. So lernt man die Lesung (Koran) doch schneller verstehen als manch andere Bücher gleichen Umfangs, vorausgesetzt man folgt gewissen Regeln und benutzt nach Möglichkeit die vom Schöpfer in uns gelegten Anlagen wie Verstand, Augen, Herz und Gehör.

Während die Lesung wie ausgeführt für ihre Freunde tieferen Zugang gewährt, ist sie für diejenigen, die sie zum Feind machen und nehmen wollen – ob bewusst oder unbewusst – ein siebenfach versiegeltes Buch. So bietet sie viele Fallen und Sackgassen für die, die sich mit einer Oberflächlichkeit begnügen. Sie sorgt für Verwirrung und Ausschluss der Ableugner (kāfirūn) von der ethischen Hochmoral, die diesem Buch innewohnt. Dies erfolgt sowohl auf emotionaler als auch auf rationaler Ebene. Der Geist wie auch der Intellekt der Ableugner werden durch ihre selbstverschuldete ignorante Haltung versiegelt.

So wird die Lesung (Koran) zu einem Buch des Mordes und der ungezügelten Gewalt, wenn man gezielt danach sucht und die Art und Weise missachtet, wie sie Informationen mitteilt. Klassisches Beispiel ist es, Verse aus ihrem Kontext zu reißen.

 

„Bekämpft die Ungläubigen…“

 

hört sich anders an als,

 

„Bekämpft die Ableugner und vertreibt sie, von wo sie euch zuerst vertrieben haben“,

 

obwohl es derselbe Vers und Kontext ist. Ebenso bekannt ist die Missachtung der Lesung in anderen Stellen, wie hier etwa 8:61, 60:7-9, 4:91 und 9:4,6,10,36 9 und vielen weiteren, die uns Prinzipien der Kriegsführung zum Zwecke der Selbstverteidigung mitteilen. Dies aber erst nach einem Angriff eines äußeren Aggressors. Ein eher seltener berücksichtigtes Beispiel ist das Versäumnis der hermeneutischen wie theologischen Verortung von koranischen Prinzipien, wie z.B. des Prinzips „Anstiftung (fitna) ist schlimmer als Töten“ (2:217).

Anders gesagt, wir dürfen das vorgeschlagene Wertesystem aus der Lesung nicht missachten, wenn wir darüber urteilen wollen. Und wir sollten uns unserer eigenen Denkweise bewusst werden, wenn wir solchen Versen begegnen, damit wir geschult sind im Unterscheiden von eigenen Vorstellungen und jenen, die wir aus dem Studium der Lesung gewonnen haben. Die Ideen, die in meinem Kopf entstehen, sind nicht notwendigerweise die Wiedergabe der göttlichen Worte, selbst wenn ich glaube, eine wörtliche Bestätigung gefunden zu haben. Worte sind lediglich Hüllen, die wir mit unserer Idee oder der eines anderen kleiden.

Denn erst bei Berücksichtigung dieser Umstände werden wir in der Lage sein, eine möglichst von subjektiven Vorstellungen befreite Wertung vorzunehmen und einen Vergleich zwischen unserem kulturellen und eines (nicht des!) von der Lesung abgeleiteten Wertesystems anzustellen.

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Vorwort und Einleitung

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan.
Im Namen Gottes, Des Barmherzigen, Des Gnädigen.
Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Dem Gott.

Nach nun fast einem Jahrzehnt seit der Gründung der Webseite alrahman.de, etlichen Artikeln und Übersetzungen und nach etwa drei Jahren seit Beginn unserer eigenen Koranübersetzung (Hanif), nach meinem Abschluss in Mathematik und meinem Aufenthalt in Ägypten, um bei studierten Lehrern Arabisch und Ägyptisch zu lernen, war für mich die Zeit reif geworden, das angesammelte Wissen von den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzuführen in diesem Buch: Schlüssel zum Verständnis des Koran.

Ein weiterer Grund für dieses Buch ist der Wunsch, den deutschsprachigen Muslimen eine Möglichkeit zur Selbstbefähigung zu bieten in der Koranauslegung. Dies in der Hoffnung, dass diese intellektuell und emotional für den Weg gerüstet sein können den Diskurs in den Gesellschaften, in denen sie leben, positiv und für alle Seiten gewinnbringend zu bereichern. Hierbei gehe ich nicht von einer selbstmotivierten Integration aus, sondern bereits von einer vorwärts treibenden Beteiligung an der Gesellschaft! Mein Ziel ist es kurz und einfach gesagt, dass wir als Muslime und Menschen insgesamt beginnen, uns gegenseitig mit Barmherzigkeit, Wissen und Liebe in allen Lebensbereichen zu begegnen.

Es ist unter anderem das ausdrückliche Ziel dieses Buches die „Entarabisierung“ dieser ethischen Hochreligion des „Islām“ zu bewirken. Unsere gemeinsame Sprache ist die deutsche Sprache, in welcher wir uns auch unterhalten möchten. So werden Sie sehr wahrscheinlich mit Gottes Erlaubnis sehen und begreifen, dass viele Begriffe, die Sie vorher nur auf Arabisch hörten, eine gänzlich andere Bedeutung innehaben, als Sie dachten. Wussten Sie, dass „Islām“ wörtlich Ergebung und „Muslim“ Ergebener bedeuten, im Sinne einer Ergebung Gott allein gegenüber? Denken Sie nur einmal darüber nach, woran Sie denken, wenn Sie „Muslim“ lesen oder hören und woran Sie denken, wenn das Wort „Gottergebener“ wahrgenommen und als wahr angenommen wird. Die deutsche Sprache eignet sich in weiten Teilen bestens, um die arabischen Begrifflichkeiten der Lesung (arabisch: al-qur’ān) ins Deutsche zu übertragen. Damit wird es vor allem für die Nichtakademiker einfacher, die Ideen der Lesung (Koran) zu verstehen, wenn wir beginnen, diese Begriffe auch auf Deutsch durchgehend zu gebrauchen und uns mit ihnen zu identifizieren statt mit arabischen Worthülsen. Im Anhang A finden Sie darüber hinaus eine Auflistung der wichtigsten Begriffe und ihre arabische Entsprechung.

Ein weiteres Ziel dieses Buches ist es, eine spezifische Auslegungsmethodik zu formalisieren. Hierbei wird die Hermeneutik beschrieben, wie die Lesung wiederum allein auf Grundlage der Lesung und den der Vernunft zur Verfügung stehenden Mitteln, wie etwa Logik und Sprache, begriffen werden kann, ohne Zuhilfenahme weiterer, besonderer Literaturquellen, die von den traditionsorientierten Gemeinschaften fälschlicherweise als „Pflichtquellen“ der Religion beschrieben und dem Propheten angedichtet wurden und werden.

Es ist nicht das Ziel, die Vielfalt an Bedeutungsmöglichkeiten koranischer Passagen einzuschränken auf eine einzige, allgemeingültige Variante. Dieses Buch bietet nicht die Darstellung einer „einzigen“ Wahrheit. Im Gegenteil werden Sie sehen, dass mittels unterschiedlicher Ansätze mit derselben hier vorgestellten Methodik gleichberechtigte Interpretationen zum Vorschein kommen werden, die sich erheblich unterscheiden, aber auch einander ergänzen können.

Um von diesem Buch am meisten zu profitieren, ist es ratsam, eine einschlägige Koranübersetzung zur Hand zu haben, da nicht jeder Vers in voller Länge oder überhaupt zitiert wird. Da wir der Meinung sind, dass die vorhandenen deutschen Übersetzungen nicht zufriedenstellend sind, werde ich in diesem Buch mit mehreren Übersetzungen und auch mit unserer eigenen arbeiten, die seit einigen Jahren durch unser Ḥanīf-Team angefertigt wird.

An dieser Stelle danke ich Gott, Der mich aus Seiner endlosen Barmherzigkeit heraus in dieser Welt segnete und versorgte, sodass ich gar nicht wissen kann, wie und wann ich mit dem Danken aufhören könnte. Ich danke auch den zahlreichen Menschen, die mir zur Seite standen und ihre konstruktiven Vorschläge für dieses Buch überbrachten. Insbesondere danke ich unter diesen meiner Frau, die mich ausnahmslos und zu jeder Zeit vollends unterstützte und mich wie ein allumsorgter Pascha fühlen ließ. Mein Dank gebührt auch all jenen, die mich auf meinem Bildungsweg unterstützt haben – all diesen noch lebenden oder bereits verstorbenen Lehrern von der Grundschule, Gymnasium oder von der Universität bis hin zu Sokrates oder Kant. Sie haben ein Teil ihrer Läuterungsabgabe (Zakāh) in Form von Wissensvermittlung bei mir durchgeführt.

Möge dieses Buch mit Gottes Erlaubnis

  • ein Vorwand sein, Gottes Wort näher zu begreifen;
  • dazu führen, geistig und intellektuell mündig zu werden;
  • in den Dunkelheiten das Licht der Lesung wiedergeben;
  • dazu dienen, wenn nötig sich vor sich selbst schützen zu können;
  • Gottes Schönheit, Weisheit und Erhabenheit in voller Tiefe spüren lassen;
  • die emotionale, politische, spirituelle und menschliche Macht der Gelehrten über uns vernichten;
  • in allen Buchstaben dieses Buches ein Lobgesang auf Gott sein.

Einleitung

Die Lesung (Koran): Ein Buch, eine Quelle für eine Religion – eine Herausforderung für die Menschheit. Ihre kulturelle Bedeutung auf der globalen Ebene ist unumstritten. Viele befassen sich mit ihr, sind von ihr fasziniert oder angewidert. Doch es scheint so zu sein, dass sie wenige wirklich kennen, nicht etwa wegen fehlendem Vermögen oder mangelnder Intelligenz. Selbst unter den Gelehrten ist zu sehen, dass ihnen schwerfällt, die Verse dieses Buches theologisch zu verorten, und lieber den Status quo besänftigen wollen statt die Kernaussagen des Buches genauer unter die Lupe zu nehmen. Nicht zuletzt deshalb greifen sie auf alte Erklärungsmuster vergangener Gelehrten aus dem achten oder neunten Jahrhundert nach Christus zurück, die teils dem Wesen der Lesung deutlich widersprechen. Aus diesem Grund ist die Tatsache nicht verwunderlich, dass selbsternannte „islamische Länder“ in der Studie aus dem Jahr 2010 „How Islamic Are Islamic Countries“ von Scheherazade S. Rehman und Hossein Askari1, welche die Umsetzung des Islam in einem Land nach den islamischen Regeln misst, im Durchschnitt weit hinten rangieren. Nach dieser Studie sei Neuseeland das islamischste Land auf der Welt überhaupt!

Mit den kulturellen Herausforderungen in jüngster Zeit schaffen es immer mehr Gelehrte, sich vom Ballast der kulturellen, traditionellen, autoritären und sprachlichen Zwängen zu befreien und kehren zurück zum Geiste der Islamwissenschaften aus der Frühzeit der muslimischen Blüte. Dadurch sind sie in der Lage, Lösungen für die Gegenwart zu finden, die mit der alten, der von außen künstlich ins Religionsverständnis eingeführten Tradition brechen, aber gleichzeitig Gottes Religion zu bewahren versuchen.

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an alle Interessierten, gleich welchen Hintergrundes, die einen ersten, kritischen Zugang zur Lesung (Koran) finden wollen und nach dem Rüstzeug suchen, um den weiteren Weg mehr oder weniger selbständig gehen zu können. Wie kann ich die Lesung verstehen und seine Geheimnisse am ehesten lüften? Was brauche ich dazu und worauf muss ich besonders achten? Ist das Kennen der arabischen Sprache eine Pflicht beziehungsweise relevant fürs Verständnis der Lesung? Wie kann ich mich von Gelehrten unabhängig zählen im Verstehen und in der Umsetzung der Lesung? Wie erkenne ich den Einfluss der Tradition und der Kultur auf mein Denken und Handeln und den auf die anderen? Was ist, wenn ich mit meiner Meinung allein dastehe? Auf all diese Fragen und noch mehr wird so Gott will in diesem Buch eingegangen.

Wenn Sie in diesem Buch nach einer Wiederholung der muslimischen Gelehrtenmeinungen aus dem Mittelalter, oder noch besser, Ihrer Meinung suchen sollten, können Sie es weglegen. Dann werden Sie keinen Nutzen aus diesem Buch ziehen können. Denn was die heutigen muslimischen Gelehrten nur mühsam erreichen, wollten die mittelalterlichen Gelehrten den zukünftigen schon von Anfang an mitteilen. Abū Hanīfa (geb. 699 in Kufa), dessen Schüler vermutlich in seinem Namen gegen seinen Willen die hanafītische Rechtsschule gründeten, welche die heute einflussreichste und größte der vier Hauptrechtsschulen des sunnitischen Islams darstellt, soll einst der Überzeugung gewesen sein, dass ein Kodex an Gesetzen nicht sehr lange statisch bleiben könne. Sonst wäre man dem Risiko ausgesetzt, dass dieser Kodex nicht mehr den Bedürfnissen der Gesellschaft entspräche. Aus diesem Grund befürwortete er die Interpretationen der Gesetzesquellen (uṣūl al-fiqh) als eine Antwort auf die menschlichen Bedürfnisse der jeweiligen Zeit.2

Ich bin derselben Meinung: Das Verständnis des Gotteswortes muss von gottergebenen (muslimischen) Denkern stets erneuert, von kulturellen Altlasten gereinigt und den Herausforderungen der Zeit entsprechend formuliert werden. Die traditionelle Vorstellung, was unter „Wissenschaft“ oder „Wissen“ (ʿilm) zu verstehen sei, übt gleichfalls hindernde Wirkung auf jede freie oder gar kritische Betrachtung der eigenen Geschichte. Der intellektuelle und politische Zustand vieler Gottergebenen (Muslime) ist alarmierend und widerspricht den grundlegenden Prinzipien der Lesung (Koran). Deshalb ist es wichtig, die Lesung kennenzulernen, damit man als Gottergebener eine gefestigte Identität entwickeln und dadurch aktiv zur Verbesserung sozialer
Umstände beisteuern kann.

Es wäre auf jeden Fall ein großer Gewinn für alle Seiten, wenn sich die Gottergebenen allmählich wieder auf ihre inspirierende, lebhafte Lebensordnung (dīn) besinnen und sich den Herausforderungen ihrer Zeit stellen und einen kulturellen, wissenschaftlichen und gemeinschaftlichen Beitrag in allen Schichten und Ebenen leisten.

Tradition und Religion zu trennen wird der erste Schritt sein müssen, um den Herausforderungen unserer Gegenwart gewachsen zu sein. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass diese Tradition völlig verworfen werden muss, da die Vordenker wie Ibn Chaldūn, Al-Ghazālī, Ibn Sīnā, Aṭ-Ṭabarī und viele weitere Arbeiten hinterlassen haben, auf denen wir bei Bedarf ganz oder teilweise aufbauen können. Es ist jedoch meiner Ansicht nach eine Unumgänglichkeit, dass wir diese Vordenker und Beispiele, die je nach Rechtsschule und theologischer Ideologie als Autoritäten gelten, gerade als Autoritäten ablehnen müssen, selbst wenn diese als sogenannte „Gefährten“ (ṣaḥāba) bezeichnet werden.

Betrachten wir beispielsweise Wörterbücher der arabischen Sprache, so ist in ihnen die Wiedergabe von Wortbedeutungen auf Grundlage von „Autoritäten“ zu finden.3 Dieser Gedanke der „Autoritäten“ lässt sich vielerorts wiederfinden. So etwa der volkstümliche Glaube, dass nur ein Gelehrter, der „über 50 Jahre seines Lebens mit dem Studium des Islām verbracht hat“, wahre und korrekte Meinungen äußern könne und dürfe. In vielen türkischen Moscheen, wie ich es selbst als Kind noch miterlebte, wurden viele Kinder geschlagen oder zumindest verbal und sozial durch die Umgebung eingeschüchtert, wenn sie aufrichtige Fragen zur Evolution oder zu den Hintergründen ritueller Praktiken stellten. Das Verständnis der Lebensordnung oder der Religion wurde hierbei nicht durch tieferes Verstehen entwickelt, sondern oft durch technisches Auswendiglernen von Phrasen und soziale Einschüchterung. Deutschsprachige Gottergebene (Muslime), die nun durch den direkten Kontakt mit anderen Religionen ihre eigene Religion hinterfragt sehen, stehen vor der Herausforderung ihre eigene Religion zu begründen statt einfach die „Glaubensinhalte“ in Form eines Handbuchs wiederzugeben, welches man blind befolgen müsse. Durch diesen Zwang, sich mit den Glaubensinhalten zu beschäftigen, sind viele Menschen von den Antworten enttäuscht, die ihnen geboten werden. Denn sie passen eher ins Mittelalter4, als dass sie die dringenden Bedürfnisse heutiger Gottergebener ansprechen. Die Lebensumstände haben sich heute drastisch geändert und ein Fliehen in mittelalterliche Vorstellungen hilft hierbei bestenfalls kurzfristig. Die Menschen sind oftmals gleichzeitig aber auch verwirrt durch die Inhalte der Lesung.

Es gibt nicht mehr nur die schweizerische, österreichische oder deutsche Kultur. Die DACH-Länder stehen vor der Herausforderung, mit unterschiedlichsten Gemeinschaften Umgang pflegen zu müssen. Immer mehr Gottergebene (Muslime) suchen Identität in ihrer eigenen Religion, die oftmals durchmischt ist mit der Kultur des Migrationshintergrundes. In diesem Buch werde ich eine Möglichkeit für eine pluralistische Gesellschaft aufzeigen, in der Gottergebene (Muslime) mit Menschen anderer Religionen ein friedvolles Zusammenleben führen und gleichzeitig der Lesung treu bleiben können.

Diese Idee einer koranischen Auslegungsmethodik zu fördern wird ein entscheidender Grundstein sein, um eine Sicht zu entwickeln für eine friedliche, pluralistische Gesellschaft, welche sich lossagt vom kulturellen Ballast und traditionsorientierter Lebensweise, welche nicht unzertrennlich mit der Lebensweise verbunden ist, die wir aus dem Studium der Lesung erhalten. Dabei wird auch die eigene Identität als Gottergebener gestärkt.

Hierbei werde ich auch die „eigene Sicht“ mit der „des Anderen“ aus dem koranischen Standpunkt heraus überdenken und damit aufzeigen, dass wir anderen Religionsangehörigen Raum schaffen können, nach der sie ebenso das Seelenheil erlangen können, ohne die eigenen Vorstellungen oder die Lesung zu verleugnen, zu verheimlichen, zu verwässern oder sonst wie abzuändern. Nicht zuletzt wird – so Gott will – dadurch sichtbar werden, dass ein gänzlich neuer Blickwinkel auf rechtsrelevante Fragen wie auch auf Moral und Prinzipien einer gottergebenen Lebensweise (klassisch zusammengefasst als „Scharīʿa“) entsteht. Hierbei werden unter anderem Fragen zum Beispiel zur Kopftuchfrage beantwortet, ob einem Dieb die Hände abgehackt werden dürfen oder wie der Umgang mit Andersgläubigen auszusehen hat.

In diesem Buch wird die Lesung (Koran) als alleinige bindende Quelle gottergebener Theologie und Jurisprudenz vorausgesetzt. Die Begründung hierzu werde ich im ersten Teil des Buches anschneiden. Eine ausführliche Diskussion über den Sinn und Unsinn der angeblichen Aussprüche (aḥādīṯ), die im Stile von Hörensagen gesammelt wurden und deren Wissenschaft (ʿilmu-l-ḥadīṯ) vernünftigen, kritischen Betrachtungen nicht standhält, interne Widersprüche aufweist und der Lesung vielerorts diametral entgegensteht, wie etwa die Thematik der Steinigung („radschm“), wurde bereits an anderen Orten ausführlich erörtert. Dies ist eine notwendige Debatte, die fortgeführt werden muss, da eine blinde Befolgung theologischer Imperative noch niemanden zum spirituellen Meister und überzeugten Gläubigen werden ließ. In diesem Buch wird deshalb diese Debatte vergleichsweise kurz angerissen.

Eine Auswahl an entsprechender Literatur, in denen teilweise auch dargestellt wird, dass diese Diskussion keine neue, sondern eine seit Anbeginn der Bildung muslimischer Gemeinschaften geführte Debatte war, lässt sich in Anhang B finden.

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Fußnoten

  1. Global Economy Journal, Volume 10, Issue 2, Article 2, 2010.
  2. Weitere Informationen hierzu in:
    Khan, Muhammad. The Muslim 100. Leicestershire, Kube Publishing Ltd, 2008.
    Sabiq, A. Fiqh us-sunnah at tahara and as-salah. 1. American Trust Publications, 1991.
  3. Siehe exemplarisch in Edward William Lane, Arabic-English Lexicon, Preface xxxi.
  4. Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich ausdrücklich betonen, dass nur weil etwas als „mittelalterlich“ beschrieben wurde, deshalb nicht schlecht sein muss. Umgekehrt bedeutet „modern“ auch nicht automatisch „gut“.
  5. Vgl. Esack, „Qur’an, Liberation and Pluralism“, Oneworld, 1997, S. 49–81.
  6. Die Verse (āyāt) aus der Lesung (Koran) werden stets wie folgt wiedergegeben: Kapitelnummer:Versnummer
  7. Die Übersetzungen sind, wenn nicht anders angegeben, eigene Übersetzungen.
  8. Übersetzung von Frank Bubenheim und Nadeem Elyas.
  9. Bei mehreren Versen aus demselben Kapitel (Sūra) wird folgendes Format verwendet: Kapitelnummer:Vers-,Vers-,Versnummer,…
  10. „Das Letzte“ (al-āchirah) steht für „die letzte Station“, also das Jenseits, wo wir ankommen werden und uns vor Gott verantworten müssen.
  11. Edip Yüksels Kommentar zu diesem Vers in seiner türkischen Koranübersetzung Mesaj: Viele Religionsgelehrte haben diese drei Verse (56:77–79) in einer völlig verzerrten Form verstanden und dadurch versucht, die Mehrheit der Masse vom Koran zu entfernen; leider mit Erfolg. Die falschen Religionsgelehrten übersetzen diesen Vers so, dass man ungewaschen den Koran nicht berühren dürfe. Wenn wir uns auch bewusst werden, dass diese Gelehrten die in der Menstruation befindlichen Frauen als „schmutzig / unrein“ ansehen, so lässt sich leicht verstehen, dass der Plan, den Koran als Taschenbuch, als ständiger Führer und Begleiter, zu meiden und stattdessen den Koran auf die lange Bank zu schieben und an die Wand zu nageln in einem großen Maße erfolgreich war. […] Wenn der Koran zu einem „erhabenen“ Buch wird, das schwer zu verstehen, zu berühren gefährlich und zu erreichen unmöglich sei, dann heißt es: Willkommen Ahadith, Sunna, Madhabs (Rechtsschulen) und sämtliches Geschwätz! Den Ableugnern, die den edlen Koran nicht als genug betrachten, wird es seitens Gott verboten, den edlen Koran zu lernen (17:45; 18:57).
  12. Wenn Gruppen gemischtgeschlechtlich sind, wird in jedem Fall die männliche Pluralform verwendet. Natürlich gibt es auch die singularen Formen für „er“ ( هو – huwa) und „sie“ ( هي – hiya).
  13. Eigentlich ein Demonstrativpronomen, wörtliche Bedeutung: „diese zwei (Frauen)“
  14. Rashad Khalifa, Quran: The Final Testament, Appendix 4, 2000.
  15. Johann Fück, Arabiya, 1950.
  16. Zum Beispiel Versteegh, The Arabic language, 1997.
  17. Vorlesung von Tayyar Altıkulaç am 13.12.2013 in Berlin: Hz. Osman ve Hz. Ali‘ye nisbet edilen mushaf nüshaları (Kodex und Kanon – die Koranhandschriften der Kalifen Osman und Ali). Tayyar Altıkulaç ist Experte und Forscher auf dem Gebiet der Koranmanuskripte. Interessierte können seine Studien genauer unter die Lupe nehmen.
  18. Originaltext: Und eine Ankündigung von Gott und Seinem Gesandten an die Menschen am Tage der großen Pilgerfahrt, dass Gott los und ledig ist der Götzendiener, und ebenso Sein Gesandter.
  19. Weitere Zeichen wären Madda ( آ ) der „hochgestellte Alif“ (wie in رَحْمٰن – raḥmān), Alif waṣla ( ٱ ), sukūn (steht für „kein Kurzvokal“: ), tanwīn (Nunationen ً  ٍ  ٌ , „-un“, „-in“, „-an“ für den unbestimmten Fall) und Schadda ( ّ  ).
  20. Die Übersetzernamen stehen am Anfang des jeweiligen Verses gefolgt von ihrer Übersetzung.
  21. Übersetzung von Moustafa Maher im Auftrag der Azhar-Universität in Kairo (1999), kurz „Azhar-Übersetzung“.
  22. Die von der Aḥmadiyya Muslim Jamaat herausgegebene und von Mirza Ahmad angefertigte Übersetzung.
  23. Übersetzung von Khoury.
  24. Azhar-Übersetzung. Eine weitere Anmerkung: Ich werde hier bereits vorgreifen und meine im Anschluss ausformulierte Hermeneutik anwenden.
  25. Übersetzung von Bubenheim/Elyas.
  26. Übersetzung von Bubenheim/Elyas. Mit „Musa“ ist der Prophet Moses gemeint.
  27. Übersetzung von Khoury.
  28. Azhar-Übersetzung.
  29. Dieser Satz ist eines von vielen Palindromen (Ausdrücke, die von vorn und von hinten gelesen gleich bleiben) aus der Lesung: rbk f kbr (ربك فكبر).
  30. Übersetzung von Paret.
  31. Übersetzung von Khoury.
  32. Aḥmadiyya-Übersetzung.
  33. Abul Ala Maududi kommentiert den Vers in diesem Sinne in seinem Tafhīm al-Qurʾān.
  34. Zum Beispiel so wiedergegeben in den Übersetzungen von Paret, Bubenheim/Elyas und Zaidan.
  35. Es ist interessant, dass sich Khoury wie auch Zaidan in ihren Übersetzungen für das „und“ entschieden haben, so liest sich der entsprechende Teil bei ihnen als „nach Osten und Westen“ (Khoury) und „in Richtung des Ostens und des Westens“ (Zaidan). Ich kann es mir nur so erklären, dass sie sich trotz des Richtungskonfliktes für eine angeblich „wörtliche“ Wiedergabe mittels „und“ entschieden haben, um den Satz zu einer „allgemeinen Aussage“ werden zu lassen. Damit soll also nicht die Gleichzeitigkeit, sondern die Möglichkeit der beiden Richtungen aufgezeigt werden. Nichtsdestotrotz ist hiermit ein „oder“ gemeint.
  36. Genau genommen gibt es noch ein weiteres „aber“, nämlich den Buchstaben ف (fa), was im Allgemeinen „so“ bedeutet und ebenso ein vielschichtiges Wort in der Lesung ist. Doch für unsere Hermeneutik spielt es keine allzu große Rolle.
  37. Zum Beispiel im Einzelvers-Modus auf unserer Seite für das Koranstudium www.alquran.eu, wonach alle Worte in ihre Wurzeln aufgeteilt werden. Oder im „Word by Word“-Modus auf corpus.quran.com. Letzter Abruf: Herbst 2015.
  38. List planen bedeutet auch nichts anderes als eine Falle stellen, ein Hindernis aufstellen. Beim Unerreichbaren stehen wir auch vor einer Blockade, die uns das Erreichen überhaupt erst
    verunmöglicht.
  39. Beachten Sie insbesondere auch die Erklärung von Paret im Klammerausdruck: „sich doch so gewaltig zeigt“.
  40. Übersetzung von Rassoul.
  41. Übersetzung von Bubenheim/Elyas.
  42. Übersetzung von Bubenheim/Elyas.
  43. Übersetzung von Paret. Der Vers 17:35 kann auch in einer anderen Betrachtung mit dem vorhergehenden Vers verknüpft werden.
  44. Übersetzung von HUDA – Netzwerk für muslimische Frauen e.V.
  45. Quelle: www.duden.de/rechtschreibung/schlagen, wo auch entsprechende Beispielsätze gefunden werden können. Letzter Abruf: Ende Dez 2013. Für eine fundierte Meinungsbildung sollten
    dann doch Wörterbücher von Germanisten aufgeschlagen werden, wie z.B. „Deutsches Wörterbuch“ von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm oder „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ von Friedrich Kluge / Elmar Seebold. Für unsere Zwecke der Veranschaulichung dieses Prinzips reicht uns in diesem Falle der Duden aus.
  46. Die Wurzel ( ض ر ب ) „ḍ-r-b“ kommt in 54 Versen 58 Mal vor: 2:26, 2:60, 2:61, 2:73, 2:273, 3:112, 3:156, 4:34, 4:94, 4:101, 5:106, 7:160, 8:12, 8:50, 13:17, 14:24, 14:25, 14:45, 16:74, 16:75, 16:76, 16:112, 17:48, 18:11, 18:32, 18:45, 20:77, 22:73, 24:31, 24:35, 25:9, 25:39, 26:63, 29:43, 30:28, 30:58, 36:13, 36:78, 37:93, 38:44, 39:27, 39:29, 43:5, 43:17, 43:57, 43:58, 47:3, 47:4, 47:27, 57:13, 59:21, 66:10, 66:11, 73:20.
  47. Übersetzung von Bubenheim/Elyas.
  48. Übersetzung von Zaidan.
  49. Übersetzung von Azhar.
  50. Übersetzung von Rassoul.
  51. Übersetzung von Aḥmadiyya.
  52. Übersetzung von Bubenheim/Elyas.
  53. Jene, die die nach dem Propheten erfundenen Lehren Ḥadīṯ und Sunna der Lesung beigesellen, haben durch die verschiedenen Scheidungsgesetze innerhalb ihrer Rechtsschulen (maḏāhib) unzählige Familien auseinander gezerrt und ein Gesetz für gültig erklärt, sodass der Mann, wenn er die bestimmten Worte der Scheidung ausspricht, sich von seiner Frau für ewig geschieden hat. Jene, die aus Versehen oder aus Wut diese Worte ausgesprochen und sich unwiderruflich geschieden haben und nach einer Möglichkeit einer erneuten Heirat suchten, sahen sich gezwungen, Fatwas durch Muftis einzuholen, die für ihre Leistungen Geld verlangten. Siehe auch 9:34–35.
  54. Dieser Vers, der über die Scheidung handelt, teilt mit, dass die Frauen die gleichen Rechte wie die Männer haben. Die Mentalität, welche die so genannten Ḥadīṯ und Sunna, Kollektionen zahlreicher Vermutungen und Lügen, der Lesung beigesellt oder gar vorzieht, hat der Frau das Recht der Scheidung entzogen und hat sie der Tyrannei der Männer überlassen und sie somit in eine Position ähnlich der Sklaverei gestellt.
  55. Die Scheidung ist ein Vorgang, der Monate lang andauert, und nicht wie es die Anhänger von Ḥadīṯ und Sunna behaupten, ein kurzer Moment gewisser Worte, die aus dem Mund des Mannes entspringen. Drei Mal „Ich scheide dich“ zu sagen bedeutet nicht, dass die Frau drei Mal geschieden wurde. Um sich drei Mal scheiden zu lassen werden auch drei vollbrachte Heiratsprozeduren und Scheidungen inklusive die in der Lesung erwähnten Wartefristen benötigt. Das von Gott gegebene Recht der Wiederheirat nach zweimaligem Scheiden wird angeblich von einigen, erfundenen Gerüchten (aḥādiṯ) aufgehoben. So zum Beispiel gilt für die Sunniten nach der Hanafi-Rechtsschule, dass der Mann sogar dann nicht mehr erneut die gleiche Frau heiraten kann, wenn er sich von seiner Frau unter Bedrohungen scheiden lassen musste. Die Folger der Rechtsschulen haben Familiendramen verursacht, welche durch die drei Worte der Scheidung entstanden sind, und schreckliche „Lösungen“ erbracht, wie z.B. die so genannte Genussehe ( نكاح المتعة – nikāḥ almutʿah), bei der in einer einzelnen Nacht geheiratet wird, um angeblich erlaubten Geschlechtsverkehr auszuüben, um sie dann später wieder aufzulösen. Aber es hört hier nicht auf, es gibt noch das erfundene Gesetz der Chulʿa ( خلع ), wonach sich der Mann einfach weigern kann, sich von der Frau zu scheiden, es sei denn sie zahle ihm eine „Entschädigung“. Siehe außerdem Vers 33:49. Und wenn wir schon dabei sind, wie die Hanafi-Rechtsschule die Verse der Lesung aufheben lässt, so wollen wir auch gleich weitere Verse nennen, die gemäß den Aḥādīṯ in der Praxis keine Gültigkeit mehr haben sollten: 2:180,240; 4:11–12, 15, 23–24; 5:106; 6:145.
  56. Für das Haus und den Unterhalt der geschiedenen Frau kommt als generelle Regel der Mann auf (2:241).
  57. Mit Ausnahme von 65:4 ist die Übersetzung von 65:1–6 von Azhar.
  58. Übersetzung von Bubenheim.
  59. Übersetzung von Rassoul.
  60. Übersetzung von Rassoul.
  61. Übersetzung von Khoury.
  62. Übersetzung von Khoury. Siehe auch 4:116.
  63. 4:12, 6:22, 6:94, 6:100, 6:136, 6:136, 6:136, 6:137, 6:139, 6:163, 7:190, 7:195, 10:28, 10:28, 10:34, 10:35, 10:66, 10:71, 13:16, 13:33, 16:27, 16:86, 16:86, 17:111, 18:52, 25:2, 28:62, 28:64, 28:74, 30:13, 30:13, 30:28, 30:40, 34:27, 35:40, 39:29, 41:47, 42:21, 68:41, 68:41.
  64. 2:96, 3:64, 3:151, 3:186, 4:36, 4:48, 4:48, 4:116, 4:116, 5:72, 5:82, 6:19, 6:22, 6:41, 6:64, 6:78, 6:80, 6:81, 6:81, 6:88, 6:107, 6:148, 6:148, 6:151, 7:33, 7:173, 7:190, 7:191, 9:31, 10:18, 10:28, 11:54, 13:36, 14:22, 16:1, 16:3, 16:35, 16:54, 16:86, 18:26, 18:38, 18:42, 18:110, 20:32, 22:17, 22:26, 22:31, 23:59, 23:92, 24:55, 27:59, 27:63, 28:68, 29:8, 29:65, 30:33, 30:35, 30:40, 31:13, 31:15, 39:65, 39:67, 40:12, 40:42, 40:73, 52:43, 59:23, 60:12, 72:2, 72:20.
  65. 2:105, 2:135, 2:221, 2:221, 2:221, 2:221, 3:67, 3:95, 6:14, 6:23, 6:79, 6:106, 6:121, 6:137, 6:161, 9:1, 9:3, 9:4, 9:5, 9:6, 9:7, 9:17, 9:28, 9:33, 9:36, 9:113, 10:105, 12:106, 12:108, 15:94, 16:100, 16:120, 16:123, 22:31, 24:3, 24:3, 28:87, 30:31, 30:42, 33:73, 33:73, 40:84, 41:6, 42:13, 48:6, 48:6, 61:9, 98:1, 98:6.
  66. Siehe weitere Verse: 22:38, 22:40, 30:47, 47:7.
  67. Übersetzung von Aḥmadiyya.
  68. Übersetzung von Rassoul.
  69. Siehe beispielsweise 33:38, 33:62, 35:43, 40:85, 48:23.
  70. Ich bin davon überzeugt, dass die Natur genauso eine Offenbarung Gottes ist wie Seine niedergeschriebenen Worte. Wenn ich also von den „Zeichen Gottes“ rede, meine ich damit die Erkenntnisse, die wir aus dem Studium der Gottesbücher und der Wissenschaft in allen Lebensbereichen gewonnen haben. Hierbei sind die Natur wie auch die Bücher unveränderliche und unzertrennbar miteinander verbundene Einheiten, doch unsere Erkenntnisse über diese unveränderlichen Einheiten werden sich ändern müssen, um zeitgemäße Lösungen anzubieten.
  71. Politisch wie auch wirtschaftlich ausbeuterische, fragwürdige und manchmal kriminell anmutende Vorgehensweisen einiger Regierungen tragen dazu natürlich auch bei. Als Beispiel ist der Waffenexport europäischer Länder wie Deutschland oder der Schweiz anzuführen, die ihre Waffen nach dem Prinzip „Teile und herrsche – und verdiene dabei!“ an Rebellen oder Länder ausliefern oder die Auslieferung zumindest zulassen, welche sich dann bekriegen und somit jeder Nährboden für Wissenschaft, Philosophie und Kunst zerstört wird. Dass sich die arabische Welt von diesem politischen Trauma, wissenschaftlich zurückgeblieben zu sein, mit verzerrten und tiefgreifend falschen Vorstellungen über die Religion zu erholen versucht, ist natürlich die andere Seite der Medaille. Statt wirklich religiös zu sein, indem sie Wissenschaft betreiben und föderalistisch-laizistische Demokratien einführen mit einem allumfassenden Wohlfahrtsystem, damit alle ihre nötigen Bedürfnisse erfüllen können und die Gesellschaft vorantreiben, ziehen sie es vor einen Teil der Religion Gottes in den Vordergrund zu stellen (Gebete, Fasten und Pilgerfahrt) und den anderen zu vergessen (geistige wie auch wissenschaftliche Weiterentwicklung). Dies ist das Ergebnis davon, wenn man die Lesung nicht ganzheitlich betrachtet, sich also von der Ermahnung auch nur in Teilen abgekehrt hat (20:124), in anderen Worten also Beigesellung betrieb.
  72. Siehe auch 7:29–30 und 43:36–37.
  73. Übersetzung von Zaidan.
  74. Die Mythologie der Fürsprache ist ein Thema, welches nochmals alleinstehend behandelt werden kann, weshalb ich dieses Thema nur kurz angeschnitten habe. Eine ausführlichere koranische Betrachtung dieser Angelegenheit finden Sie auf unserer Webseite im Artikel „Die Mythologie der Fürsprache“: www.alrahman.de/die-mythologie-der-fuersprache
  75. Wörter wie Sicherheit ( أمان – ʾamān, أَمْن – ʾamn) oder sicher (أمين – ʾamīn; آمن – āmin), gesichert ( مأمون – maʾmūn) sind unzertrennlich mit dem Wort ʾīmān über die Wurzel a-m-n verbunden, auch etwa um die Bedeutung „Schutz vor einer Gefahr“ wiederzugeben. Sämtliche 722 Stellen in der Lesung, in denen diese Wurzel vorkommt: 2:3, 2:4, 2:6, 2:8, 2:9, 2:13, 2:14, 2:25, 2:26, 2:41, 2:55, 2:62, 2:75, 2:76, 2:82, 2:85, 2:88, 2:91, 2:93, 2:97, 2:100, 2:103, 2:104, 2:108, 2:109, 2:121, 2:125, 2:126, 2:136, 2:137, 2:143, 2:153, 2:165, 2:172, 2:177, 2:178, 2:183, 2:186, 2:196, 2:208, 2:212, 2:213, 2:214, 2:218, 2:221, 2:223, 2:228, 2:232, 2:239, 2:248, 2:249, 2:253, 2:254, 2:256, 2:257, 2:260, 2:264, 2:267, 2:277, 2:278, 2:282, 2:283, 2:285, 3:7, 3:16, 3:28, 3:49, 3:52, 3:53, 3:57, 3:68, 3:72, 3:73, 3:75, 3:81, 3:84, 3:86, 3:90, 3:97, 3:99, 3:100, 3:102, 3:106, 3:110, 3:114, 3:118, 3:119, 3:121, 3:122, 3:124, 3:130, 3:139, 3:140, 3:141, 3:149, 3:152, 3:154, 3:156, 3:160, 3:164, 3:166, 3:167, 3:171, 3:173, 3:175, 3:177, 3:179, 3:183, 3:193, 3:199, 3:200, 4:19, 4:25, 4:29, 4:38, 4:39, 4:43, 4:46, 4:47, 4:51, 4:55, 4:57, 4:58, 4:59, 4:60, 4:65, 4:71, 4:76, 4:83, 4:84, 4:91, 4:92, 4:93, 4:94, 4:95, 4:103, 4:115, 4:122, 4:124, 4:135, 4:136, 4:137, 4:139, 4:141, 4:144, 4:146, 4:147, 4:150, 4:152, 4:155, 4:159, 4:162, 4:170, 4:171, 4:173, 4:175, 5:1, 5:2, 5:5, 5:6, 5:8, 5:9, 5:11, 5:12, 5:23, 5:35, 5:41, 5:43, 5:51, 5:53, 5:54, 5:55, 5:56, 5:57, 5:59, 5:61, 5:65, 5:69, 5:81, 5:82, 5:83, 5:84, 5:87, 5:88, 5:90, 5:93, 5:94, 5:95, 5:101, 5:105, 5:106, 5:111, 5:112, 6:12, 6:20, 6:25, 6:27, 6:48, 6:54, 6:81, 6:82, 6:92, 6:99, 6:109, 6:110, 6:111, 6:113, 6:118, 6:124, 6:125, 6:150, 6:154, 6:158, 7:2, 7:27, 7:32, 7:42, 7:52, 7:68, 7:72, 7:75, 7:76, 7:85, 7:86, 7:87, 7:88, 7:96, 7:97, 7:98, 7:99, 7:101, 7:121, 7:123, 7:126, 7:132, 7:134, 7:143, 7:146, 7:153, 7:156, 7:157, 7:158, 7:185, 7:188, 7:203, 8:1, 8:2, 8:4, 8:5, 8:11, 8:12, 8:15, 8:17, 8:19, 8:20, 8:24, 8:27, 8:29, 8:41, 8:45, 8:55, 8:62, 8:64, 8:65, 8:72, 8:74, 8:75, 9:6, 9:10, 9:13, 9:14, 9:16, 9:18, 9:19, 9:20, 9:23, 9:26, 9:28, 9:29, 9:34, 9:38, 9:44, 9:45, 9:51, 9:61, 9:62, 9:66, 9:71, 9:72, 9:79, 9:86, 9:88, 9:94, 9:99, 9:105, 9:107, 9:111, 9:112, 9:113, 9:119, 9:122, 9:123, 9:124, 10:2, 10:4, 10:9, 10:13, 10:33, 10:40, 10:51, 10:57, 10:63, 10:74, 10:78, 10:83, 10:84, 10:87, 10:88, 10:90, 10:96, 10:98, 10:99, 10:100, 10:101, 10:103, 10:104, 11:17, 11:23, 11:29, 11:36, 11:40, 11:53, 11:58, 11:66, 11:86, 11:94, 11:120, 11:121, 12:11, 12:17, 12:37, 12:54, 12:57, 12:64, 12:99, 12:103, 12:106, 12:107, 12:111, 13:1, 13:28, 13:29, 13:31, 14:11, 14:23, 14:27, 14:31, 14:35, 14:41, 15:13, 15:46, 15:77, 15:82, 15:88, 16:22, 16:45, 16:60, 16:64, 16:72, 16:79, 16:97, 16:99, 16:102, 16:104, 16:105, 16:106, 16:112, 17:9, 17:10, 17:19, 17:45, 17:68, 17:69, 17:82, 17:90, 17:93, 17:94, 17:107, 18:2, 18:6, 18:13, 18:29, 18:30, 18:55, 18:80, 18:88, 18:107, 19:39, 19:60, 19:73, 19:96, 20:16, 20:70, 20:71, 20:73, 20:75, 20:82, 20:112, 20:127, 21:6, 21:30, 21:88, 21:94, 22:14, 22:17, 22:23, 22:38, 22:50, 22:54, 22:56, 22:77, 23:1, 23:8, 23:38, 23:44, 23:47, 23:58, 23:74, 23:109, 24:2, 24:3, 24:12, 24:17, 24:19, 24:21, 24:23, 24:27, 24:30, 24:31, 24:47, 24:51, 24:55, 24:58, 24:62, 25:70, 26:3, 26:8, 26:47, 26:49, 26:51, 26:67, 26:102, 26:103, 26:107, 26:111, 26:114, 26:118, 26:121, 26:125, 26:139, 26:143, 26:146, 26:158, 26:162, 26:174, 26:178, 26:190, 26:193, 26:199, 26:201, 26:215, 26:227, 27:2, 27:4, 27:15, 27:39, 27:53, 27:77, 27:81, 27:86, 27:89, 28:3, 28:10, 28:26, 28:31, 28:47, 28:52, 28:53, 28:57, 28:67, 28:80, 29:2, 29:7, 29:9, 29:10, 29:11, 29:12, 29:24, 29:26, 29:44, 29:46, 29:47, 29:51, 29:52, 29:56, 29:58, 29:67, 30:4, 30:15, 30:37, 30:45, 30:47, 30:53, 30:56, 31:8, 32:15, 32:18, 32:19, 32:29, 33:6, 33:9, 33:11, 33:19, 33:22, 33:23, 33:25, 33:35, 33:36, 33:37, 33:41, 33:43, 33:47, 33:49, 33:50, 33:53, 33:56, 33:58, 33:59, 33:69, 33:70, 33:72, 33:73, 34:4, 34:8, 34:18, 34:20, 34:21, 34:31, 34:37, 34:41, 34:52, 35:7, 36:7, 36:10, 36:25, 36:47, 37:29, 37:81, 37:111, 37:122, 37:132, 37:148, 38:24, 38:28, 39:10, 39:45, 39:52, 40:7, 40:10, 40:12, 40:25, 40:27, 40:28, 40:30, 40:35, 40:38, 40:40, 40:51, 40:58, 40:59, 40:84, 40:85, 41:8, 41:18, 41:40, 41:44, 42:15, 42:18, 42:22, 42:23, 42:26, 42:36, 42:45, 42:52, 43:69, 43:88, 44:12, 44:18, 44:21, 44:51, 44:55, 45:3, 45:6, 45:14, 45:21, 45:30, 46:10, 46:11, 46:17, 46:31, 47:2, 47:3, 47:7, 47:11, 47:12, 47:19, 47:20, 47:33, 47:36, 48:4, 48:5, 48:9, 48:12, 48:13, 48:18, 48:20, 48:25, 48:26, 48:27, 48:29, 49:1, 49:2, 49:6, 49:7, 49:9, 49:10, 49:11, 49:12, 49:14, 49:15, 49:17, 51:35, 51:55, 52:21, 52:33, 53:27, 57:7, 57:8, 57:12, 57:13, 57:16, 57:19, 57:21, 57:27, 57:28, 58:4, 58:9, 58:10, 58:11, 58:12, 58:22, 59:2, 59:9, 59:10, 59:18, 59:23, 60:1, 60:4, 60:10, 60:11, 60:12, 60:13, 61:2, 61:10, 61:11, 61:13, 61:14, 62:9, 63:3, 63:8, 63:9, 64:2, 64:8, 64:9, 64:11, 64:13, 64:14, 65:2, 65:10, 65:11, 66:4, 66:5, 66:6, 66:8, 66:11, 67:16, 67:17, 67:29, 69:33, 69:41, 70:28, 70:32, 71:28, 72:2, 72:13, 74:31, 77:50, 81:21, 83:29, 83:34, 84:20, 84:25, 85:7, 85:8, 85:10, 85:11, 90:17, 95:3, 95:6, 98:7, 103:3, 106:4.
  76. Es gibt insgesamt fünf Formen:
    1. Lā ilāha illa hū ( لا إله إلا هو ): Es gibt keinen Gott außer Ihm.
    2:163, 2:255, 3:2, 3:6, 3:18, 4:87, 6:102, 6:106, 7:158, 9:31, 11:14, 13:30, 20:8, 20:98, 23:116, 27:26, 28:70, 28:88, 35:3, 39:6, 40:3, 40:62, 40:65, 44:8, 59:22, 59:23, 64:13, 73:9.
    2. Lā ilāha illa-llaḏi ʾāmanat bihi banūʾ ʾisrāʾīl ( لا إله إلا الذى ءامنت به بنوا إسرءيل): Es gibt keinen Gott außer dem, an den die Kinder Israels glaubten.
    10:90.
    3. Lā ilāha illa ʾanā ( لا إله إلا أنا ): Es gibt keinen Gott außer Mir.
    16:2, 20:14, 21:25.
    4. Lā ilāha illa ʾanta ( لا إله إلا أنت ): Es gibt keinen Gott außer Dir.
    21:87.
    5. Lā ilāha illa-llāh ( لا إله إلا الله ): Es gibt keinen Gott außer dem Gott. 37:35, 47:19.
  77. Siehe auch Vers 3:64.
  78. 2:23, 2:84, 2:133, 2:140, 2:143, 2:185, 2:204, 2:282, 2:283, 3:18, 3:52, 3:53, 3:64, 3:70, 3:81, 3:86, 3:98, 3:99, 3:140, 4:6, 4:15, 4:33, 4:41, 4:69, 4:72, 4:79, 4:135, 4:159, 4:166, 5:8, 5:44, 5:83, 5:106, 5:107, 5:108, 5:111, 5:113, 5:117, 6:19, 6:73, 6:130, 6:144, 6:150, 7:37, 7:172, 9:17, 9:94, 9:105, 9:107, 10:29, 10:46, 10:61, 11:17, 11:18, 11:54, 11:103, 12:26, 12:81, 13:9, 13:43, 16:84, 16:89, 17:78, 17:96, 18:51, 19:37, 21:56, 21:61, 21:78, 22:17, 22:28, 22:78, 23:92, 24:2, 24:4, 24:6, 24:8, 24:13, 24:24, 25:72, 27:32, 27:49, 28:44, 28:75, 29:52, 32:6, 33:45, 33:55, 34:47, 36:65, 37:150, 39:46, 39:69, 40:51, 41:20, 41:21, 41:22, 41:47, 41:53, 43:19, 43:86, 46:8, 46:10, 48:8, 48:28, 50:21, 50:37, 57:19, 58:6, 59:11, 59:22, 62:8, 63:1, 64:18, 65:2, 70:33, 73:15, 74:13, 83:21, 85:3, 85:7, 85:9, 100:7.
  79. Übersetzung von Azhar.
  80. Übersetzung von Bubenheim.
  81. Übersetzung von der Aḥmadiyya.
  82. 12:40, 17:23, 22:30-31, 17:22, 17:39, 18:29, 7:59, 26:22, 23:47
  83. 10:78, 33:67, 40:47, 7:109-110, 85:4-7, 40:26, 10:75, 29:39, 7:126-127, 19:44, 5:60, 26:29, 7:124, 29:65, 52:35-36, 37:35, 41:15, 31:7, 46:11, 6:124
  84. Übersetzung von Khoury.
  85. Übersetzung von Khoury.
  86. Sämtliche 59 Stellen der Wurzel z-k-w ( ز ك و ) sind in der Lesung in den folgenden 56 Versen zu finden: 2:43, 2:83, 2:110, 2:129, 2:151, 2:174, 2:177, 2:232, 2:277, 3:77, 3:164, 4:49, 4:77, 4:162, 5:12, 5:55, 7:156, 9:5, 9:11, 9:18, 9:71, 9:103, 18:19, 18:74, 18:81, 19:13, 19:19, 19:31, 19:55, 20:76, 21:73, 22:41, 22:78, 23:4, 24:21, 24:28, 24:30, 24:37, 24:56, 27:3, 30:39, 31:4, 33:33, 35:18, 41:7, 53:32, 58:13, 62:2, 73:20, 79:18, 80:3, 80:7, 87:14, 91:9, 92:18, 98:5.
  87. In der Lesung wird dies als „sunnatullah“ wiedergegeben, was als „Vorgehen Gottes“ verstanden werden kann (3:137, 8:38, 15:13, 17:77, 18:55, 33:38, 33:62, 35:43, 40:85, 48:23). Treffender wäre unserer Meinung nach „Naturgesetze Gottes“ im Mikro- wie auch im Makrokosmos, oder in anderen Worten die erfahrbaren und nicht erfahrbaren universalen Prinzipien und Gesetze, die Gott in diese Schöpfung hinein legte.
  88. Bibelübersetzung „Hoffnung für alle“.
  89. Weitere relevante Stellen hierzu in der Bibel und in der Lesung: Römer 9:18–21, Lesung 6:88, 2. Thessalonicher 2:11–12, Lesung 6:112–113, Jeremia 18:3–6, Lesung 45:23, Jesaja 29:16, Jesaja 45:9–12, Hiob 40:2, Lesung 6:39, Lesung 6:110, 2. Mose 33:19.
  90. Quelle: http://islamqa.info/en/ref/21134 – zuletzt aufgerufen am 30.08.2015.
  91. Dieses Wort hat dieselbe Wurzel wie das Wort fatwā, beide Wörter sind also miteinander linguistisch verbunden.
  92. Quelle: http://lesewerkarabisch.wordpress.com/2014/10/04/was-nicht-im-koran-steht/ – zuletzt aufgerufen am 29.09.2015.
  93. Übersetzung von Paret.
  94. Der Daddschāl (arabisch für „Täuscher“) ist eine vor-koranische, erfundene Gestalt der Eschatologie, die in der Endzeit auftreten soll. Sie kommt nicht in der Lesung vor und muss deshalb
    als nicht-islamisch betrachtet werden. Vermutlich fanden biblische Geschichten wie Matthäus 24, 24 durch Übersetzungen ihren Eingang in die Aḥādīṯ. Der Mahdī (arabisch für „Rechtgeleiteter“) ist die erfundene Gegenfigur zum Daddschāl und kommt auch nicht in der Lesung vor. Zuerst als religiös-politisch motivierter Begriff wurde dieses Wort nach dem zweiten Bürgerkrieg nach dem Ableben von Mu‘āwiya zunehmend religiös-messianisch verwendet.
  95. Dieser Text erschien auf seinem Facebook-Profil, zuletzt abgerufen am 14.07.2015: https://www.facebook.com/Prof.Mouhanad.Khorchide/posts/750365581698401
  96. Manche behaupten, hier sei nicht die Lesung selbst gemeint, sondern das Buch, das wir am letzten Tag, das heißt am Tag des Gerichts erhalten werden und beziehen sich hierbei auf die vorhergehenden Verse 75:13–15. Diese Annahme mündet jedoch in einem unauflösbaren Widerspruch, wonach nach Vers 17:14 niemand benötigt wird außer einem selbst für die Erklärung der Abrechnung, aber nach 75:19 nicht nur ein Erklärer, sondern gleich mehrere angekündigt werden! Aus diesem Grund muss sich diese Textstelle auf die Lesung beziehen.
  97. Zu finden auf unserer Webseite alrahman.de.
  98. Übersetzung von Bubenheim.
  99. Übersetzung von Bubenheim.
  100. Übersetzung von Bubenheim.
  101. Siehe erneut folgende Verse: 11:1, 12:111, 16:89, 41:3.
  102. Übersetzung von Bubenheim.
  103. Übersetzung von Aḥmadiyya.
  104. Übersetzung von Bubenheim.
  105. 3:137, 4:26, 5:45, 8:38, 15:13, 15:26, 15:28, 15:33, 17:77, 18:55, 33:38, 33:62, 35:43, 40:85, 48:23.
  106. 2:152, 14:7, 14:15, 26:18, 26:57, 26:85, 27:40, 29:66, 30:33, 39:7.
  107. Azhar-Übersetzung.
  108. Nämlich in den folgenden 110 Versen: 2:66, 2:79, 2:95, 2:97, 2:195, 2:237, 2:249, 2:255, 3:3, 3:26, 3:50, 3:73, 3:182, 4:43, 4:62, 4:77, 4:91, 5:6, 5:11, 5:28, 5:33, 5:38, 5:46, 5:48, 5:64, 5:94, 6:7, 6:92, 6:93, 7:17, 7:57, 7:108, 7:124, 7:149, 7:195, 8:51, 8:70, 9:14, 9:29, 9:52, 9:67, 10:37, 11:70, 12:31, 12:50, 12:111, 13:11, 14:9, 17:29, 18:57, 19:64, 20:22, 20:71, 20:110, 21:28, 22:10, 22:76, 23:88, 24:24, 24:40, 25:27, 25:48, 26:33, 26:49, 27:12, 27:63, 28:32, 28:47, 30:36, 30:41, 34:9, 34:12, 34:31, 34:46, 35:31, 36:9, 36:35, 36:45, 36:65, 36:71, 36:83, 38:44, 38:45, 38:75, 41:14, 41:25, 41:42, 42:30, 42:48, 46:21, 46:30, 48:10, 48:20, 48:24, 49:1, 57:12, 57:29, 58:12, 58:13, 59:2, 60:2, 60:12, 61:6, 62:7, 66:8, 67:1, 72:27, 78:40, 80:15, 111:1.
  109. Übersetzung von Azhar.
  110. Übersetzung von Bubenheim.
  111. 2:27, 3:127, 5:38, 6:45, 7:72, 8:7, 9:121, 13:25, 22:15, 29:29, 59:5, 69:46.
  112. 5:33, 7:124, 7:160, 7:168, 12:31, 12:50, 13:31, 20:71, 22:19, 26:49, 47:15,47:22.
  113. 2:166, 6:94, 9:110, 21:93, 23:53.
  114. 11:81, 15:65, 10:27, 13:4.
  115. 27:32, 15:66, 56:33.
  116. to cut/sever/disunite/separate/detach, to disable in prosecuting, unable to proceed in, withdrew, break down, perish/cease/finish/fail, cut short / stop, intercepted/interrupted, put an end/stop to, a piece/bit/part/portion cut off from a whole, herd, distinct portion.
  117. The Proceedings of Old Bailey, Punishments at the Old Baily, Webseite: http://www.oldbaileyonline.org/static/Punishment.jsp#branding, zuletzt aufgerufen am 29.09.2015
  118. Eine weitere Variante ist السنة قاضية على الكتاب ولم يجئ الكتاب قاضيا على السنة mit derselben Bedeutung. Dies wird Yaḥyā b. abi kaṯīr und Al-awzāʿī zugeschrieben. Siehe den Sunan Al-Dārimi in den einführenden Kapiteln.
  119. 2:32, 2:113, 2:129, 2:151, 2:188, 2:209, 2:213, 2:220, 2:228, 2:231, 2:240, 2:251, 2:260, 2:269, 3:6, 3:7, 3:18, 3:23, 3:48, 3:55, 3:58, 3:62, 3:79, 3:81, 3:126, 3:164, 4:11, 4:17, 4:24, 4:26, 4:35, 4:54, 4:56, 4:58, 4:60, 4:65, 4:92, 4:104, 4:105, 4:111, 4:113, 4:130, 4:141, 4:158, 4:165, 4:170, 5:1, 5:38, 5:42, 5:43, 5:44, 5:45, 5:47, 5:48, 5:49, 5:50, 5:95, 5:110, 5:118, 6:18, 6:57, 6:62, 6:73, 6:83, 6:89, 6:114, 6:128, 6:136, 6:139, 7:87, 8:10, 8:49, 8:63, 8:67, 8:71, 9:15, 9:28, 9:40, 9:60, 9:71, 9:97, 9:106, 9:110, 10:1, 10:35, 10:109, 11:1, 11:45, 12:6, 12:22, 12:40, 12:67, 12:80, 12:83, 12:100, 13:37, 13:41, 14:4, 15:25, 16:59, 16:60, 16:124, 16:125, 17:39, 18:26, 19:12, 21:74, 21:78, 21:79, 21:112, 22:52, 22:56, 22:69, 24:10, 24:18, 24:48, 24:51, 24:58, 24:59, 26:21, 26:83, 27:6, 27:9, 27:78, 28:14, 28:70, 28:88, 29:4, 29:26, 29:42, 30:27, 31:2, 31:9, 31:12, 31:27, 33:1, 33:34, 34:1, 34:27, 35:2, 36:2, 37:154, 38:20, 38:22, 38:26, 39:1, 39:3, 39:46, 40:8, 40:12, 40:48, 41:42, 42:3, 42:10, 42:51, 43:4, 43:63, 43:84, 44:4, 45:2, 45:16, 45:21, 45:37, 46:2, 47:20, 48:4, 48:7, 48:19, 49:8, 51:30, 52:48, 54:5, 57:1, 59:1, 59:24, 60:5, 60:10, 61:1, 62:1, 62:2, 62:3, 64:18, 66:2, 68:36, 68:39, 68:48, 76:24, 76:30, 95:8.
  120. Übersetzung von Bubenheim.
  121. Übersetzung von Bubenheim.
  122. Die Quellen hierzu gebe ich bewusst nicht an, da ich nicht möchte, dass man sich mit solchem Unsinn ernsthaft auseinandersetzen muss. Es wäre nur zu schön, wären diese Behauptungen
    erfunden. Dennoch nochmal der Aufruf, nichts ungeprüft anzunehmen (17:36). Die Quellen für diese Aussprüche habe ich in meinen Artikeln auf www.alrahman.de angegeben.
  123. Mahmūd al-Nasafī, Tafsīr al-Nasafī ʾaw Mudārak al-Tanzīl wa Ḥaqāʾiq al- Tāʾwīl, (Kairo: al-Maktab al- Tawfīqīt), Band 1 von 4 in 2 Einbändern, Seiten 281–282
  124. Siehe auch Vers 72:4 für eine ähnliche Ausdrucksweise aus der Lesung. Man bedenke hierbei, dass die Ausdrucksweise aus der Lesung bei gewissen Übersetzungen verloren gehen kann, wenn sie dem arabischen Original nicht treu geblieben sind.
  125. 4:3, 4:24, 4:25, 4:36, 16:71, 23:6, 24:31, 24:33, 24:58, 30:28, 33:50, 33:52, 33:55, 70:30.
  126. Weitere Betrachtungen zu diesem Wort finden Sie auf unserer Webseite alrahman.de im Artikel „Ma malakat aymanukum“.
  127. Siehe hierzu auch die Verse 6:62, 8:40, 9:31, 9:51, 10:30, 22:13, 22:78, 34:41, 42:21, 47:11, 66:2 und 66:4.
  128. Die 251 Stellen der Ableitungen von der Wurzel w-l-y kommen in den folgenden 201 Versen vor: 2:64, 2:83, 2:107, 2:115, 2:120, 2:137, 2:142, 2:144, 2:148, 2:149, 2:150, 2:177, 2:205, 2:246, 2:257, 2:282, 2:286, 3:20, 3:23, 3:28, 3:32, 3:63, 3:64, 3:68, 3:82, 3:111, 3:122, 3:150, 3:155, 3:175, 4:33, 4:45, 4:75, 4:76, 4:80, 4:89, 4:115, 4:119, 4:123, 4:135, 4:139, 4:144, 4:173, 5:43, 5:49, 5:51, 5:55, 5:56, 5:57, 5:80, 5:81, 5:92, 5:107, 6:14, 6:51, 6:62, 6:70, 6:121, 6:127, 6:128, 6:129, 7:3, 7:27, 7:30, 7:79, 7:93, 7:155, 7:196, 8:15, 8:16, 8:20, 8:23, 8:34, 8:40, 8:72, 8:73, 8:75, 9:3, 9:23, 9:25, 9:50, 9:51, 9:57, 9:71, 9:74, 9:76, 9:92, 9:116, 9:123, 10:30, 10:62, 10:72, 11:3, 11:20, 11:52, 11:57, 11:113, 12:84, 12:101, 13:11, 13:16, 13:37, 16:63, 16:76, 16:82, 16:100, 17:33, 17:46, 17:97, 17:111, 18:17, 18:18, 18:26, 18:44, 18:50, 18:102, 19:5, 19:45, 19:70, 20:48, 20:60, 21:57, 21:109, 22:4, 22:13, 22:78, 24:11, 24:47, 24:54, 25:18, 27:10, 27:28, 27:49, 27:80, 28:24, 28:31, 29:22, 29:41, 30:52, 31:7, 32:4, 33:5, 33:6, 33:15, 33:17, 33:65, 34:41, 37:90, 37:174, 37:178, 39:3, 40:33, 41:31, 41:34, 42:6, 42:8, 42:9, 42:28, 42:31, 42:44, 42:46, 44:14, 44:41, 45:10, 45:19, 46:29, 46:32, 47:11, 47:20, 47:22, 47:38, 48:16, 48:17, 48:22, 51:39, 51:54, 53:29, 53:33, 54:6, 54:45, 57:15, 57:24, 58:14, 59:12, 60:1, 60:6, 60:9, 60:13, 62:6, 64:6, 64:12, 66:2, 66:4, 70:17, 75:32, 75:34, 75:35, 80:1, 88:23, 92:16, 96:13.
  129. Übersetzung von Paret.
  130. Übersetzung von Rassoul.
  131. Übersetzung von Rassoul.
  132. Übersetzung von Paret.
  133. Übersetzung von M. Asad.
  134. Übersetzung von Rassoul.
  135. Übersetzung von Paret.
  136. Wurzel q-s-m: 4:8, 5:3, 5:53, 5:106, 5:107, 6:109, 7:21, 7:49, 14:44, 15:44, 15:90, 16:38, 24:53, 27:49, 30:55, 35:42, 43:32, 51:4, 53:22, 54:28, 56:75, 56:76, 68:17, 69:38, 70:40, 75:1, 75:2, 81:15, 84:16, 89:5, 90:1.
  137. Übersetzung von Khoury.
  138. In Lisān al-ʿarab, bāb al-lām: وقد تجئ زائدة مع اليمين كقولك لا أقسم بالله. قال أبو إسحق في قول الله عز وجل: لا أقسم بيوم القيامة وأشكالها في القرآن: لا اختلاف بين الناس أن معناه أقسم بيوم القيامة
  139. Siehe Zamachscharī, Al-Kaschschāf, Kommentar zu Vers 56:75.
  140. Lisān al-ʿarab: واختلفوا في تفسير لا فقال بعضهم لا لغو، وإن كانت في أول السورة، لأن القرآن كله كالسورة الواحدة لأنه متصل بعضه ببعض، وقال الفراء: لا رد لكلام تقدم كأنه قيل ليس الأمر كما ذكرتم
  141. Siehe Abū Ḥayyān Al-Andalusī, Al-Baḥr Al-Muḥīṭ, Kommentar zu Vers 90:1.
  142. Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 1952; Neudruck der 5. Auflage von 1985 im Jahre 2011 vom Verlag Harrasowitz.

Halal Fleisch im Islam – Gibt es halal Fleisch laut Koran?

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan
Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen

Frieden liebe Geschwister!

Wir wissen alle, dass für uns Gottergebene (Muslime) in der friedlichen Gottergebenheit (Islām) das Schweinefleisch und bezüglich des Schweines nur das Schweinefleisch verboten ist. Gelatine oder andere Teile des Schweins sind also erlaubt (ḥalāl). Doch wie steht es um die allgemeine Schlachtung der Tiere? Man hat doch mal was vom Schächten gehört und dass es rigide Vorschriften gäbe, wie etwa dass das Tier nach Mekka, genau genommen nach der sogenannten Qibla gerichtet werden müsse? Und wie steht es um das von Christen und Juden geschlachtete Fleisch? Gibt es so etwas wie halal Fleisch überhaupt?

Die wichtigste Frage ist jedoch, wie wir herausfinden können, was überhaupt erlaubt und verboten (ḥarām) sein kann. Es gibt eine einfache Art in der Lesung (deutsch für Koran oder „al-qurʾān“), wie man etwas als erlaubt oder verboten bezeichnen kann. In der Lesung gibt es nämlich einen Vers, der folgendes aussagt:

 

6:114 Wen außer den Gott soll ich als Richter suchen, wo er es doch ist, der die Schrift detailliert zu euch herab sandte? Diejenigen, denen wir das Buch zukommen ließen, wissen, dass es von deinem Herrn mit der Wahrheit herabgesandt wurde. So sei nicht unter den Zweiflern.

 

In einem anderen Vers lernen wir, dass die Lesung für die Gottergebenen genügt (29:51). Wenn man die Lesung kennt, so ist es in Wahrheit noch schwerwiegender. Es gilt nur das, was Gott offenbarte. Alles, was Er nicht offenbarte und offen ließ, ist unserem Ermessen überlassen (5:101). Wir dürfen im Namen der Religion keine Falschheiten verbreiten und etwas für verboten erklären, das Gott nicht verboten hat. Denn dadurch würde man sich als weiteren Gesetzgeber und weiteren Richter neben Gott behaupten und sich so seiner Souveränität und Autorität beigesellen. Und die Beigesellung (schirk) ist die Kapitalsünde schlechthin (4:48) in der Lebensweise (dīn), die Gott für uns vorsah. Wir dürfen also nichts Falsches behaupten (16:116) und dürfen nur das wiederholen, was Gott offenbarte:

 

10:59 Sage: „Was meint ihr, dass ihr das für verboten und erlaubt erklärt, was der Gott für euch an Versorgung herabsenden ließ?!“ Sage: „Hat euch dies der Gott erlaubt oder erfindet ihr etwas über den Gott?“

5:87 O ihr, die ihr glaubt, verbietet nicht die guten Dinge, die der Gott euch erlaubte, und übertretet nicht. Gewiss liebt der Gott nicht die Übertretenden.

 

Es ist für uns also verboten, etwas anderes zu behaupten als das, was der Schöpfergott uns herabsandte in seiner Lesung. Nein, es ist nicht nur für uns verboten, sondern darüber hinaus deutlich auch unserem geliebten Propheten Mohammed, etwas Neues zu erfinden (66:1), wonach der Prophet getadelt wird von Gott, etwas Neues hinzugedichtet zu haben, um seinen Partnerinnen zu gefallen, indem er etwas Erlaubtes verboten hat! Dieses Beispiel unseres Propheten zeigt uns klar, dass in Bezug auf das Essbare nur das als wahr gilt, was unser Gott in der Lesung offenbarte. Nur Blut, Totes, Schweinefleisch und das, was anderen Wesen oder Menschen als Gott gewidmet wurde, ist verboten und sonst nichts (2:173, 5:3, 6:145, 16:115)! Erfindungen wie die Richtung beim Schlachten der Tiere oder das angebliche Schächten kommt in der Lesung Gottes nicht vor und sind somit als Lügen und Unwahrheiten abzulehnen.

Doch wenn außer diesen vier Nahrungsmitteln nichts verboten und die meisten Regeln für das „halal Schlachten“ erfunden sind, wie verhält es sich dann mit der Erwähnung des Gottesnamens bei der Schlachtung? Sind wir nicht dazu verpflichtet, Ihn zu erwähnen? Betrachten wir hierzu erst einmal eine klassische Übersetzung des folgenden Verses:

 

6:118 Eßt von dem, worüber der Name Gottes ausgesprochen worden ist, so ihr an seine Zeichen glaubt. (Übersetzung von Khoury)
Transliteration: Fakulū Mimmā Ḏukira Asmu Allāhi `Alayhi ‚In Kuntum Bi’āyātihi Mu’minīna

 

Fast alle Übersetzer geben diesen Vers und verwandte Ausdrücke (z.B. in 5:4, 6:119, 6:121, 6:138, 22:28, 22:34, 22:36, 22:40) auf diese oder ähnliche Art wieder. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie im Vers die entsprechende Formulierung als „worüber Gottes Name ausgesprochen wurde“ interpretieren. Dies wird als Beleg verwendet, dass man doch den Namen Gottes erwähnen müsse beim Schlachten. Jedoch begeht man hier einen folgenschweren Fehler, wenn man dieser falschen Annahme folgt. Die Begründung ist einfach: „Worüber Gottes Name ausgerufen wurde“ bedeutet nämlich nicht dasselbe wie „worüber beim Schlachten Gottes Name ausgerufen wurde“ und darüber hinaus wurde das Essen der Schriftbesitzer, also das Essen der Christen und Juden für erlaubt erklärt:

 

5:5 Heute sind euch die guten Dinge erlaubt. Das Essen derer, denen das Buch zugekommen ist, ist euch erlaubt, und euer Essen ist ihnen erlaubt. …

 

Foto: Luca Rossato, CC BY-NC-ND 2.0

Die eigene Interpretation ist also fehleranfällig, wenn wir Vers 5:5 der Lesung außer Acht lassen. Wir müssen also genau formulieren: Die Aussage „nur das ist erlaubt, worüber Gottes Name ausgesprochen wurde beim Schlachten“ ist als Erfindung und somit als Lüge über den einen Gott zu werten. Es wird von uns nirgends verlangt, das Schlachten der Tiere durch die Schriftbesitzer zu beobachten und nachzuprüfen. Wenn wir aber wissen, dass Gottes Geschöpfe gemäß einer Lebensordnung (dīn) geschlachtet wurden, die fälschlicherweise Gott oder einer anderen Gottheit gewidmet ist, so dürfen wir das Essen nicht konsumieren, da wir ansonsten diese Blasphemie bestätigen. Durch den Vers 5:5 aus der Lesung wird jedoch das Essen von denen, die sich nicht als Gottergebene bezeichnen, für erlaubt erklärt. Wir können also grob gesagt ruhigen Gewissens das Essen verzehren, das in fremden Küchen gekocht oder in uns unbekannten Metzgereien geschlachtet wurde. Betrachten wir jedoch auch die anderen Verse, die ich oben in Klammern erwähnte, so wird folgendes klar:

 

  1. Uns sind die guten Dinge erlaubt und wir haben Gottes Namen zu gedenken, mindestens beim Verzehr. (5:4, 6:118-119, 22:28)
  2. Jede Gemeinschaft hat einen eigenen Ritus, welcher den Namen Gottes in irgendeiner Form beinhaltet (22:34). Dies wäre im Allgemeinen unmöglich, wenn der Name Gottes ausgesprochen werden müsste und geht nur, wenn wir das Verb gedenken angemessen berücksichtigen, was unter anderem sowohl das Aussprechen als auch ein im Herz gesprochener Gedanke bedeuten kann.
  3. Wir als Gottergebene müssen, wenn wir selbst schlachten, des Namen des einen Gottes gedenken. (22:36)
  4. Wenn wir als Gottergebene etwas schlachten oder auch schlachten lassen, so müssen wir einen Teil den bedürftigen Menschen abgeben. (22:28, 22:36)
  5. Die Tiere sind nicht nur zum Verzehr da, sondern bieten uns vielfältigen Nutzen an. (22:28)
  6. Das Schlachten an sich stellt keinen Gottesdienst dar. (22:37)

 

Genauso wenig bedeutet ausgerufen oder ausgesprochen nicht dasselbe wie das in Vers 6:118 verwendete Wort gedenken (ḏukira). Auch in allen anderen, ähnlichen Versen wird dieses Verb gedenken verwendet. Wir sollen also Gottes Namen gedenken, wenn wir essen. Dies kann auch erst beim Essen am Tisch geschehen und kann genau genommen auch nur im Herzen und in Gedanken erfolgen. Nochmals wiederholt: Des Namen Gottes muss mindestens vor dem Essen gedenkt werden, egal wer das Tier wie geschlachtet hat. Nur wenn wir erfahren, dass bewusst der Name Gottes ausgelassen wurde (6:121) oder das Essen einem anderen Wesen als dem Gott oder einem Menschen gewidmet wird, ist es uns verboten (2:173, 5:3, 6:145, 16:115). Doch lesen wir 6:121 einmal genauer:

 

6:121 Und esst nicht von dem, worüber des Namens Gottes nicht gedacht wurde. Das ist wahrlich ein Frevel. Die Satane geben gewiss ihren Verbündeten ein, damit sie mit euch streiten. Wenn ihr ihnen gehorcht, seid ihr gewiss Beigeseller.

 

Auf jeden Fall gehört die Achtsamkeit (at-taqwá) gegenüber Gott und Seiner Schöpfung zu den Tugenden der Gottergebenen.Dieser Vers darf nun nicht missverstanden werden nach all dem, was bisher geschrieben wurde. Bevor man voreilig zu Schlüssen gelangt, sollte man sich folgendes vor Augen führen: Der Vers beginnt mit einer allgemeinen Aussage und gilt nicht nur für Fleisch. Wenn wir uns also auf Vers 6:121 beziehen, gilt dies für sämtliche Nahrungsmittel und überall, wo man etwas essen kann. Das gilt sowohl für die heimische Küche als auch für andere Orte wie Restaurants, Cafes, Kantinen, Mensas, Take Aways und sonstigen Ständen. Des Weiteren müsste man die Schriftbesitzer immer danach fragen, ob sie bei der Zubereitung ihres Essens Gottes Namen gedacht haben, um zu wissen, ob ihr Fleisch auch erlaubt ist. Doch das stünde dem Vers 5:5 entgegen, der uns das Essen der Schriftbesitzer pauschal erlaubt bis auf das bereits Verbotene. Also kann das Gedenken des Gottesnamens nicht allgemein gemeint sein in 6:121, da man ansonsten so gut wie nichts mehr essen dürfte und nicht nur Fleisch damit gemeint ist.

Wie ist der Vers aber nun zu verstehen?

Dafür müssen wir die Verse 6:119, 22:37 und die Verse um 6:138 herum berücksichtigen. Allgemein handelt das sechste Kapitel ab Vers 114 von den Nahrungsmitteln, der Botschaft und den Zeichen Gottes. Dieser Bereich des sechsten Kapitels macht uns deutlich, dass es nur jemanden gibt, der das Essen für erlaubt oder verboten erklären kann und darf: Gott allein. Die Verse 6:136-138 geben uns zu verstehen, dass die Beigeseller ihre eigenen Regeln in Bezug auf die Versorgung Gottes aufstellen und diese erfundenen Regeln Gott zudichten und den Menschen als Lebensordnung Gottes auferlegen (vgl. auch 42:21). In Zusammenhang mit Vers 22:37 wird also klar, dass hiermit eine erfundene Tradition abgelehnt wird: Die Beigeseller erwähnten Gottes Namen bewusst nicht und die Gottergebenen müssen diese Nahrungsmittel vergehen lassen – Gott zuliebe (6:121). Die Gottergebenen wissen nämlich, dass Gott allein der Versorger ist und diese Wahrheit niemals vergessen gehen darf. Es ist also eine spirituelle Rebellion gegenüber dem Fehlverhalten der Beigeseller, eine religiöse Botschaft der Wahrheit.

Bevor ich zum Ende des Artikels gelange, möchte ich noch einen weiteren Gedanken anregen in Bezug auf den fünften Punkt aus der obigen Liste: Gott sagt in der Lesung über die Tiere, dass sie Völker wären wie wir es sind. Damit ist meines Erachtens gemeint, dass sie genau wie wir lebende, fühlende Wesen sind.

 

6:38 Und es gibt kein Tier auf der Erde und keinen Vogel, der mit seinen Flügeln fliegt, ohne dass es Gemeinschaften wären gleich euch. Wir haben im Buch nichts ausgelassen. Danach werden sie zu ihrem Herrn versammelt.

 

Neben diesem Vers wird uns beispielsweise in 5:88 geboten, das zu essen, was erlaubt und gut ist (in gewissen Übersetzungen steht ‚köstlich‘ anstelle von gut). Wir müssen uns demnach die Frage stellen, ob dieses Gebot nach dem Verzehr des Guten nicht direkt auch bedeutet, dass die fühlenden, lebenden Tiere selbst gut behandelt werden müssen. Wenn es ihnen nicht gut geht, wie kann das Fleisch dieser Tiere dann ethisch gesehen gut sein? Siehe hierzu auch die Verse 5:5, 8:69, 7:157, 16:114 und 20:81. Wir müssen uns weiter fragen, ob wir weiteren gedankenlosen Traditionen nachfolgen wie zum Beispiel dem Opferfest.

Auf jeden Fall gehört die Achtsamkeit (at-taqwá) gegenüber Gott und Seiner Schöpfung zu den Tugenden der Gottergebenen.

Gepriesen sei Gott und Dank sei Ihm für all Seine unzählbaren Versorgungen!
Mögen wir als Gottergebene gegenüber Gott und Seiner Schöpfung achtsamer werden.

Widerlegung des Artikels „Ist die Sunna auch eine göttliche Offenbarung, die mit dem Koran gleichzustellen ist?“

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Auf der Seite antikezukunft sind zwei Artikel erschienen, welche versuchen die Grundhaltung derjenigen Gläubigen zu widerlegen, wonach man einen Islam ohne tradierte Sunna praktiziert. Der erste Artikel wird diesmal Gegenstand unserer Widerlegung. Die Widerlegung des zweiten Artikels wird in einem nächsten Artikel erfolgen. Es muss bei dieser Widerlegung vorweg erwähnt werden, dass der Autor in Bezug zu der Kritik gegenüber unserer Haltung sehr schwach argumentiert. Er hat sich in diesem Artikel mit den Argumenten der Gottergebenheit ohne traditionelle Sunna kaum auseinandergesetzt. Als Vorgeschmack soll nun folgendes Zitat des bekannten Islamwissenschaftlers Reza Aslan dienen:

 

Finde mir einen Hadith über welches Thema auch immer, gib mir 24 Stunden, und ich finde dir einen Hadith, der ihm komplett widerspricht. Fakt.

Reza Aslan (bei Twitter)

 

Im Artikel schreibt der Autor:

 

Eine weitere Besonderheit der Sunna ist, dass es viele Situationen gab, wo der Prophet die Offenbarungen erläutern oder ergänzen musste.

 

Der Autor kann keinen einzigen Koranvers aufzeigen, der diese erfundene These aufrecht erhalten kann (40:35,56). Sie widerspricht vielmehr Versen im Koran:

 

12:111 Er (der Koran) ist kein erdichteter HADITH, sondern eine Bestätigung der früheren (Offenbarungen), eine deutliche Darlegung aller Dinge und Führung und Barmherzigkeit für die Gläubigen. (Siehe auch: 16:89)

 

Natürlich geht es bei bei diesen Versen nur um religiöse Belange (5:3). Die Erklärung des Koran:

 

25:33 Und sie bringen dir kein Beispiel, ohne dass Wir dir die Wahrheit und den besten Tafsir brächten. (Siehe auch: 55:1-2, 75:18-19)

 

Man erkennt, allein Gott lehrt und erklärt den Koran. Jedoch wird hierbei gerne der Vers 16:44 missdeutet, um zu versuchen eine Erklärung des Korans durch den Propheten zu legitimieren. Diese Ansicht wurde jedoch bereits ausführlich auf unserer Homepage widerlegt. Zum Argument, dass der Gesandte dem Koran etwas hinzufügen soll:

 

10:15 … Sag: Es steht mir nicht zu, ihn von mir selbst aus abzuändern. Ich folge nur dem, was mir (als Offenbarung) eingegeben wird. (siehe auch: 6:50, 7:203, 46:9)

69:44-48 Und wenn er sich gegen Uns einige Aussprüche selbst ausgedacht hätte, hätten Wir ihn sicherlich an der Rechten gefasst und ihm hierauf sicherlich die Herzader durchschnitten, und niemand von euch hätte (Uns) dann von ihm abhalten können. Er ist wahrlich eine Erinnerung für die Gottesfürchtigen.

 

Indem man dem Koran etwas hinzufügt, ändert man ihn natürlich auch ab. Zudem muss der Autor die Frage beantworten, warum der Prophet die Offenbarung zu erklären hat, wenn er ihr doch nur folgen soll? Und nun folgender Vers:

 

6:115 Das Wort deines Herrn ist in Wahrheit und Gerechtigkeit vollständig / vollkommen. Es gibt niemanden, der Seine Worte abändern könnte. Und Er ist der Allhörende und Allwissende.

 

Wie sollen nun die Behauptungen des Autors, dass „der Prophet die Offenbarungen erläutern oder ergänzen musste“, mit den bis hierhin erwähnten Koranversen einhergehen? Dazu ist auch anzuführen, warum die Ahadith viele Punkte im Koran nicht erläutern und eben nicht alles erklären? Abgesehen davon sind die vorhandenen angeblichen Erklärungen selbst erklärungsbedürftig, voller Widersprüche und verzerren den Koran. Man ist bei diesen Quellen vielmehr mit neuen Fragen konfrontiert, als Antworten zu erhalten und überhaupt finden sie im Koran als Autorität keine Erwähnung, im Gegenteil: Sie werden verworfen im Buche Gottes selbst, wie im weiteren Verlauf aufgezeigt wird. Weiter schreibt der Autor:

 

Z. B. in Bezug auf das Gebet: Der Koran gibt keine direkten Anweisungen wann, wie oft und wie gebetet werden soll.

 

Im Koran sind drei Gebetszeiten wörtlich genannt. Der Gebetsablauf ist im Koran hinreichend umschrieben. “Ṣalāh” (Kontakt/Gebet) kommt im Koran 77 mal vor. Ausführlicher dazu folgende Artikel:

Aber die Aussage einmal zurückgeworfen: Wie betet denn unser Autor selber? Denn schon alle 4 sunnitischen Rechtsschulen beten unterschiedlich. Nach welcher Autorität soll man nun gehen? Sind zum Beispiel die Hände am Bauch oder weiter unten? Und diesen Vorgang kann man auch grenzenlos erweitern, beispielsweise wie lange ein Gebet nun genau zu dauern hat oder wie schnell man bei einzelnen Gebetsabläufen zu sein hat? Oder welche Gebete nun genau zu rezitieren sind? So muss die Sura Fatiha laut manchen Ahadith nicht verpflichtend gelesen werden und man kann beliebig andere Verse beim Gebet rezitieren (Fatiha Suresi Tefsiri 9. Aufl., S.26 Punkt 1, Prof. Yasar Nuri Öztürk, Verlag: Yeni Boyut). Was soll der Gläubige dementsprechend beim Gebet laut den Ahadith nun genau sagen? Detaillierungen sind somit weit über die Grenzen der Ahadithquellen hinaus mit Leichtigkeit herstellbar und man kann die Frage nach unnötigen Details umkehren in Bezug auf die Ahadith. Als Resümee zu dieser Thematik ist festzuhalten, dass man mit Ahadith nicht auf eindeutige Weise beten kann, da sie so unterschiedlich sind, dass man das Gebet gar nicht einheitlich ausführen könnte. Hierbei wird dann gerne das Argument entgegengebracht, dass die Unterschiede doch angeblich klein wären (wenn man mal die Schiiten außen vor lässt). Dazu muss man jedoch fragen, wer so etwas festlegen darf? Wer bestimmt kleine oder große Unterschiede (6:81, 7:71, 12:40, 53:23)? Für den Einen sind sie klein, für den Anderen etwas größer, wieder für jemand Anderen möglicherweise auch mal ganz groß oder laut Koran ausgeschlossen (42:21)! Dazu steht unmissverständlich:

 

5:101 O die ihr glaubt, fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch offengelegt werden, euch leid tun, wenn ihr nach ihnen fragt zu der Zeit, da der Koran offenbart wird, sie euch (gewiß) offengelegt werden, wo Gott sie übergangen hat. Und Gott ist Allvergebend und Nachsichtig.

 

Warum also nach Details fragen, die vielmehr verwirren als erklären und ohnehin von Gott übergangen werden? Wer hat bei dieser Frage wohl das letzte Wort? Weiter schreibt der Autor:

 

Als Nachweis für die Autorisierung der Sunna gibt Özdil die folgenden Koranstellen an: „Im Gesandten Gottes habt ihr doch ein schönes Beispiel“ (Koran 33:21)

 

Richtig, im Gesandten haben alle Gläubigen ein schönes Beispiel. Warum nennt der Autor dann nicht auch folgende Verse, die sein Beispiel im Koran veranschaulichen?

 

6:50 Sag: Ich sage nicht zu euch, ich besäße die Schatzkammern Gottes, und ich weiß auch nicht das Verborgene; und ich sage nicht zu euch, ich sei ein Engel. Ich folge nur dem, was mir eingegeben wird. Sag: Sind (etwa) der Blinde und der Sehende gleich? Denkt ihr denn nicht nach? (Siehe auch: 7:203, 10:15 und 46:9)

 

Und auch Abraham ist für die Gläubigen laut Koran ein schönes Beispiel (60:4 und 16:120-121). In welchem Hadithbuch ist nun seine Sunna nachlesbar, wenn man die Argumentation des Autors ernst nehmen will? Unabhängig davon ist hier ohnehin vom Gesandten die Rede. Die einzige Funktion eines Gesandten ist nur die Übermittlung der Botschaft (dazu: 13:40, 16:35, 16:82, 24:54), sonst nichts. So also die Gläubigen seinem Beispiel im Koran folgen sollen und nicht in massiv verderbten Quellen, in denen keiner weiß welcher nun stimmt oder nicht, aber viel wichtiger: Der Koran duldet solche Quellen nicht.

 

7:185 Haben sie nicht das Reich der Himmel und der Erde und alles, was Gott geschaffen hat, betrachtet und sich überlegt, dass ihr Ende möglicherweise nahe ist? An was für einen weiteren HADITH wollen sie denn glauben?

31:6 Unter den Menschen gibt es einige, die sich an unbegründete AHADITH wenden (und sie verbreiten), um ohne Wissen von Gottes Weg abirren zu lassen und um damit ihren Spott zu treiben. Ihnen gebührt eine entehrende, qualvolle Strafe.

 

Um die tradierte menschliche Sunna zu legitimieren schreibt der Autor weiter:

 

„Was der Gesandte euch nun gibt, das nehmt an; und was er untersagt, dessen enthaltet euch! (Koran 59:7, Was ist Islam, S. 25).

 

Der Vers in voller Länge:

 

59:7 Was Gott Seinem Gesandten von den Bewohnern der Städte als kampflose Beute zugeteilt hat, das gehört Gott, Seinem Gesandten und den Verwandten, den Waisen, den Armen und dem Sohn des Weges. Dies, damit es nicht nur im Kreis der Reichen von euch bleibt. Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch. Und fürchtet Gott. Gewiß, Gott ist streng im Bestrafen.

 

Ein klassischer Fehler, der gegen Gottergebene, die keine menschlichen, religiösen Quellen neben Gottes Wort dulden, gerne verwendet wird. Jedoch ist unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um die Beuteaufteilung handelt, welche Gott hier selber zuteilt (siehe dazu auch Vers 8:41) und nicht, was der Gesandte generell nach eigenem Ermessen festlegt. Und selbst wenn man diesen Vers aus dem direkten Kontext reißt, bleibt hier immer noch die Rede vom Gesandten und seine einzige Aufgabe ist, wie eben erläutert, nur die Übermittlung der Botschaft, nicht die Erweiterung (13:40, 16:35, 16:82, 24:54, 5:99). Somit wäre dem Gesandten außerhalb seiner einzigen Pflicht eine weitere Aufgabe hinzugedichtet, dementsprechend koranisch unhaltbar.

Weiter führt der Autor an:

 

Bemerkenswerterweise schildert der türkische Koranexeget Mustafa Islamoglu, dass insbesondere die unkonventionelle Grundhaltung, die Sunna komplett zu leugnen, erst in dem damals kolonisierten Indien als eine bestimmte Reformbewegung hervorgetreten sei.

 

Das ist historisch falsch und zeigt, dass Mustafa Islamoglu seine eigenen Quellen nicht hinreichend studiert hat. Denn man kann schon bei Imam Shafi’is Werk  “Kitab Jima` al-`ilm” (150 nach Hidschra) nachlesen, wonach dieser mit einem Vertreter einer Schule disputiert, der die tradierte Sunna komplett negiert. Das Buch gibt es übrigens hier auf Englisch zu kaufen: Hadith as Scripture.

Anmerkung: Nachdem ich den Autor darauf hingewiesen hatte, wurde dieser Teil im Artikel von ihm abgeändert, um die zu anfangs aufgestellte Behauptung, dass Islamoglu den Ursprung unserer Richtung in Indien sieht, nicht mehr herauslesen zu können. Zu seinem Nachteil ist jedoch diese hier erwähnte Fassung in seinem Buch dementsprechend abgedruckt (siehe dazu „der Islam im Diskurs des 21. Jahrhunderts“, S. 102, des Autors Ecevit Polat). Es ist durchaus menschlich, Fehler zu begehen. Doch gerade in Bezug auf die Religion sollten wir unsere Recherchen doch gründlich durchführen! Fahren wir fort:

 

Für Islamoglu war dies ohne weitere eine Intention der Orientalisten gewesen, die bei den Muslimen den Gedanken hervorheben, die Sunna (Lebensweise und Haltung des Propheten) mitsamt ihrer Orthopraxie im Angesicht der Moderne als weit überholt verwerfen zu müssen.

 

Sonderbar erscheint diese Behauptung, nun sind auch noch „die Orientalisten“ schuld! Bemerkenswert. Vor allem ohne Belege, die eine „böse Absicht“ untermauern können. Übrigens ist dieses Spiel, ohne Belege etwas in den Raum zu stellen, koranisch gesehen verwerflich. Konzentrieren wir uns aber auf den Inhalt:

 

Doch gesteht Islamoglu unweigerlich auch ein, dass die Schuldzuschreibung zur Förderung der „Koraniten“ im damaligen Indien nicht allein auf die Orientalisten anzulasten ist: „Den Gedanken nach einem Islam im Koran, wurde unter den Einfluss des orientalistischen Projektes herbeigeführt. Aber die Verantwortung nur auf das orientalistische Projekt zu verschieben, ist auch nicht ganz richtig“ (siehe: Mustafa Islamoglu, Üc Muhammed, S. 192-194).

 

Islamoglu hat sich mit seinem „orientalistischen Projekt“ nur auf die Seite von Verschwörungstheoretikern gestellt, mehr nicht. Fakt ist, dass die meisten Gläubigen, die nur Gottes Wort annehmen, anfangs selber Traditionalisten waren. Dem Leser sei auch folgende Widerlegung von Edip Yüksel zu Mustafa Islamoglu nicht vorenthalten (leider nur auf Türkisch):

Dann ist im Artikel folgendes nachzulesen:

 

Selbst die sogenannten Rechtsbestimmungen werden im großen Umfang von der Sunna des Propheten bestimmt.

 

Die Ergebnisse kann man in den so genannten “islamischen Ländern” sich zu Gemüte führen. Zu erwähnen seien unter vielen anderen Punkten nur, dass mit dem Idschma (Konsens) aller 4 Rechtsschulen die Apostasie, also Abfall vom Glauben, mit dem Tode zu bestrafen sei oder das Abhacken der Hände bei Diebstahl wie auch Frauen zu unterdrücken (beispielsweise den Frauen das Auto fahren zu verbieten). Besondere Beachtung sei auch folgender Hadithlüge geschenkt, welcher bei Bukhary und Muslim verzeichnet ist und An Nawawi ihn mit in seine berühmten 42 Ahadith aufgenommen hat:

 

Mir ist aufgetragen die Menschen zu bekämpfen, bis sie bezeugen, daß es keinen Gott gibt außer Allah und daß Muhammad der Gesandte Allahs ist, und bis sie das Gebet verrichten und die Zakat geben. Wenn sie dies getan haben, haben sie sich dadurch von mir Schutz für ihr Blut und ihr Gut erworben, es sei denn, (sie begehen Taten, die ) nach dem Recht des Islam (strafbar sind), und ihre Anrechnung ist bei Allah, dem Allmächtigen. (Sahih Bukhary, Iman, 17; siehe weiter dazu: Sahih Bukhary Salat 28 [abweichender Wortlaut]; Sahih Muslim Buch 1, Nummer 32 und 33)

 

Koranisch gesehen ist dieser Hadith natürlich vollkommen ausgeschlossen, nicht aber wenn man diesen Quellen eine ganze oder selektive Autorität gibt. Der Autor will zudem ein Bild von einer „bestimmten klaren“ Sunna außerhalb des Koran suggerieren, welche so nicht existiert. Die höchst prekäre Situation der Quellen, aus denen der Autor diese fiktive Sunna schöpft, wird von den am Ende der Widerlegung aufgeführten Artikeln näher behandelt. Des Weiteren ist aus dem Koran klar ersichtlich, dass keine “Rechtsbestimmungen” irgendwelcher Art außerhalb Gottes Wort geduldet wird. Dazu folgende Verse:

 

5:44 Wer nicht nach dem waltet, was Gott (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen. (Siehe auch: 5:45, 47, 42:10, Und sie sagen der Koran reich aus! (3/4))

 

Wie kann man bei solch eindeutigen Koranversen außerkoranischen Ahadith Autorität geben? Der Prophet soll nach der Offenbarung urteilen:

 

6:114 Soll ich denn einen anderen Schiedsrichter als Gott begehren, wo Er es doch ist, der das Buch, ausführlich dargelegt, zu euch herabgesandt hat? (Siehe auch: 42:10)

5:48 Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, das zu bestätigen, was von dem Buch vor ihm (offenbart) war, und als Wächter darüber. So richte zwischen ihnen nach dem, was Gott (als Offenbarung) herabgesandt hat, … (siehe auch: 5:49 oder 3:23)

 

Festzuhalten wäre hierbei, dass entsprechend der angeführten Verse, in religiösen Belangen nur der Koran alleine autoritativen Charakter besitzen darf. Fahren wir fort:

 

Ihrer interpretatorischen Funktion nach ist die Sunna jedoch mehr danach ausgerichtet, konkrete Bestimmungen zu geben oder die allgemeinen Anweisungen des Korans zu präzisieren (Prof. A. Falaturi, Grundkonzept und Hauptideen des Islam, S. 19).

 

Das ist koranisch unhaltbar. Dazu folgende Verse:

 

11:1 Alif-Lam-Ra. (Dies ist) ein Buch, dessen Zeichen eindeutig festgefügt und hierauf ausführlich dargelegt sind von Seiten eines Allweisen und Allkundigen. (Siehe auch: 6:97-98, 6:114, 6:119, 6:126, 7.52, 41:3, usw)

41:44 Hätten Wir ihn zu einem fremdsprachigen Koran gemacht, hätten sie sicherlich gesagt: „Wären doch seine Zeichen ausführlich dargelegt worden!” Ob fremdsprachig oder arabisch, sage: “Er ist für diejenigen, die glauben, eine Rechtleitung und eine Heilung.” Und diejenigen, die nicht glauben, haben Schwerhörigkeit in ihren Ohren, und er ist für sie (wie) Blindheit. Diese sind, als würde ihnen von einem fernen Ort aus zugerufen.

 

Der Autor meint, dass der Koran zu präzisieren sei und im Koran steht etwas völlig anderes. Interessant ist hierbei auch, dass der Autor keine dieser Verse auch nur erwähnt hat, geschweige denn widerlegen können. Die Widerlegung von „Weshalb ist es notwendig, den Koran im historischen Kontext zu verstehen?“ sei dem Leser zu dieser Thematik zusätzlich empfohlen. Weiter steht folgendes im Artikel :

 

Bereits im 14. Jahrhundert wies der andalusische Gelehrte al-Schatibi (ges. 1388) in seinem monumentalem Werk „al-Muwafaqat“ darauf hin, dass die Sunna in seiner Bandbreite den Koran umgehend erläutert.

 

Gott allein erklärt den Koran wie anfangs im Artikel aufgezeigt (25:33, 55:1-2, 75:18-19). Die Aussage, dass „eine (außerkoranische) Sunna“ den Koran umgehend erläutere, ist haltlos. Der Prophet hat so eine Quelle nicht verfassen lassen. Die Schriften, auf welche sich diese Behauptung stützt, sprechen eine diametral gegenteilige Sprache, denn: Diese tradierte Sunna ist so sehr mit Widersprüchen und Lügen versetzt, dass man mit dieser Sunna aus der Religion alles machen kann. Man kann liberal sein oder das Gegenteil, wie es eben einem gut dünkt und dies ist dann auch schlussendlich die gängige Praxis bei den Traditionalisten. Es sind alle möglichen Versionen des Islams vorhanden, welche die menschlichen Ahadith zur Verfügung stellen. Der Autor versucht dieses Dilemma zu umgehen, indem er unter dem Deckmantel einer angeblich „historisch kritischen“ Methode ganz einfach meint, die richtigen Ahadith aussortieren zu können. Doch dadurch werden Ahadith abgelehnt, falls sie nicht in die zeitgenössische Lebensphilosophie passen, mit der man diese angeblich „historisch kritische“ zu definieren versucht. Wenn es seinem subjektiven Empfinden entspricht, erklärt der Koran für ihn die Ahadith und wenn es nicht passt, umgekehrt. Dementsprechend ist ein klassischer Zirkelschluss vorprogrammiert. Die Ahadith sind ein Feld voller Widersprüche, mal zum Koran oder auch gerne unter sich. Auch dass ein Hadith als sahih eingestuft wird, kann ihn keinesfalls retten. Das ist dem Autor auch bekannt.

Selbst unter Bukharys sahih Hadithsammlungen sind ein großer Teil massiv verderbt. Niemand kann diese Quellen mehr überprüfen. Ohnehin ist dies nicht relevant, da Gott keine Ahadith außerhalb des Koran erlaubt. Die bis hierhin erwähnten Verse sind unmissverständlich eindeutig. Überhaupt stellt sich die Frage, warum der Koran eine umgehende Erläuterung benötigt, wenn er sich ohnehin als eine „Klärung aller Dinge“ (16:89, 12:111) in der Religion (5:3) beschreibt? Der Koran bezeichnet sich schon zu Zeiten des Propheten als abgeschlossen (5:3), wohingegen Ahadith erst Jahrhunderte später zusammengestellt und beurteilt wurden, deswegen auch voller Widersprüche und unvollständig in Bezug zur angeblichen wie auch unnötigen Erklärung des Koran sind. Sie verzerren vielmehr nicht selten den Wortlaut des Koran und ändern Gottes Wort somit ab. Gehen wir weiter:

 

Deshalb wäre es unter keinen Umständen hinnehmbar, die Sunna als Instrument zur Interpretation der Heiligen Schrift beiseite stehen zu lassen. Somit könnte kein Urteil aus dem Koran unter nicht Berücksichtigung der Sunna abgeleitet werden.

 

Und was sagt der Koran?

 

42:10 Und worüber ihr auch immer uneinig seid, das Urteil darüber steht Gott (allein) zu. Dies ist doch Gott, mein Herr. Auf Ihn verlasse ich mich, und Ihm wende ich mich reuig zu. (Siehe auch: 6:114, 18:26, 12:40, Und sie sagen der Koran reicht aus!(3/4))

 

Wieder einmal stehen sich hier der Koran und ein Traditionalist auf Konfrontationskurs. Und weiter schreibt der Autor:

 

Al-Schatibi (gest. 1388) schreibt dazu: „Bei der Ableitung von Urteilen aus dem Koran ist es nicht möglich, die Sunna, die dessen Auslegung und Erklärung darstellt, beiseite zu lassen und sich mit der ausschließlichen Betrachtung des Korans zu begnügen. Denn der Koran ist umfassend formuliert (kulli).

 

  • Der Koran beschreibt sich wörtlich als eine “Klärung aller Dinge” (16:89, 12:111) in religiösen Belangen (5:3).
  • Der Koran erlaubt es nicht, aufgrund von Quellen außerhalb von Offenbarungen zu urteilen (5:44,45,47, 6:114, 42:10).
  • Der Koran beschreibt sich als ausführlich dargelegt (6:114, 6:119, 11:1, 41:3).
  • Der Koran wurde zur Ermahnung leicht gemacht (54:17,22,32,40).
  • Der Koran ist in der Sprache leicht gemacht worden (20:97, 44:58).
  • Der Koran beschreibt sich als deutliches Buch (12:1, 15:1, 26:2).
  • Der Koran darf nicht abgeändert werden (10:15, 69:44-48).
  • Gott teilt mit niemandem sein Urteil (6:57, 12:40, 18:26).
  • Gott erklärt den Koran (25:33, 55:1-2, 75:19).
  • Der Koran ist vollkommen / vollständig (6:115, 5:3).
  • Gott erlaubt keine weitergehende Detaillierung, die nicht dem Koran entnehmbar ist (5:101).
  • Es wurde nichts im Koran ausgelassen (6:38).

Noch viele andere Verse könnte man zu dieser Auflistung anführen, jedoch würde dies den Rahmen sprengen. Weiter steht im Text:

 

In ihm sind umfassende Dinge wie das Gebet, die Zakah (Sozialsteuer), die Pilgerfahrt und das Fasten erwähnt. Es gibt keinen anderen Weg als das Heranziehen der Sunna, die ihn (den Koran) erklärt“ (siehe hierzu: Abu Hanifa, Leben und Werk des Ehrenhaften Großgelehrten, S. 509, Muhammad Abu Zahra)

 

Vor allem haben die reichen Hadithgelehrten es sich wohl zu Eigen gemacht, die Zakah auf bestimmte Summen einzuschränken und entstellen somit den Koran. Kritik zu solchen Aushebelungen lassen sich übrigens auch unschwer im Evangelium finden. Also keine neue Angelegenheit. Die aufgeführten Punkte, um den Koran als unvollständig zu brandmarken, sind natürlich haltlos:

Weiter geht es im Text:

 

Somit wäre eine richtige Deutung des Korans ohne die Einbindung und Kenntnis der Überlieferungen auch nur annähernd nicht möglich.

 

Wie will man den Koran mit Ahadith erklären, wenn diese selbst nicht mal ansatzweise einheitlich sind, welcher nun wahr oder falsch ist und man erwiesenermaßen somit auch Ahadith selbst erklären muss? Wie soll dieser geschichtlich verfälschte historische Kontext des Koran den Gläubigen Gott näher bringen? Und das gilt natürlich auch für sahih Werke. Und die alles entscheidende Frage: Wie soll man mit jenen Koranversen umgehen, welche dem Koran Einfachheit, Klarheit (mubin), eine ausführliche Darlegung und Leichtigkeit für die Ermahnung attestieren (44:58, 20:97, 17:89, 18:54, 17:9)? In welchem Vers des Koran steht, dass dieser schwer zu verstehen ist oder mit anderen Quellen erklärt werden muss? Warum erwähnt der Koran an keiner Stelle auch nur eine einzig andere Quelle als Offenbarungen Gottes? Er kritisiert diese Quellen außerhalb der Offenbarung doch vehement? Warum geht der Autor an keiner Stelle seines Artikels auf genau jene Verse ein, die seiner Argumentation direkt widersprechen?

Denjenigen, die solche Behauptungen aufstellen, seien noch folgende Verse ans Herz gelegt:

 

6:104 Zu euch sind nunmehr Einsicht bringende Zeichen von eurem Herrn gekommen. Wer einsichtig wird, der ist es zu seinem eigenen Vorteil, und wer blind ist, der ist es zu seinem eigenen Nachteil. Und ich bin nicht Hüter über euch. (Siehe auch: 2:99, 2:118, 24:18, 2:159, 2:187, 2:219, 2:221, 6:105, 9:115, ganze Liste im Koran: corpus quran)

 

Der Autor führt Meinungen von angeblichen „Gelehrten“ vor, um die Argumente der Gottergebenen, welche ohne menschliche Sunna auskommen, zu widerlegen. Der Gottergebene wiederum zeigt dagegen Koranverse auf, um ihn seinen Irrtum vor Augen zu führen (18:57, 43:36-37, 43:1-4, 12:1-2, 26:2, 27:1, 28:2, 44:2).

Von nun an geht der Autor in die Richtung derjenigen ein, die eine menschliche Sunna mit Gottes Wort gleichsetzen (der Autor vertritt diese Meinung jedoch selbst nicht), dazu schreibt er:

 

Als Beleg für die Gleichsetzung der Sunna des Propheten mit der Offenbarung des Koran, führte asch-Schafi sämtliche Koranstellen wie diese folgende auf: „Gedenkt stets der Gaben Gottes, des euch herabgesandten Buches und der offenbarten Weisheit“ (2:231).

 

Diese Thematik wird in der Kurzanalyse „Ist Sunna eine Offenbarung?“ näher behandelt. Wie kann der Autor bei Versen wie 3:64 und 9:31 Ahadith eine Autorität geben und sich somit den Propheten oder Gelehrte zu Herren nehmen? Besondere Beachtung sei auch den Versen 3:79-80, 6:162-164, 8:64, 7:3, 31:21 und 2:170 geschenkt. Diese Verse finden unmittelbar eine Anwendung, sobald man Ahadith als eine ergänzende Autorität in die Religion einbaut! Der Prophet war laut Koran nur ein Warner (7:188) und nur ein Mensch (18:110) und kein Gelehrter, der den Koran als Einziger richtig auslegen konnte. Gott allein lehrt und erklärt den Koran. Deswegen sollen auch alle Gläubigen nach Vers 3:79 selber forschen, wie auch den Koran lehren und nicht den angeblichen Propheten in den Ahadith als Herren abkupfern. Und nun folgender Vers:

 

66:1 O Prophet! Warum verbietest du das, was Gott dir erlaubt hat, um nach der Zufriedenheit deiner Frauen zu trachten? Und Gott ist Allvergebend, Barmherzig.

 

Hier greift Gott also selber ein, obwohl der Prophet etwas verbieten will. Da die bis hierhin vorgestellten und anderen Verse so offenkundig es verbieten, dass der Prophet eigenmächtig außerhalb des Koran Ge- oder Verbote erteilen durfte, versuchen viele liberale Anhänger der tradierten Sunna die vielen Ahadith, die das Gegenteil behaupten, durch den Koran selbst zu relativieren und als Fälschung zu deklarieren. Sie würden ja dem Koran widersprechen. Diese Logik sei noch einmal ganz nüchtern veranschaulicht: Zuerst ist der Koran nicht vollständig und bedarf einer Erklärung. Um dieses angebliche Problem zu lösen, wendet man sich an Ahadith. Diese Erklärung des Koran wird dann, wenn man die Neigung dazu verspürt, wieder vom zu Erklärenden selbst, also dem Koran erklärt. Das ist natürlich, wie zuvor erwähnt, ein klarer Zirkelschluss. Dabei soll keinesfalls untergehen, dass diese Ahadith angeblich die Meinung des Propheten selbst darstellen, man in solch einem Fall sozusagen die Angelegenheit dann besser weiß als der Prophet. Zudem gibt es viele Sunnaanhänger, die Ge- und Verbote außerhalb des Koran für verpflichtend halten. Schlussendlich ist es der jeweiligen Person selbst überlassen, ob diese Ge- und Verbote außerhalb des Koran Autorität genießen dürfen oder nicht. Will man sie nicht, sagen die Befürworter dieser Ahadith, dass man den Propheten missachte. Nimmt man diese Ahadith jedoch an, sagen die Leugner dieser Ahadith, dass diese falsch wären, dem Koran widersprechen. Wobei sie jedoch an anderen Stellen diesen Quellen Autorität geben und man sich hier fragen muss, mit welchem Recht diese Gruppe hier selektiv urteilen darf und dabei den dort erwähnten fiktiven Propheten missachten kann. Diese Quellen sind nicht von Gott geschützt wie der Koran und von der Zeit des Propheten mindestens etwa 150 Jahre entfernt.

Weiter geht es folgendermaßen:

 

In den großen Hadith-Sammlungen werden nahezu hundert tausende Hadithe registriert. Wenn die Sunna als solche in ihrer Gesamtheit als Offenbarung (wahy) angesehen wird, weshalb werden diese unterschiedlich in ihrer Authentizität bewertet?

 

Weshalb werden sie überhaupt gebraucht, wenn schon allein die Zahl selbst erkennen lässt, dass die meisten nicht stimmen können und der Koran dazu eindeutig ist? Hinzu kommt, dass die vom Autor erwähnte Authentizität, zum Beispiel die Beurteilung eines Hadiths zu „sahih“, selbst unwissenschaftlich und somit höchst fraglich ist. Fahren wir fort:

 

In seinem Aufsehen erregenden Buch „Scharia-der missverstandene Gott, geht der Münsteraner Religionspädagoge Prof. Mouhanad Khorchide dieser Problematik umfangreich und detailliert nach und zeigt anhand von Primärquellen, wie prekär die Situation um die Hadithe bestellt sind (siehe „Scharia, der missverstandene Gott, S.99-118).

 

Kein Widerspruch, doch dann:

 

Khorchide wirbt für einen sensiblen und kritischen Umgang mit den Hadithen umzugehen und keinesfalls diese pauschal zu verwerfen. Auch wird nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wegweisend Überlieferungen in Bezug auf die Ausführung religiöser Rituale sind: „Diese Ausführungen sollten die Notwendigkeit eines sensiblen und kritischen Umgangs mit den Hadithen unterstreichen, aber keineswegs die Hadithe pauschal verwerfen. Gerade solche Hadithe, die das Ausführen religiöser Rituale betreffen, sind für die Muslime unentbehrlich, da im Koran kaum Details dazu zu finden sind“ (Scharia, der missverstandene Gott, S. 118, Mouhanad Khorchide).

 

Diese Aussage widerspricht dem Koran diametral. Wenn Gott es für nötig gehalten hätte, dass man mehr Details braucht, hätte Er sie auch im Koran gegeben und nicht irgendwelchen, erst Jahrhunderte später festgelegten Schriften, die laut dem Autor selbst “in die hundert tausende” gehen, überlassen. Laut den Ahadith dauerte die Herabsendung des Koran 23 Jahre. 23 Jahre hatte Gott sich offenbart und am Ende nach über 6300 Versen, hat Er keinen vollkommenen / vollständigen (6:115, 5:3, 12:111, 16:89) Koran herabsenden können? Unabhängig davon sind selbst die als sahih eingestuften Ahadith, auch nach all diesen Überprüfungen immer noch voller Widersprüche. Die Zuverlässigkeit der Ahadith stehen nicht nur auf höchst dünnem Eis, sondern viel wichtiger: Sie werden vom Koran ausgeschlossen.

Auch die im Zitat erwähnten Rituale sind im Koran völlig hinreichend für die Praxis erklärt. Wenn man die Rituale mit Ahadith verstehen will, stößt man unweigerlich auf große Widersprüche mit dem Koran. Zum Beispiel sollen laut Ahadith der an der Kaaba angebrachte schwarze Stein neben Gott verehrt werden oder es wird die Pilgerzeit zur Kaaba stark eingeschränkt, wodurch ein großer Andrang entsteht und viele Menschen bisher deswegen dort umgekommen sind oder sich verletzt haben. Auch dass man einen Prophetenkult eingeführt hat, zum Beispiel seinen Geburtstag zu feiern und er dadurch nicht selten verheiligt wird, ist koranisch unhaltbar. Im Buche Gottes steht, wie bereits erwähnt, dass der Prophet nur ein Mensch (18:110) und nur ein Warner (22:49) ist. Auch das man unter den Gesandten keinen Unterschied machen soll, wie mehrfach im Koran erwähnt. Ahadith bringen hier schlussendlich nicht nur eine unnötige Erweiterung, sondern das zusätzlich die Religion, sich eben ganz auf Gott alleine einzustellen (zB 39:45, 7:3, 65:3 usw), verworfen wird. Weiter schreibt der Autor:

 

Auch der Gründer der Hanafitischen Rechtsschule Abu Hanifa (gest. 767) bemühte sich indessen, sorgfältig und kritisch reflektierend mit dem Überlieferungsmaterial umzugehen. Bekanntlich überlieferte Abu Huraira (gest. 678) die meisten Hadithe im sunnitischen Raum, um genau zu sagen 5374 Hadithe in der Gesamtzahl.

 

Er verlässt sich bei dieser Behauptung natürlich wieder auf Ahadith. Laut Ibn Khaldoun hat Abu Hanifa nur 17 Ahadith überliefert, die eventuell als „sahih“ gelten könnten. Bukhary hat es 100 Jahre später dann besser gewusst, als er mehrere tausend Ahadith als sahih einstufte? Fahren wir fort:

 

Obwohl Abu Huraira eine sonderliche Stellung innerhalb der sunnitischen Welt einnimmt, wird dieser ungeachtet von Abu Hanifa wegen seiner über den Inhalt nicht scharfsinnig nachgedachtes Tradieren sowie leidenschaftlich alles zu überliefern, kritisiert. Der Schüler von Abu Hanifa, asch-Schaibani (gest. 805) überliefert unverhohlen diesen besorgniserregenden Satz von seinem Lehrer: „Abu Huraira hat ohne über den Inhalt genauer zu überlegen, alles Mögliche überliefert, ohne jedoch Kenntnis von an-nasikh und al-mansukh zu besitzen!“

 

Das ist eben das große Dilemma derjenigen, die Ahadith einen Platz in der Religion einräumen wollen und dann sehen müssen, wie sie die Ahadith nun interpretieren müssen, damit es passt. Welcher Hadith hebt nun welchen auf? Warum hat der Prophet dazu keine Anleitung überliefert? Überhaupt: Warum hat er kein Sunnabuch verfassen lassen und so vielen Widersprüchen Tür und Tor geöffnet? Wieso werden jene Ahadith nicht beachtet, welche diese rigoros komplett verwerfen? Selbst die ersten vier Kalifen haben keine Ahadith geduldet, nicht ein Hadith aus der Zeit ist nachweisbar. Des Weiteren: Wer Abu Huraira nun genau war, ob er selber Ahadith hinzugedichtet hat oder jemand in seinem Namen, wird man nie hinreichend ermitteln können. Und schließlich:

 

Dr. Murad Wilfried Hofmann wies bereits in seinem Buch „Der Islam im 3. Jahrtausend“ auf die Herausforderung und der Problematik für die Muslime im 21. Jahrhundert hin. Die angeführten sechs Punkte jedoch sind bis heute weitestgehend ungeklärt: Sind Koran und Sunna beide Offenbarungen (wahy), oder ist die Sunna nur inspirierte (ilham) Rechtsleitung?

 

Wer auf diese Frage nicht antworten kann, bei so eindeutigen Koranversen, so eindeutigen massenhaften Widersprüchen in den Ahadith, der hat wohl den Koran nicht einmal gründlich gelesen, von einem lückenhaften Studium des Koran ganz zu schweigen.

 

Kann die Sunna den Koran abändern (derogieren)? Kann der Koran die Sunna abändern?”

 

Im Koran wird das Wort Sunna nur in Bezug zu Gott gebraucht. Es gibt keinen einzigen Vers, welcher eine Sunna des Propheten erwähnt. Und welche Sunna? Es sei nochmals betont: Der Prophet hat so ein Buch nicht verfassen lassen. Es gibt nicht die Sunna außerhalb des Koran, sondern viele tradierte Schriften ohne einen klaren Anfang oder Ende, welche Menschen nach eigenen Vorstellungen ausgelegt haben. Aufgrund dieser Vielfalt an Interpretationen gibt es auch über 100 Gruppierungen im Islam. Die Authentizität der Ahadith sind nicht mehr nachprüfbar, voller Widersprüche, wie der Autor auch selbst eingesteht. Man kann es gar nicht genug oft betonen: Ahadith werden im Koran ausgeschlossen.

Es soll jetzt noch ein Argument des nächsten zu widerlegenden Artikels des Autors vorweg genommen werden. Der Autor beschuldigt die Gottergebenen, welche die traditionelle Sunna komplett negieren, mit der Behauptung, dass sie wie Salafisten an den Koran subjektiv herangehen würden. Dazu schreibt der Autor in seinem Kommentarbereich  (Stand: 29.4.15, vom Autor geschrieben am 25.3.2015, 11:30 Uhr):

 

Ecevit Polat: …Baycan Yanar hat auf eine grundlegende Methodik der Salafisten und Koraniten hingewiesen (http://tavhid.de/?p=1712). Danach bedienen beide Strömungen die gleiche Herangehensweise, indem sie Koranverse selektiv entnehmen und zitieren, um ihre beabsichtigte Ideologie zu legitimieren.

Eine Anmerkung hierzu: Der erwähnte Artikel von der Homepage „Tavhid“ wurde von mir bereits widerlegt. Der Autor täte übrigens gut daran, das Wort „tauhid“ im Wörterbuch einmal nachzuschlagen. Zumal dieser Vorwurf direkt zurückgegeben werden kann, da der Autor den Vers 59:7 selektiv zitierte, um seine beabsichtigte, lückenhafte Ideologie zu legitimieren. Der Autor sei dazu eingeladen, die angeblich „selektiv entnommenen Koranverse“ in ihrem Gesamtkontext des Koran aufzuzeigen. Ansonsten ist seine Behauptung ein Ausdruck einer schwachen Rhetorik, die auf nichts fußt.

Es erfolgt jetzt zu diesem Vorwurf folgender Vergleich mit den 3 Strömungen:

Frage 1: Wird den Ahadith außerhalb des Koran Autorität gegeben?

  • Gottergebene, welche nur dem Koran Autorität geben (K): Nein.
  • Salafisten (S): Ja.
  • „Historisch krtitische Methode“ des Autors (HKM): Ja.

Frage 2: Wird der Koran durch widersprüchliche, unvollständige und selektiv ausgewählte Ahadith erklärt?

  • K: Nein.
  • S: Ja.
  • HKM: Ja.

Frage 3: Werden Gelehrte, Anhänger des Propheten oder der Prophet selbst als zweite normative Quelle zu Herren genommen und stehen dementsprechend mit 3:64, 3:79-80 und 9:31 im Widerspruch?

  • K: Nein.
  • S: Ja.
  • HKM: Ja.

Frage 4: Wird der Sunna Gottes, wonach der Prophet nur dem Offenbarten zu folgen hat (6:50, 7:203, 10:15, 46:9), Rechnung getragen?

  • K: Ja.
  • S: Nein.
  • HKM: Nein.

Anhand dieser Tatsachen erübrigt sich jegliche weitere Diskussion zu diesem Thema und es liegt mir fern, wie der Autor dies tut, ihn mit Salafismus gleichzusetzen. Dazu kommt, dass man sich im Koran keinesfalls einen subjektiven Islam zusammenbasteln kann, wie der Autor versucht uns dies hier vorzuwerfen. Dies würde sofort Widersprüche im Koran nach sich ziehen und ist unter anderem in folgendem Vers ausgeschlossen:

 

4:82 Denken sie denn nicht sorgfältig über den Koran nach? Wenn er von jemand anderem wäre als von Gott, würden sie in ihm wahrlich viel Widerspruch finden.

 

Unser Autor jedoch springt bei der Auslegung des Koran, je nach Lage, zwischen Koran und Ahadith. Ihm ist die Erschließung des Korans durch seinen eigenen Kontext allem Anschein nach fremd oder er verweigert sich den klaren Koranversen und folgt somit nicht der Tatsache, wonach Gott den Koran alleine lehrt und erklärt und der Prophet selbst der Offenbarung nur zu folgen hat (6:50, 7:203, 10:15, 46:9) und nichts anderem. Gerade mit Ahadith kann man sich seinen individuellen und somit subjektiven Islam zusammenbasteln (68:38). Denn man entstellt mit diesen Quellen den vollkommenen / vollständigen (6:115) Koran. Dies ist auch seit mehr als einem Jahrtausend leider die gängige Praxis.

 

Fazit

Der Autor hat sich schließlich mit Gottergebenen, die sich ganz auf Gott alleine einstellen, offenbar kaum auseinandergesetzt. Er hat ihre Gegenargumente nahezu ausgelassen. Der Autor hat auf Mustafa Islamoglu verweisend die Behauptung, dass diese Glaubensrichtung “eine Intention der Orientalisten gewesen” sein soll und somit alle Orientalisten ins falsche Licht gerückt werden, nicht belegen können. Ferner ist so eine Argumentation in sich selbst fehlerhaft, denn es geht nicht um „böse“ Orientalisten, sondern wie der Koran nun richtig verstanden werden will. Natürlich kommt bei dieser Behauptung auch der üble Nachgeschmack mit, dass man wohl nur als Muslim den Islam erschließen kann und Außenstehende pauschal ohne koranische Begründung ausgeschlossen werden. Vielmehr ist dem Koran entnehmbar, dass der Gottergebene allen Menschen zuzuhören hat (39:18, 10:37-39). Ausgenommen bei Gott hat der Gläubige “weder Schutzherrn noch Helfer” (4:123, 4;173, 9:116, 29:22) und im Koran steht: “Wer sich auf Gott verlässt, dem ist Er seiner Genüge“ (65:3). Auch folgender Vers ist von herausragender Bedeutung:

 

39:45 Und wenn Gott allein erwähnt wird, verkrampfen sich die Herzen derjenigen, die nicht an das Jenseits glauben. Wenn aber diejenigen erwähnt werden, die es außer Ihm geben soll, freuen sie sich sogleich.

 

Für Diejenigen, welche sich gerne in Details verrennen wollen, sei noch die Geschichte der Kuh eine Lehre (2:67-71).

Der zweite Artikel des Autors reicht qualitativ nicht viel weiter als der bereits hier Behandelte. Diese zweite Widerlegung wird dann im nächsten Artikel erscheinen, so Gott will.

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