Madhab

10 einleitende Fragen und ihre Antworten zum Islam

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

10 Leserfragen und ihre Antworten zum Islam:

1. Muslime beten zu „Allah“. Ist Allah derselbe Gott wie der von Christen und Juden?

Ja, Allah ist Gott, der Schöpfer, also derselbe Gott wie der von Christen und Juden.[1] Allah ist lediglich das arabische Wort für Gott und symbolisiert/bezeichnet keine andere Gottheit. Wenn arabische oder arabischsprechende Christen oder Juden Gott anbeten wollen, sagen sie „Allah“. Es gibt Muslime, die es ablehnen, das Wort Gott zu gebrauchen. Dies kann gewiss einen Eindruck vermitteln, dass „Allah“ eine komplett andere Gottheit sei. Ihre Beharrlichkeit ist ein Fehler, da der Koran uns dazu ermutigt: „Nennt Ihn GOTT oder nennt Ihn den Gnädigsten; welchen Namen ihr auch braucht, Ihm gehören die schönsten Namen.“[2]

2. Glaubt ihr, dass Nichtmuslime in den Himmel gehen?

Ja, Gott versichert uns, dass es Gläubige in allen verschiedenen Gruppen gibt, die in den Himmel gelangen. Die Worte Islam und Muslim sind mehr als nur Eigennamen/Bezeichnungen. Sie sind die Beschreibung für die vollständige Hingabe zu Gott allein. Der deutsche Begriff für Islam ist Hingabe/Ergebung, was von einem Ergebenen zu Gott allein praktiziert wird.[3] Es gibt Ergebene, die aus christlichem, jüdischem, buddhistischem, hinduistischem oder aus einem anderen Hintergrund abstammen. Alle Ergebenen, die sich Gott allein widmen, ohne jegliche Idole aufzustellen, werden von Gott rein gewaschen, erlöst.[4] Deshalb sagt uns die Schrift Gottes, der Koran, dass Seine ergebenen Anbeter, ganz gleich wie sie sich nennen mögen, in den Himmel gehen. Jede Person, gleichgültig welcher Religion sie auch angehören mag, wird als ein Gottergebener betrachtet, der sich Gott allein ergibt, an den Tag des Gerichts glaubt und ein rechtschaffenes Leben führt, also Frieden fördert. Viele der Christen und Juden fallen in diese Kategorie.

3. Wie ist das Wesen des Teufels zu verstehen? Ist er etwa ein Dämon?

Der Teufel ist laut Koran keine Person oder kein fixes Wesen außerhalb von uns. Er steht eher für den Mangel an Gutem in uns; er ist unsere schlechte Seite, die schlecht zu uns redet. Der Teufel unterliegt jedoch der Kontrolle Gottes, wenn wir also mit reinem Herzen an Gott und an Seine Barmherzigkeit glauben, müssen wir den Teufel nicht fürchten.[5] Der Koran zeigt uns, dass wir Zuflucht bei Gott suchen sollen vor dem Teufel, also vor den eigenen Mängeln, die wir wegen dem „Teufel in uns“ (und auch um uns) haben – damit z. B. eine Arbeit nicht von diesen Einflüssen belastet wird, um möglichst objektiv zu sein. Der Teufel ist das Abgleiten vom Weg des Lichts – die Versuchung dem Materiellen zu erliegen, statt sich auf Gott zu konzentrieren. Deshalb suchen wir Zuflucht vor dem Teufel, damit unser Herz möglichst rein ist.[6] Die Schöpfung von Satan (im Koran „Iblis“ genannt) wird im Koran metaphorisch beschrieben, dass er aus „Feuer“ erschaffen wurde.

4. Wieso müssen muslimische Frauen Kopftücher tragen?

Nirgends im Koran wird befohlen, dass sie ihre Haare, Arme etc. bedecken sollen. Die religiöse Vorschrift des Kopftuchs, oder Hijab (sprich: Hi-dschab), kommen von außerkoranischen Quellen; hauptsächlich von den Verordnungen der Religionsgelehrten und Hadith.[7] Nichtsdestotrotz ist es nicht falsch, Kopftücher wegen kultureller Tradition zu tragen. Es sollte also nicht ausgesagt werden, dass Kopftücher nicht getragen werden dürften. Die Kleidungsgebote des Koran lauten wie folgt:

  1. Die beste Bekleidung ist die Bekleidung der Rechtschaffenheit; für Männer und Frauen.
  2. Frauen sollten ihre Brüste bedecken und nur das zum Vorschein bringen, was nötig ist (Sittsamkeit implizierend).
  3. Frauen können ihre Bekleidung verlängern, um als rechtschaffen erkannt zu werden.
  4. Frauen UND Männer sollen ihre Blicke unterdrücken und ihre Keuschheit/Reinheit bewahren.[8]

5. Was sagt der Islam über Selbstmordattentate, Flugzeugentführer und Terrorismus im Allgemeinen?

Gott sagt uns im Koran, dass wir uns nicht selbst töten sollen[9], dass das Leben heilig ist[10] und dass wir nicht überschreiten sollen[11]. Wenn jemand uns angreift und bekämpft, können wir uns selbst verteidigen, aber wir haben keine Erlaubnis mehr zum Kampf, wenn sie sich entscheiden den Krieg zu unterlassen.[12] Wir dürfen auch keinen Gläubigen töten; bevor wir also zurückschlagen, müssen wir absolut sicher sein. Die Meinungs- und Religionsfreiheit ist des Weiteren eines der Hauptprinzipien des Koranischen Islam. Die Menschen können aufgrund ihres Glaubens nicht bestraft oder zu irgendetwas gezwungen werden. [13] Alles in allem bedeutet das, dass Selbstmordattentate, Flugzeugentführungen und Terrorismus anti-islamisch sind.

6. Was sind die verschiedenen Richtungen im Islam und wie unterscheiden sich ihre Glaubensauffassungen?

Laut Schrift unterstützt Gott es nicht, sich in Gruppen zu spalten. Eigentlich rät Er davon ab, Seine Religion zu teilen.[14] Einige der Gruppen heißen: Sunniten, Schiiten, Ismailiten, Ahmadiyas, Sufis, Wahhabiten, Aleviten, Kharidschiten etc. Diese Parteien entstanden entweder durch politische Differenzen oder wurden von Führern gegründet, die entschieden haben, dass ihre religiöse Interpretationen die rechtgeleitetsten seien. Dadurch wurden die Anhänger dazu verpflichtet, sich von der breiteren und allgemeineren religiösen, im Koran vorgeschriebenen Praxis abzuwenden.[15] Aufgrund dieser Sachverhalte bildete sich eine Gruppe, die zu den Ursprüngen zurückkehren und sich Gott allein hingeben will, statt falschen Führern.[16]

7. Was sind die prinzipiellen Unterschiede zwischen Islam und den anderen zwei Hauptreligionen des Monotheismus, Christentum und Judentum?

Die monotheistischen Religionen hatten Propheten und Gesandte, welche dieselbe Botschaft brachten: dass sich Gläubige Gottes allein Ihm hingeben, Ihn allein lieben sollen. Diese Proklamation wurde von Abraham, Jakob, Moses und allen Propheten Gottes verkündet.[17] Deshalb glauben Muslime an alle Propheten und an das, was durch sie überliefert wurde.[18] Einigen Gesandten wurde auferlegt, einige kleinere Aspekte der von Gott autorisierten Religion zu entfernen oder hinzuzufügen[19], jedoch bewirkten diese von Gott erlaubten Änderungen nicht eine vollständig andere Religion.[20] Es sind die menschengemachten Verordnungen, die solch große Unterschiede zwischen den monotheistischen Religionen erzeugen.[21] Gewiss, würden die unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften Gottes Gesetze und Schrift allein einhalten, würden sie nur minimale unterscheidende Merkmale und stattdessen mehr Gemeinsamkeiten aufweisen.[22]

8. Ist der Islam nicht die Religion, dessen Buch die Anhänger dazu anstiftet, die Christen zu töten? Wie kann ich glauben, dass der Islam eine Religion von Barmherzigkeit und Frieden ist, wenn sie offensichtlich nicht barmherzig und friedfertig gegenüber Frauen ist? Wenn sie wirklich so sein würde, wieso wird dann den Frauen in den Ländern des Mittleren Ostens nicht erlaubt, kurzärmelige Kleidung zu tragen, in die Schule zu gehen oder Spiele zu spielen, was den Männern ja erlaubt ist?

Den Muslimen wird auf keinen Fall und nirgends im Koran auferlegt, Christen zu töten. Gottes gerechtes System erlaubt das gesetzmäßige Töten nur für die Selbstverteidigung, wenn auch einige selbsternannte Muslime die Verse missbrauchen, welche die Selbstverteidigung ansprechen. Sie haben die Bedeutungen verfälscht um nach Belieben zu verletzen, zu unterdrücken oder zu töten. Der Koran kritisiert Aggression ohne Grund[23] und zieht die friedliche Koexistenz mit anderen vor.[24] Deshalb verstehen wir, dass diese Verse nur für Kriegssituationen bestimmt sind, wenn ein Angriff stattgefunden hat[25], während zur selben Zeit Aggression und Unterdrückung aufs Schärfste verurteilt werden [26]. Gegenwärtige Muslime, die dem Koran folgen, werden wissen, dass es deutsche Gläubige gibt. Des Weiteren denken sie, dass das europäische System mit den vielen gewährleisteten Freiheiten und keinem Zwang in der Religion die angemessene Einhaltung von Gottes Gesetzen ist.[27]

Die unterdrückenden Verordnungen in einigen Ländern des Mittleren Ostens gehen gegen die Gesetze Gottes.[28] Nicht nur Gott spezifiziert im Koran, dass Frauen und Männer gleich zueinander sind, sondern auch die Diener Gottes müssen miteinander höflich umgehen. Unterdrückung ist absolut inakzeptabel.[29]

9. Ich habe davon gelesen, dass es gewisse Säulen des Islam gibt. Was sind diese Säulen des Islam? Sind sie besondere Rituale?

Die „Säulen“ des Islam sind die religiösen Hauptpraktiken, die durch Abraham eingeführt wurden, lange vor dem Koran und Mohammed.[30] Diese fünf religiösen Praktiken sind die Kernpraktiken des Islam und werden von den Gottergebenen mit Gottvertrauen verrichtet.[31] Diese Praktiken sind:

  1. Das Glaubensbekenntnis zu Gott (auf arabisch: Schahadah). Diese Erklärung lautet: „Es gibt keine Gottheit außer Gott.“[32]
  2. Drei Kontaktgebete (arabisch: Salât) pro Tag.[33] Ein Versammlungsgebet wird zusätzlich anstelle eines einmaligen Mittaggebets angeordnet.[34]
  3. Die Wohltätigkeit, Almosen (ar.: Zakat).[35]
  4. Die Einhaltung des Fastenmonats (Ramadan).[36]
  5. Die einmalige Pilgerfahrt im Leben eines Ergebenen (Hadsch).[37]

Anmerkung: Um die Übersichtlichkeit für den Leser zu gewährleisten, haben wir uns an das traditionelle Schema der „5 Säulen“ gehalten. Diese sind ein wichtiger Bestandteil des Islam im Koran, jedoch wurde ihre Bedeutung dahingehend verzerrt, dass man ein Gottergebener (Muslim) sei, wenn man sich an die fünf Säulen hielte. Wir finden im Koran etliche Verse, die die Charaktereigenschaften und das Verhalten eines Muslim beschreiben, welche nicht in „Säulen“ zusammengefasst werden und auch der Status „Gottergebener“ definiert sich nicht an diesen. Die Anforderung an uns Gottergebene besteht vielmehr darin dem „geraden Weg“ zu folgen, welcher von Abraham begründet und von allen Propheten gelehrt wurde. Die Grundlagen dieses Weges finden wir in 6:151-153. Vielleicht werden Sie bei der Lektüre des Koran und mit Hilfe unserer Webseite feststellen, dass Sie selbst bereits ein Gottergebener (Muslim) sind?

Der Hadith (Aussagen, die fälschlicherweise dem Propheten Mohammed zugeschrieben werden), aus welchem die Annahme, der Islam bestehe aus 5 Säulen, herrührt, lautet wie folgt:

Von Abu ‚Abdu-r-Rahmán ‚Abdullah, dem Sohn von ‚Umar Ibn Al-Hattáb […]: Ich hörte den Gesandten Gottes […] sagen: „Der Islam wurde auf fünf (Pfeilern) errichtet: dem Zeugnis, daß kein Gott da ist außer Gott, und daß Muhammad der Gesandte Gottes ist, dem Verrichten des Gebetes, dem Entrichten der Zakah (Almosen), der Pilgerfahrt zum Hause und dem Fasten im Ramadan.“

10. Was bedeutet „Nur-Koran“? Wird damit gemeint, dass nur ihr den Wahrheitsanspruch hättet? Werden andere Religionen pauschal für nicht wahr gehalten?


Dem ist nicht so. Die Antwort zur zweiten Frage könnte hier auch nochmals stehen. Die Formulierung „Nur-Koran“ bezieht sich in erster Linie auf die Handhabung der Religionsquellen. Für das Verständnis und die Einhaltung der Religion reicht Gottes Schrift, in unserem Fall der Koran, aus. Da in der mislamischen Geschichte und auch heute noch weit verbreitet im Mislam andere Beiwerke, so genannte „Hadith-Bücher“ (arabisch: Aussage, Worte; plural: Ahadith), fälschlicherweise im Namen des Propheten als autoritäre Religionsquellen verwendet wurden und werden, beziehen sich die Aussagen wie „Koran allein“, „Nur-Koran“, „Gottes Buch allein“ etc. auf diesen spezifischen Sachverhalt. Des Weiteren wird im Koran von den Muslimen gefordert, an die Wahrheit vergangener, von Gott offenbarten Schriften zu glauben.[38] Für die Gottergebenen gilt der Koran als letzte offenbarte Schrift[39] und alleinige Religionsquelle.[40] Des Weiteren hat „nur“ auch auf Arabisch eine Bedeutung, nämlich „Licht“, das wir als Beschreibung des Koran ansehen.


Referenzen:

Die Koranversangaben werden wie folgt angegeben: Surenlaufnummer: Verslaufnummer. Beispiel: 17:36 bedeutet Kapitel 17, Vers 36.

[1] 2:135, 4:125, 22:78, 16:123;

[2] 17:110, 7:180, siehe auch Gottes Namen im Koran;

[3] 2:207-208, 3:19, 10:28-29;

[4] 2:62, 5:69, 3:84-85, 2:94, 2:111, siehe zu den „Ungläubigen“: Die Eigenschaften der Kafir

[5] 7:16-17, 16:98-99;

[6] 23:97-98, 114:4, 102:1-2, 7:12;

[7] 12:111, 31:6, 39:23, 39:29, 45:6, 52:34; siehe auch Kapitel 22: Kopftuch und Verschleierung aus dem Buch Die erfundene Religion und die Koranische Religion

[8] 7:26, 24:30-31, 33:59, siehe auch Appendix 18 und Appendix 19 der Koranübersetzung von R. Khalifa und ebenso Frauen im Koran und in der erfundenen Religion

[9] 4:29-30, 2:195; siehe auch Selbstmordverbot – auch in spiritueller Hinsicht

[10] 6:151, 17:33;

[11] 7:33;

[12] 4:90;

[13] 4:92-94, 18:29, 2:256, 10:99, 25:57, 50:45, 60:8-9, 73:19, 74:37, 76:29, 78:39, 80:12, 88:22, 109:6, siehe auch Die Rhetorik von Terror und Cihad

[14] 42:13-16, 21:92-93, 23:52-54;

[15] 14:21, 33:67, 9:34, 2:272, 4:88, 6:125;

[16] 3:102-105, siehe auch Abspaltungen, Madhabs (Rechtsschulen) und Sekten auch Sekten

[17] 2:136;

[18] 3:84, 22:30;

[19] 5:5, 2:187, 3:49-50, 4:160-161, 6:145-146, 7:157, 16:118, 4:21-22, 33:52;

[20] 3:64, 2:83, 2:87, 3:93-94;

[21] 6:112-114, 2:97, 3:19, 2:146, 5:87, 6:140, 7:32;

[22] 6:154-157,5:48, 6:52, 2:91, siehe auch Introduction of the Quran translation by R. Khalifa (englisch) und Bibel vs. Koran – Gemeinsamkeiten

[23] 2:190, 2:193, 42:42;

[24] 60:8-9;

[25] 8:12-13, 47:4;

[26] 2:191, 2:217, 4:75-76, 4:89-91, 5:87, 7:33, 8:39;

[27] 49:13, 2:62, 2:256, 64:9, siehe auch Anweisungen IM Krieg;

[28] 49:13, 3:195, 4:25, 2:193, 4:75;

[29] 2:191, 9:71, 33:35, 5:54, 48:29, 52:26, 4:128;

[30] 22:78, 16:123, 21:73;

[31] 15:98-99;

[32] 3:18, 63:1, 2:285, 72:18, siehe auch Appendix 13 der Koranübersetzung von R. Khalifa;

[33] 23:9, 29:45, 2:43, 2:45, 11:114, 24:58, 17:78, 2:238, siehe auch Glaube, Gebet;

[34] 62:9;

[35] 2:110, 6:141, 2:215, 7:156-157, siehe auch Almosen;

[36] 2:183-187, siehe auch Fasten;

[37] 2:125, 2:197;

[38] 5:43-48, 42:13, 2:136, 3:84, 42:15;

[39] 33:40;

[40] 7:3, 6:19, 6:38, 6:112-116.

Abspaltungen, Madhabs und Sekten

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verstoßenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Gleich zu Beginn ein Kommentar zum Wort „Sekte“. Mir ist sehr wohl bewusst, dass dieses Wort eine negative Konnotation besitzt und meistens in einem abwertenden, rhetorischen Kontext verwendet wird. Ich möchte deshalb an dieser Stelle klar und deutlich erwähnen, dass ich gegen eine überhebliche Haltung gegenüber Andersdenkenden bin.

Eine Sekte (lat. secta „Denkschule, Partei, Gefolgschaft“, von sequi ‚folgen‘; secare „abschneiden, trennen“) bezeichnet im wissenschaftlichen Sprachgebrauch häufig eine religiöse Organisation, die durch ein Schisma oder die Abspaltung von einer etablierten Religion entstanden ist.

Sowohl der Sunnismus als auch das Schiitentum sind in diesem Sinne Sekten oder Abspaltungen, in denen die jeweiligen Führer bewusst sektiererische (ihrer Sekte zugehörigen) Deutungen und Gedanken anführen. Beispielsweise existieren vier Madhabs (Rechtsschulen) im Sunnismus, die sich gegenseitig in der Theorie zwar anerkennen, aber in der Praxis einander direkt widersprechen. Al Ghazali hat des Weiteren gemäß diesem Sektendenken auch das rationale Denken verteufelt. Beispiele hierzu ließen sich viele finden.

Was ich mit ‚Sekte‘ anspreche ist nicht etwa das mir Abfällige, sondern das, worauf beharrt wird. Wahrheit ist ein Wandelgestirn, das eben vorbeirückt. Wenn wir also auf den Punkt starren, wo Wahrheit noch vorhin erstrahlte, starren wir oftmals ins Leere.

Sekten haben die Eigenart, irrationale Dogmen festzulegen und dann an sie bis in die Ewigkeit festzuhalten. Ein Teil der Leute hinter submission.org beispielsweise beharrt auf den Ahadith von Rashad Khalifa, die Sunniten auf die ihrige Sammlung der Ahadith und die Schiiten auf ihre Version der Hadith-Sammlung.

Sektierer sind Menschen, die außerhalb der göttlich-autoritativen Schrift Dogmen für wahr erklären, die aber nur menschlich sind und sein können. Aber aufrichtige Anhänger einer Sekte, die ihren Verstand nicht abgeschaltet haben, machen sich auch stets Gedanken, die diesem Gedankenschema ihrer Sekte widersprechen.

 

Spaltung der Religion

Nach dem Tode Muhammads spalteten sich die Gläubigen, weil sie sich über die Person des Nachfolgers Muhammads nicht einigen konnten. Eine der Abspaltungen sind die:

Sunniten

Die ersten rechtmäßigen Kalifen nach Muhammads Tod (632) sind nach sunnitischem Verständnis:

  1. Abû Bakr (632-634)
  2. Umar (634-644)
  3. Uthman (644-656)
  4. Alî (656-661)

Leiter der Gemeinde ist der Kalif. Ein Kalif muss zum Stamm des Propheten gehören, muss sich in den religiösen Quellen auskennen und muss politische Eignung besitzen. Aufgrund theologischer Differenzen und widersprüchlichen Ansichten in Recht und Wissenschaft spalteten sich die Sunniten wiederum in sogenannte Madhabs oder zu Deutsch Rechtsschulen, von denen die vier bekanntesten sind:

  1. Hanafi
  2. Hanbali
  3. Maliki
  4. Shafi

Es gibt noch zahlreiche weitere Gruppierungen wie etwa die Wahhabiten, Salafiten, Nurdschus, Dschaririya (Tabari), Zahiriya, Naqschibandiya usw. Es ist möglich, eine Auflistung von über 100 Gruppierungen aufzustellen.

Die zweitgrößte Abspaltung dreht sich um die:

Schiiten

Laut schiitischem Verständnis ist nur Alî, der Vetter und Schwiegersohn Muhammads und spätere vierte Kalif, rechtmäßiger erster Nachfolger Muhammads. Leiter der Gemeinde ist der Imâm. Ein Imâm muss ein Nachkomme Alîs sein. Wegen unterschiedlicher Ansichten über die Gestalt des Imâm spalteten sie sich wieder in weitere Gruppen:

  • Größte schiitische Strömung bilden die Zwölferschiiten oder Imamiten: Der 12. Imâm, Muhammad ibn Hasan al-Mahdi (Mitte 9. Jhdt.) lebe in der Verborgenheit weiter und werde als Mahdi zurückkehren. Der Mahdi (außerkoranisches Konzept aus den Ahadith) ist für die Schiiten frei von Sünde und Irrtum und wird eine gerechte Gesellschaft errichten. Während seiner Abwesenheit sollen qualifizierte Theologen die Leitung der Gemeinde übernehmen. Vor allem in Iran verbreitet. Dieser Strömung gehört die Rechtsschule der Dschafariya an.
  • Zweitgrößte Gruppe sind die Ismailiten oder Siebener-Schiiten: Der schon vor seinem Vater „verstorbene“ Sohn des 6. Imâms, Ismail ist der rechtmäßige 7. Imâm. Er lebe in der Verborgenheit weiter und werde eines Tages als Mahdi auf die Welt zurückkehren. Heute verbreitet in: Jemen, Iran, Indien, Syrien.
  • Zaiditen oder Fünfer-Schiiten: lehnen die Vererbung der Imâm-Würde und den Mahdi-Glauben ab.
  • „Extreme“ Schiiten: Gott wohnt direkt in den Imâmen. Kleine Gruppe, z.B. in Syrien.
  • Aleviten: dem Ursprung nach schiitisch beeinflusste Strömung, da auch bei ihnen die Verehrung der 12 Imame und insbesondere von Ali (deshalb auch der Name Aleviten aus dem Arabischen von ʿalawī) im religiösen Leben bekannt ist. Sie verstehen sich auch gern als Anhänger eines Schamanismus oder einer Naturreligion. Nicht zu verwechseln mit den…
  • Alawiten oder Nusairer: Sie gehen auf Ibn Nusair zurück. Von zwölfer-schiitischer Seite werden sie als Übertreiber betrachtet.

Auch bei den Schiiten gibt es noch weitere Gruppierungen. Als letzte und meist unbekannte dritte Abspaltung des Islam gelten die

Ibaditen

Die Ibaditen sind der einzig übrig gebliebene Zweig der Charidschiten, einer der frühen Glaubensrichtungen des Islams neben den Sunniten und Schiiten. Die Lehre stand bzw. steht den Sunniten näher als den Schiiten. Heute vor allem in Oman verbreitet. Die Sunniten erkennen die Ibaditen als weitere Rechtsschule an, jedoch nicht innerhalb der gegenseitigen Akzeptanz wie unter den vier größten Rechtsschulen der Sunniten. Oft werden sie als „extrem“ bezeichnet.

 

Unterschiede zwischen den Richtungen

Zu diesem Thema eine gute und knappe Darstellung von Hans Küng:

Die Spaltung des Islam

Nicht Glaubensstreitigkeiten um die Orthodoxie, sondern Streitigkeiten um die wahre Nachfolge des Propheten waren Anlass zu dem im Koran streng verbotenen ersten muslimischen Bürgerkrieg, ja, zur Krise des ur-islamischen Gemeindeparadigmas (PI) und zur bis heute bestehenden Spaltung der Umma in drei „Parteiungen“:

– die sunnitische Partei, welche bis heute die übergroße Mehrheit der Muslime umfasst, die sich an die Sunna und alle vier rechtgeleiteten Kalifen halten wollen;

– die schiitische, die „Partei“ (shia) Alis, des ermordeten Vetters und Schwiegersohns Muhammads, die bis heute die Minderheit (ca. 10%) der Muslime (im Iran, Irak und Libanon) ausmacht und die allein Ali als rechtmäßigen Nachfolger des Propheten anerkennt;

– die harigitische, die „Auszügler“ (Kharidschiten), die unabhängig von jeglicher Stammes- oder Familienzugehörigkeit nur den besten Muslim (und sei es ein abessinischer Sklave) als Nachfolger akzeptieren wollen, die lange Zeit mit ihrer puritanischen Ausrichtung den sunnitischen Kalifen erbitterte Kämpfe lieferte und heute nur noch unter den Berbern, in Oman und in Sansibar vertreten ist.

Nach verlustreichen Kämpfen gegen die schiitische Partei, setzt sich die ursprünglich Muhammad feindlich gesinnte mekkanische Familie der Umaiyaden durch. Mit ihnen siegt die Mehrheitspartei der Sunniten. Die Umaiyaden verlegen die Residenz des Kalifen nach Damaskus und machen Syrien zur islamischen Vormacht. Der erste der 13 Umaiyaden-Kalifen, Muawiya, einigt die arabischen Stämme und etabliert anstelle der arabischen Stammesföderation einen zentralisierten und bürokratisierten Staat mit Armee, Kanzlei, Post- und Nachrichtendienst.

Hans Küng – Spurensuche
Die Weltreligionen auf dem Weg 2: Judentum, Christentum, Islam
Seite 164 f., Ungekürzte Taschenbuchausgabe, November 2005, © 1999 Piper Verlag GmbH, München

Zu den größten Verursachern dieser Abspaltungen zählen die Ahadith. Denn nicht zuletzt deshalb streiten sich die Schiiten und die Sunniten über konkrete theologische oder philosophische Ideen. Jede Gemeinschaft hat ihre eigene Kollektion von Hadith-Büchern und jede Gemeinschaft greift die Gewährsmänner und Tradenten der anderen Gemeinschaft in Bezug auf ihre Loyalität, Tadellosigkeit und Rechtsgültigkeit an. Während beispielsweise Abu Huraira und Mu’awiya bei den Sunniten Ansehen genießen und respektiert werden, sind diese gerade bei den Schiiten im Fokus der Kritik. Mu’awiya wird zum Beispiel als Usurpator (Person, die sich widerrechtlich der Herrschaftsgewalt im Staat bemächtigt) betrachtet.

In anderen Worten ist ein von den Sunniten als ’sahih‘ eingestufter Hadith bei den Schiiten im seltensten Falle ebenfalls ’sahih‘. Es bestehen große theologische Differenzen im Verständnis und der Ausübung der Religion des Islam. Als einzelnes Beispiel sei hier erwähnt, dass Schiiten beim Kontaktgebet (Salâh) ihre Hände nicht aufeinander gelegt auf den Oberkörper drücken, sondern ihre Hände frei und lose runterhängen lassen.

Wohlgemerkt geht jede Sekte davon aus, dass sie die ursprüngliche Variante befolgen, die angeblich der Prophet selber verrichtet hätte.

 

Der Koran über Abspaltungen

Der Koran verbietet es den Gläubigen, sich abzuspalten und Gruppierungen oder Sekten zu folgen. Der Islam des Koran erkennt die Religions- und Meinungsfreiheit an, jedoch verbietet er, sich in sektiererischen Handlungen zu begeben. Selbst mit den Glaubensgemeinschaften vorheriger Schriftvölker wie etwa Christen und Juden sollten wir auf Anordnung Gottes zu ein und demselben Wort kommen (3:64), zu einer gemeinsamen Grundlage.

Einer der Gründe liegt auch darin begründet, dass Abspaltungen auch politische Zerwürfnisse nach sich ziehen können und Instabilität im Lande fördern. Auch vor dem blinden Drang nach Wahrheitsbesitz und selbstsüchtigem Neid wird auf diese Weise gewarnt (42:14). Im Gegenteil verlangt Gott von uns, dass wir nicht zerfallen sollen, sondern im Hinterkopf stets das Aufrechterhalten der Einheit behalten müssen (3:102-105), da dies den ursprünglichen Zustand beschrieb (10:19). Mit Sektierern hat der Islam nichts zu tun (6:159), denn Sektierer sind Parteien, die sich immer über das freuen, was sie selbst haben (30:32) und in ihrer Haltung stur und starr sind. Deshalb sollen sie in Ruhe in ihrem Irrtum gelassen werden (23:52-56). Des Weiteren werden die Sekten als „untereinander zerstritten“ charakterisiert (21:92-93), während die echten Gläubigen eine einzige Gemeinschaft bilden wollen und sollten.

Es gehört jedoch auch zum Willen Gottes, dass es unterschiedliche Gemeinden gibt (11:118-119, 42:8), weil Er uns prüfen und uns unterscheiden will. Eines der Anzeichen, dass Gott mit einem Volk unzufrieden ist, lässt sich auch darin beobachten, dass dieses Volk in zerstrittene Parteien aufgespalten wird (6:65).

Diejenigen, die eine bestimmte Madhab oder eine bestimmte Sekte als Gottes Religion verkaufen, werden mit diesen Versen angesprochen. Leider wurden professionelle Gelehrte während unserer ganzen Geschichte die größten Feinde des Monotheismus und Gottes! Jene, die in die Hölle eintreten, haben diesen Entscheid aus freiem Willen in dieser Welt selbst gefällt. Gewisse Anhänger von Gelehrten, die ihre Gelehrten idolisieren (9:31; 42:21), insbesondere in Pakistan und Indien, rufen die Gelehrten als „Mawlana“ an, was wörtlich „unser Beschützer/Verbündeter“ bedeutet, und sie akzeptieren dies als eine religiöse Berufsbezeichnung. Solch ein Sektierer- und Götzentum stellt einen solchen Entscheid als Beispiel dar.

Den vielen Sekten, die alle ihre eigene Variante des Islam erfunden haben, entspringen unzählige Handlungen, die dem aus dem Koran beschriebenen Götzentum entsprechen. Weil sich jede Partei darüber freut, was sie hat, steigert sie sich immer weiter in das hinein, was sie hat. Regeln zu Kleidung, Ernährungsvorschriften, eine eigene “Gruppensprache”, Reglementierung von zwischenmenschlichen Beziehungen, Abstellen von Skepsis und Zweifeln (allgemeine Feindschaft gegenüber Vernunft und vernunftorientiertes Fragen).

Von Gottes Weisheit direkt empfangenden und weiterleitenden Sufis, selbsternannten Mahdis und Ayatollahs, in der Macht unbegrenzte Kalifen (zum Teil als Stellvertreter Gottes angesehen) oder Imame, die behaupten, Gott wohne in ihnen, bis hin zu Menschen, die für den Jüngsten Tag auf die Fürsprache von vergänglichen Menschen wie den Propheten erhoffen, die die Propheten öfters gedenken als Gott, die die Propheten in ein Wettbewerb stecken, wer von ihnen der von Gott am meisten geliebte sei, die ihre Vernunft abstellen und lieber blinden Gehorsam gegenüber Autoritätspersonen üben, die ungerechtfertigte Politik im Namen der Religion ausüben, die Frauen unterdrücken und ihre natürlichen Menschenrechte entziehen (und ebenso Frauen, die dies noch freiwillig akzeptieren), die mit einem bestimmten Fuß das Bad betreten und mit dem anderen es wieder verlassen, die Aberglauben nachjagen wie etwa der Vorstellung, dass man von Magie und Gift nicht beeinflusst werde, äße man nur sieben Datteln aus Ajwa… all dies sind Auswüchse der Sekten und dessen, was sie bei sich als Quelle haben.

Aufgrund dieser Auswüchse und aufgrund dieses Götzentums bleiben die angeblich muslimischen Massen in soziologischer, ökonomischer, politischer und wissenschaftlicher Hinsicht in krassem Rückstand gegenüber anderen Völkern, die mittels dem Gebrauch von Vernunft zu denselben Schlüssen in Fragen wie über die Form des Rechtsstaates, die Wissenschaft, die Bildung und ihren Wert gelangen, die seit über 1400 Jahren bereits im Koran stehen.

Es ist an der Zeit, dass wir unseren Zustand selbst ändern (13:11), es ist an der Zeit die sektiererischen Spaltungen zu ignorieren und zu einer Einheit in der Vielfalt zu gelangen. Es ist an der Zeit, Gottes Ratschläge und Weisheit aus dem Koran in die Praxis umzusetzen. Es ist an der Zeit, das Gute zu gebieten und Recht zu üben, statt sich auf Sekten einzulassen. Denn ansonsten werden wir aufgrund der Gesetze, die Gott in die Natur gelegt hat, uns selbst ins Verderben führen.

30:41 Verderbnis ist gekommen über Land und Meer um dessentwillen, was die Hände der Menschen gewirkt, auf dass Er sie kosten lasse die (Früchte) so mancher ihrer Handlungen, damit sie umkehren.

42:30-31 Was euch an Unglück treffen mag, es erfolgt ob dessen, was eure Hände gewirkt haben. Und Er vergibt vieles. Ihr könnt euch auf der Erde (seinem Zugriff) nicht entziehen. Und außer Gott habt ihr weder Freund noch Helfer.

4:79 Was dich an Gutem trifft, kommt von Gott, und was dich an Schlimmem trifft, kommt von dir selbst…