Laizismus

Offener Brief an den Präsidenten von «Zukunft CH»

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Sehr geehrter Herr Pfr. Hansjürg Stückelberger,
Frieden sei mit Ihnen und uns allen, wie die Barmherzigkeit Gottes und Sein Segen,

als besorgter schweizer Bürger möchte ich nicht schweigen, sondern gerade aufgrund meiner Liebe zur Schweiz ein Statement zum Flyer «Soll der Islam öffentlich-rechtlich anerkannt werden» und zur Zukunft der Schweiz in Bezug auf die Gottergebenheit (arabisch: «Islam») abgeben.

Der Flyer erreichte meine Frau und mich heute in unserem Briefkasten und ich verstehe die Sorgen meiner Mitbürger, denen die abendländisch geprägten Werte und der Wohlstand dieses schönen Landes teuer sind. Sie sind definitiv zu schützen und wir müssen alles unternehmen, dass die demokratischen Werte, nach denen wir leben, bewahrt und weiter auf demokratischem Wege verbessert werden müssen (nobody’s perfect).

Kurz zu mir: Ich befasse mich spätestens seit 2006 und vor meiner Einbürgerung und Ausbildung zum Offizier intensiv mit der Gottergebenheit (Islam) und betreibe die Webseite alrahman.de mit der Absicht der direkten, schonungslosen Aufklärung. Erst vor Kurzem erschien mein Buch Schlüssel zum Verständnis des Koran (kostenlos auf der Webseite als PDF erhältlich), weshalb ich mich durchaus als jemanden betrachte, der nicht nur einiges von der Gottergebenheit versteht, sondern auch die Menschen zu erreichen vermag, wie an bereits rund 650 verkauften Büchern und folgendem Beispiel deutlich wird:

 

Selam. Ich bin gerade dabei, dein Buch „Schlüssel zum Verständnis des Koran“ zu lesen und muss dir wirklich meinen tiefsten Respekt aussprechen. Dieses Buch ist mir eine große Hilfe und ich danke dir dafür, dass du mir eine Möglichkeit geschaffen hast, wie ich mich von kulturellen Einflüssen lösen kann, um die Lesung mit Gottes Hilfe zu studieren und zu verstehen. Vielen lieben Dank und möge Allah dich dafür reichlich belohnen. Einen schönen und friedlichen Abend noch dir und deiner Familie.

 

Wenn wir von der Gottergebenheit sprechen, dann teilt sie die Welt nicht in das ‹Haus des Frieden› (dāru-s-salām) und in das ‹Haus des Krieges› (dāru-l-ḥarb). Indem die Schreiber und Entwerfer dieses Flyers diese anti-koranische (!) Meinung einer Minderheit zur Theologie der Gottergebenheit und somit unweigerlich aller Gottergebenen (arabisch: «Muslime») erheben, werden leider unbegründet Angst und Hass geschürt. Dieser Hass wird gegenüber einer Menschengruppe geschürt, die unter Umständen von dieser Aufteilung noch nie etwas gehört haben und ihr gerade aus religiösen Gründen auch niemals zustimmen können.

Offensichtlich haben sich die Verfasser und Verantwortlichen des Flyers nicht mit der Lesung (arabisch: «Koran») befasst. Denn nach den ihr innewohnenden, gottergebenen (arabisch: «muslimischen») Prinzipien gelten nach heute verwendeten Begriffen föderalistisch-laizistische Grundsätze, die innerhalb einer Demokratie Anwendung finden müssen. Mit dieser Meinung stehe ich auch nicht alleine da, viele namhafte Theologen stimmten mir zu. Als ein Beispiel sei Professor Yaşar Nuri Öztürk angeführt: Die Zeit nach den Propheten: Der Koran fordert Demokratie

Ich gehöre zu jenen, die die Lesung durchaus wörtlich nehmen. Gerade deshalb muss ich insbesondere in Bezug auf die zitierten Verse 48:28 und 8:39 absolut widersprechen. Eine überwältigende Mehrheit der Theologen wie auch der Gottergebenen versteht diese Verse nicht so wie im Flyer dargestellt. Mit der in meinem Buch erläuterten Vorgehensweise im Verstehen der Lesung wird auch klar wieso. Für weitere Einzelheiten schlagen Sie bitte in folgendem Artikel nach: Anweisungen während eines Krieges

Christliche Werte sind geprägt von der Nächstenliebe. Das Gleichnis des barmherzigen Samariters ist ein klares Beispiel hierfür. Diese Werte finden sich ebenso uneingeschränkt in der Lesung (Koran). Ja, vielmehr, einen barmherzigen Samariter nennt man nach den Worten der Lesung einen Mudschāhid, also jemanden, der den Dschihād ausübt. Dieser für viele unerwartete Vergleich des barmherzigen Samariters mit einem Mudschāhid zeigt, wie prekär die Lage auf beiden Seiten ist. Gottergebene sind durch die westlich geprägte Rhetorik dermassen beeinflusst, dass sie begonnen haben selbst die Begrifflichkeiten durcheinander zu bringen. Begriffe wie den «heiligen Krieg» oder den «politischen Islam» gibt es nicht in der Lesung. Hier empfehle ich folgenden Artikel: Die Rhetorik von „Terror“ und „Dschihad“

Nicht dass wir uns missverstehen: Wir müssen gemeinsam gegen den AIS (anti-islamischen Staat) vorgehen und sämtlichen Gottergebenen (Muslimen) und Andersgläubigen aufzeigen, dass ihr religiöses Fundament nicht auf der Lesung, sondern auf Quellen beruht, die erst nach der Offenbarung der Lesung in einem Umfeld politisch chaotischer Zustände entstanden sind, die leider heute von Gottergebenen selbst noch fälschlicherweise und aufgrund fehlender Aufklärung ungerechtfertigt als Offenbarung oder autoritäre Quellen der Religion verstanden werden können. Diese nennen sich beispielsweise auf Arabisch Sunna, Idschmāʿ und Idschtihād. Sie haben mit der Lesung nichts zu tun und sind menschliche, teils auch ‹satanische› Produkte.

Die Schweiz ist in ihrem Geiste und Wesen hochgradig aufklärerisch. Allein der Name Huldrych Zwingli zeigt dies auf. Wir möchten diesem aufklärerischen Geist folgen und rufen dazu auf, dass jede und jeder, der/dem die Sicherheit und das Wohl dieses Landes am Herzen liegt, uns zu unterstützen. Sei dies durch Einladungen an Gespräche, Podiumsdiskussionen, Radiosendungen oder auch Sendungen im Fernsehen.

Eine Anerkennung der Gottergebenheit fördert den Frieden und gibt gerade dadurch die Möglichkeit, präventiv über die Religion aufzuklären, damit Radikalisierung erst überhaupt nicht stattfinden kann. Gehen wir gemeinsam vor gegen zum Beispiel die satanischen Machenschaften des AIS. Ähnlich Denkende wie wir sind für den inneren und äusseren Frieden, den geistigen wie gesellschaftlichen Frieden. Wir sehen die Schweizer Verfassung als eine mögliche Umsetzung der gottergebenen Prinzipien, die wir aus der Lesung entnehmen. Ein paar unserer Flyer habe ich Ihnen beigelegt.

Am 21. November 1990 wurde in der Charta von Paris die Spaltung Europas in Ost und West im Kalten Krieg für beendet erklärt. Mögen wir nun damit beginnen, die Spaltung der Welt in «West» und «Ost», der «Anderen» und «Uns» zu beenden. Beginnen wir vielmehr damit, den Frieden zu sichern durch Aufklärung, Verständnis und Barmherzigkeit.

Mögen wir das gottergebene Prinzip der Vernunft, der Liebe und des Friedens gemeinsam vorleben.

In Frieden und mit freundlichen Grüssen,
Kerem Adıgüzel

„Scharia-Mania“ in der arabischen Welt

Umbruch in ÄgyptenÜber die letzten Jahre erlebten wir einen gewaltigen Umbruch in der arabisch-islamischen Welt. Was von vielen Experten als reiner Kampf für freiheitliche Werte gedeutet wurde, war tatsächlich weit mehr als nur dieser. Es war auch ein Kampf für bessere Lebensverhältnisse. Tunesien, das Land, welches im Winter 2010 der Ausgangspunkt für eine länderübergreifende Protestwelle war, resultierte aus Protesten und Streiks gegen Korruption und Massenarbeitslosigkeit. Während man eine stärkere Hinwendung zu Demokratisierung nach westlichem Vorbild erwartete, stieg die Nachfrage nach islamistischen Parteien, die mit der Einführung der „Scharia“ liebäugelten. Bald darauf begann weltweit eine große Diskussion rund um diesen Begriff und der Frage nach der Kompatibilität des Islam mit einer Demokratie, die eine Trennung von Staat und Religion beinhaltet. Zudem stieg auch die Angst innerhalb westlicher Gesellschaften vor einer Islamisierung ihres Landes und generell vor Muslimen, die die Scharia befürworteten.

 

Das Problem der Begrifflichkeit

Der Begriff „Scharia“ (arab.) bedeutet übersetzt lediglich: „Weg zur Tränke“ und ist das religiöse Gesetz des Islam, welches auf den Koran, die Sunna (Praxis des Propheten) und Hadith (Aussprüche des Propheten Muhammad) basiert. Sie umfasst hauptsächlich:

  • Die ibadah (gottesdienstliche Handlungen)
  • Die mu’amalat (gegenseitige Beziehungen)
  • Die ‚uqubat (Strafkodex). Sie machen im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung nur einen minimalen Anteil an dem Gesetz aus

Also wird unter dem Begriff „Scharia“ die gesamte islamische Lehre verstanden. Eine Lehre, mittels der die Menschen zum Ziel ihres Daseins geführt werden sollen.

Die Scharia wurde von Rechtsgelehrten des Mittelalters erst lange nach dem Tod des Propheten Muhammad angepasst an ihrer eigenen Umwelt entwickelt. Sie war schon immer Gegenstand kontrovers geführter Diskussionen, da es kein in allen Einzelheiten feststehendes Gesetz für die Muslime darstellt. Daher kann man nicht von der einen Scharia sprechen, denn es existieren von Marokko bis Indonesien unterschiedlichste Auslegungen einzelner islamischer Gruppen und ihrer jeweiligen Gelehrten.

Die Forderung einiger Gelehrter kann nicht ernst genommen werden, dass das religiöse Gesetz in ihren Einzelheiten feststünde und Punkt für Punkt in unsere heutige Zeit übernommen werden sollte. Der Islam erhebt den Anspruch für alle Völker und alle Zeiten zu gelten. Somit kann sie auch in Einzelheiten einer Weiterführung und moderner Interpretationen unterliegen. Über den zweiten Kalifen Umar wird überliefert, dass er seinerzeit – wohl angemerkt – die Maximalstrafe des Handabhackens für Gewohnheitsdiebe zeitweilig ganz außer Kraft, als im Lande eine Hungersnot herrschte. Demzufolge müssen Recht und Rechtsprechung immer weiterentwickelt werden, um den jeweiligen Gesellschaften gerecht zu werden; allein die koranischen Glaubensgrundsätze bleiben unveränderlich. Demgemäß gibt es beispielsweise Auslegungen, wonach die Strafe für Gewohnheitsdiebe als fernhalten von etwas oder unterbinden einer kriminellen Handlung verstanden wird.
 

Scharia in der Praxis – In der prophetischen Tradition?

Nur KoranIn der Gegenwart gibt es neben zwei Ländern: Mauretanien und Saudi-Arabien, die die Scharia vollständig eingeführt haben und Länder wie: Iran, Afghanistan, Bangladesch, Sudan usw., die bestimmte Teile der Scharia, wie etwa den Strafkodex in ihre Rechtsprechung eingearbeitet haben. Man hat in diesen Ländern erkannt, dass Menschen mittels ihrer Religion kontrollierbarer sind. Herrscher dieser Länder haben es einfacher, wenn Menschen gleich denken, gleich handeln und dadurch zu ihren persönlichen Marionetten werden. Um die eigene Herrschaft zu legitimieren versucht man sich nach außen hin als „islamisch“ zu zeigen, indem man dem Volk eine harte Handhabe nach ihren eigenen Scharia-Gesetzen präsentiert und vorgibt die Vertretung Gottes auf Erden zu sein. Aus solchen Ländern hört man traurigerweise nicht selten über Menschenrechtsverletzungen, Einschränkung von den Grundfreiheiten des Menschen, ungerechte Macht- und Ressourcenverteilung, verbreitete Korruption, Unterdrückung von religiösen Minderheiten etc. In der Praxis wird oft missachtet, dass die „Scharia“ die Muslime dazu auffordert jeden Menschen unabhängig von Volkszugehörigkeit und Überzeugung respektieren soll. Als der Prophet Muhammad zum Anführer in Arabien ernannt wurde, war eine seiner primären Bedingungen, dass Nichtmuslime – seien sie Juden, Christen, Muslime oder Götzendiener, ihren Gottesdienst durchführen konnten und ihr Leben ohne jegliche Unterdrückung verbringen konnten. Während heutzutage Nichtmuslime in „islamischen“ Ländern wie Saudi-Arabien oder Pakistan unvorstellbare Qualen erleiden müssen, war ihr Lebensstandard zu Zeiten des Propheten Muhammad oft viel höher als der, der Muslime. Als das Oberhaupt von Medina hat der Prophet nicht die „Scharia“ als Konstitution festgelegt, sondern die „Charta von Medina“, die den jüdischen und christlichen Stämmen die jeweiligen Grundfreiheiten einräumte. Denn im Koran heißt es auch , dass wenn Allah seinen Willen erzwungen hätte, alle auf dieser Erde geglaubt hätten. Wie kann der Muslim denn etwas fordern, was dem Willen Gottes widerspricht? (10:99)

Es kann also nicht im Sinne des Islams sein, wenn ein „islamischer“ Staat Menschen an der Ausübung oder nicht Ausübung ihres Glaubens hindert. Selbst wenn man die frühe islamische Gemeinschaft unter der Führung Propheten Muhammad betrachtet, wird ersichtlich, dass Gott den Muslimen erst die Erlaubnis sich zu verteidigen nach ca. 13 Jahren der Verfolgung erteilte und dies nur auf Basis der Wiederherstellung der Glaubensfreiheit. Die wilde Jagd nach den „Ungläubigen“ wird nicht gepredigt. So wird im Koran erwähnt, dass denjenigen die Erlaubnis erteilt wurde sich zu verteidigen, die bekämpft und vertrieben wurden. Hätte Allah diese Erlaubnis nicht erteilt, dann wären Klöster, Kirchen, Synagogen und Moscheen niedergerissen worden, heißt es in einem Koranvers (22:39-40). Man beachte hierbei einmal die Reihenfolge, in der die Gebetsstätten der Religionen ihre Erwähnung finden, wobei die Moschee als letzte in der Reihe angeführt wird. Der Islam kann folglich als ein Verfechter der Religionsfreiheit betrachtet werden.

 

Der verfälschte Strafkodex und „islamische“ Staaten

Bedauerlicherweise haben sich über die letzten Jahrhunderte zahlreiche Mythen in die verschiedenen Interpretationen der Scharia eingeschlichen und in der Praxis durchgesetzt. Unter anderem:

  • Steinigung bei Ehebruch: Es gibt keine Stelle im Koran, die von der Steinigung spricht. Trotz dessen entscheiden sich “islamische Gelehrte” für diese diese alttestamentarische Bestrafungspraktik.
  • Todesstrafe beim Abfall vom Glauben: Zahlreiche Verse des Korans von einem absoluten Verbot von Zwang in Glaubensdingen sprechen und die Religionsfreiheit betonen (18:29, 4:13, 2:256).
  • Todesstrafe oder Geldstrafe bei Gotteslästerung: Der Koran hingegen spricht in solchen Fällen, in denen Muslime viel Verletzendes zu hören bekommen von Geduld, redlichem Handeln und fester Entschlossenheit (3:186).

Die Wissenschaftler Hossein Askari und Scheherazade S. Rehman stellten einen sogenannten „Economic Islamicity Index“ auf, der im „Global Economy Journal“ im Jahre 2010 veröffentlicht wurde (http://redir.ec/Islamicity). Darin untersuchten sie die Frage: „Wie islamisch sind ‚islamische‘ Länder der Gegenwart?“ Zu dieser Forschung zogen sie etwa 113 messbare Variablen hinzu. Diese Variablen waren grundlegende Prinzipien, die islamische Quellen hergeben und im wirtschaftlichen Bereich messbare Faktoren sind, die unmittelbar mit sozialen und politischen Rahmenbedingungen zusammenhängen. Nach der Analyse von 208 Ländern wurde folgende Rangliste angefertigt:

1. Irland
2. Dänemark
3. Luxemburg
4. Schweden
5. Großbritannien

11. Österreich

16. USA

23. Schweiz

26. Deutschland
27. Israel

33. Malaysia [das erste auftauchende mehrheitlich muslimische Land]

42. Kuwait [das erste „islamische“ Land, das Teile der Scharia anwendet]

71. Türkei

Das religiöse Gesetz als Staatsrecht – Ein Friedensspender?

Es ist wenig bekannt, dass der Islam überhaupt kein bestimmtes Konzept eines „islamischen“ Staates vorschreibt. Der Islam entstand zu einer Zeit, wo es noch keine Staaten gab. Der Staatsbegriff in seinem modernen Sinne entstand erst an der Wende zum 19. Jahrhundert. Wir sprechen jedoch im Hinblick auf den Islam von einem Entstehungszeitraum der sich im 7. Jahrhundert abspielt. In der damaligen Gesellschaft finden wir eher Stämme vor, die sich zu Stammesverbänden zusammenschließen und erst durch den Propheten ein Verwaltungssystem in einer einfachen Form erhalten. Es entsteht demnach entsprechend der gegebenen Umstände ein einheitliches Gebilde, indem sowohl der Anführer, seine Gefährten, die religiösen Prediger, die Soldaten und die verschiedenen Amtsträger eine einzige Gruppe bilden. Etwas, das zumindest für die heutige Zeit kaum realisierbar wäre.

Was die Quellen des Islam für die Führung eines Bundes festlegen sind lediglich Richtlinien, die man auf die heutige Staatsführung anwenden könnte. Der Islam plädiert für eine säkulare Form der Regierung. Eine Form, die auf absoluter Gerechtigkeit basiert. Der Koran lehrt den Muslimen, dass in allen staatlichen Angelegenheiten: in der Verwaltung des Landes, in der Wirtschaft, in den Beziehungen zu anderen Staaten usw., dieses Prinzip befolgt werden muss. So wird in einem Vers betont, dass Allah den Menschen beauftragt jenen die Treuhandschaft zu übergeben, die ihrer würdig sind. Ferner sollen diese Menschen zwischen ihren Untertanen nach Gerechtigkeit richten (4:58-59).

Dies hat zur Folge, dass ohne die Unterscheidung zwischen Weltanschauung, Religion, Rasse oder ethnischer Zugehörigkeit Gerechtigkeit ausgeübt werden muss. Stellt dieses Prinzip nicht den wesentlichen Kern des Säkularismus dar? Der Koran geht noch viel weiter, indem er für solch eine Gerechtigkeit plädiert, die Gutes tun ohne die Erwartung einer Gegenleistung beinhaltet (16:90-91).

Da der Islam also in seinem Kern eine säkulare Form der Regierung beinhaltet, braucht er keinen zusätzlichen, von den westlichen Gesellschaften abgeleiteten Säkularismus. Es ist einzig und allein das Gefühl der Rückständigkeit von Muslimen gegenüber dem „Anderen“, die sie in die Arme einer religiösen Herrschaft, eines „Gottesstaates“ treibt und die Religion in zeremonieller Frömmigkeit verwandelt, indem der Gottesglaube, die Einhaltung der islamischen Riten, die Strafen den Charakter einer reinen Zurschaustellung annehmen.

Islamabad - national assemblyHeutzutage geht es in Ländern der islamischen Welt im Gegensatz zur Zeit des Propheten Muhammad um keine Regierung, die Gott vertritt, eine islamische Gemeinschaft moralisch erzieht und gleichzeitig eine begrenzte Anzahl von religiösen Bekenntnissen unter ihren Schutz nimmt. Vielmehr gilt es – vor dem Hintergrund der Zerstreut- und Zerstrittenheit der islamischen Gemeinschaft – einen Staat, basierend auf dem Gemeinwohl und dem Gemeininteresse zu errichten, die unzähligen religiösen Bekenntnissen und Weltanschauung ihre Sicherheiten bietet. Würde man hingegen die Einmischung der Religion in den Staat zulassen, welch ein Chaos würde herrschen, wenn es neben politischen Konflikten auch zu religiös-politischen Konflikten kommen würde. Beispiele bekommen wir doch heute nur zu genüge aus den sogenannten „islamischen“ Ländern zu sehen und zu hören.

Das erste Problem wäre, dass in der breiten politischen Landschaft eines politisch-religiösen Systems sich alle Parteien auf Gott berufen würden, auch wenn sie absolut gegensätzliche Meinungen vertreten würden. Wäre das nicht ein chaotisches Wirrwarr?

 

Die säkulare Staatsform – Herrschaft der Gottlosen?

Man bedenke bei entstanden Konflikten zwischen den Islamgelehrten und den Repräsentanten des Volkes die Situation eines Andersgläubigen in einem Staat, der ihm das muslimische Recht aufdrängt. Ein Recht, indem er möglicherweise nach einer spezifischen Interpretation als Bürger zweiten, dritten oder vierten Ranges betrachtet werden würde und bei der Gesetzgebung überhaupt kein Mitspracherecht hätte. Damit ist es nicht getan, die Sache ist noch viel komplizierter. Der Islam besitzt ein Buch, das von Gott offenbart wurde, und die muslimischen Gelehrten sagen zudem, dass sie alleine das Recht hätten, dieses Buch auszulegen. Würde dies der vom Islam geforderten Gerechtigkeit gerecht werden?

Man solle sich einmal vorstellen, was beispielsweise in Deutschland geschähe, wenn man die Trennung von Staat und Religion aufheben würde und ein im Kompromiss zwischen Katholiken und Protestanten entstandene Gesetz der christlichen Mehrheit der muslimischen Minderheit aufzwängen würde. Was wäre die Reaktion der Muslime in Deutschland? Also wäre es auch im Sinne des Islams und seines Propheten, der gesagt haben soll: „Und wünsche für die Menschen das, was du für dich selbst wünschst, so bist du ein Muslim.“

Den Kapitalfehler, den religiöse Fanatiker begehen, ist der, dass sie Säkularismus mit Gottlosigkeit gleichsetzen. Ist das aber eine kluge Schlussfolgerung? Keines Falls, denn durch die Trennung von Staat und Religion wird der Verwaltungsapparat eines Staates nicht automatisch zu einem religionsfreien Raum. Der Staat wird nach wie vor von Menschen geführt, die einer Religion oder einer Weltanschauung angehören. Die Neutralität des Staates bedeutet auch, dass der Staat nicht für Laizismus in der französischen Tradition oder für den Atheismus Partei ergreifen darf. Indes muss der Staat ermöglichen, dass alle Menschen aus ihren jeweiligen Überzeugungen in dieser Gesellschaft wirken können; und dies nicht nur privat, sondern auch öffentlich.

Griechische AntikeFanatiker müssen verstehen, dass es bestimmte Dinge auf der Welt gibt, die keine Religion haben. Sie sind säkular. Ob es ein Christ, Muslim oder ein Jude ist, der Getreide auf richtige Weise anpflanzt, so wird man am Ende auch etwas ernten können. Ähnlich ist es auch in der Verwaltung eines Staates, die den Motor der Gesellschaft darstellt. Ist es da nicht gleichgültig, wer diesen antreibt, solange Gerechtigkeit ausgeübt wird?

In einem Seminar zum Thema: Griechen und Perser, das ich im vergangenen Wintersemester besuchte, erlebte ich an einer der letzten Unterrichtseinheiten folgendes: Wir hatten gerade über die religiöse Überzeugung der Perser gesprochen und kamen nun auf die andere Seite, nämlich die Griechen zu sprechen. Unsere Dozentin erzählte uns gerade etwas über den Glauben der Griechen an Orakel und Götter, der für die Herrschenden sowie für das Volk von höchster Bedeutung war. Prompt meldete sich eine Kommilitonin zu Wort und deutete darauf hin, dass im antiken Griechenland Demokratie herrschte. Die Dozentin entgegnete: „Diese ‚Demokratie‘ war natürlich nicht vergleichbar mit der heutigen Praxis…aber was hat es  mit dem Sachverhalt zu tun?“ Die Kommilitonin erwiderte: „Ja, aber ich dachte, dass sie demokratisch waren und daher Atheisten…“

 

Die Anwendung der Scharia – Geeignete Rahmenbedingung?

Im Koran heißt es sogar, dass im Falle einer Feindseligkeit gegenüber einem anderen Volk die gläubigen Muslime nicht anders denn gerecht handeln sollten (5:9). Dass der Islam alles verbietet, was diesem Gerechtigkeitsgebot zuwiderlaufen würde, wird am Beispiel des Propheten Muhammad in Medina deutlich. In keinem Fall hat er eine Partei, die sich nicht zum Islam bekannte, das islamische Gesetz aufgezwungen, wenn sie damit nicht einverstanden war. Die Scharia galt in der Praxis des Propheten ausschließlich verpflichtend für die Muslime. Aber wie sieht es in der Gegenwart aus? Erfüllen muslimische Gesellschaften überhaupt die Voraussetzung für eine göttliche Gesetzgebung?

So wie heutige sogenannte „islamische“ Staaten handeln, wenn sie die Scharia in einer Gesellschaft implementieren, ist vergleichbar mit jemandem der einen Kirschbaum in mitten einer Wüste pflanzt und darauf wartet, dass dieser Früchte trägt. Durch das Klima in der Wüste können doch keine Kirschen wachsen!

Bevor also ein islamisches Gesetz eingeführt werden kann, müsste der moralische Standard in der Gesellschaft angehoben werden. Wie kann dies geschehen? Die Antwort ist: Durch ein Buch, das von Gott geschickt wird, um die Menschen zu erziehen. Während diese Menschen erzogen werden, entwickeln sich die geeigneten sozialen Umstände in der Gesellschaft. Man kann nur mit Gerechtigkeit zwischen Menschen richten, wenn die Rechtsprechung als passend zum Verhalten der Gesellschaft bezeichnet werden kann. Eine Gesetzgebung, die aus islamischen Grundsätzen abgeleitet ist, muss also bestimmte Rahmenbedingung erfüllen. Solange die bei bestimmten Delikten verlangten vier rechtschaffene Zeugen Betrüger und Heuchler sind, kann ein solches Rechtssystem nicht funktionieren. Solange innerhalb eines Landes ungerechte Verteilung der Ressourcen vorherrscht und eine Vielzahl der Bevölkerung Hunger erleiden, wie kann dann davon ausgegangen werden, dass Menschen nicht dazu gezwungen werden kriminelle Handlungen zu begehen. Die „islamischen“ Staaten verdienen die Scharia nicht, da sie mit ihrem spirituellen Kern nicht umgehen können, die Bedingungen der sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Erwartungen an die moralische Erziehung nicht erfüllen können.