Verantwortung

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Ist eine Adoption verboten laut Koran?

Einige Muslim:innen führen die Verse 33:4-5 an, um die Adoption insgesamt im Namen des Islams (Deutsch: Gottergebenheit) zu verbieten. Schauen wir mal genauer auf die sinngemässe Übersetzung:

33:4 Gott machte keinem Menschen zwei Herzen in seinem Inneren. Und Er hat eure Partner, von denen ihr euch durch den Rückenspruch trennt, nicht zu euren Müttern gemacht. Und Er hat eure Adoptivkinder nicht zu euren Kindern gemacht. Das ist eure Aussage aus euren Mündern. Aber Gott sagt die Wahrheit, und Er leitet zum Weg recht.
33:5 Nennt sie nach ihren Vorfahren. Das ist gerechter bei Gott. Wenn ihr ihre Vorfahren nicht kennt, dann gelten sie als eure Geschwister in der Lebensordnung und eure Schützlinge. Und es ist keine Sünde für euch, was ihr hier verfehlt habt, sondern was eure Herzen vorsätzlich anstreben. Und Gott ist vergebend, gnädig.

Im ersten zitierten Vers werden also Aussagen des Aberglaubens verworfen. So lernen wir, dass wir in unserer Seele eine Einheit bilden und nicht mehrere Ursprünge haben. Ebenso wird der sogenannte Rückenspruch abgelehnt. Dieser kommt auch am Anfang der Sura 58 vor. Wir dürfen also Adoptivkinder nicht als leibliche Kinder missverstehen. Sie sind keine genetischen Nachfahren. Laut 33:4-5 müssen die Adoptivkinder weiterhin den Familiennamen der Eltern tragen. In Vers 5 erfahren wir, dass wir nicht nach Formalitäten, sondern nach dem, was in unseren Herzen als reine Absicht ist, gehen sollen. Zusätzlich ist der historische Kontext der Verse wichtig, damit wir die Botschaft hinter den Versen korrekt verstehen.

Durch die Adoption und falsche Gesetze nicht enterben

Insofern waren Erbstreitigkeiten ein Ausgangspunkt für die Gelehrten. Es geht darum, nicht mittels Gesetzen die Kinder zu enterben oder sie ihrer Rechte zu berauben. Heutzutage steht die Adoption in einem neuen Licht und so sind die Verse nicht ohne Weiteres anwendbar. Wir müssen die aktuelle Gesetzeslage unserer Gesellschaften kennen. Die Erbschaft ist eine wichtige Fragestellung im Koran. Denn die Menschenwürde zu achten ist in der Gottergebenheit wesentlich. Genauso wichtig ist es Verwandtschaften zu berücksichtigen (8:75). Berauben wir durch falsche Gesetze adoptierte Kinder ihrer Vermögen oder allgemein ihrer Entwicklung, machen wir uns Gott zum Feind. Wir handeln dann moralisch schädlich und ungerecht. In Sura 2 und Sura 4 gibt es u.a. ausführliche Verse zur Erbschaft.

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Kurz gesagt: Adoption ist erlaubt, sofern damit ein Akt der Liebe geschehen soll. Sie ist erlaubt, wenn einem Kind damit geholfen wird; dies unter Bewahrung der Erbschaftswege für das adoptierte Kind und unter Beibehaltung des Familiennamens.

Ramadan - Kind in der Natur

Wann beginnt der Ramadan?

Liebe Freunde und Geschwister, Frieden sei mit euch und Gottes Barmherzigkeit wie Sein überreichlicher Segen!

Der Ramadan naht und so möchten wir die Gelegenheit nutzen, eine oft an uns herangeführte Frage zu beantworten: Wann beginnt der Ramadan und wie wissen wir das?

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Gnädigen

55:1 Der Erbarmer
55:2 Lehrte den Quran
55:3 Erschuf den Menschen
55:4 Lehrte ihn die Aufklärung
55:5 Die Sonne und der Mond sind nach Berechnung

Hanif-Übersetzung, Kapitel 55

Nach koranischer Definition beginnt der Tag mit der Morgendämmerung. Aus dem Vers 55:5 ist ersichtlich, dass die Grundlage die (astronomischen) Berechnungen darstellen. Deshalb ist es wichtig, wann der genaue ortsgebundene Zeitpunkt des Neumondes sein wird, da mit dem Neumond der neue Mondmonat beginnt, wie bereits am Begriff Neumond selbst ersichtlich ist, dass ein neuer Monat begonnen hat. Das Wort Monat ist etymologisch verwandt zu Mond. Ist der Neumond vor der Morgendämmerung, so ist dieser Tag der erste Tag im Mondmonat. Findet der Neumond nachher statt, beginnt der erste Tag im Mondmonat erst am Folgetag.

Um mathematisch bzw. astronomisch präziser zu sein, muss man genau festlegen, was mit der Morgendämmerung gemeint ist. Auf eine tiefere Diskussion verzichten wir an dieser Stelle und verweisen auf die Fachliteratur. Konventionell sind drei bekannt: die astronomische, nautische und die bürgerliche Dämmerung. Grob und vereinfacht gesagt gilt die nautische Dämmerung als Grundlage für die Bestimmung des Tagesbeginns.

Beispiel für die nächsten Jahre:

2019: Da der Neumond in Wien, Berlin oder Bern am 5. Mai etwa um 00:45 Uhr eintritt, lange vor der astronomischen Dämmerung und somit automatisch auch vor der nautischen, ist der erste Tag im Ramadan und somit der erste Fastentag der 5. Mai. Der nächste Neumond findet am 3. Juni um 12:06 Uhr statt, womit der letzte Tag im Ramadan der 3. Juni ist. Somit sind insgesamt 30 Tage zu fasten.

2020: 23. April war der erste Fastentag, der letzte am 22. Mai. Ramadan dauerte 30 Tage.
2021: Beginn des Ramadans 2021 am 12. April mit einer Dauer von 30 Fastentagen.
2022: Neumond ist am 1. April um 08:24 Uhr, lange nach der nautischen Dämmerung, somit ist der erste Fastentag der 2. April. Der nächste Neumond ist um 30. April um 22:28 Uhr, vor der nautischen Dämmerung am 1. Mai, womit der letzte Fastentag der 30. April ist und der Ramadan dauert 29 Tage.
2023: Neumond ist am 21. März um 18:23 Uhr, somit ist der erste Fastentag am 22. März. Der nächste Neumond ist am 20. April um 06:12 Uhr, lange nach der nautischen Dämmerung, womit der letzte Fastentag am 20. April ist. Der Ramadan dauert 2023 also 30 Tage.
2024: Neumond ist am 10. März um 10:00 Uhr, somit ist der erste Fastentag am 11. März. Der nächste Neumond ist am 8. April um 20:20 Uhr, womit dieser Tag der letzte Fastentag ist. Der Ramadan hat in diesem Jahr eine Länge von 29 Tagen.
2025: Neumond ist am 28. Februar um 01:44 Uhr, lange vor der nautischen Dämmerung und somit ist der erste Fastentag am 28. Februar. Der darauffolgende Neumond ist am 29. März um 11:57 Uhr, was auch der letzte Fastentag ist. Ramadan umfasst 2025 also 30 Tage.
2026: Neumond ist am 17. Februar um 13:01 Uhr, also ist der 1. Ramadan am 18. Februar. Der Neumond darauf ist am 19. März um 02:23 Uhr, der letzte Fastentag ist also der 18. März. Wir fasten im Jahr 2026 also 29 Tage.
2027: Neumond ist am 6. Februar um 16:56 Uhr, also ist der 7. Februar der 1. Ramadan. Nächster Neumond ist am 8. März um 10:29 Uhr, was der letzte Tag im Ramadan ist. Fastenlänge beträgt 30 Tage.
2028: Neumond ist am 26. Januar um 16:12 Uhr, der erste Fastentag ist also am 27. Januar. Danach ist der Neumond am 25. Februar um 11:37 Uhr, was auch der letzte und 30. Fastentag ist.
2029: Neumond ist am 14. Januar um 18:24 Uhr, am 15. Januar beginnen wir mit dem Fasten. Am 13. Februar um 11:31 Uhr ist wieder Neumond. Somit fasten wir 30 Tage.
2030: Neumond ist am 4. Januar um 03:49 Uhr, dann wieder am 2. Februar um 17:07 Uhr. Wir fasten also wieder an 30 Tagen.

Unterschiedliche Startdaten?

Traditionell wird je nach Gemeinschaft anders gerechnet, da sie ihre Grundlagen auf anderen Quellen außerhalb der Lesung („Koran“) aufbauen, wie zum Beispiel beim Aspekt der „Sichtung“ der Mondsichel und ebenso mit ihrer der jüdischen Tradition entnommenen Definition des Tagesbeginns (Sonnenuntergang). So ist zu erwarten, dass viele öfters einen Tag später mit dem Fasten beginnen werden. Die Ahmadiyya oder gewisse Schiiten oder Sunniten beginnen vermutlich aufgrund ihrer noch einmal eigenen, unterschiedlichen Definition, nicht nur die Möglichkeit zur Sichtung der Mondsichel zu berechnen, sondern die Mondsichel tatsächlich zu sichten, erst zwei Tage später. Die konkreten Tage werden natürlich individuell bestimmt, denn innerhalb dieser Gemeinschaften gibt es nochmals Unterschiede.

An dieser Stelle möchten wir zur Geschwisterlichkeit aufrufen, auch wenn wir an unterschiedlichen Tagen beginnen mögen. Lasst uns einander mit Frieden, geschwisterlicher Liebe und Verständnis begegnen!

Wir wünschen einen gesegneten Ramadan!
Wir wünschen euch jetzt schon eine gesegnete, besinnliche Fastenzeit, so Gott will!

Achtet dabei auf ein gesundes, vernünftiges Fasten!

Bitte nicht maßlos sein beim Fastenbrechen!
Nicht so

7:31 O Kinder Adams, legt euren Schmuck bei jeder Gebetsstätte an und eßt und trinkt, aber seid nicht maßlos! – Er (Allah) liebt nicht die Maßlosen.

Übersetzung von Bubenheim

In herzlichem Frieden

Gelehrte, Mehrheiten und Rechtleitung

Ich suche Zuflucht bei dem Herrn vor dem verworfenen Satan,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,
Frieden sei mit uns allen,

in der allgemein muslimischen Mentalität hat sich mittlerweile ein traditionelles Mantra etabliert, wonach man die Lesung (deutsch für „Koran“) erst dann verstehen könne, wenn man den Islam studiert habe, als ob es nur den einen Islam gäbe. Dieses nicht näher definierte, dennoch als Voraussetzung verlangte Studium wird dann oftmals mit Gelehrten der jeweils eigenen Strömung oder Rechtsschule in Verbindung gebracht, um festzulegen, dass nur diese die Lesung hinreichend erklären und beurteilen könnten. Wir werden uns in diesem Artikel der Frage widmen, ob Gelehrte oder irgendeine Mehrheit zur Rechtleitung verhelfen können. Dabei wird allein die Lesung als religiös-normative Quelle herangezogen.

Die meisten sind sich leider nicht bewusst, dass sie durch einen Gelehrtengehorsam fälschlicherweise glauben, die Verantwortung vor Gott an die Gelehrten abgeben zu können. Diese werden am Jüngsten Tag ein böses Erwachen erleben, wenn sie all die, die sie für ihre eigene Irreführung verantwortlich machen, am liebsten selbst bestrafen möchten (41:29). Doch bereits heute klärt uns Gott darüber auf, dass Gelehrte, wenn wir sie zu unseren Gefährten der religiösen Aufklärung zählen, öfters dem Zeitgeist statt der Wahrheit folgen (41:25-26).

 

Liegt eine Mehrheit dermaßen falsch?

Grundsätzlich ist es nicht verwerflich sich eine Meinung zu bilden, welche auf einem Konsens aufbaut oder mit denen der meisten Experten des entsprechenden Fachgebiets übereinstimmt. Vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern ist dies eine gängige Praxis. Dies sollte jedoch nur ein Zwischenschritt sein, denn Argumente generell über Mehrheiten zu definieren kann zu falschen Ergebnissen führen – selbst oder gerade auch in naturwissenschaftlichen Fächern, die darauf aus sind, alles und jeden zu hinterfragen.

Die Lesung ist kein naturwissenschaftliches Buch. Einen Konsens in ihrer Auslegung zwischen „den meisten Experten“ zu finden ist auch praktisch nicht möglich. Als Beispiel seien dazu nur die zwei größten Strömungen der Gottergebenheit genannt, Sunniten und Schiiten, die sich in nicht wenigen Punkten wesentlich unterscheiden. Am Ende des Kapitels „Die Bezeugung als Heilmittel“ des kostenlos herunterladbaren Buches Schlüssel zum Verständnis des Koran finden wir eine ausführliche Auflistung zu entsprechenden Versen. Ein weiteres Beispiel sei auch hier angeführt:

 

12:21 … Aber die meisten Menschen wissen nicht. (Siehe auch 7:187, 12:40, 12:68, 16:38, 30:6, 34:28, 34:36, 40:57, 45:26)

 

Eindringlich wird in all diesen Versen klar gestellt, dass eine Mehrheit keinesfalls als Argument dienen kann, wenn doch die meisten Menschen bereits vor Gott selbst nicht wissen können, nicht glauben, nicht dankbar wie auch blind sind (vgl. auch 12:103-106). Dazu empfehlen wir die Begriffe argumentum ad populum und argumentum ad hominem näher anzuschauen.

Das Resultat dieser Missstände ist in den Geschichten der Propheten und Gesandten der Lesung beschrieben (Noah: 10:73, Hud: 46:25, Salih: 11:67, Lot: 11:82, Schuaib: 11:94). Wir sollten wie das Volk von Jonas zuvor die Ermahnung Gottes ernst nehmen, damit wir auch auf der Erde erfolgreich sind (10:98). Unentwegt werden die in der Lesung erwähnten vorangegangenen Völker getadelt (vgl. auch Kapitel 54). Sie dienen uns als Lehre und als Werkzeug, unsere eigenen Taten zu überprüfen, damit wir nicht dieselben Fehler wiederholen (12:111). Nichts ist schlimmer für die Wahrheitsfindung als die Täuschung, bereits die Wahrheit gefunden zu haben, wobei man sie noch nicht fand.

 

43:36-37 Wer für die Ermahnung des Allerbarmers blind ist, dem verschaffen Wir einen Satan, der ihm dann zum Gesellen wird. Und sie halten sie wahrlich vom Weg ab, und diese meinen, sie seien rechtgeleitet. (Vgl. auch 107:4-6, 29:10-11, 3:116-121, 5:41)

 

Nicht einmal der Prophet wusste zu unterscheiden zwischen den wahrhaft Gläubigen und den Ableugnern, die sich selbst oder andere täuschen (9:90, 9:101, 2:8-9). Aufgrund dieser Unkenntnis wird der Prophet am Jüngsten Tag verblüfft sagen:

 

25:30 … „O mein Herr, mein Volk hat diesen Koran verlassen!“

 

Dass manche Heuchler nicht mal dem Prophet bekannt waren (9:101) wirft eine gänzlich neue Problematik auf bezüglich der traditionell als „unfehlbar“ geltenden Gefährten des Propheten. Als wirklich überzeugte Gottergebene ist es deswegen eine Pflicht, sich keinesfalls auf Mehrheiten zu verlassen. Insbesondere ist Vorsicht bei der Sekundärliteratur geboten, die von den Gefährten des Propheten und ihren Aussagen und Taten handeln. Diese Quellen können schon allein aufgrund der Tatsache, dass sie eine Vermutung darstellen, nicht als religiös verpflichtende Quelle akzeptiert werden. Die Lesung fordert uns auf, Mutmaßungen zu meiden (49:12), unseren Verstand zu benutzen (10:100) und jede Behauptung zu überprüfen (17:36). Die blinde Befolgung von Vorvätern wird von Gott in der Lesung streng getadelt (2:170, 5:104, 7:28, 7:70-71, 7:95, 7:173, 10:78, 11:62, 11:87, 14:10, 21.53, 26:74, 28:36, 31:21, 43:22-23).

Die Lesung ist laut Eigenaussage nicht nur ein Buch für Gelehrte, sondern eine universelle Botschaft für alle Menschen, egal welchen Bildungsstand oder Status sie auch besitzen mögen:

 

4:79 …Und Wir haben dich als Gesandten für die Menschen gesandt. (Vgl. auch 3:108, 6:90, 12:104 und 21:107)

 

Unbestreitbar wird aus dem Vers ersichtlich, dass der Gesandte und somit seine Botschaft, die Lesung, an alle Menschen und nicht nur an eine bestimmte elitäre Gruppe von Gelehrten gesandt ist. Die Verse 3:79-80 der Lesung sind darüber hinaus eine klare Anweisung an alle Menschen, die Lesung zu lernen und auch anderen zu lehren! Dazu ist es natürlich legitim und hilfreich die Meinungen anderer einzuholen, auch von Gelehrten, um von ihnen zu lernen und sich weiterzubilden (39:18). Eine blinde Befolgung von Gelehrten ohne ihre Argumente zu hinterfragen und zu überprüfen ist mit der Lesung jedoch nicht vereinbar:

 

17:36 Und verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast. Gewiss, Gehör, Augenlicht und Herz, – all diese -, danach wird gefragt werden. (Vgl. auch 2:78, 9:31, 10:66, 45:24, 45:32 und 49:12)

 

Somit muss das erworbene Wissen stets überprüft werden, um damit Schlussfolgerungen tätigen zu dürfen. Argumente wie: „die Meisten sagen aber“ oder „ein bestimmter Scheich sagt dazu“ sind nicht zulässig. Die Lesung kritisiert solche Meinungen vehement (2:170, 6:116, 7:17, 7:179, 11:17). Die Wahrheit misst sich nicht an Mehrheiten, bestimmten Gruppen oder bestimmten Menschen, sondern lediglich am Gehalt einer Aussage.  Eine Ansicht ohne eine jegliche Hinterfragung anzunehmen oder sich blindlings Mehrheiten anzuschließen kann unmittelbar zu falschen Auffassungen über die Lebensordnung (Religion) führen. Beispiele dazu sind die Lesung durch erfundene Aussprüche (aḥādīṯ) zu erklären oder sie gar mit der Lesung auf die gleiche Stufe zu stellen, Verse aus der Lesung zu abrogieren (siehe auch Religion in ein Spiel verwandeln) und vieles mehr.

 

10:36 Und die meisten von ihnen folgen nur Mutmaßungen. Aber Mutmaßungen nützen nichts gegenüber der Wahrheit. Gewiss, Gott weiß Bescheid über das, was sie tun.

10:100 Und er wirft die Schmach auf diejenigen, die ihren Verstand nicht gebrauchen. (Vgl. auch 8:22)

 

Mutmaßungen haben folglich keinen Wert. Den Verstand nicht zu gebrauchen wird von der Lesung nicht nur abgelehnt, sondern auch bestraft. Für Traditionalisten ist Vers 10:36 eine Mahnung, den Sekundärquellen, die auf nichts anderes als Vermutungen fußen, keine religiöse Autorität zu geben und sich auf Gottes alleiniges Wort zu verlassen (3:173, 7:3, 8:64, 9:59, 9:129, 39:36, 65:3). Vielmehr werden wir ermahnt, dass wir zu oft sekundäre Quellen dazu verwenden, uns unsere eigenen Meinungen schön zu reden:

 

68:36-38 Was ist mit euch, wie ihr richtet. Oder habt ihr eine Schrift, in der ihr studiert. Darin habt ihr sicherlich, was ihr euch wählt.

 

Die meisten Gelehrten der unerlaubten Abspaltungen (42:13) der Gottergebenheit (deutsch für „islām“) nehmen in den Sekundärquellen nur diejenigen Aussagen für sich heraus, an denen sie selber Gefallen finden (2:85, 25:43). Sie sind jedoch, wie bereits erwähnt, nur Vermutungen und voller Widersprüche. Ohnehin akzeptiert die Lesung solche Quellen nicht. Demzufolge gibt es gleich mehrere Gründe als Gottergebene oder Gottergebener (deutsch für „muslim“) jeden dazu anzuhalten, die Lesung selber zu erforschen (34:46, 96:1f.). Die Ablehnung von Gelehrtendoktrinen wird im folgenden Vers ein weiteres Mal prägnant dargestellt:

 

2:170 Und wenn man zu ihnen sagt: „Folgt dem, was Gott herabsandte“, sagen sie: „Nein! Vielmehr folgen wir dem, worin wir unsere Vorväter vorgefunden haben.“ Was denn, auch wenn ihre Väter nichts begriffen und nicht rechtgeleitet waren? (Vgl. auch 31:20-21, 6:106 und 7:3)

 

Gelehrte, die keine Ärzte sind

Es ist eine traurige Tatsache, dass die meisten dieser Anordnung nicht Folge leisten. Es ist zu erschreckend normal geworden, das Verständnis von der Lesung mit traditionellen Einflüssen und falschen Autoritäten zu verzerren. Oft hört man dabei das Argument:

 

Wenn ich krank werde, gehe ich doch zum Arzt, der sein Fach studiert haben muss. Im Islam muss man das Gleiche tun!

 

Dieser Gedanke wurde bereits an dieser Stelle kommentiert. Diesen Leuten muss im Hinblick auf diese Ärzte-Metapher zudem die Frage gestellt werden, ob sie sich lieber von einem der vielen falschen Wunderheiler behandeln lassen möchten, welche nur allzu oft dem Geld, Traditionen oder Vermutungen nachgehen und somit unerlaubte Behandlungsmethoden befürworten oder sich nicht doch von Demjenigen behandeln lassen möchten, welcher vollkommen ist! Sich allein Gott zu widmen bedeutet zugleich, die Verantwortung in die eigenen Hände zu legen. Nichts ist gefährlicher für eine machthungrige Gruppe von elitären Gelehrten als eine selbst denkende, auf Basis der Vernunft und der Gerechtigkeit handelnde Gemeinschaft an Gottergebenen, die sich nicht durch irgendwelche Menschen einschüchtern lassen.

Gott gibt uns auch Beispiele, wie die Menschen Sein vollkommenes Wort (6:115) zu entstellen versucht haben (5:13, 10:15, 17:45-46, 18:57, 43:36-37). Dabei ist es ein gemeinsames Merkmal aller Ableugner und Heuchler, dass sie sich mit Gott allein nicht zufrieden geben können, sie brauchen sekundäre Quellen neben Ihm:

 

39:45 Und wenn Gott allein erwähnt wird, verkrampfen sich die Herzen derjenigen, die nicht an das Jenseits glauben. Wenn aber diejenigen erwähnt werden, die es außer Ihm geben soll, freuen sie sich sogleich.

 

Diesen Versen nach zu urteilen genügt es nicht, viel Wissen zu haben, sondern nach welcher inneren Einstellung man die Lesung erschließen will. Es ist besser, nicht „den Islam“ studiert zu haben und dabei Gottes alleinige Autorität zu akzeptieren, anstatt beispielsweise Theologie zu studieren und dabei einer erfundenen „Sunna“ neben der Lesung zu folgen und Gottes Wort dadurch zu entstellen. Wer aus bestimmten, diesseitigen Gründen diesen Fehlern nachläuft, kann sich am Tag der Lebensordnung (am Jüngsten Tag) nicht einfach seiner Verantwortung entziehen (7:38-39, 14:22)!

 

Was ist mit den „Wissenden“?

Traditionalisten, welche dieser Argumentation kritisch gegenüberstehen und sich nicht von der Gelehrtendoktrin abbringen lassen möchten, präsentieren zu diesem Thema oft folgenden Satz aus der Lesung:

 

16:43 Und Wir haben vor dir nur Männer gesandt, denen Wir (Offenbarungen) eingegeben haben. So fragt die Leute der Ermahnung, wenn ihr nicht wisst. (Vgl. auch 21:7)

 

Die fett markierten Stellen lauten im Original ahl-al-ḏikri (أهل الذكر) auf Deutsch: Leute der Ermahnung. Da die Lesung auch als Ermahnung betitelt wird, kann man hier auf Leute schließen, die tief im Wissen der Lesung verankert sein müssen. Daraus schließen sie, dass nur Gelehrte die Lesung auslegen dürfen. Abgesehen davon, dass diese Interpetation nicht mal im klassischen Sunnitentum einen Konsens hat (man lese dazu nur Tabari, Qurtubi und Ibn Kathir), bedeutet dies noch lange nicht, dass wir ihnen blind folgen dürfen und sie dadurch zu Herren über uns zu erheben haben (3:64, 9:31, 12:39, 17:36). Gott allein als Herrn anzuerkennen bedeutet auch, dass die Erklärung der Lesung nur durch sich selber legitim ist.

Da aber auch andere Offenbarungen Gottes so bezeichnet werden, müssen sich etwaige Gelehrte mit sämtlichen Schriften auseinandersetzen (5:13-14, 21:48, 21:105, 28:43 und 23:110), was bei den meisten Gelehrten aufgrund ihrer negativen und ablehnenden Haltung beispielsweise gegenüber der Tora oder dem Evangelium nicht zutrifft.

Viele Verse machen uns darauf aufmerksam, wozu die Gelehrtendoktrin geführt hat: moralischer Zerfall (5:63), Autoritätsdenken (9:31) und Ausbeutung durch diese Autoritäten (9:34). Diese Verse sind dabei nicht historisch gemeint, sondern betreffen auch die heutigen Umstände (12:111, 2:44). Letzten Endes werden keine Menschen, nicht mal Gesandte, uns rechtleiten können. Allein Gott kann uns rechtleiten (42:31, 9:116, 29:22), sofern wir Gottes Rechtleitung erlangen möchten (17:9, 28:56, 27:80-81, 41:44).

Naturgemäß werden sich zu diesem Artikel neue Fragen auftun. Wie zum Beispiel, ob man die Lesung hinreichend ohne Arabischkenntnisse verstehen kann oder wie man mit der Lesung generell umgehen soll. In meinem Buch Schlüssel zum Verständnis der Lesung gehe ich ausführlich und weitgehend allgemeinverständlich auf diese komplexe Thematik ein. Weitere klassische Fragen sind:

  • Liegen die meisten Anhänger des Islam falsch?
  • Wurde 1400 Jahre lang ein falsches Islambild vermittelt?
  • Sind folglich all die Menschen hinter den „großen“ Namen der muslimischen Gelehrsamkeit nicht rechtgeleitet?

Auf der einen Seite spielen bei der Beantwortung dieser Fragen meist die eigene Tradition, die große Anzahl der eigenen jeweiligen Gruppierung, ein oftmals angeführter angeblicher Gelehrtenkonsens eine große Rolle. Dem gegenüber stehen nicht selten gleicherweise das eigene Umfeld, die eigene Lebenserfahrung aber auch bestimmte angelernte Auffassungen, welche auf das Verständnis der Lesung einwirken und dadurch das Verständnis der Lesung verzerren können.

 

Rechtleitung (hudan) in der Lesung

Wie aber findet man nun Rechtleitung und wer kann sie überhaupt vermitteln?

 

28:56 Gewiss, du kannst nicht rechtleiten, wen du möchtest. Gott aber leitet recht, wen Er will. Er kennt sehr wohl die Rechtgeleiteten.

17:9 Gewiss, diese Lesung leitet zu dem, was richtiger ist, und verkündet den Gläubigen, die rechtschaffene Werke tun, dass es für sie großen Lohn geben wird.

2:12 Uns obliegt die Rechtleitung.

 

Gott allein ist es also, der rechtleiten kann und sonst niemand, auch nicht der Mensch hinter der Prophetengestalt. Auch kann nicht die eigene Tradition, die oftmals auf Erfindungen beruht, oder Gelehrte einer bestimmten Abspaltung als Quelle der Rechtleitung dienen.

Die Charaktereigenschaften, die vor Gott zwingend sind, um rechtgeleitet zu werden:

  • Jene, die glauben und den Glauben nicht mit Ungerechtigkeit verdecken. (6:82)
  • Rechtschaffene Werke tun. (22:23)
  • Die jeglichem Wort zuhören und dem Besten davon folgen. Sie sind dann die, die vor Gott Verstand besitzen. (39:18)
  • Die an das Verborgene glauben, das Gebet verrichten und von ihrer Versorgung ausgeben (für Bedürftige) und an die Lesung wie auch allen vorangegangenen Schriften glauben. (2:3-5)

Alles in allem müssen sich Gottergebene darum bemühen, die Rechtleitung allein von Gott zu erhoffen. Das bedeutet, sich von niemandem abhängig zu machen und alles zu hinterfragen – sei es in der Wissenschaft, der Politik, der Musik, im Sport oder der Kunst. Es ist unsere Pflicht, aufgeklärte, zukunftsgerichtete Menschen zu werden, die ihren Verstand einsetzen. Nur so werden wir sowohl im Dies- wie auch im Jenseits erfolgreich sein.

 

39:23 Gott hat die beste Botschaft offenbart, ein Buch mit gleichartigen, sich wiederholenden (Versen), vor dem die Haut derjenigen, die ihren Herrn fürchten, erschauert. Hierauf werden ihre Haut und ihr Herz weich (und neigen sich) zu Gottes Gedenken hin. Das ist Gottes Rechtleitung. Er leitet damit recht, wen Er will. Und wen Gott in die Irre gehen lässt, der hat niemanden, der ihn rechtleitet.

39:36-37 Wird Gott nicht Seinem Diener genügen? Dennoch wollen sie dir mit denjenigen, die es außer Ihm geben soll, Furcht einflößen. Und wen Gott in die Irre gehen lässt, der hat niemanden, der ihn rechtleitet. Wen aber Gott rechtleitet, den kann niemand in die Irre führen. Ist nicht Gott Allmächtig und Besitzer von Vergeltungsgewalt?

Ehe und Sexualität in der Ergebung (Islam)

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verstoßenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

In diesem Artikel werden einige Fragen zum Thema Sexualität behandelt: Masturbation, Pornographie, Sex und Ehe und Homosexualität.

Darf sich ein Muslim selbst befriedigen?

Masturbation ist eine im Koran nicht erwähnte Angelegenheit, deshalb unserem eigenen Ermessen überlassen. Die Frage kann also mit ruhigem Gewissen „ja“ beantwortet werden. Masturbation ist eine natürliche Angelegenheit und dient in vielerlei Hinsicht auch für unser Wohlbefinden. Masturbation ist ein unseren biologischen Veranlagungen entsprechendes Bedürfnis.

Auf jeden Fall ist es aber nicht gesund für die Psyche, wenn wir das Masturbieren als eine teuflische Sache ansehen. Es geht um den positiven, richtigen und gesunden Umgang damit. Nicht um ein „sollen“, sondern um ein selbstverständliches „dürfen“, die eigene Privatsphäre wahrend. Wichtig ist, dass man mit der Masturbation nicht übertreibt, sie nicht zu einer Sucht werden lässt, und damit nicht Unerlaubtes verknüpft, wie etwa pornographischen Inhalt zu schauen. Damit kommen wir schon zum nächsten Punkt:

Darf man Videos mit pornographischem Inhalt ansehen?

Pornographische Inhalte widersprechen der Philosophie des Koran und verletzen auch die Privatsphäre der Frauen und Männer, die in den Videos auftreten. Im Koran gibt es klare Anweisungen darüber, wer die Schambereiche eines Menschen sehen darf und wer nicht. Es ist nicht erlaubt, sich vor Fremden zu entblößen.

24:30 Sprich zu den gläubigen Männern, dass sie ihre Blicke senken und ihren Schambereich hüten sollen. Das ist reiner für sie. Wahrlich, Gott ist dessen, was sie tun, kundig.
24:31 Und sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke senken und ihren Schambereich hüten und ihre Zierde nicht zur Schau tragen sollen, mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihre Tücher über ihre Brüste legen und ihren Zierde nicht offen zeigen, es sei denn ihren Ehegatten, ihren Vätern, den Vätern ihrer Ehegatten, ihren Söhnen, den Söhnen ihrer Ehegatten, ihren Brüdern, den Söhnen ihrer Brüder und den Söhnen ihrer Schwestern, ihren Frauen, denen, die ihre rechte Hand besitzt, den männlichen Gefolgsleuten, die keinen Trieb mehr haben, und den Kindern gegenüber, die die Blöße der Frauen nicht beachten. Sie sollen ihre Füße nicht aneinanderschlagen, damit man gewahr wird, was für einen Schmuck sie verborgen tragen. Bekehrt euch allesamt zu Gott, ihr Gläubigen, auf dass es euch wohl ergehe.

Die Gottergebenen sind verpflichtet sich nicht gegenseitig in Gier und Lust anzuschauen. Pornographie ist etwas Obszönes, etwas, was dem Gehirn falsche Eindrücke vermittelt und das Bild der Sexualität verzerrt. Studien belegen, dass Pornographie psychische Probleme und Komplexe bis hin zur Sucht verursachen kann. Zudem widerspricht es aus Sicht der Pornodarsteller dem Gebot, kein Sex außerhalb der Ehe auszuüben und monogam zu leben.

Es gibt ehemalige Pornodarstellerinnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, gegen Pornographie einzutreten. Siehe zum Beispiel: http://www.shelleylubben.com/ (Englisch)

Ehe und Sexualität

Grundlagen

Der Sex außerhalb einer ehelichen Verbindung ist definitiv verboten und wird als Zina (Unzucht) gekennzeichnet. Da man sich diesem außerhalb einer Ehe nicht nähern darf, sind auch alle ähnlichen Handlungen miteingeschlossen, wie z. B. Petting oder ähnliches (23:5-7, 17:32). Sex während der Menstruation wird ebenso aus Gründen der Hygiene verboten (2:222). Um keine Unzucht zu begehen, wird die Ehe ermutigt (24:32-33). Jene, die zur Ehe nicht erlaubt sind, werden in folgenden Versen näher erläutert: 2:221, 2:235, 60:10, 4:22-24, 24:3. Das Heiratsalter geht einher mit der geistigen Reife sein Leben selbst zu regeln (4:6) und dem Wissen, was das eheliche Leben ausmacht (4:34, 3:195). Eine etwaige Adoption während der Ehe wäre möglich (33:4-5). Es ist dem Mann auferlegt, vor der Eheschließung eine Brautgabe oder Morgengabe (60:10, 4:24, 4:4) zu zahlen. Es braucht einen weiteren Zeugen, der den Ehebund bezeugt (2:237). Die Höhe dieser wird im Koran nicht festgelegt, um den zeitlichen und kulturellen Schwankungen Raum zu geben. Auf jeden Fall soll es eine ernste Angelegenheit sein. Der Mann muss zusätzlich zur Grundversorgung der Familie auch für die Entschädigung der Stillung aufkommen (2:233). Mit dem Eingehen einer Ehe gelten automatisch auch die Erbrechte (4:7-8, 4:11). In besonderen Fällen wie im Kriegszustand könnte Polygamie angemessen sein, jedoch ist ganz klar Monogamie die Eheform, die Gott für uns als Prinzip vorgesehen hat (4:4, 4:129). Bei einem Streit der Ehepartner gibt der Koran ebenfalls detaillierte Schilderungen, wie vorzugehen ist (4:19, 4:34, 4:128, 65:1, 4:130). Die Scheidung wird in den folgenden Versen angeschnitten, angedeutet oder auch ausführlich behandelt: 4:19-21, 4:35, 65:6, 2:241, 2:236-237, 65:1-4, 2:225-233, 33:49. Selbst zur Situation einer Witwe gibt es Anordnungen: 2:240-241, 2:234-235.

Wie also zu sehen ist, enthält der Koran zahlreiche und detaillierte Informationen, um eine Ehe klar festzulegen und um ihren Bedeutungsrahmen zu vermitteln. Wir sollten uns davor hüten, unsere eigene Kultur oder unser eigenes Verständnis der Worte „Ehe“ oder „Verlobung“ oder auch des Wortes „Vertrag“ (wie etwa bei einem Ehevertrag) den koranischen Worten zuzuschreiben. Gottes Buch ist das einzige Buch, das Gesetze festlegt und Worte verwendet, die sich durch die Art der Verwendung und den Kontext, in dem sie auftauchen, selbst erklären.

Was ist Ehe laut Koran?

„Ehe“ ist etwas Allgemeineres als in unseren Gesellschaften gemeinhin definiert (z.B. Standesamt, Papier unterzeichnen). Es gibt ja heutzutage auch eheähnliche Gemeinschaften oder andere Formen des Zusammenlebens. Es kommt also auf die Absicht hinter und die Beschaffenheit der Beziehung an, nicht auf das Ritual, dass zu einer sogenannten „Ehe“ führt. Natürlich, auch die allgemein definierte Ehe hat klare, vom Koran auferlegte Schranken und sollte gewissen Verantwortungen unterliegen. Die nötigsten Vorkehrungen trifft bereits der Koran: Morgengabe, Erbgesetze etc. (sh. oben).

Vieles von dem, was hier folgt, steht in krassem Widerspruch zu dem, was „traditionelle Muslime“ glauben. Das Buch Gottes, welches den echten Gläubigen ausreicht, beschreibt alles Notwendige zu diesem Thema. Andere traditionelle Quellen des Islam sind hier nicht notwendig. „Traditionelle Muslime“ werden oft sagen, dass der Mann sich nur mit Hodscha/Scheich und großer Feier einer Frau nähern darf … oder vielleicht sagen auch einige, dass der Mann sich zwar jeder Frau nähern darf, aber die Schwester darf dasselbe nicht bei Männern etc. Einige würden auch behaupten, eine Ehe auf kurze Zeit (muta), wie sie bei den Schiiten praktiziert wird, sei die Lösung gegenüber Promiskuität. Für welch einen geringen Preis sie Gottes Religion verkaufen!

Der sogenannte traditionelle Islam kennt sehr viele Lehren und Praktiken, die mit dem Buch Gottes nichts zu tun haben.

Gott hat es uns leicht gemacht, Sexualität, Zärtlichkeit und Liebe in einem guten und gesegneten Rahmen zu leben. So etwas nennt der Qur`an Nikah: Bund, Vereinigung, Zusammenschluss. Wir übersetzen das oft mit Ehe oder Heirat. Aber im koranischen Sprachgebrauch ist das jedenfalls nicht ganz korrekt, wenn wir Ehe nur mit etwas gleichsetzen, wozu wir ein Standesamt, einen Geistlichen oder eine große Feier brauchen. Nikah ist nicht, wie die christliche Ehe, ein heiliges Sakrament. Nikah ist auch nicht, wie die Standesamtsehe, etwas auf dem Papier. Es ist eine Sache zwischen zwei Menschen, einem weiteren rechtschaffenen Zeugen (2:237) und vor Gott, die nicht geheim bleiben und den Gesetzen des Koran unterliegen sollte. Wenn also ein Mann und eine Frau fest zusammen sind und dies auch öffentlich klar ist, dann ist das schon Nikah. Kein spezieller Priester, kein speziell ausgebildeter Imam wird hier gebraucht, keine Zeremonie, kein Standesamt.

Allerdings bedeutet das auch, dass das Paar rechtlich wie eine nichteheliche Gemeinschaft behandelt wird, wenn es zum Beispiel um Steuern oder die Erbfolge geht. Durch die Verbindlichkeit bekommt die Beziehung eine tiefere Ernsthaftigkeit. Wer sich traut, sich vor dem Standesamt trauen zu lassen, geht einen Bund ein, der nicht nur steuerliche Vorteile bringen kann, sondern auch viele weitere Rechte begründet. Denn das Grund­gesetz schützt Ehe und Familie, weshalb Eheleute und in weiten Teilen auch einge­tragene Lebens­partner recht­lich besonders umgarnt werden. Das zeigt sich nicht nur im alltäglichen Leben, zum Beispiel bei der jähr­lichen Einkommensteuererklärung oder bei der Pflicht zum gegen­seitigen Unterhalt. Auch wenn einer der Eheleute stirbt, ist der andere abge­sichert: Verheiratete haben ein gesetzliches Erbrecht. Daher ist eine standesamtliche Trauung in unserer heutigen Zeit empfehlenswert.

Was ich natürlich nicht meine ist, dass man wild seinen Trieben folgen sollte. Aber auf der anderen Seite haben wir im Qur’an auch keine Verteufelung von Sexualität, Zärtlichkeit und Erotik (2:223). Das Zentrale ist dabei die Verantwortung. Nikah heißt im koranischen Kontext erstmal nur so viel wie „Vereinigung zwischen Mann und Frau“. Nun gibt es eine solche Vereinigung in einem guten Rahmen und in einem weniger guten. Der Koran wünscht, dass Beziehungen sexueller Natur in nachvollziehbaren Bahnen ablaufen. Dies hat den Hintergrund des Schutzes der Personen bzw. der Kinder, die durch sexuellen Kontakt entstehen können. Wenn wir den Qur’an lesen, dann sehen wir nur wenige Bedingungen für Nikah. Die wichtigste ist die, dass sich die Partner über ihre koranischen wie auch gesellschaftlichen Rechte und Verantwortungen im Klaren sind. So hat die Frau nach dem Qur’an zum Beispiel das Recht, vom Mann als Absicherung eine Geldmenge (Morgengabe) oder etwas vergleichbar Wertvolles zu erhalten. Des Weiteren brauchen sie laut 2:237 nur einen rechtschaffenen Menschen als Zeugen und Vermittler für etwaige Streitschlichtungen, in dessen Hand der Ehebund dann vor der Gesellschaft liegt, der jedoch nicht Imam oder Hodscha sein muss.

Wenn ein Mann eine Frau wirklich liebt und sie ihn, wenn sie beschließen fest und monogam zusammen zu sein und ihre Verantwortungen vor Gott und vor der Gesellschaft zu teilen und wenn sie sicher sind, dass das alles kein Experiment ist, sondern dass es ernst gemeint ist und demnach wohl überlegt handeln, die Morgengabe zahlen und den Zeugen festgelegt haben, dann sind diese nach Allahs Gesetz „vereinigt“ – ohne einen Hodscha, ohne Feier, ohne Standesamt …

Aber natürlich will auch so ein Schritt gut überlegt sein und das ist vielleicht eher das Problem mit vielen heutigen Partnerschaften. Viele Menschen in unserer Gesellschaft nehmen Partnerschaft auch wieder zu leicht. Sie gehen mal eben als Experiment eine Beziehung ein, ohne sich sicher zu sein, betrügen leicht, fühlen sich nicht gebunden. Und das gilt auch für viele auf dem Papier verheiratete! Und die Folgen sind dann oft schmerzhaft.

Gott will es uns mit Seinem Buch leicht machen, nicht schwer. Er offenbart uns Seinen Willen, damit wir glücklich werden, nicht damit wir unglücklich werden. Er sagt uns, dass wir eine Partnerschaft in Verantwortung und mit Barmherzigkeit und Zärtlichkeit führen sollen, zu unserem eigenen Besten.

Aber es ist auch nicht zu vergessen, dass Partnerschaft nicht alles ist. Sicher, wenn man alleine ist, sehnt man sich danach. Aber auch Partnerschaft kann nicht der Inhalt des Lebens sein. Sie ist vielmehr ein Mittel, damit zwei Menschen gemeinsam diesen Sinn finden mögen.

Ein „Ritual“, in welcher Form auch immer, ist aber hingegen oft hilfreich, um sich des Ernstes der Lage bewusst zu werden, und wenn es sich nur um eine besondere Aktion zwischen den beiden Betroffenen handelt. Und schön kann es auch noch sein.

Einige könnten einwenden, der Koranvers 4:25 schreibe ja vor, man müsse die Erlaubnis der Eltern einholen. Doch bei genauerem Hinsehen ist es klar, dass es sich hier um die Wendung „ma malakat aymanukum“ (was in eurer Rechten ist) handelt und dass wir die Erlaubnis derer einholen sollen, in deren „rechten Hand“ die Frauen sind, die wir heiraten wollen… die also in irgendeiner Rechtsform nicht „frei“ sind.

Nochmals kurz zusammengefasst: die Definition von Heirat im Koran ist eine ganz andere, als wir sie üblich wahrnehmen. Die Heirat im Koran bindet zwei Menschen aneinander aus Liebe und Güte untereinander (30:21, 9:71). Es soll kein Experiment oder eine leichtfertige/leichtsinnige Entscheidung sein. Beide sollten sich über ihre koranischen Positionen bewusst sein (z.B. auch, was Scheidung und Wartezeit in diesem Fall angeht). Dies wird im Koran dadurch festgelegt, dass in den entsprechenden Versen oft der Satz „wenn ihr an Gott und den Jüngsten Tag glaubt“ betont wird, wenn von uns verlangt wird, die Schranken Gottes einzuhalten.

Schliesslich will man sich ja nicht mit dem Schöpfer des Universums anlegen, um sich selbst eine kurzzeitige fleischliche Freude des diesseitigen Lebens als scheinbar gültig zurechtzubiegen. Wir werden nämlich aufgrund dieses Koran zur Rechenschaft gezogen und so sollten wir uns unserer Verantwortung vor dem Allwissenden bewusst bleiben.

Missbrauch von Sexualität

Bei einer Betrachtung der sexuellen Orientierung sollte man genau differenzieren, was in der Offenbarung thematisiert wird und von wem. Spricht Gott, spricht der Prophet aus der jeweiligen Geschichte in eigenem Namen und nicht aus göttlichem Auftrag heraus? Welche sprachlichen Eigenheiten kommen dabei vor und wie sind diese zu bewerten?

Es gibt einige Textstellen im Koran, die von vielen in Zusammenhang mit der Homosexualität gebracht werden:

  • 7:80-84
  • 11:77-83
  • 15:58-77
  • 26:160-174
  • 27:54-58
  • 29:26-35
  • 54:33-39
  • 21:71-75
  • 37:133-138
  • 51:32-37
  • Bezugnahme auf das Volk Lots in 11:89, 22:43, 38:13 oder 50:13 (die Brüder Lots).
  • Unklar, ob zur Geschichte Lots zugehörig oder nicht: 25:40. Möglicherweise ist hier Sodom angedeutet.
  • Weitere Stellen, an denen Lot erwähnt wird, sind: 6:86 und 66:10 (Frau Lots).

Die Umgestürzten (9:70, 53:53, 69:9  al-muʾtafikāt), für die keine Namen genannt sind, werden von einigen Auslegern auf Sodom und die Nachbarstädte gedeutet, diese Verbindung ist jedoch nicht eindeutig.

Bei den abscheulichen Taten kommt das arabische Wort Fāḥischa vor, was als Gräuel, Unsitte oder Abscheulichkeit verstanden werden kann. Darunter werden auch mehrere Handlungen beschrieben, die meistens vom Missbrauch der Sexualität sprechen:

  • Stiefmütter heiraten (4:22)
  • Unehelicher Geschlechtsverkehr (17:32, 4:15-16 in Zusammenhang mit 24:1-26)

Man kann die Wurzel (فحش) in alquran.eu nachschlagen, um sich selbst zu überzeugen, welche Handlungen damit verbunden sind (6:151, 24:21, 27:54-55). In Vers 27:55 erklärt Lot nämlich das, was er zuvor (27:54) als (Fahischa) definiert hatte. Es ist jedoch klar, dass die Abscheulichkeit nicht allein den Missbrauch der Sexualität meinen kann, wie wir dies aus den Versen 29:28-30 entnehmen können. Es ist also umstritten, ob wir den homosexuellen Verkehr als Bestandteil von Fahischa sehen können oder ob gerade dies vom Wort Fahischa abgegrenzt werden soll. Des Weiteren ist der Begriff der Homosexualität ein moderner Begriff, der als solches im Koran nicht vorkommt und dessen Bedeutung nicht durch die Verse abgedeckt wird.

Offenheit und Toleranz bedeuten nicht Zustimmung und Einverständnis. Gehen wir also offen und tolerant mit unseren homosexuellen Geschwistern um! Wir dürfen auch die direkten Aussagen von Lot nicht wortwörtlich nehmen, wenn er zu seinem Volk meint: Ihr begeht das Schändliche, wie es vor euch keiner von den Weltenbewohnern getan hat (29:28, vgl. dazu 7:80). Der Ausdruck wie es vor euch keiner getan hat ist nicht als historisch präzise Aussage zu verstehen, sondern als ein persönlicher Ausruf des Propheten aus seiner Wut und seinem kulturellen Kontext heraus. Er glaubt offenbar, sowas noch nie in diesem Ausmaß gesehen zu haben, was aber nur seine persönliche Einschätzung wiedergibt und theologisch nicht weiter verwertet werden sollte. Darüber hinaus scheint der Missbrauch der Sexualität nur eine Randrolle zu spielen (29:29-30), denn als Begründung für die Bestrafung wird ihre Ablehnung des Prophetentums von Lot angegeben (vgl. 38:13-14, 50:12-14, 6:86-91).

Auch können die Verse als Ehebruch verstanden werden, indem sie ihre eigenen Partnerinnen betrügen:

7:81 Ihr geht in Begierde zu den Männern, statt zu den Frauen. Nein, ihr seid maßlose Leute.

26:165-166 Wie könnt ihr denn zu den Männern unter den Weltenbewohnern gehen und das vernachlässigen, was euch euer Herr an Partnern erschaffen hat? Nein, ihr seid Leute, die Übertretungen begehen.

27:55 Wollt ihr denn in Begierde zu den Männern gehen statt zu den Frauen? Nein, ihr seid Leute, die töricht sind.

Auch wir bleiben nicht stehen und sind in der Lage unsere Positionen zu überdenken und suchen deshalb auch immer wieder die sachliche Auseinandersetzung. Diese kurze Meinung soll als Anreiz zur Diskussion und als Basis für eine weitergehende Recherche dienen. Nichtsdestotrotz ist die Würde des Menschen in jedem Falle zu respektieren. Schwule Gottergebene (deutsch für Muslim) oder gottergebene Lesben sind somit kein Widerspruch in sich und sie sind unsere Geschwister. Offenheit und Toleranz bedeuten nicht Zustimmung und Einverständnis. Gehen wir also offen und tolerant mit unseren Geschwistern um!

Theologisch betrachtet müssen wir uns einsetzen für die Rechte aller Menschen ohne irgendeine Diskriminierung von irgendwelchen Gruppen aufgrund Rasse, Kultur, Sprache oder sexueller Orientierung. Das bedeutet beispielsweise auch, dass wir für die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung auch von Menschen aus der LGBTIQ*-Community sein müssen, da ein allein religiös motiviertes Gesetz auf gesellschaftlicher Ebene nicht erlaubt ist, sofern sich die Menschen dazu nicht demokratisch bereit erklären. Auch in einem demokratischen Mehrheitsbeschluss darf kein Entscheid gefällt werden, welche Minderheiten marginalisiert und sie ihrer grundlegenden gesellschaftlichen Rechte beraubt.

In jedem Falle sollten wir verbinden und nicht trennen.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern Gottes Segen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen und in Frieden

Sinn des Konzepts ‚Jenseits‘

Theologische Bewertung des Jenseits aus philosophischer Sicht

Ich suche Zuflucht beim Herrn vor dem verstoßenen Satan,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Frieden sei mit Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser!

Symbolik und wörtliche Bedeutungen spielen im Verständnis, in der Hermeneutik einer Schrift eine wichtige Rolle. So werden sowohl im Koran als auch in der Bibel des Öfteren Gleichnisse angeführt, die, wie der Name schon sagt, keine wörtliche, sondern metaphorische(Fn1) oder allegorische(Fn2) Beschreibungen einer Aussage sind. Wenn man beginnt, über die allegorischen oder metaphorischen Verse in der Schrift nachzudenken, werden einige Probleme ersichtlich. Mir stellte sich z. B. die Frage, wieso Gott menschliche Attribute wie Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit etc. auf sich selbst bezieht.

So heißt es beispielsweise im Koran:

 

17:110 Sprich: Ruft Gott oder ruft den Erbarmer an. Welchen ihr auch anruft, Ihm gehören die schönsten Namen. Und sei nicht laut beim Gebet, und auch nicht leise dabei. Suche einen Weg dazwischen.

 

Das deutsche Wort ‚Jenseits‘ entspricht im Koran dem arabischen Wort „aakhera“, was wörtlich „letzte“ bedeutet, im Sinne einer endgültig letzten Endstation auf der Reise unseres Lebens. Im Folgenden jedoch werde ich ohne Einschränkung der Bedeutung das deutsche Wort verwenden.

Die wohl bekannteste, falsche Vorstellung über das Jenseits, ist die fälschlich dem Propheten Mohammed zugeschriebene Aussage, dass im Paradies 72 Jungfrauen für den Märtyrer warten. Es wird leider von Hadith-Anhängern und oberflächlich informierten Menschen geglaubt, dass dies ein Bestandteil der islamischen Glaubenslehre sei. Es ist offensichtlich, dass diese nicht im Koran enthaltene Vorstellung eine männlich bedingte Interpretation ist. Leider haben Vorstellungen wie diese das Verständnis von den Koranversen, die über das Jenseits berichten, verzerrt(Fn3). Sowohl das Paradies (Garten; arabisch Dschennah) als auch die Hölle (ar. Dschahannam, verbunden mit Nar „Feuer“) werden im Koran als Allegorien angeführt. Es wäre deshalb unlogisch, den Garten und das Feuer im Jenseits mit unseren Kenntnissen gleichzusetzen. Ein Beispiel für die Unlogik der Annahme, dass das Jenseits mit unseren Kenntnissen über diese Welt realistisch beschrieben werden könnte, ist der folgende Koranvers:

 

17:60 Und Wir sprachen zu dir: „Dein Herr umfasst die Menschen.“ Und Wir haben das Traumgesicht, das Wir dich sehen ließen, nur als eine Prüfung für die Menschen gemacht und ebenso den im Koran verfluchten Baum. Und Wir warnen sie. Doch das steigert nur ihre Widersetzlichkeit.

37:62-66 Ist dies besser als Bewirtung oder der Baum Zaqqum? Wir haben ihn zu einer Prüfung für die Ungerechten gemacht. Er ist ein Baum, der aus dem Grunde der Hölle empor wächst. Seine Früchte sind wie Satansköpfe. Sie sollen davon essen und (ihre) Bäuche damit füllen.

 

Edip Yüksel kommentiert den Vers 17:60 wie folgt:

Kuran’ı almak için Muhammed peygamber’in seyahatine değiniliyor olabilir (17:1 ve 53:1-18). Cehennem ateşi içinde biten Zakkum ağacına değiniliyor (37:62-66). „Cehennem ateşi“ ifadesini mecazi olarak anlamak istemeyenler, „ateşin içinde ağaç mı yetişir?“ diyerek inkarlarında fanatikleştiler. Tanrı, ikiyüzlülere ve inkar etmek isteyenlere özellikle bahane verir (2:26; 3:7; 17:82; 74:31).

Übersetzung:
[Der Vers] könnte sich auf die Reise beziehen, bei der der Prophet Mohammed den Koran erhielt (17:1 und 53:1-18). [Ebenso] bezieht sich [der Vers] auf den Zakkum-Baum, der im Höllenfeuer gedeiht (37:62-66). Jene, die die Formulierung „Höllenfeuer“ nicht allegorisch verstehen wollen, wurden in ihrer Ableugnung zu Fanatikern, indem sie „wie kann ein Baum im Feuer gedeihen?“ fragten. Gott gibt insbesondere den Heuchlern und denen, die ableugnen wollen, die Möglichkeit für Ausreden (2:26; 3:7; 17:82; 74:31)

 

Zu den wichtigsten Glaubensgrundsätzen des Koranischen Islam gehört der zweifellose Glaube ans Jenseits (vgl. 2:62, 5:69). Der auf den ersten Blick erscheinende Sinn dieser betonten Wichtigkeit liegt darin, dass das Jenseits Gerechtigkeit bringen wird. Jenseits als Hoffnung auf etwas Besseres, auf eine Belohnung. Leider wird das Konzept des Jenseits in vielen Moscheen in einer sehr einseitigen Sicht repräsentiert. Beispielsweise hörte ich in einer auf Türkisch gehaltenen Freitagspredigt in einer Zürcher Moschee ständig von der „Hölle“ und dem brennenden Feuer, welche die „Ungläubigen“ (meist als „Nichtmuslime“ gleichgesetzt) heimsuchen werde. Die meisten der Zuhörer, alle ausnahmslos männlich, waren zweifellos Türken. Ich sah, wie einige Köpfe nickten und dachte darüber nach, wie viele der Zuhörer wohl den Koran je selbst gelesen haben, so, dass sie ihn auch selber verstehen. Die meisten der „Argumente“, die in der Predigt gehalten wurden, hätte ich mit einigen wenigen Koranversen widerlegt (beispielsweise die Annahme der meisten Sunniten, alles aus ihrer Sicht Nichtmuslimische komme ins Feuer: 2:94, 2:111), doch ich war nicht auf eine Diskussion aus und es wäre bestimmt amüsant gewesen, zu sehen, was in einem Raum vollgefüllt mit Sunniten mit dem Widersprechenden passieren würde. Gott sei Dank, dass Er mir die Vernunft gegeben hat, zu schweigen!

Es gibt Gott sei aller unendlicher Dank viele Wege, die zu Ihm, dem Einen Gott führen und all diese Wege sind nicht zu werten!

 

17:63-65 Gott sprach: „Fort mit dir (Satan)! Und wer von ihnen dir folgt, fürwahr, die Hölle soll euer aller Lohn sein, ein verdienter Lohn. Und scheuche mit deiner Stimme auf, wen (auch immer) von ihnen du kannst, setze ihnen zu mit allen deinen Heerscharen und Ross, nimm an ihrem Vermögen und ihren Kindern (als Partner) teil und mach ihnen Versprechungen! Der Satan macht ihnen nur trügerische Versprechungen. Über Meine Diener hast du keine Macht. Sie verlassen sich auf Gott allein.“ Dein Herr genügt ihnen als Beschützer.

 

Viele der von Menschen ausgehenden Höllendrohungen, die an andere Menschen gerichtet sind, werden offensichtlich aus dem Grunde angeführt, dass sie meinen, nur das sei gerecht. Es ist ihre eigene Interpretation der Gerechtigkeit: die Anderen, die „Schlechten“. Dabei entstehen oft typische Rachegedanken wie „Wirst schon sehen, was du davon hast“ oder „Du wirst in der Hölle schmoren! Mir wird es dann besser gehen als dir“, die wir dann Gott „unterschieben“. Dabei übersehen Menschen oft, dass niemand den Anderen genau kennt, und tun all dies, ohne zu wissen, was Seine Gerechtigkeit ist. Denn Gott rechnet anders: würde er Gerechtigkeit vor Gnade walten lassen, gäbe es niemanden von uns mehr (35:45, 16:61). Wir denken, dass diese Beobachtung bei gewöhnlichen Menschen zutreffen kann. Politische Führerpersonen oder Gelehrte (studierte Personen) wissen auch, dass Angst die Bereitschaft bei Menschen verstärkt, alles zu tun, um sich wieder in Sicherheit zu wiegen. Dazu gehört auch die Befolgung von Anweisungen, welche den eigenen moralischen und ethischen Maßstäben widersprechen (wie wir später sehen werden, so Gott will).

Jenseits und die Göttliche Gerechtigkeit und Wahrheit sind laut Koran eng miteinander verbunden. Wenn wir eine oberflächliche Betrachtung der Realität vornehmen, sehen wir uns mit einer leider sehr traurigen (überprüfbaren) Wahrheit konfrontiert: der Mensch und die Gerechtigkeit tun sich schwer miteinander: Korruption, Kriege zu Profitzwecken (wie z.B. die Lüge des „Krieges für die Demokratie im Nahen Osten“ der Bush-Administration), (Ehren-)Mord, Menschenhandel, Scharlatanerie, Betrug, Egoismus (Eigennützigkeit) mit schadender Konsequenz, Umweltverschmutzung, Ausrottung gewisser Tierarten, grausame bzw. brutale Behandlung von Menschen (Steinigung, Handabhacken), Vergewaltigungen, Manipulation von Menschen, Feindseligkeiten, Passivität gegenüber Ungerechtigkeiten… die Liste scheint täglich zu wachsen. Dies alles geschieht durch die Hand des Menschen. Wer versucht, etwas gegen nur eine von den Ungerechtigkeiten zu unternehmen, wird zu Beginn der „Kampfansage“ in relativ kurzer Zeit demotiviert sein, aufgrund der unglaublich vielen Ungerechtigkeiten allein in diesem Aspekt.

Keine Frage, es gibt Gott sei Dank viele rechtschaffene, gutherzige Menschen. Doch bekannte Studien haben aufgezeigt, dass Menschen sich des Öfteren selbst falsch einschätzen.

 

Das Stanford Prison Experiment

ZimbardoVielleicht kennen Sie den deutschen Film „Das Experiment“, die teilweise unrealistische Verfilmung eines wirklich stattgefundenen Experiments an der Universität von Stanford. Bei diesem Experiment von Philip Zimbardo (Bild rechts) erklärten sich 24 Studenten aus Palo Alto bereit, 14 Tage lang in einer Art Gefängnisanstalt zu verbringen. Die eine Hälfte sollte dabei die Rolle des Wärters übernehmen, die andere Hälfte die der Häftlinge. Die Motivation des Experimentes klingt simpel: Um die Einflüsse der Gefangenschaft zu untersuchen. Die „Wärter“ erhielten militärisch wirkende Uniformen, Sonnenbrillen, Trillerpfeifen und Schlagstöcke, und die „Gefangenen“ Kittel mit Nummern – fortan ihre Identität.

Die Lage schien entspannt und locker zu sein. Doug Karlson, einer der „Häftlinge“, schrieb: „Das Ganze ist lächerlich – nur ein Spiel, nichts weiter. Die 14 Tage schaffe ich locker!“ Die einzige Regel für die Wärter: körperliche Strafe oder Gewalt ist untersagt.

Das Scheingefängnis war kameraüberwacht und versteckte Mikrophone waren angebracht. In der ersten Nacht wurden die Gefangenen mit den Trillerpfeifen zum Appell geweckt. Schnell stellte sich heraus, dass die Wärter gerne Liegestütze als Bestrafung einsetzten. Das Experiment gerät bereits nach 36 Stunden außer Kontrolle, als der erste Gefangene – D. Karlson – seine Entlassung verlangte, nachdem er einen Nervenzusammenbruch erlitt. Am dritten Tag: Die Wärter verschärften ihre Behandlung der Gefangenen und zwangen einige, allein mit ihren Händen (ohne irgendwelche Hilfsmittel) Toiletten zu putzen. Mehrere Appelle fanden statt und Liegestütze wurden abverlangt. Zwei weitere Gefangene wurden entlassen, da sie unter dem Druck zusammenbrachen. Am vierten Tag kam ein katholischer Priester und machte die Gefangenen darauf aufmerksam, dass sie das Recht auf einen Anwalt hätten, da sie ja im Gefängnis saßen. Noch am selben Tag verlor ein weiterer Gefangener die Fassung und fing an zu weinen. Noch während seines Entlassungsgesprächs musste dieser zuhören, wie die restlichen Gefangenen, von einem Wärter dazu aufgefordert, im Chor sprachen „Gefangener 819 ist ein böser Typ“. Als erste Reaktion wollte er wieder zurück in seine Zelle, um allen zu beweisen, dass er doch durchhalten werde und konnte erst von Zimbardo zur Vernunft gebracht und entlassen werden.

Am Abend des fünften Tages kamen die Angehörigen der Gefangenen zu Besuch. Einige der Eltern berichteten, dass ein katholischer Priester angerufen und ihnen geraten hatte, ihrem Sohn einen Anwalt zu verschaffen, damit dieser auf Kaution freigelassen werden konnte. Zimbardo folgte dieser Aufforderung und ließ einen Anwalt mit jedem Gefangenen sprechen. Zu diesem Zeitpunkt wurde Zimbardo klar, dass er das Experiment beenden musste, weil es kein Experiment mehr war. Die Gefangenen wurden in der Nacht entlassen.(Fn4)

Die Ergebnisse: Bei nicht-sadistischen Menschen wurde sadistisches Verhalten hervorgerufen. Psychische Folter, um die „Gefangenen“ zu quälen, wurde ganz offen eingesetzt (Gefangener 819 ist böse). „Nicht die Persönlichkeit des Menschen entscheidet, ob er grausam handelt, sondern die Umstände“, lautet die Folgerung Zimbardos. Weiter sagt er: „Wir gleichen unseren Charakter immer weiter jener Rolle an, die wir übernehmen, sobald wir die Aufgabe ausführen.“ Einfacher ausgedrückt: Der junge Student verinnerlicht seine Rolle als Wärter, der für Ordnung und Ruhe sorgen soll. Die Rolle ist nicht mehr nur eine Rolle, sondern real.(Fn5)

Zimbardo fordert heute noch ein Überdenken des Aufbaus von Gefängnissen, da seine Studie gezeigt habe, wie leicht Gefängnis anfällig für Gewalt- und Machtmissbrauch ist.

Dieses Experiment erklärt aber immer noch nicht zufriedenstellend, weshalb dermaßen viele Menschen beispielsweise während der Nazi-Regime-Zeit bereit waren, sich in den Dienst der Tötungsmaschinerie der Nazis zu stellen! Lag es an einem grundsätzlichen Charakterfehler dieser Menschen oder gibt es Situationen und Umstände, unter denen möglicherweise jeder in der Lage wäre, andere Menschen zu foltern und sogar zu töten?

 

Das Milgram Experiment

Milgram Der amerikanische Sozialpsychologe Stanley Milgram untersuchte in einem Experiment den Obrigkeitsgehorsam von Menschen. Dieses Experiment ging in die Geschichte ein; interessant und faszinierend, beängstigend und erschreckend, entsetzend und erstaunlich zugleich. Ich habe versucht, das Experiment so kurz wie möglich zusammenzufassen:

Dem Probanden wird in einem manipulierten Los die Rolle des Lehrers zugeteilt. Dass der Schüler in Wahrheit ein Schauspieler ist, wird verschwiegen. Der Schüler wird an einem Stuhl angebunden, wonach ihm Elektroden angeschlossen werden. Den Versuchspersonen wird ein „Schockgenerator“ mit 30 aufsteigend angeordneten Kippschaltern gezeigt, die je um 15 Volt von 15 bis 450 Volt steigen. Zusätzlich waren zu je vier Schaltern die Aufschriften „Leichter Schock“, „Mäßiger Schock“, „Mittlerer Schock“, „Kräftiger Schock, „Schwerer Schock“, „Sehr schwerer Schock“ sowie „Gefahr: Bedrohlicher Schock“ angebracht, die letzten beiden Schalter trugen die Aufschrift „XXX“. Der Versuchsleiter sagt aus, dass die Schocks zwar äußerst schmerzhaft sein können, allerdings nicht zu dauerhaften Gewebeschäden führten.

Der „Test“ besteht darin, dass der Schüler gewisse Fragen gestellt bekommt, die er möglichst korrekt beantworten soll. Die Aufgabe des Lehrers ist nun, dem Schüler bei einer falschen Antwort einen Elektroschock zu verpassen und bei der nächsten falschen Antwort den nächsten Schalter zu betätigen (15 Volt höher). (Natürlich erhält der Schauspieler in Wahrheit keinen wirklichen Schock, er täuscht ihn lediglich vor.) Beim fünften Schock angelangt (75 V), beginnt der Schüler zu stöhnen und zu klagen. Bei 150 Volt möchte der Schüler das Experiment abbrechen und bei 180 Volt schreit er, dass der Schmerz nicht mehr aushaltbar sei. Beim Betätigen des mit „Gefahr: Extremer Stromstoß“ gekennzeichneten Knopfes hört er das Opfer im Nebenraum an die Wand hämmern. Der Schüler fleht regelrecht darum und wiederholt mehrere Male: „Lasst mich raus! Lasst mich raus! Lasst mich raus!“ Die Tonbandaufnahme dazu:

 

Der Versuchsleiter erklärt dem Probanden, dass keine Antwort eine falsche sei und fordert den Lehrer auf weiterzumachen.

Es gab verschiedenste Reaktionen der Versuchspersonen, jedoch gehorchten sie im Allgemeinen den Anweisungen des Versuchsleiters. Auffällig war, dass die Probanden häufig versuchten, ihr Opfer so wenig wie möglich wahrzunehmen und ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Versuchsleiter zu richten. Dieses Ereignis bezeichnete Milgram als „Einstimmung auf die Autorität“. Einige lachten aufgrund ihrer Verlegenheit sogar, als das Opfer aufschrie.

Manche der Probanden verlangten zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt die Versicherung, dass sie nicht haftbar gemacht werden können bzw. dass die Verantwortung vollständig beim Versuchsleiter sei. Mehr als 62 Prozent gingen bis zum Ende der Skala (450 Volt), auch wenn einige Versuchspersonen durch vier sich steigernde Aufforderungen des Versuchsleiters (Bitte fahren Sie fort! – Bitte machen Sie weiter! – Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen! – Sie müssen unbedingt weitermachen! – Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!) dazu gedrängt werden mussten.

Nach Ende des Experiments fand mit jeder Versuchsperson ein aufklärendes Gespräch statt. Milgrams Experiment wurde vielfach und in verschiedenen Variationen wiederholt und in allen Fällen ließ sich ein bedeutsames Maß an Gehorsam feststellen. Überall reagierten die Menschen, Mann oder Frau, ähnlich wie in Milgrams Versuch. In Nachbefragungen gaben 83,5 Prozent der gehorsamen Versuchspersonen und 83,3 Prozent der Ungehorsamen an, sie seien froh, an dem Experiment teilgenommen zu haben.

Die fundamentalste Erkenntnis der Untersuchung sei, dass ganz gewöhnliche Menschen, die nur ihre Aufgabe erfüllten und keinerlei persönliche Feindschaft empfänden, zu Handlungen in einem Vernichtungsprozess veranlasst werden könnten(Fn6). „Der Schlüssel zum Verhalten von Personen liegt nicht in einem aufgestauten Ärger oder in Aggression, sondern in ihrer Beziehung zur Autorität“, so Milgrams Urteil. Seine Studie zeigte, dass Menschen oftmals grausamer waren, als sie es sich selbst zuvor eingestanden hätten, wenn der an sich unspektakuläre Faktor hinzukam, dass sie ihre Verantwortung „abgeben“ konnten. Auch einige unter meinen Lesern glauben vielleicht, dass sie anders reagiert hätten. Doch die Studie zeigte, dass dem nicht so ist. Vielleicht hätte ich selbst auch bis 450 Volt weitergemacht. Gott bewahre!

Der kanadische Psychologe Albert Bandura sagt des Weiteren: „Gib einem Menschen eine Aufgabe, und er wird alles tun, egal wie grausam es ist.“ Erhalten wir eine Aufgabe zugeteilt, können wir die Verantwortung auf die „höhere Instanz“ abschieben. Einige von Ihnen werden so Gott will bereits wissen, worauf ich hinaus will.

 

Theologische Bewertung

2:170 Und wenn ihnen gesagt wird: „Folgt dem, was Gott hinabsandte“, sagen sie: „Nein! Wir folgen nur dem Weg unserer Väter.“ Wenn nun aber ihre Väter nichts verstanden haben und nicht rechtgeleitet waren?

6:116 Wenn du der Mehrzahl derer auf Erden gehorchst, werden sie dich wegführen von Gottes Weg. Sie gehen nur Vermutungen nach und raten nur.

26:74 Sie sagten: „Nein, aber wir fanden unsere Väter das tun (was wir tun).

32:34 und 28:36 Wir haben von unseren Vorfahren nie dergleichen gehört.

31:21 Wenn ihnen gesagt wird: „Folgt dem, was Gott herabgesandt hat!“ sagen sie: „Wir folgen den Wegen, auf denen wir unsere Väter fanden.“

53:39 Dass dem Menschen nichts anderes zuteil wird als das, wonach er strebt.

6:164 …und keine Seele wirkt, es sei denn gegen sich selbst, und keine lasttragende (Seele) soll die Last einer anderen tragen…

82:19 An jenem Tag wird keine Seele etwas für eine andere Seele zu tun vermögen; und der Befehl an jenem Tage steht einzig Gott zu.

 

Ich möchte diesen Artikel nicht mit Koranversen überfüllen, aber auch nicht die relevanten Verse vorenthalten. Deshalb gebe ich hier für die Interessierten und Neugierigen eine Liste von relevanten Koranversen an: 67:1-2, 18:7, 7:56, 23:115, 51:56, 13:26, 67:2, 21:34-35, 3:185-186, 2:155-157, 6:59, 94:5-6, 17:4, 2:286.

Ob Sie nun ein gläubiger Mensch sind oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle. Es ist zu leicht, die Verantwortung auf andere abzuschieben („er trieb mich dazu“, „wenn er nicht da wäre, hätte ich’s nicht gemacht“, „das haben doch unsere Vorväter auch so gemacht“, oder gar „eigentlich war er es“). Selbstbelügung, Ignoranz, „Missverständnisse und Trägheit verursachen mehr Irrungen in der Welt als List, Feindseligkeit und Bosheit. Wenigstens sind die letzteren gewiss seltener.“ Nach dem Gewissen zu handeln kann durchaus auch einmal bedeuten persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Zum Beispiel sich auch einmal gegen eine Mehrheit zu stellen, wenn etwas als falsch erkannt wurde. „Ein gutes Gewissen ist besser, selbst in einem schlechten Kerker“, meinte Ernst Wiechert. Wichtig ist auch, die Sensibilität gegenüber der Ungerechtigkeit zu bewahren. Die erste falsche oder schlechte Tat fällt vielleicht noch schwer, aber mit zunehmender Wiederholung – auch in verschiedenen Varianten der Tat – stumpfen wir für gewöhnlich ab. Wir sehen alles so, wie wir sehen wollen, bis wir es anders sehen müssen. Statt die schlechten Taten irgendwie zu rechtfertigen, sollten wir sie offen und direkt zugeben. Wir müssen uns also dazu zwingen, dass wir eine Sache anders betrachten müssen, als wir wollen. Ehrlichkeit, Geduld und Aufrichtigkeit sind dabei enorm wichtig. Ohne sie kann keine wirkliche Erkenntnis entstehen. Nur das, was aus Geduld und sorgfältiger Überlegung entsteht, kann reifen und zu etwas Fruchtbarem gedeihen!

Gott hat uns unseren Verstand und unser Herz geschenkt. Dieser gnadenreiche Wille Gottes zeigt, dass Er uns Freiheit und damit viel Verantwortung gegeben hat, vor allem für uns selbst. Unser Gewissen kann uns helfen, uns mit unseren Unzulänglichkeiten, Schwächen und Boshaftigkeiten auseinanderzusetzen, damit wir unser Herz reinigen können.

Doch nicht nur unser Gewissen, m. E. eine menschliche Kombination aus Verstand und Herz, sondern auch die Wissenschaft hilft uns bei der Reinigung der menschlichen Seele, indem sie mit aller Offenheit auch die unbequemen Wahrheiten offenlegt/entdeckt. Wir können von der Wissenschaft, dem Buch Gottes in der Natur, viel lernen und unser Weltbild erneuern.

 

Psalm 111:2-5 Groß sind die Werke des HERRN; wer sie erforscht, der hat Freude daran. Was er tut, das ist herrlich und prächtig, und seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR. Er gibt Speise denen, die ihn fürchten; er gedenkt ewig an seinen Bund.

41:53-54 Bald werden Wir sie Unsere Zeichen sehen lassen überall auf Erden und an ihnen selbst, bis ihnen deutlich wird, dass es die Wahrheit ist. Genügt es denn nicht, dass dein Herr Zeuge ist über alle Dinge? Höret! Sie sind im Zweifel über die Begegnung mit ihrem Herrn. Siehe, Er umfasst alle Dinge.

13:11 … Gott verändert den Zustand eines Volkes nicht eher, bis die Menschen ihren Zustand selbst geändert haben.

35:18 Und kein Sünder kann die Last eines andern tragen; Und wenn eine schwerbeladene um ihrer Last willen ruft, soll nichts davon getragen werden, auch wenn es sich um einen Verwandten handelte. Du kannst die allein warnen, die Ehrfurcht vor ihrem Herrn auch im Geheimen (wenn sie allein sind) haben und das Kontaktgebet verrichten. Und wer sich reinigt, der reinigt sich nur zu seinem eigenen Vorteil. Und zu Gott soll die Heimkehr sein.

 

Der Sinn des Jenseits besteht darin, unser Gewissen anzusprechen. Wir sind keine perfekte Wesen und machen Fehler. Es ist wahrlich schwer, sich die eigenen Fehler einzugestehen. Nichtsdestotrotz sollten wir dies jeden Tag versuchen und hoffen, dass unsere Mitmenschen aktiv ins Geschehen eingreifen und uns gegebenfalls auf unsere Fehler aufmerksam machen (der „Dschihad“ mit uns selbst).

 

16:60 Diejenigen, die an das Jenseits nicht glauben, besitzen die Eigenschaft des Bösen. Gott besitzt die höchste Eigenschaft, und er ist der Mächtige, der Weise.

 

Dieser Vers spricht genau diesen Punkt an. Wer die Begegnung mit dem Herrn ableugnet oder sie ignoriert, vergisst auch das Konzept der Verantwortlichkeit eigener Taten. Das Konzept des Jenseits ist das Konzept der Verantwortlichkeit. Wer dies ignoriert, betrachtet sich selbst als – bewusst oder unbewusst – verantwortungslos und wird, wo er im Allgemeinen ein gutmütiger und friedlicher Mensch war, in den bestimmten Situationen zum Werkzeug der Maschinerie des Verderbens. Nur bei einer Verbundenheit mit Gott und Seinem Wort wird einem die eigene Verantwortlichkeit immer wieder aufs Neue vor Augen geführt. Deshalb:

Hinterfragen Sie alles und denken Sie daran, sobald eine einzige Stimme erhoben wird, folgen andere diesem Beispiel. Das liegt in der Natur des Menschen. Sie müssen nur den Mut haben, Gott zuliebe als Erste/r einzuschreiten! Bleiben Sie kritisch und hinterfragen Sie alles. Stellen Sie sich vor, dass Sie eines Tages vor Gott stehen und wegen Ihrer Taten zur Rechenschaft gezogen werden und Ausreden werden nicht gelten.

 

43:44 … und ihr werdet wahrlich zur Rechenschaft gezogen werden.

58:13 … Und Gott ist wohl kundig dessen, was ihr tut.

99:7-8 Wer ein gutes Werk im Gewicht eines Stäubchens verrichtet hat, wird es dann sehen. Und wer auch nur eines Stäubchens Gewicht Böses tut, der wird es dann schauen.

 


Fußnoten

1- Bei einer Metapher (griechisch, von metà phérein „anderswohin tragen“) wird ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht, wobei zwischen der wörtlich bezeichneten Sache und der übertragen gemeinten eine Affinität („Ähnlichkeit“) vorhanden ist.

2- Die Allegorie („etwas anders ausdrücken“) ist eine Form indirekter Aussage, bei der eine Sache (Ding, Person, Vorgang) aufgrund von Ähnlichkeits- und/oder Verwandtschaftsbeziehungen als Zeichen einer anderen Sache (Ding, Person, Vorgang, abstrakter Begriff) eingesetzt wird. (Quelle: Wiki)

3- Ein Beispiel für eine weitere verzerrte Vorstellung über das Jenseits aufgrund sunnitischer Interpretationen lautet wie folgt: „Die Hölle ist als Feuergrube gedacht, über die eine schmale Brücke in den Himmel führt. Alle Seelen der Toten müssen über diese Brücke gehen, lediglich die Verdammten fallen ins Feuer, wenn sie nicht durch die Gnade Gottes erlöst werden.“ Diese und auch weitere, „zu menschlich orientierte“ Vorstellungen entstammen aus den Hadith-Büchern, deren Inhalte zu Unrecht dem Propheten Mohammed untergejubelt werden. Das Höllenfeuer steht i. A. für die unsäglichen Schmerzen, die ein von Gott verurteilter Mensch in der Gottesferne erleiden wird.

4- Quellen und weitere Links zum Stanford Prison Experiment:

http://www.prisonexp.org/ (egl.)
Das Stanford-Gefängnis-Experiment: Eine Simulationsstudie über die Psychologie der Haft
Homepage
von Philip G. Zimbardo (egl.)
Stanford-Prison-Experiment (wiki)

5- Meiner Meinung nach ist Zimbardos Ergebnis nicht vollständig, dass die Versuchspersonen allein die Rolle verinnerlicht hätten. Sowohl die Natur als auch der momentane Zustand eines Menschen bestimmen aus meiner Sicht das menschliche Handeln. Das Leben ist verwobener und komplexer, als es scheint.

6- Milgram, Stanley (1982): Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität. Reinbek bei Hamburg, S. 22.
Quellen und weitere Links zum Milgram-Experiment:

Milgram-Experiment (Wiki)
Die Milgram-Experimente
Dr. Thomas Blass Presents: Stanley Milgram.com
Grausame Schule (egl.)

„Wie stark dieser Einfluss [Anm. d. A.: der Agens-Zustand] ist, belegt ein Versuch mit 22 Krankenschwestern, die während einer Vorbesprechung alle einstimmig angaben, unter keinen Umständen einen Patienten wissentlich zu schädigen. Wenige Tage später erhielten ebendiese Schwestern auf ihrer Station einen Anruf von einem Unbekannten, der sich als Arzt ausgab. Seine Forderung: Die Frauen sollten einem Patienten 20 Milligramm eines bestimmten Medikaments verabreichen. Dieses Medikament befand sich in einer Packung mit der ausdrücklichen Warnung, dass bereits zehn Milligramm die zulässige tägliche Höchstdosis darstellen – die doppelte Menge wäre damit tödlich. Obwohl keine der Schwestern den angeblichen Arzt kannte, zogen 21 von ihnen die Todesspritze, in Wirklichkeit ein Placebo, auf. Nur eine einzige weigerte sich, den Anweisungen zu folgen. Erschütternd? Nein – steigerungsfähig: Eine Auswertung von 75 Flugzeugunglücken zeigte, dass 25 Prozent der Unfälle hätten vermieden werden können. Warum? Weil die Piloten offensichtlich Fehlentscheidungen trafen. Dennoch stellte sich keiner der Co-Piloten gegen diese Entscheidungen – sie nahmen eher den Tod in Kauf.“ (Welt der Wunder, Ausgabe 10/07, Seite 70)

Alter der Verantwortung

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

 

42:25 Er ist es, Der die Reue von Seinen Dienern annimmt und die Missetaten verzeiht. Und Er weiß, was ihr tut.

 

Freier Wille

Wenn wir über die Verantwortung des Menschen sprechen möchten, kommen wir auch nicht um die große Frage des Freien Willens umhin. Wenn Gott ebenso Allwissend wie Allmächtig ist, dann ist Er auch Allgütig und Allgnädig, weil Er weiß, wie wann wo was passieren wird.

 

57:22-23 Es passiert keine Heimsuchung auf Erden oder an euch, das nicht in einem Buch (verzeichnet) wäre, bevor Wir es ins Dasein rufen – wahrlich, das ist für Gott ein leichtes. Damit ihr nicht trauert um das, was euch entgangen ist, und euch nicht übermäßig freut über das, was euch gewährt wurde. Und Gott liebt nicht jeden sich wichtig tuenden Prahler.

 

Philosophisch gesehen ist es wahrlich ein großer Versuch, an die Willensfreiheit zu glauben. Es scheint so zu sein, dass alles deterministisch mit den Gesetzen Gottes abläuft. Hunderte von Billardbällen treffen aneinander und es scheint unmöglich, einen Einfluss auf das Geschehen auszuüben. Der Moment des Aufeinandertreffens und der Aufprallwinkel sind entscheidend. Der erste Ball entscheidet maßgeblich über alle weiteren Verläufe.

Leibniz war der Überzeugung, dass Gott alles aus dem Nichts geschaffen hat (creatio ex nihilo) und alles Geschaffene gut ist. Die Schlussfolgerung: überall ist eine wunderbare Ordnung zu finden. Die Welt wäre wie ein Uhrwerk, dass in sich selbst weiterläuft:

 

Ich sage nicht, die körperliche Welt sei eine Maschine oder ein Uhrwerk, das ohne Mitwirkung Gottes geht… Was ich behaupte ist, daß das Uhrwerk der Welt, ohne einer Nachbesserung zu bedürfen, fortgeht; man müßte sonst sagen, daß sich Gott eines Besseren besinnt. Gott hat alles vorhergesehen, er hat für alles im voraus Sorge getragen, in seinen Werken herrscht eine Harmonie, eine Schönheit, die schon zuvor bestimmt ist.

 

Die Freiheit zu verteidigen ist eine schwere Aufgabe; wo (Umgebung) und wie (männlich/weiblich, Hautfarbe etc.) der Mensch geboren wird, kann nicht von ihm selbst entschieden werden. Freier Wille kann also nur existieren, wenn es Gott gibt und Er uns sagt, dass wir einen freien Willen haben!

Es kann doch sein, dass die Gottgläubigen, die Gottergebenen (Muslime auf arabisch) einen freien Willen erhalten, wenn sie Diener Gottes werden? Es liegt alles unter der Kontrolle Gottes. Der Schöpfer kann der Schöpfung einen freien Willen geben, ohne einen Willen unabhängig von der Kontrolle des Schöpfers zu geben. Handelt der Mensch aus freiem Willen, oder war sein Wille schon da, bevor er etwas will?

 

76:30 Und ihr könnt nur wollen, wenn Gott will. Wahrlich, Gott ist Allwissend, Allweise.

81:29 Doch ihr könnt nur wollen, wenn Gott, der Herr der Welten, will.

41:11 Dann wandte ER sich dem Himmel zu, während er noch Rauch war, dann sagte ER ihm und der Erde: „Kommt beide freiwillig oder widerwillig!“ Beide sagten: „Wir kamen freiwillig.“

 

Was bleibt dem Menschen übrig, außer sein Schicksal (d. h. seine Beschränktheit) anzunehmen oder abzulehnen?

 

Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: „Der Mensch kann was er will; er kann aber nicht wollen was er will.“
– Albert Einstein

„Wenn der geworfene Stein Bewusstsein hätte,
so würde er sagen, ich fliege, weil ich will.“
– Blaise Pascal

 

Wir sind uns bei unseren Handlungen und Entscheidungen einer göttlichen Anweisung nicht bewusst. Gott ordnete das Universum so, dass unser Verlangen, Denken und Handeln uns in eine Richtung zieht, so dass Sein Wille erfüllt wird. Weder im Koran noch in der Bibel wird die menschliche Verantwortung als Widerspruch der göttlichen Vorsehung und Leitung gesehen. Und hier sollte auf die folgenden zwei Verse hingewiesen werden:

 

33:72 Wir haben die Verantwortung den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, aber sie weigerten sich und scheuten sich davor, sie zu tragen. Der Mensch trug sie – Wahrlich, er ist sehr ungerecht, unwissend.

13:11 … Gott verändert den Zustand eines Volkes nicht eher, bis die Menschen ihren Zustand selbst geändert haben…

 

Gott ist gerecht, weise, allwissend und vollkommen und braucht nicht zweimal zu überlegen. Er wollte, dass sich die Menschen auf diese Art und Weise entscheiden. Gottes Bestimmung ist unwiderruflich, da Seine Entscheidung aus der höchsten Weisheit stammt. Im Großen sowie im Kleinen wird der Wille von keinem Geschöpf beabsichtigt und gleichzeitig von allen gewollt und beherzigt. Zu denken, dass man sich deshalb der Verantwortung entziehen könnte, ist ein Widerspruch zu dieser Lehre. Niemand kann sich der Verantwortung entziehen. Wie frei ist der „freie Wille“? Wir sind völlig frei und entscheiden selbst, ob wir an Gott glauben oder nicht. Es ist Gottes Wille, das wir wollen können (18:29, 25:57, 73:19, 74:37, 76:29, 78:39, 80:12).

 

2:210 Warten sie etwa darauf, dass Gott und die Engel aus dichten Wolken zu ihnen kommen? Dann wäre alles vorbei und alles würde zu Gott zurückkehren.

6:88 Dies ist die Rechtleitung Gottes, damit leitet ER recht, wen ER will von Seinen Dienern.

 

Die Formulierung auf Arabisch (bihi man yashao min AAibadihi) beinhaltet auf Arabisch beide Bedeutungen: „Gott leitet damit, wen Er will zum geraden Weg“ oder auch „Gott leitet denjenigen, der will, zum geraden Weg.“

 

6:110 Wir lassen ihre Herzen und ihren Verstand hin und her schwanken, weil sie schon beim ersten Mal nicht glauben wollten. So verharren sie im Unglauben, und so schlagen sie sich weiter im Irrtum herum.

 

Siehe auch die Koranverse 13:11; 18:29; 42:13,48 und 46:15.

 

Römer 9:14ff. Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33:19): »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.« So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. Denn die Schrift sagt zum Pharao (2.Mose 9:16): »Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.« So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. …“.

 

Wären Gott und die Engel sichtbar, wären alle gezwungen zu glauben und die Reifeprüfung hätte keinen Sinn mehr. Der Zweck unserer Existenz auf der Erde ist es, die Herausforderung des Teufels abzulehnen und der absoluten Autorität Gottes zuzustimmen. Siehe auch: Prädestination

 

Alter der Verantwortung

Was passiert mit einem Kind, das mit 12 Jahren stirbt, ohne von Gott gehört zu haben? Paradies oder Hölle? Was ist mit 21 Jahren, 25 oder 30? Was wenn eine 16 jährige Christin stirbt, die an die falsche Vorstellung der Gottheit Jesu glaubte? Geht sie in die Hölle?

Was passiert mit jemandem, der in eine polytheistische Familie hinein geboren wurde und 28 Jahre lang auf diese ihm eingetrichterte Weise dachte, obwohl er einer der rechtschaffenen unter den Leuten war?

 

2:286 Keiner Seele trägt Gott auf, außer, was sie umfasst. Ihrer ist, was sie erwarb und über ihr ist, was sie sich erwarb. Unser Herr, nimm es uns nicht übel, falls wir vergessen oder Fehler machen. Unser Herr, und lasse uns keine Bürde tragen, so wie du sie jene tragen ließt, die vor uns waren. Unser Herr, und lasse uns nicht tragen, wofür wir keine Energie haben. Und verzeihe uns, vergib uns und erbarme dich unser. Du bist unser Beschützer, so helfe uns gegen das ableugnende Volk

 

Jedem wird das zuteil, was er verantworten kann. Als Kind ist man beispielsweise eher weniger bewusst über die Folgen der eigenen Taten. Vieles versteht man als Kind nicht und ist nicht zurechnungsfähig. Ab wann ist ein Mensch aber verantwortbar, mündig und reif? Vor Gott?

 

46:15 Und Wir haben dem Menschen anbefohlen, gegen seine Eltern gütig zu sein. Seine Mutter trug ihn in Mühsal und brachte ihn zur Welt in Mühsal. Und ihn zu tragen und ihn (durch das Stillen) zu entwöhnen erfordert dreißig Monate. Dann als er seine Reife erreichte und vierzig Jahre alt wurde, sagt er: „Mein Herr, sporne mich an, dankbar zu sein für Deine Gnade, die Du mir und meinen Eltern erwiesen hast, und (sporne mich an,) Rechtes zu wirken, das Dir wohlgefallen mag. Und lass mir meine Nachkommenschaft rechtschaffen sein. Siehe, ich wende mich zu Dir, und ich bin einer der Gottergebenen.“

5:26 Er sprach: „Wahrlich, es soll ihnen vierzig Jahre lang verwehrt sein; sie sollen auf der Erde umherirren. Und betrübe dich nicht wegen des aufrührerischen Volkes.“

35:37 Und sie werden darin schreien: „Unser Herr, bringe uns (aus der Hölle) heraus; wir wollen rechtschaffene Werke tun, anders als wir zu tun pflegten.“ „Gaben Wir euch nicht ein genügend langes Leben, so dass ein jeder, der sich besinnen wollte, sich darin hätte besinnen können? Und überdies kam der Warner zu euch. So kostet nun die Strafe; denn Frevler haben keinen Helfer.“

 

Der Koran setzt das Alter der Verantwortung auf 40. Ist es also legitim zu sagen: Jede/r der/die vor diesem Alter stirbt, kommt ins Paradies? Es steht nirgends ausdrücklich geschrieben, dass diejenigen ins Paradies kommen. Wir fragen uns: Wenn eine Person vor dem besagten Alter stirbt, bevor sie die Reife erlangt hat, kann die Seele dann für ihre Taten in Rechenschaft gezogen werden? Wenn die Person an Gott glaubte und rechtschaffen war, kommt sie ins „höhere Paradies“, ansonsten ins „niedrige Paradies“ (Erklärung: siehe hier).

Die erste Reaktion ist höchstwahrscheinlich eine Einwendung wie die folgende: „Was wenn die Person wirklich schlecht, teuflisch, ja ein Atheist war?“ Diese Frage wird gestellt, weil wir schlecht denken, während Gott doch der Gnädigste ist! Die Tendenz des Menschen ist, „die Person in die Hölle zu schicken“. Gott ist Allmächtig und Allwissend. Die Frage ist: Weiß Gott Bescheid über diese Person, ob sie wirklich böse ist? Die Antwort ist glasklar: Ja. Deswegen wird diese Person auch nicht in die Hölle gehen. So einfach ist das.

Ist es das?

Sicher ist: Gott ist der Kenner und Bestimmer unseres Todeszeitpunkts. Wiederum ist der Allweise der Einzige, Der genau weiß, wer es verdient in die Hölle zu kommen und wer ins Paradies gelangen darf. Wenn jemand wirklich böse sein sollte, dann steht nichts dagegen, dass der Allmächtige Gott ihn/sie einfach länger als 40 Jahre leben lassen könnte. Niemand kann gegen Gottes Entscheid und Willen etwas ausrichten. Das heißt wohlgemerkt nicht, dass alle Menschen über 40 per se schlechte Menschen seien. Eine berechtigte Kritik mag auch wie folgt aussehen: Vielleicht ist es auch so, dass Gott (sowieso) weiß, dass dieser Mensch ein schlechter Mensch ist, egal ob er nun weiter leben würde oder nicht, weshalb Gott ihn aus dem Leben holt.

Einige mögen des Weiteren an dieser Stelle einwenden, dass sogar Kinder laut Koran zur schlechten Gattung innerhalb der Gesellschaft gehör(t)en. Einige mögen außerdem sagen, dass der Sohn von Noah in die Hölle geschickt wurde. Die entsprechenden Verse lauten wie folgt:

 

71:26-27 Und Noah sagte: „Mein Herr! Lasse auf der Erde von den Ablehner niemanden. Denn wenn Du sie lässt, so werden sie nur Deine Diener verführen und werden nur eine unverschämte Nachkommenschaft von Ungläubigen zeugen.

11:42 … Noah rief zu seinem Sohn, der sich abseits hielt: „O mein Sohn, steig mit uns ein und bleibe nicht mit den Ableugnern!“

 

In Anbetracht des Alters von Noah kann verstanden werden, dass der Sohn von Noah kein Kind mehr war:

 

29:14 Wir sandten Noah zu seinem Volke, und er weilte unter ihnen tausend Jahre weniger fünfzig Jahre. Da ereilte sie die Sintflut, weil sie Missetäter waren.

 

Zudem darf nicht vergessen werden, dass Gott selbstverständlich weiß, dass es unter den Kindern von Atheisten auch solche geben kann, die beginnen an Gott zu glauben.

Früh in 1989 wurde ein Mann namens Theodore Robert Bundy hingerichtet, weil er eine gewisse Anzahl an Frauen ermordet hat. Die gesamte Nation stimmte überein, dass er einer der bösartigsten Kriminellen der Geschichte war; dermaßen, dass seine Hinrichtung einer der seltenen Fälle war, in denen die Gegner der Todesstrafe nicht protestierten. Ganz im Gegenteil, eigentlich feierten viele Leute seine Vollstreckung. Zahlreiche Journalisten, Leitartikel und Politiker beklagten die Tatsache, dass die Gerechtigkeit elf Jahre dauerte, um Ted Bundy zu exekutieren. Sie sagten aus, dass Bundy innerhalb maximal sechs Jahre nach seiner Verurteilung hätte hingerichtet werden sollen. Laut Koran wäre das der größte Gefallen gewesen, den jemand für Bundy hätte machen können. Er war bei der Vollstreckung 42 Jahre alt. Wäre er fünf Jahre früher im Alter von 37 Jahren hingerichtet worden, ginge er direkt in den Himmel, und er würde dies nicht verdienen.

War Bundy einer der Zeichen, die Gott uns gegeben hat, um zu bestätigen, dass alle, die vor dem Alter 40 sterben, in den Himmel gehen? Bundys Name (Theodore Robert Bundy) besteht aus 19 Buchstaben. Bundy soll 19 identifizierte Frauen ermordet haben. Das Wort „vierzig“ ist im Vers 46:15 das neunzehnte Wort. 4615 + 40 = 19×245, wobei 2*4*5=40! Und nichts ist ein Zufall, Sura 40 des Korans heißt „Gafir“ (Vergeber). Natürlich dienen diese Rechnungen nicht als Beweis, sondern sollen uns nur zum Nachdenken bringen.

Analysieren wir die Aussage von Wissenschaftlern, die auf psychologischen Tests basiert, stellen wir fest, dass die „totale Quantität des gespeicherten Wissens im Verstand eines Individuums im Alter von 39 Jahren einen Höhepunkt erreicht und danach allmählich abnimmt“ (Arthur C. Guyton, in seinem Standardlehrbuch über Physiologie „Physiology of the Human Body“, 6. Auflage, Seite 207). Guytons Buch wird in vielen vormedizinischen Schulen auf der Welt als ein Standardtext verwendet.

Gemäß der Überlieferung heißt es auch, dass Mohammed erst mit ungefähr 40 Jahren zu seiner Prophetenschaft berufen wurde und den ersten Besuch Gabriels erhalten haben sollte. Und da der Koran auch von der Vorzeit Mohammeds berichtet, so wissen wir, dass das Alter der Verantwortung wirklich 40 sein kann, da Mohammed vor seinem Prophetentum ein Irrender war:

 

93:7 Hat dein Herr dich nicht auf dem Irrweg gefunden und recht geführt?

42:52 …Weder wusstest du, was die Schrift noch was der Glaube ist…

 

Natürlich reichen diese Fakten und Ereignisse als Beweis für diese Auffassung der Verse nicht aus, sondern dienen eher als Hinweis bzw. als Unterstützung.

Gott weiß es natürlich besser.

 

Leser-Fragen zum Artikel

1. Frage: Mal angenommen, das stimmt und man weiß das, dann könnte man doch bis zu seinem 40. Geburtstag ein „schlechter Mensch“ sein und ab dann wieder ein guter Mensch oder nicht? Vielleicht mach ich lieber ein Beispiel: Ein Mensch weiß, dass man in den Niedrigen Himmel kommt, auch wenn man ein schlechter Mensch gewesen ist, unter der Voraussetzung, dass dieser Mensch vor seinem 40. Geburtstag stirbt. Da man ja nicht wissen kann, ob man jetzt vor 40 stirbt oder danach, könnte man doch bis zum 40. Geburtstag freizügig leben (Alkohol, Sex, Diebstahl usw.) und ab dem 40. Geburtstag oder zwei, drei Jahre vorher wieder ein gottergebenes Leben führen oder?

Ich unterscheide mal das Sterben in zwei Möglichkeiten: Selbstmord und „natürlicher Tod“. Auch wenn die Theorie und Interpretation an sich plausibel klingt und möglich ist, so ist in beiden Fällen (Gültigkeit und Ungültigkeit der Deutung) zu sagen, dass nicht wir in Tat und Wahrheit den Todeszeitpunkt bestimmen, sondern Gott selbst. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass das gesamte Leben im Universum einen gemeinsamen Drang besitzt: der hartnäckige Wille zum Überleben. Dafür töten einige Bakterien andere Bakterien, Tiere schützen sich selbst auf erstaunliche Art und Weise (bspw. mittels Mimikry) und Menschen töten andere Menschen, wenn sie ihr eigenes Leben in Gefahr sehen. Es gibt unzählige Beispiele für diesen Trieb, weiter leben zu wollen. Dies gilt aber natürlich nicht für alle Fälle, da immer wieder auf verschiedenem Weg Suizid vorkommt, sowohl in der Natur als auch beim Menschen.

Des Weiteren sagt der Koran nicht aus, dass der Mensch nicht für seine Sünden belangt werden würde, die er vor seinem 40. Lebensjahr begangen hat, wenn er das Alter der Reife erreicht hat. Es ist auch noch hinzuzufügen, dass der Mensch sehr schwer seine Gewohnheiten aufgeben kann. Wer also bis zum 40. Lebensalter dauerhaft freizügig lebt und seinem Körper und der Natur schadet, wird danach es sehr schwer haben, wieder den rechten Weg zu beschreiten, selbst wenn er drei Jahre vorher beginnen würde mit den Bemühungen. Es ist bekanntlich sehr sehr schwer, sich selbst und seine Gewohnheiten zu ändern.

Am besten und wirksamsten für die eigene Seele ist es, „auf Nummer sicher“ zu gehen und die vom Koran vorgeschlagenen Idealen zu verinnerlichen. So früh wie möglich.

2. Frage: Ich muss leider zugestehen, dass ich das mit dem Alter der Verantwortung, höherem und niedrigerem Himmel nicht verstehe, denn wie kann ein Atheist zum Beispiel, der nicht an Gott glaubte oder sich über ihn lustig machte und alle möglichen Sünden beging, in den „Niedrigeren Himmel“ hineingehen, nur weil er eben vllt. mit 25 Jahren gestorben ist?

Wie bereits im Artikel schon geschrieben wurde: Die erste Reaktion ist höchstwahrscheinlich eine Einwendung wie die folgende: „Was wenn die Person wirklich schlecht, teuflisch, ja ein Atheist war?“ Diese Frage wird gestellt, weil wir schlecht denken, während Gott doch der Gnädigste ist! Die Tendenz des Menschen ist, „die Person in die Hölle zu schicken“.

Gottes Barmherzigkeit ist für unsere Verhältnisse unverständlich. Wir können die Größe der Barmherzigkeit Gottes nicht erfassen. Genauso erging es aber laut Koran auch den Engeln, die nicht verstehen konnten, weshalb Gott der Erhabene und Allwissende Menschen auf die Erde senden wollte, die Blut vergießen werden.

2:30 Und als dein Herr zu den Engeln sprach: „Ich werde auf der Erde einen Nachfolger einsetzen.“ Sie sagten: „Willst Du auf ihr einen einsetzen, der auf ihr Unheil stiftet und Blut vergießt, während wir dein Lob singen und deine Heiligkeit rühmen?“ Er sprach: „Ich weiß, was ihr nicht wisst.“

Genauso: Gott weiß, was wir nicht wissen. Es mag für uns noch so unvernünftig erscheinen, dennoch wird so oder so Gottes Wille geschehen.

 

 

 

 


Der Hohe Himmel und der Niedrige Himmel

Es gibt profunde Unterschiede zwischen dem Hohen Himmel und dem Niedrigen Himmel. Allegorisch gesprochen besitzt der Hohe Himmel alle Arten von Früchten (55:52), während der Niedrige Himmel eine begrenzte Auswahl an Früchten hat (55:68). Vergleichen Sie einige Aussagen aus Sura 55 miteinander für weitere Beispiele.

Nichtsdestotrotz ist der Niedrige Himmel ein unglaublich fantastischer Lohn für diejenigen, die genügend Glück haben, der Hölle zu entkommen und im Niedrigen Himmel zu landen (3:185) – in den Niedrigen Himmel zu gehen ist ein großer Triumph. Menschen, die vor ihrem 40. Geburtstag dieses Leben verlassen und ihre Seelen nicht ausreichend entwickelt haben, werden in den Niedrigen Himmel gehen (46:15). Der Hohe Himmel ist für diejenigen reserviert, die geglaubt, ein rechtschaffenes Leben geführt und ihre Seelen genügend entwickelt haben.

3:185 Jede Seele wird den Tod kosten, und euch wird euer Lohn am Tag der Auferstehung vollständig gegeben. Wer der Hölle entrückt und ins Paradies geführt wird, hat einen großen Sieg errungen. Und das irdische Leben ist nur ein trügerischer Genuss.

Prädestination – Vorbestimmung

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Wir sind völlig frei und entscheiden selbst, ob wir an Gott glauben oder nicht. Es ist Gottes Wille, das wir wollen. (18:29, 25:57, 73:19, 74:37, 76:29, 78:39, 80:12).

Nachdem wir unsere ursprüngliche Sünde begangen hatten, gab Gott uns eine Chance, unser Vergehen zu denunzieren und Seine absolute Autorität zu akzeptieren. Wir waren es, die entschieden hatten, die Verantwortung zu übernehmen (33:72). Viele Leute protestieren gegen die Tatsache, dass Gott sie erschaffen hätte, um sie durch solch einen Test zu schicken. Diese Leute sind sich offensichtlich nicht bewusst, dass sie es waren, die diesen Test wollten.

Wir lernen aus 57:22, dass alles aus unserem Leben bereits verzeichnet wurde, wie auf einem Videotape. Gott weiß, welche Entscheidung wir machen werden. Er weiß, wer von uns in die Hölle und wer von uns ins Paradies gehen wird. Sogar bevor wir in diese Welt hineingeboren wurden, wusste Gott, welche Seele gut und welche Seele teuflisch war. Solange Gottes Allwissen betrachtet wird, können wir einen Stempel auf jedermanns Stirn vorstellen, die entweder mit „Hölle“ oder „Paradies“ beschriftet ist. Sobald wir aber in unserem Maße denken, sind wir völlig frei, Gottes Allmacht und absolute Autorität oder die polytheistischen Ansichten von Satan anzuerkennen. Prädestination oder Vorbestimmung ist deswegen solange ein Faktum, wenn Gottes Wille und nicht das menschliche Handeln betrachtet wird.

Dieses Verständnis erklärt mehrere Verse, welche von „Gott leitet recht, wen Er will und führt in die Irre, wen Er will“ sprechen. Auf Seinem Willen basierend lässt Gott unsere Seelen in den Zuständen leben, die wir verdienen (und auch brauchen). Als Gott zu den Engeln „Ich weiß, was ihr nicht wisst!“ sagte (2:30), bedeutete dies, dass Einige von uns die Chance verdienten, uns selbst zu erlösen. Ein Beispiel der Leitung Gottes für diejenigen, die sie verdienen, findet man in 21:51: „Und vordem gaben Wir Abraham seine Rechtschaffenheit; denn Wir kannten ihn.“ In anderen Worten wusste Gott, dass Abraham eine gute Seele war, die es verdiente, rechtgeleitet zu werden und Gott gab ihm seine Rechtleitung und das Verständnis. Ein weiteres gutes Beispiel wird in 12:24 statuiert. Josef fiel auf die Ehefrau des adligen Ägypters herein und beging fast Unzucht, „wenn er nicht ein deutliches Zeichen von seinem Herrn gesehen hätte.“ Gott lehrt uns in 12:24, dass „Das geschah, um Schlechtigkeit und Unsittlichkeit von ihm abzuwenden. Wahrlich, er war einer Unserer auserwählten Diener.“ War es Josef, der seine Lust kontrollierte? Oder war es Gottes Schutz, welches ihn keusch hielt?

Das ist Vorbestimmung.

übersetzt von Kerem A.