Gott allein

Berg Arafat mit zahlreichen Pilgern in weissen Tüchern um den Berg

Arafat / ʿArafah im Koran

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan,
Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Gnädigen

2:198 Es ist kein Verstoß für euch, dass ihr nach einer Gunst von eurem Herrn trachtet. Wenn ihr von Arafat hergeströmt seid, so gedenkt Gottes beim verbietenden Monument. Und gedenkt Seiner, wie Er euch rechtleitete, da ihr davor unter den Irrenden wart.

Ḥanīf-Übersetzung

Wofür steht dieses Wort, das nur in diesem Vers als ‚Arafât (عَرَفَات) vorkommt? Die Wurzel ʿain-rā-fā (ع ر ف) und das Verb ʿarafa stehen generell für kennen. Und so wird es auch im berühmten Vers 49:13 verwendet, auf dass sich die Menschen kennenlernen, lernen einander zu erkennen. Damit wird in 2:198 die Debatte (Haddsch) ein Ort der Begegnung und des Kennenlernens. Sich gegenseitig kennenlernen, einander sich selbst in Frieden und Güte von Angesicht zu Angesicht zu erkennen geben und zeigen sowie die Möglichkeiten und Vielfalten dieses Lebens erkennen und feiern.

Dies passiert bei der Pilgerfahrt, der inneren seelischen Debatte (Haddsch), bei der viele verschiedene Völker unweigerlich zusammen- und miteinander klarkommen müssen. Gerade dann, wenn Streiten und Frevel (2:197) verboten sind in dieser wichtigen Zeit. Wer sich kennt, der fürchtet sich nicht vor dem „Anderen“, denn diese Furcht ist ein zu vermeidender Irrweg. Vielmehr versuchen wir uns einander in Verständnis zu begegnen.

Arafat soll also ein Symbol für uns sein in der Menge und Masse weltweit, egal wo, meine Schwester oder meinen Bruder zu erkennen und zu lieben und so der Gunst Gottes zu gedenken.

Die Liebe Gottes von Justin Lowery

Gott erschuf uns aus unbeschreiblicher Liebe

Gott erschuf uns Menschen aus unbeschreiblicher Liebe.

Wer liebt, möchte zurück geliebt werden, natürlich ohne Zwang und aus freien Stücken bzw. freiem Willen. Das ist etwas, was wir wissen und fühlen können. Diese Art der Liebe bedeutet, auch die völlige Absicht zu erlernen, sich aus Liebe hinzugeben in allem.

Durch Liebe erlauben wir alles. Diese Liebe ist dann wahrhaftig ohne Grenzen. Diese Liebe ist völliges Vertrauen, alles mit sich geschehen zu lassen: Sich für die Liebe opfern, alles geschehen lassen.

Wer Gott liebt, lässt alles zu, was in seinen geschriebenen Worten steht, die zusammengetragen wurden durch den Verkünder, seinen Propheten. Diese Worte dürfen nicht missverstanden werden. Der lebendige Sinn geht sonst verloren. Der Sinn ist das Verstehenwollen aus der damaligen und auch in der heutigen Zeit, auf alle Anwendungen im Leben, zu lernen und immer wieder neu zu lernen.

Das Leben ist vielfältig, dadurch findet sich ein vielfältiges Verstehen aus der Lesung wieder und ist immer wieder neu und lebendig. Gottes Wort ist lebendig. Es ist nicht monoton oder einseitig. Deswegen darf das Verstehen nicht einseitig sein oder von Menschen dazu gebracht werden durch Menschenworte, die Lesung so zu verstehen, wie sie es gerne hätten.

Die Liebe Gottes von Justin Lowery

Foto von Justin Lowery, CC-BY-ND 2.0

Tief gläubig kann nur der Forschende sein, nicht derjenige, der meint, viel zu wissen, sondern derjenige, der sagt, Gottes Worte sind immer lebendig und immer neu zu verstehen, um den Sinn auf alles im Leben zu erfassen. Denn Gottes Wort steht nicht still, sowie auch der Verstand nicht stillsteht – außer man will, dass der Verstand stillsteht. Dann kann das Wort Gottes für einen stillstehen und der lebendige Sinn schläft.

Das einfachste Prinzip, es bestmöglich immer so zu verstehen, ohne sich neue Gesetze zu machen, ohne neben Gott etwas beizugesellen, scheint unter den Gläubigen zu Gott sehr schwer zu sein.

Dort wo die Zeit stillsteht unter den Traditionen, ist Stillstand. Es ist keine Lebendigkeit zu erkennen, in ihren Worten, Handlungen und Gesetzen.

Ich bedauere es zutiefst, dass Gottes Wort verändert wurde. Nicht wegen der Menschen, die mein Mitleid haben, und Gott – allwissend – sieht auch das Verborgene in uns, denn einzig Gott, dem Allmächtigen, gebührt unsere Ehrfurcht, unsere Dankbarkeit und unsere Liebe.

Sie lieben und lehren lieber nach ihren von Menschenhand geschaffenen, erfundenen Gesetzen und dem Glauben, den sie sich selber beigebracht haben. Dieses tiefe Verständnis, Liebe zu erlernen, es zu wollen, diese größer werdende Ehrfurcht, es geschieht nur bei wachem Verstand und mit einem Herzen, das benutzt werden kann, ohne Unterbrechung, um nicht weggeleitet zu werden.

Es ist Mühe, harte Arbeit und auch Schmerz, religiöse Bildung aus dem Anfang geradeaus gestalten zu wollen, denn fast jeder will dich auf den Irrweg bringen, auch mit guten Absichten, die aber nur einen Irrweg darstellen, im Vergleich zu Gottes geschriebenem Wort.

Natürlich weiß es Gott besser.

Rezension zu „Wo der Koran Anknüpfungspunkte für Gewalt bietet“

Frieden,

Gottergebene sehen sich in jüngster Zeit immer öfter mit Kritik gegenüber ihrem Glauben ausgesetzt, sei es in Talkshows, Zeitungsartikeln oder in sozialen Netzwerken. Oft stellt sich dabei heraus, dass es nicht um den Inhalt selbst geht, sondern viel eher um eine Polarisierung und pauschale Verurteilung, dass die Lesung Anknüpfungspunkte für Gewalt biete. Kontrahenten beider Seiten, Islamkritiker wie auch ihre meist traditionalistischen Gegner, sind eher um eine Deutungshoheit bemüht, als sich wirklich unabhängig und dementsprechend ergebnisoffen mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Dies hat zur Folge, dass man auf der einen Seite einen Islam zu verstehen bekommt, der beispielsweise angeblich Intoleranz und Angriffskriege toleriert und auf der anderen Seite eine Gottergebenheit, die davon nichts wissen will. In der Tat kann man beispielsweise aus der unerlaubten Vermengung von sunnitischer oder schiitischer Sekundärliteratur mit der Lesung für beide Standpunkte Quellen anführen und dementsprechend argumentieren. Dies kommt vor allem dadurch zustande, dass man die Lesung in ihrem Aufbau nicht korrekt berücksichtigt, indem man versucht sie mit anderen Quellen zu erklären, wo es doch Gott allein ist, der die Lesung erklärt.

 

Bietet die Lesung Anknüpfungspunkte für Gewalt?

Um diese Problematik besser zu veranschaulichen, wird ein Artikel von Abdel-Hakim Ourghi aus der Süddeutschen Zeitung namens Wo der Koran Anknüpfungspunkte für Gewalt bietet genauer unter die Lupe genommen, welcher mit bestimmten Versen zu belegen versucht, dass die Lesung Gewalt legitimiere. Der Autor leitet den Fachbereich Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Er schreibt:

 

Das Leben des Propheten und dessen religiöses und politisches Handeln kritisch zu hinterfragen, scheint ebenso tabu zu sein. Das Bild eines vollkommenen Lebens ohne Sünden muss aufrechterhalten werden und dient als ewig gültiges, gottgegebenes Vorbild.

 

In der Tat glauben nicht wenige traditionalistische Muslime, dass der Prophet unfehlbar sei. Es gibt jedoch auch nicht wenige Gottergebene, die dem widersprechen. Deswegen kann man so eine Argumentation nicht pauschal für alle geltend machen, wie dies im Zitat suggeriert wird. Viel wichtiger ist jedoch, dass der Prophet nur ein Mensch und Warner/Gesandter war (17:93) und dementsprechend nicht sündenlos sein kann (47:19; 48:2; 33:37).

 

Mohammed (570-632) war jedoch nicht nur der anerkannte Verkünder einer göttlichen Botschaft, sondern auch der weltliche Führer, der meisterlich die Macht des Wortes mit der Gewalt des Schwertes vereinte. Indem er sich auf autoritative Koranstellen bezog, griff Mohammed von 624 an in Medina gegen seine Widersacher zur Gewalt, etwa gegen arabische Heiden, Christen und Juden.

 

Es ist koranisch streng verboten Angriffskriege zu führen. Diese Behauptungen speist sich der Autor aus Sekundärquellen, die mindestens erst 150 Jahre nach dem Propheten niedergeschrieben wurden und deren Autoren den Propheten nie gesehen haben. Dazu kommt, dass Sirawerke stark voneinander abweichen und kein einheitliches Bild des Propheten überliefern. Selbst konservative Gelehrte sind bei Sirawerken vorsichtig. Dies alles spielt jedoch keine Rolle, wenn Gott diese Behauptung in der Lesung eindeutig verneint: Gott duldet keine weiteren Autoritäten oder Quellen (42:10, 6:114,115, 5:44,45,47, 18:26, 12:40, 16:89, 12:111, 5:3, 39:36, 7:3).

 

42:21 Oder haben sie etwa Partner, die ihnen eine Lebensordnung vorgeschrieben haben, die von Gott nicht verordnet wurde? Und wäre es nicht bis zum Urteilsspruch aufgeschoben worden, wäre zwischen ihnen schon gerichtet worden. Und gewiss, den Frevlern wird eine schmerzliche Strafe zuteil sein.

 

Der Autor führt nun den Vers 9:29 an, um zu belegen, dass Muhammad angeblich mit diesem Vers begründe, ab dem Jahre 624 „gegen arabische Heiden, Christen und Juden“ Gewalt zu legitimieren. Der Vers lautet:

 

9:29 Bekämpft diejenigen, die weder an Gott noch an den letzten Tag glauben und nicht verbieten, was Gott verbot und sein Gesandter, und die nicht gemäß der Lebensordnung der Wahrheit richten unter denjenigen, denen die Schrift zukam

 

Es ist seltsam, wie der Autor das Jahr 624 ohne eine Primärquelle  eindeutig festlegen kann. Nebst dieser Tatsache ist erstaunlich, wie er diesen Vers so ohne weiteres einfach unkommentiert für seine Behauptungen in den Raum stellt. Die neunte Sure ist ein allgemeines Ultimatum an die Beigeseller (9:1). Diese Beigeseller werden in den darauf folgenden Versen unmissverständlich als die Aggressoren beschrieben (9:8 und 9:13). Aus dem unmittelbaren Kontext kann man die ableugnenden Schriftbesitzer in 9:29 den Beigesellern zuordnen. Nun könnte man aber argumentieren, dass dies allgemein, losgelöst vom Rest der Lesung die ableugnenden Schriftbesitzer meinen könne und man deswegen offensiv in den Krieg ziehen dürfe. Diese Behauptung ist jedoch schnell entkräftet, da die Schriftbesitzer (i.A. Juden und Christen) als Gläubige wie auch als Ableugner beschrieben werden (3:113). Deswegen können nicht alle Schriftbesitzer gemeint sein. Die Lesung liefert aber auch allgemeine, unmissverständliche Anordnungen zum Krieg:

 

60:8 Gott verbietet euch nicht, gegenüber denjenigen, die nicht gegen euch der Lebensordnung (Religion) wegen gekämpft und euch nicht aus euren Wohnstätten vertrieben haben, gütig zu sein und sie gerecht zu behandeln. Gewiss, Gott liebt die Gerechten.

 

Das bedeutet, wenn in 9:29 steht:

 

9:29 und nicht verbieten, was Gott verbot und sein Gesandter,

 

dies mindestens Vers 60:8 entsprochen, also eine Aggression stattgefunden haben muss. Die Verse 2:190-193 legen klar, dass ein Krieg nur als Verteidigung aufgefasst werden darf und man einen angebotenen Frieden annehmen muss (8:61). Darüber hinaus gilt das Paradigma:

 

2:256 Es gibt keinen Zwang im Glauben.

 

Deshalb ist der Ausdruck aus 9:29:

 

Bekämpft diejenigen, die weder an Gott noch an den letzten Tag glauben

 

… keinesfalls eine Begründung, gegen den Glauben der Schriftbesitzer vorzugehen. Der Vers beschreibt demzufolge nur eine ihrer Eigenschaften aus vielen. Im Anschluss führt der Autor Vers 9:33 an und schreibt:

 

In Vers 33 wird der Islam als wahre Religion bezeichnet. Gott werde der Gemeinde zum Sieg über alle Religionen verhelfen.

 

Der Vers in seiner Gänze:

 

9:33 Er ist es, der seinen Gesandten mit der Rechtleitung und der Lebensordnung der Wahrheit sandte, um es über jede Lebensordnung hervorzuheben, auch wenn es die Beigeseller hassen.

 

Hier ist viel Interpretation möglich, ob dies eine Wahrheit beschreibt, die dann alle Religionen (Lebensordnungen) übertrumpfen wird oder ob dies nur den damaligen Umstand meint, denn ein Vers vorher steht:

 

9:32 Sie möchten Gottes Licht mit ihren Mündern auslöschen, Gott aber lehnt es ab, sondern vollendet sein Licht, auch wenn es die Ableugner hassen.

 

Es ist jedoch keinesfalls möglich, einen dauerhaften Kriegszustand zu beschreiben, bis „der Islam siegreich“ ist. Die Verse 2:256, 2:190-193 und 60:8 unterbinden so eine Interpretation kategorisch. Folgendermaßen geht es weiter:

 

Auch in der letzten offenbarten Sure 5, Vers 33, ist zu lesen: „Der Lohn derer, die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und überall im Land eifrig auf Unheil bedacht sind, soll darin bestehen, dass sie umgebracht oder gekreuzigt werden, oder dass ihnen wechselweise (rechts und links) Hand und Fuß abgehauen wird, oder dass sie des Landes verwiesen werden.“

 

Dazu ein Artikel von unserer Schwesterseite, der diesen Vers schlüssig erklärt, wie auch eine weitere ausführlichere und auf der Lesung basierte Erläuterung durch Muhammad Asad (PDF auf Englisch, ab Seite 221). Diese beiden Quellen führen die Argumentation des Autors zum betreffenden Vers ad absurdum.

 

Die gesamte muslimische Koranexegese ist der Auffassung, dass sich der zweite Teil auf Juden und Christen bezieht. In Sure 2, Vers 120, werden sowohl Mohammed als auch die Muslime aufgefordert, Juden und Christen zu meiden.

 

Das ist jetzt überhaupt nicht nachvollziehbar. Was steht in 2:120 und was meint der Autor? Auch findet unmittelbar darauf (2:121) eine Differenzierung der Schriftbesitzer statt. Zudem ist der angebliche Konsens frei erfunden. Genannt sei dazu nur der sunnitische Theologe Professor Süleyman Ates (ehemaliger Vorsitzender der türkischen DITIB) als nur einer von vielen, die seiner These widersprechen. Überhaupt, koranisch gesehen darf man natürlich Juden und Christen zu Freunden nehmen, man darf sie sogar heiraten (5:5)! Vers 60:8 sei zu der Problematik nochmals veranschaulicht:

 

60:8 Gott verbietet euch nicht, gegenüber denjenigen, die nicht gegen euch der Religion wegen gekämpft und euch nicht aus euren Wohnstätten vertrieben haben, gütig zu sein und sie gerecht zu behandeln. Gewiß, Gott liebt die Gerechten. (siehe auch: 3:55, 3:113-114, 2:62, 5:69)

 

Dann ist folgendes zu lesen:

 

In Sure 3, Vers 85 ist zu lesen, dass keine andere Religion als Ersatz für den wahren Glauben an Gott dienen kann.

 

Eine Problematik ist hier nicht ersichtlich. Jedoch will der Autor damit suggerieren, dass man dies auf die „Gottergebenheit“ (Islam) beschränkt, wie aus dem weiteren Verlauf des Artikels erschlossen werden kann. Das Wort bedeutet jedoch nichts anderes als Ergebung (in Gott) und ist nicht nur auf die Lesung beschränkt. Auch andere Religionen haben ihre Legitimität laut der Lesung, sofern sie nach Gottes Richtlinien ausgelebt werden (2:62, 5:69; ausführlicher zu dieser Thematik in folgendem Artikel).

 

Bereits in Vers 19 derselben Sure wird mit Nachdruck betont, dass der Islam die einzig wahre Religion sei.

 

Warum wird „Islam“ hier nicht übersetzt? Der Autor macht denselben Fehler, den er doch vehement kritisieren will, den althergebrachten Traditionen zu folgen! Außerdem steht unmissverständlich in der Lesung, dass wir Gottergebene auch an die Tora und das Evangelium zu glauben haben, wie auch die Schriftbesitzer an ihre eigenen Bücher (5:43-48) und an die Lesung.

 

Die Umma (die Gemeinschaft der Muslime) wird sogar als die beste Gemeinschaft bezeichnet, die Gott den Menschen gestiftet habe (Koran 3:110).

 

Auch das ist so nicht richtig. Denn diese Gemeinschaft wird nur mit dem gläubigen Teil in Verbindung gebracht, wie man aus den vorherigen Versen entnehmen kann (Vers 3:102, insbesondere 3:104) und ist nur für die damalige Zeit relevant oder eben jene, welche es diesen Vordersten gleichtun. Denn in Vers 25:30 steht eindeutig, dass der Gesandte am Jüngsten Tag seine Gemeinschaft kritisiert, indem er beklagt:

 

25:30 Und der Gesandte sagt (am Jüngsten Tag): „O mein Herr, mein Volk hat diese Lesung verlassen!“

 

Es gibt zudem noch andere Verse, die Menschen kritisieren, welche sich als Gottergebene bezeichnen (9:90, 9:101). Nach all diesen haltlosen Argumentationen präsentiert der Autor schließlich seine Lösung:

 

… Die zwischen 622 und 632 in Medina verkündeten Koranpassagen müssen in ihrem historischen Kontext verstanden werden. Sie haben als historisch-politische Äußerungen nur eine temporäre Gültigkeit für das siebte Jahrhundert. …

 

Interessant bei dieser Aussage ist, wo man diesen historischen Kontext nun nachlesen kann? Diese Frage ist allein schon deswegen nicht beantwortbar, da keine einheitliche Quellenlage vorhanden ist, ganz zu schweigen von den unterschiedlichen Bewertungen dieser Quellen, die von den einzelnen Gruppierungen abhängen. Aus der Lesung ist ein historischer Kontext nicht umfassend ableitbar. Über den oft angeführten magischen Zauberstab des „historischen Kontextes“ ist jedwede Interpretation möglich. Auch Fundamentalisten wollen die Lesung historisch verstehen durch verderbte Quellen im Sinne ihrer neben Gott gehaltenen Autoritäten, den Altvorderen, also den Menschen, die den Propheten kannten. Durch den angeblichen historischen Kontext, was nichts anderes bedeutet als die Offenbarung Gottes durch Sekundärliteratur zu vermengen, haben sich hunderte, voneinander unterscheidende Gruppen gebildet. Dies ist das Abbild der erwähnten Methodik in seiner Praxis. Dann schreibt der Autor weiter:

 

Es reicht aber nicht, die Offenbarung des Korans in ihrer historischen Entstehungssituation zu verstehen. Darüber hinaus muss auch eine Methode entwickelt werden, welche den Islam auf der Grundlage einer kritischen Reflexion von der Macht dieser umstrittenen Koranverse befreit.

 

Diese Argumentation ist nicht schlüssig. Wenn die Lesung sich in ihren Versen klar ausdrückt, kann man sie nicht einfach ignorieren. Wird die Lesung ohne Vermengung von Menschenschriften betrachtet, bleiben die im Artikel angeführten abenteuerlichen Interpretationen aus. Am Ende schreibt der Autor:

 

Meiner Meinung nach ist nur der in Mekka offenbarte Koran (610-622) zeitlos, weil er universell sinnstiftende Lehren im ethischen Sinne beinhaltet. Sowohl der in Medina (622-632) offenbarte Korantext als auch der historische Prophet als Staatsmann sind im Westen dringender denn je kritisch zu betrachten und revisionsbedürftig, sonst bleibt ein Islam, der mit den europäischen Werten vereinbar ist, ein Wunschtraum.

 

Die in der Lesung vorzufindenden Paradigmen und Lehren sind universell. Die Lesung muss nicht in Stücke gerissen werden, damit man die von Gott offenbarte Lebensordnung den europäischen Werten anpassen muss. Vielmehr ist es umgekehrt: Die Lesung ist die Richtschnur, weil sie das Wort Gottes ist. Sie führt zu einem aufrichtigeren Weg (17:9). Die europäischen Werte sind nicht das Maß aller Dinge und darüber hinaus auch nicht eindeutig definiert. Was sind die europäischen Werte denn genau? Mit seiner Aussage wird der Autor durch folgenden Vers angesprochen:

 

2:85 …Glaubt ihr denn an einen Teil der Schrift und verleugnet einen anderen? …

 

Eine vernunftorientierte Interpretation der Lesung ohne Widersprüche ist mit Leichtigkeit hergestellt, wenn man sich auf Gott alleine einstellt und die Lesung nicht mit menschlichen Meinungen aus der Tradition zu erklären versucht, die teilweise fälschlicherweise dem Propheten zugeschrieben wurden. Dazu sei nochmals angemerkt, dass sich die Sekundärquellen nicht nur öfters gegenseitig widersprechen, sondern widersprechen in vielen Punkten auch der Lesung.

 

15:91-93 Die die Lesung auseinandergerissen haben. Bei deinem Herrn! Wir werden sie allesamt zur Rechenschaft ziehen, für all ihre Taten.

 

Fazit

Die angeführten Verse des Autors sind nach seiner Art des Verständnisses, im Lichte der ganzen Lesung betrachtet, unhaltbar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass manche Traditionalisten solch widersinnigen Interpretationen abgeneigt sind. Radikale Strömungen werden nur einen Teil seiner Argumente übernehmen und schließlich darin eine Legitimation für ihre eigene Ideologie herausfiltern, was der Autor allem Anschein nach ausblendet. Seine Methodik wird Fanatiker somit weiter befeuern, als sie zur Vernunft zu bringen. Das Argument, dass manche Verse heutzutage keine Geltung mehr hätten, führt zu Widersprüchen und zu keiner echten Lösung.

Eine vernunftorientierte Theologie in der Gottergebenheit kann sich nur dann etablieren, wenn man sich der Methodik anschließt, die Lesung losgelöst von Traditionen durch Gottes eigene Worte zu erklären (55:1-2, 25:33, 75:19). Andernfalls wird man, beispielsweise durch die angeführte „historisch kritische Methode“, nur Sekundärquellen durch weitere Sekundärquellen ersetzen. Somit wird die Lesung selbst weiterhin ein Spielball von individuellen Ansichten bleiben. Die kritischen Befunde Ourghis zum traditionalistischen Islam am Ende des Artikels sind größtenteils berechtigt, jedoch nur ein Teil des Problems. Seine Lösungsansätze sind nicht zielführend und in Bezug zur Lesung nicht tragbar.

Ein Anfang dieser vernunftorientierten Theologie der Gottergebenheit ist mit dieser Webseite und dem Buch Schlüssel zum Verständnis des Koran gemacht.

 

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Frieden sei mit uns allen, liebe Geschwister und Freunde, und Gottes Segen und Seine allumfassende Barmherzigkeit!

 

35:10 … Zu Ihm steigt das gute Wort, und (erst) die rechtschaffene Tat lässt es aufsteigen! …

 

Dieser Beitrag wird weh tun, ja sehr weh tun und schwer zu verdauen sein für jene, die ihr Leben lang nur die Tradition und die Lesung (deutsch für „Koran“, arabisch: al-qurʾān) nur wenig oder oberflächlich und über Lippenbekenntnisse und weniger über Taten kannten. Wenn Sie zu dieser Sorte von Menschen gehören, die lieber ihre Tradition aufrecht erhalten möchten als zu erfahren, was in der Lesung (Koran) wirklich steht, dann können Sie gleich aufhören zu lesen. Wenn Sie lieber ihre Vorfahren, Vorväter, den Imam in Ihrer Moschee, Ihr soziales Umfeld zufrieden stellen und Ihre Illusion über Ihr eigenes Selbst schützen wollen, dann wird dieser Artikel wie eine versalzene Suppe daherkommen, in dem jedes Wort schwer durch Ihren Hals geht und im Magen dann erst so richtig säuert. Wenn Sie zudem den Propheten Mohammed auf unrealistische Weise als einen fehlerlosen Supermenschen betrachten, aufgrund dessen die gesamte Schöpfung erschaffen sei laut einem erfundenen Ausspruch (Ḥadīṯ), und ihn als das beste Geschöpf unter den Geschöpfen betrachten, dann werden Sie zu denen gehören, die uns damit zu Unrecht beschuldigen, dass wir den Propheten hassen würden, weil wir ihn so darstellen, wie er wirklich war: ein fehlerbehafteter Mensch, der aufgrund seiner Tugenden und seines Charakters einschließlich seiner Fehler dennoch als schönes (nicht schönstes!) Vorbild für uns gilt. Aufgrund seiner Fehler wissen wir, was wir nicht wiederholen sollten und aufgrund seiner Tugenden, die in der Lesung selbst beschrieben werden, können wir uns im Verrichten heilvoller und guter Taten üben.

Gehören Sie aber zu jenen wenigen Menschen, die wirklich interessiert sind an dem, was Gott in der Lesung mitteilt, dann wird dieser Artikel eine willkommene Erfrischung für Ihren Geist darstellen und Sie werden eventuell das Rezept der Suppe sogar zu verfeinern wissen. Aufklärerisch eingestellte Menschen werden so erfahren, was in ihrer bisherigen Betrachtung auf unreflektierter Tradition fußte. Gleichzeitig werden sie diesen Artikel auch hinterfragen und nichts ungeprüft hinnehmen, da dieses Prinzip der Aufklärung in der Lesung selbst verankert ist (17:36). Diese im Geiste vernünftig denkenden Menschen werden die hier vorgestellten Erkenntnisse weder vorschnell abweisen noch sich auf die Tradition berufen, weil sie sehr gut wissen, dass das Wort Gottes in der Lesung dieses Verhalten ablehnt (2:44, 10:100, 8:22, 10:38-39, 2:170, 23:24, 7:70, 11:62, 11:87, 26:74, 28:36, 34:43).

 

2:170 Und wenn ihnen gesagt wird: Folgt dem, was Gott herabsandte. Dann sagen sie: Vielmehr folgen wir dem, was wir bei unseren Vätern vorfanden. Auch dann, wenn ihre Väter weder etwas verstanden noch Rechtleitung fanden?

 

In Bezug auf die Botschaft Gottes dürfen wir uns also nicht blind auf unsere Vorväter verlassen, sondern müssen die Argumente und die Verse genau untersuchen und den Sachverhalt genau abwägen. Betrachten wir nun den sogenannten Segensspruch oder die Eulogie SAW oder SAS im Islam (auf Deutsch: Gottergebenheit). Diese Abkürzung kommt auch in den Varianten SAWS, SAAWS oder einfach nur als S vor. Ausgeschrieben wird diese traditionelle Eulogie, auf Arabisch auch als taṣliyyah (تصلية‎) bekannt, transliteriert als ṣallā ‚llāhu ʿalayhi wa-sallam (in salopper Form auch salla Allahu alayhi wa salam) und bedeutet sinngemäß nach heute geläufigem Verständnis der Worte: Möge Gott ihn segnen und Frieden/Heil geben.

Fest steht, dass dieser Spruch schon sehr lange vorhanden war, wie dies an der Inschrift am Felsendom ersichtlich ist. Dieser Spruch wird meist aufgrund des folgenden Verses 33:56 begründet, der auch am Felsendom zitiert wird. Leider wurde und wird dieser Vers in seiner Bedeutung katastrophal verzerrt und in einem in sich unschlüssigen Verständnis wiedergegeben, wie man unschwer an den gängigen Übersetzungen erkennen kann:

 

إن الله وملئكته يصلون على النبى يأيها الذين ءامنوا صلوا عليه وسلموا تسليما

(Transliteration) ‚Inna Allāha Wa Malā’ikatahu Yuṣallūna ʿAlá An-Nabīyi Yā ‚Ayyuhā Al-Laḏīna ‚Āmanū ṣallū ʿAlayhi Wa Sallimū Taslīmāan
(Khoury) Gott und seine Engel sprechen den Segen über den Propheten. O ihr, die ihr glaubt, sprecht den Segen über ihn und grüßt ihn mit gehörigem Gruß.
(Azhar) Gott nimmt den Propheten in Seine Barmherzigkeit auf und erweist ihm Seine Huld, und Seine Engel sprechen den Segen über ihn. Ihr Gläubigen, sprecht den Segen über ihn und grüßt ihn, wie es sich ziemt!
(Ahmadiyya) Allah sendet Segnungen auf den Propheten und Seine Engel beten für ihn. O die ihr glaubt, betet (auch) ihr für ihn und wünschet ihm Frieden mit aller Ehrerbietung.
(Paret) Gott und seine Engel sprechen den Segen über den Propheten. Ihr Gläubigen! Sprecht (auch ihr) den Segen über ihn und grüßt (ihn)
(Bubenheim) Gewiß, Allah und Seine Engel sprechen den Segen über den Propheten. O die ihr glaubt, sprecht den Segen über ihn und grüßt ihn mit gehörigem Gruß.
(Rassoul) Wahrlich, Allah sendet Segnungen auf den Propheten, und Seine Engel bitten darum für ihn. O ihr, die ihr glaubt, bittet (auch) ihr für ihn und wünscht ihm Frieden.
(Zaidan) Gewiß, ALLAH gewährt dem Propheten Gnade und die Engel erbitten sie für ihn. Ihr, die den Iman verinnerlicht habt! Macht für ihn Salah und begrüßt (ihn mit) einer Salam-Begrüßung!

 

Die rot markierten Stellen gibt es im arabischen Wortlaut nicht. Die schwarzen Stellen sind Interpretationen der Übersetzer der fett markierten Ausdrücke aus der Transliteration. Betrachten wir einmal die einzelnen Worte aus diesem Vers, ohne die fett markierten Stellen aus der Transliteration zu übersetzen, da sie der Gegegenstand unserer Betrachtung sind:

‚Inna
Allāha
Wa Malā’ikatahu
Yuşallūna ʿAlá
An-Nabīyi
Yā ‚Ayyuhā
Al-Ladhīna
‚Āmanū
Şallū `Alayhi
Wa Sallimū
Taslīmāan
Gewiss, Wahrlich, Sicherlich
der Gott
und Seine Engel
Yuşallūna über
den Propheten
O ihr
diejenigen
glaubten
Şallū über ihn
und Sallimū
Taslīmāan

 

Wir sehen also alleine aufgrund der Verwendung der Worte, dass es sich hierbei um einen Aufruf handelt, etwas Konkretes zu tun. Dies ist bereits der erste klare Unterschied zur Aufforderung etwas auszusprechen. Hier steht nirgends etwas Ähnliches wie: Sagt (Qūlū)… Vielmehr müssen wir Ṣalāh ausüben auf den Propheten.

Dadurch, dass sich die Menschen in der Tradition darauf festlegten, diesen Vers in mündlicher Form in der bekannten Form wiederzugeben, haben sie sich selbst gerade das Bein gestellt. Statt dass sie dem Aufruf Gottes folgen, Ṣalāh zu üben auf den Propheten in Form einer konkreten Handlung und Tat, sagen sie vielmehr sinngemäß: Nein, Gott, wir machen kein Ṣalāh auf den Propheten, (vielmehr) mache Du Ṣalāh auf den Propheten. Dies ist die direkte Bedeutung des auch sehr oft verwendeten Ausdrucks Allahumma Salli ‚alâ Muhammad, wie er beispielsweise auch in der sogenannten At-Taḥiyyatu vorkommt, in dem nahezu Lobgesänge auf Abraham und Muhammad vorkommen und dem Wesen des Monotheismus (tawḥīd) deutlich widersprechen. Nicht die Propheten stehen im Fokus, sondern vielmehr Gott. Die Gebete gelten nur für Gott und deshalb dürfen wir diesen falschen Gebetsspruch nicht äußern, auch weil wir keine Unterschiede unter den Gesandten machen dürfen. Statt dass wir den Ṣalāh ausüben, fordern wir Gott auf, diesen doch auszuüben!

Stellen Sie sich einmal vor, wie Sie einen Freund auffordern, der neben dem Fenster steht: Schließe bitte das Fenster! Und als Reaktion wird nicht das Fenster geschlossen, sondern gesagt: Schließe du das Fenster! Dieselbe Logik ist in diesem Ausspruch enthalten. Da Arabisch traditionell gesehen aber zu heilig ist zum Verstehen, fällt dies einem auch erst gar nicht auf. Wir müssen wieder damit beginnen, die Lesung (Koran) zu verstehen.

Menschen greifen verzweifelt nach einer Box: Die Verehrung des Propheten gegen seinen Willen

Menschen greifen verzweifelt nach einer Box, weil sie glauben, darin befänden sich die Haare des Propheten Muhammad: Der Ausdruck der falschen Verehrung des Propheten gegen seinen Willen

Viele Sunniten und Schiiten glauben, dass sie sogenannte Pluspunkte (Ḥasanāt) erhalten werden, alleine indem sie diese der Lesung (Koran) widersprechenden Segenssprüche wiederholen. Doch wir haben eingangs gelesen, dass nicht die Worte allein reichen, sondern vielmehr die rechtschaffenen Taten erst die Worte bestätigen und zu Gott aufsteigen (35:10). Wenn wir dabei noch den fünften Vers des ersten Kapitels aus der Lesung bedenken, dann wüssten wir, dass Gottes Botschaft alleine im Zentrum stehen soll. Somit ist der sogenannte traditionelle Segensspruch „sas im Islam“ als ein verzerrtes, falsches Verständnis abzulehnen. Der Irrglaube, hunderte Male diesen erfundenen, falschen Segensspruch auszusprechen (dazu noch Apps wie ‚Zikirmatik‘ runterladen oder noch schlimmer kaufen), schütze einen direkt vor der Hölle, wäre ja doch zu einfach gewesen! Dies ist der Zerfall der Religion schlechthin: Einfach sinnlos Aussagen wiederholen lassen, damit man ja nichts tun müsse. Das sprichwörtliche Opium des Volkes.

Dabei bedeutet „Zikir“ auch nicht, ständig „Allah, Allah, Allah, Allah,“ zu sagen, wie es die Sufis in ihrem Rausch tun. Ḏikr ist das Gedenken Gottes in sämtlichen Lebenslagen (33:41). Das Gedenken Gottes ist, wenn man beispielsweise vor der Wahl steht, das Geld, das irgendein Passant auf der Straße soeben verlor, ihm zurückzugeben, weil man die moralischen Prinzipien aus der Lesung befolgt und weiß, dass man rechtschaffen handeln muss (35:10) und dass wir uns nicht den materiellen Werten, sondern Gott allein hingeben müssen und gerade deshalb human handeln aus Liebe zu Gott (65:3, 39:36). Das Gedenken Gottes bedeutet also das Bewusstsein für Gottes Gegenwart zu entwickeln.

Ein weiterer Widerspruch ist der Umstand, dass Muhammad in der Lesung viermal erwähnt wird (3:144, 33:40, 47:2, 48:29), aber in keine dieser vier Stellen erwähnt Gott den angeblichen Segensspruch nach seinem Namen. Hier ließe sich fragen: Hat Gott etwa Seinen eigenen Segensspruch vergessen, selbst im selben Kapitel 16 Verse davor (33:40)?

Eine weitere Ungereimtheit ist die Tatsache, dass das Wort „Segen“ auf Arabisch barakah lautet und nicht Ṣalāh. Das Wort „Segen“ kommt in der Lesung auch mehrmals vor (nur ein Beispiel: 19:31), weshalb diese Bedeutung eindeutig ausgeschlossen werden kann.

Darüber hinaus werden die Gläubigen dazu aufgefordert, die Namen der Gesandten aufzusagen (und diesmal wörtlich sagen), ohne dabei irgendwelche Beisätze auszusprechen:

 

2:136 Sagt: Wir glaubten an Gott und was zu uns herabgesandt wurde und was zu Abram, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen herabgesandt wurde und was Moses und Jesus zukam und was den Propheten zukam von ihrem Herrn. Wir unterscheiden zwischen keinem von ihnen und ihm sind wir ergeben (Siehe auch 3:84)

 

Was bedeutet nun Ṣalāh ausüben auf den Propheten? Gott und die Engel üben Ṣalāh auf den Propheten aus laut 33:56. Deshalb sollen wir das ebenso tun und dies ist ausdrücklich Gottes Wille. Ṣalāh bedeutet in diesem Zusammenhang eine Verbundenheit, eine Unterstützung und eine Hilfe aufzubauen.

Dies kommt daher, weil Ṣalāh im Wesentlichen Kontakt bedeutet. Die traditionelle Vorstellung und Verständnis des Wortes ist dermaßen verbreitet, dass selbst namhafte Philologen wie E. W. Lane unter Salāh nur die Glorifizierung verstanden haben. Nichtsdestotrotz ist die Grundbedeutung der Wurzel ṣad-lām-wāw (S-l-w) zu verbinden oder nahe zu folgen, wie an den Wörtern muṣallin (مصلٍ) oder islá (اصلى) vom vierten Verbstamm zu erkennen ist, womit die zweite Position zum Beispiel in einem Rennen beschrieben wird, weil man der ersten Position nachfolgt. Ebenso ist dies am Wort ṣalā (صلا – اصلى) zu erkennen, womit der mittlere Bereich des Rückens, das Rückgrat angedeutet wird (siehe J. G. Hava, Seite 396). Es gibt auch ein Verb (ṣalā/ṣalawā – صلا/صلوا), wie man jemanden berühren kann am Rücken (siehe auch das Glossar von Penrice, Seite 85, oder auf Französisch Kazimirski, Seite 1365). Alles in allem kann man damit also sagen, dass man das Rückgrat eines Anderen stärken und stützen möchte. Deshalb bedeutet in diesem Vers 33:56 Ṣalāh unterstützen. Deshalb bedeutet auch das Kontaktgebet (aṣ-ṣalāh) eben Kontaktgebet, weil wir in Verbindung mit Gott treten und unsere eigenen Seelen dadurch stärken und Gottes Unterstützung erhoffen. Nicht umsonst rezitieren wir dabei das erste Kapitel der Lesung, worin wir sagen: Dir allein dienen wir und Dich allein ersuchen wir um Hilfe!

Gott und die Engel sind mit dem Propheten verbunden, unterstützen ihn und helfen ihm. Wir sollen deshalb den Propheten ebenso unterstützen, ihm helfen und eine Verbundenheit zu ihm aufbauen. Wie können wir am besten diese Verbundenheit aufbauen? Indem wir naturgemäß der von ihm überlieferten Botschaft Gottes folgen und unseren Worten konkrete Taten folgen lassen! Dies beinhaltet beispielsweise die Bedürfnisse eines Bedürftigen in Erfahrung zu bringen, für Verbesserung zu sorgen in der Gesellschaft, gegen Ungerechtigkeiten die Stimme zu erheben, da wir nur Gott zu fürchten brauchen, und konkret etwas zu unternehmen! Wenn wir tatsächlich Ṣalāh ausübten auf den Propheten, also seine Botschaft, die er im Namen Gottes verkündete, unterstützen, umsetzen und zu ihr eine Verbindung aufbauen, dann hätten diktatorische Regimes erst gar keine Chance. Wir würden das bloße aussprechen und sinnlose Repetieren sein lassen und würden uns mit rechtschaffenen Taten beschäftigen.

 

2:157 Auf jenen sind Ṣalawāt von ihrem Herrn und Barmherzigkeit und jene sind die Rechtgeleiteten

 

Wir sehen also, dass nicht nur der Prophet diese Unterstützung (Ṣalāh), diese Verbundenheit von Gott erhält, sondern genauso die Menschen, die rechtschaffen handeln. Gute Menschen werden von Gott unterstützt.

 

33:43 Er ist es, der euch unterstützt (Ṣalāh ausübt), und auch seine Engel, damit Er euch aus den Finsternissen ins Licht hinausführt. Und Er ist barmherzig zu den Gläubigen.

 

Sich gegenseitig zu unterstützen bedeutet, mit Gottes Hilfe Auswege aus schwierigen Zeiten und Umständen zu bieten. In diesem Vers wird nochmal deutlich, was die semantische Bedeutung von Salāh ist: Durch die Hilfe, die Unterstützung für die und die Verbundenheit (die Liebe) Gottes und der Engel zu den Gläubigen, die durch ihre Taten Rechtschaffenheit beweisen, aus den Finsternissen ins Licht geführt werden.

Das letzte Verb sallam kann mehrere Bedeutungen wiedergeben. Ein Aspekt ist tatsächlich die Begrüßung und ein anderer die „Sicherheit und Unversehrtheit“. Hans Wehr überträgt dies als „Heil“. Dies, weil die Wurzel s-l-m, von der auch die Wörter Muslim (Gottergebener) und Islām (Gottergebenheit) abstammen, in der Grundbedeutung den Zustand der Unversehrtheit, Widerstandslosigkeit und Tadellosigkeit wiedergibt. Da der erste Teil ein Aufruf für die Unterstützung ist, sehen wir den letzten Teil des Verses 33:56 als Aufruf, für die gegenseitige Unversehrtheit, für das gegenseitige Heil in geistiger und körperlicher Form zu sorgen. Mit all diesen Informationen lässt sich der Vers also sinngemäß genauer wie folgt übersetzen:

 

33:56 Gewiss, Gott und Seine Engel unterstützen den Propheten. O ihr, die ihr glaubtet, unterstützt ihn und sichert in Absicherung

Bücher Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Schlusswort

Mit der hier vorgestellten exegetischen Vorgehensweise eröffnen sich teils bekannte, teils neue Betrachtungsweisen. Dieses Buch ist so Gott will das erste Buch in einer Reihe von weiteren Büchern zum Verständnis der Lesung für unsere heutige Zeit.

Wichtige Themen wie das Kontaktgebet (salāh), die Läuterung (zakāh) und die Pilgerfahrt zur Debatte (ḥadsch) müssen ebenso umfassend analysiert und zusammengestellt werden. Ein Teil dieser Analysen sind bereits auf unserer Webseite alrahman.de verfügbar.

Die islamische Theologie könnte durch interdisziplinäre Arbeiten sehr viel profitieren und sich so wiederfinden in der Fortsetzung der Blütezeit der Gottergebenheit. So zum Beispiel durch Beiträge von Logikern, die die Aussagen der Lesung logisch aufschlüsseln und analysieren. Genauso können weitere Aspekte zu weiteren Einsichten führen, wie etwa die musikalische Komponente der Lesung. Ein weiteres wichtiges Gebiet wäre eine zeitgenössische Rechtsfindung für unsere heutige Zeit ohne den unnötigen Ballast aus dem Mittelalter. Notwendig sind meines Erachtens insbesondere die Ausformulierung einer gottgefälligen Ökologie (Achtung der Schöpfung Gottes bei gleichbleibender Lebensqualität), gerechten Ökonomie (keine moderne Sklaverei im Großen durch Staatsverschuldung und im Kleinen durch zurückzuzahlende Zinsen auf Schulden bei bedürftigen Menschen), koranische Staatstheorie (eine verbesserte allgemeine Erklärung der Menschenrechte und eine verbesserte Form der Demokratie) und von theologisch begründeten Antworten zu Fragen der Bioethik und der Wissenschaftsethik allgemein, die sich aufgrund neuer Technologien stellen.

Die Zeitverschwendung mit der Auseinandersetzung von erfundenen, der Aufklärung im Weg stehenden und wissenschaftlich oft unhaltbaren und dem Propheten zugeschobenen Aussprüchen (aḥādīṯ) entfällt, wenn der Monotheismus wirklich gelebt wird, indem Gottes Wort allein als Quelle der Lebensordnung herangezogen wird.

Die in diesem Buch angeführten Beispiele können alle weiter behandelt und somit um die nötige Tiefe erweitert werden, um der Bedeutungsvielfalt der Passagen aus der Lesung gerecht werden zu können.

Ebenso muss ein Diskurs stattfinden, um die in der Lesung verwendeten arabischen Begrifflichkeiten ins Deutsche zu übertragen, ohne ihren Sinn zu entstellen. Wir können die Menschen nicht zwingen, dass sie zuerst Arabisch lernen müssen, um überhaupt erst in der Lage zu sein, die Lebensordnung Gottes kennenzulernen. Die mühselige Erklärungsnot entfällt für das Wort Muslim, wenn man einfach die deutsche Entsprechung Gottergebener verwendet. Das Verständnis ist gegeben, auch ohne dass man Arabisch können oder kennen muss.

Genauso muss die gottergebene Aufklärung theologisch untermauert werden, wie etwa durch den Ansatz, dass die eingesetzten Wissenschaften eine Begründung und Beweise für die Zeichen Gottes darstellen. Gleichzeitig muss betont werden, dass wenn wir Wissenschaft betreiben, wissenschaftliche Exzellenz das Mindestmaß sein muss, um gegen Gott keine Lügen zu erdichten. Gegen Gott Lügen zu erdichten ist eine offenkundige Sünde (4:50) und eine Handlung der Ungerechtigkeit (6:21). Wenn sich also eine wissenschaftliche Theorie als falsch erweist, so stellt dies eine gegen Gott erdichtete Lüge dar, da Gottes Wirken und Seine Gesetze und Zeichen in der Schöpfung mit einer falschen Theorie beschrieben wurde, was ein Gottergebener niemals dulden darf. Genauso darf eine wissenschaftliche Theorie nicht pauschal ohne tiefgründige Analyse oder Falsifizierung abgelehnt werden, da man ansonsten Gefahr läuft, ein mögliches Zeichen Gottes aus der Natur vorschnell abzulehnen (angelehnt an 10:38–39). Dies wird in 7:37 auch als Akt der Ungerechtigkeit beschrieben. Genauso müssen wir die Wissenschaft dahingehend vorantreiben, dass es den Dienst am Menschen in den Vordergrund rückt. Die Wissenschaft darf nicht rein der Technologie zuliebe vorangetrieben und danach dem Menschen indirekt aufgezwungen werden.

Alles in allem ist die Lesung Gottes Licht für uns in der Dunkelheit, in der wir uns Gottergebene gerade befinden. Die Aḥādīṯ verdunkeln uns den Weg noch, doch wir stehen am Anfang einer aufregenden, vielversprechenden Zeit, in der die Gottergebenen so Gott will beginnen werden, Gottes Wort wieder lebendig zu machen, damit diese die Gesellschaften, in denen sie leben, bereichern und vorantreiben.

Möge uns Gott leiten und nicht vom rechten Weg abführen und uns lehren, uns nicht durch Gelehrten oder sonstige Geistliche, die im Namen Gottes predigen und lehren, täuschen zu lassen.

Möge uns Gott den Dienst am Menschen durch seine Lebensordnung der Gottergebenheit lehren.

Möge uns Gott lehren, der Eigenschaft gottergeben würdig zu sein.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beispiel 4 – Buch und Weisheit: Eine Einheit

3:81 Und als Gott den Bund der Propheten annahm für das, was ich euch an Schrift und Weisheit brachte, kam darauf zu euch ein Gesandter, das bestätigend, was mit euch ist. So glaubt an ihn und helft ihm. Er sagte: Habt ihr zugestimmt und diesbezüglich meine Bürde angenommen? Sie sagten: Wir haben zugestimmt. Er sagte: So bezeugt und ich bin mit euch unter den Bezeugenden

 

Es ist leider so, dass ein erheblicher Großteil der Sunniten und Schiiten glaubt, dass einerseits mit „Schrift“ das Buch, also die Lesung selbst gemeint sei, andererseits die Weisheit etwas anderes sei, was wir erst durch die Aussprüche in den Ḥadīṯ-Büchern erfahren könnten. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn hier begründet sich die theologische Argumentation vieler klassisch-orthodoxer Sunniten oder Schiiten und ihren Anhängern, die damit der Tradition Gewicht verleihen möchten. Diese Tradition beinhaltet unter anderem auch die Steinigung, die Apostasie-Strafe für Abfällige von der Religion, die Sklaverei, die Unterdrückung der Frau und viele weitere Abscheulichkeiten. Deshalb müssen wir diesem Missbrauch der Verse aus der Lesung Einhalt gebieten.

Dass diese Idee, die Weisheit sei in der traditionellen Sunna, auf einem Fehlverständnis der Lesung beruht, werde ich im Anschluss gleich zeigen. Leider hat dies alles damit angefangen, dass ein mittelalterlicher Gelehrter, nämlich Asch-Schāfiʿī meinte, er müsse die auf Vermutungen, Lügen und Hörensagen begründeten Überlieferungen zu einer Offenbarung (waḥiy) erheben, um so der angeblich prophetischen Sunna Legitimität zuschreiben zu können. Diese Leute des Hadīṯ (ahlu-l-ḥadīṯ) waren dermaßen überzeugt von ihrer eigenen Ansicht und sehr aggressiv, dass sie diese Überlieferungen, welche dem Propheten angedichtet wurden, faktisch höher ansahen als die Lesung selbst. Zumindest wurde die Lesung nicht als kategorisch epistemologisch erhabener als ihrer Meinung nach zuverlässige Aussprüche angesehen. Es wird von ihnen auch folgender Spruch überliefert:

 

جاءت السنة قاضية على الكتاب وليس الكتاب قاضياً على السنة

dschā’at as-sunnatu qāḍiyatan ʿalá al-kitābi wa laysa al-kitābu qādiyan ʿalá as-sunnah

Die Sunna kam als Richtende über das Buch (die Lesung) und nicht das Buch als Richtender über die Sunna.118

 

Natürlich werden die heutigen Gelehrten diesen Satz relativieren und sagen, dass damit gemeint sei, die angeblich prophetische Sunna sei dazu da, um eine Erklärung für die in der Lesung „nicht erklärten“ Verse anzubieten. Den ersten Fehler, den sie hierbei begehen: Sie nehmen an, das Buch Gottes hätte nicht bereits die Erklärung in sich für diese Verse (siehe 25:33). Den zweiten Fehler, den sie begehen: Die meisten Aussprüche, selbst wenn sie in der Überliefererkette (Isnad) und im Inhalt oder Text (Matn) beide als authentisch (ṣaḥīḥ) gelten, sind und bleiben immer eine Vermutung und Gottes Lebensordnung kann nicht auf Vermutungen begründet werden. Die Lesung wird nicht durch Vermutungen begründet, sondern durch sich selbst, indem wir Verse im Lichte anderer Verse betrachten.

Die Wurzel ḥā-kāf-mīm (ح ك م), von welcher das arabische Wort für Weisheit abgeleitet ist, beherbergt als Grundbedeutung die Idee der „Weisheit“. Sie kommt in der Lesung in 189 Versen insgesamt 210 Mal vor.119 Aus diesem Grunde werden für Wörter wie „Richter“ oder „Urteil“ Ableitungen dieser Wurzel verwendet, da beispielsweise eine ausgebildete Richterin ohne die eigenen Gefühle ins Zentrum zu stellen bedacht, vernünftig und gerecht Urteile fällen muss. In anderen Worten muss sie weise handeln. Die in der Lesung verwendeten Wortformen sind:

  • 45 Mal als ersten Verbstamm ḥakama (حَكَمَ): urteilen/richten
  • 30 Mal als das Verbalnomen des ersten Verbstammes ḥukm (حُكْم): Urteil
  • Fünfmal als aktives Partizip des ersten Verbstammes ḥākimīn (حَٰكِمِين): Urteilende/Richtende
  • Zweimal als zweiten Verbstamm yuḥakkimu (يُحَكِّمُ): Jemanden zum Richter ernennen
  • Einmal als das aktive Partizip des dritten Verbstammes ḥukkām (حُكَّام): (strafrechtlich) Verfolgender / die rechtlich Zuständigen / Richter
  • Zweimal als vierten Verbstamm uḥkimat (أُحْكِمَتْ): stärken, etwas klar machen
  • Zweimal als passives Partizip des vierten Verbstammes muḥkamāt (مُّحْكَمَٰت) und muḥkamah (مُّحْكَمَة): klar gemacht
  • Einmal als sechsten Verbstamm yataḥākamu (يتََحَاكَمُ): sich gegenseitig vor den Richter bringen, Urteil verlangen
  • Zweimal als die Steigerungsform oder als Elativ aḥkam (أَحْكَم): weiser als / weisest. In der Lesung nominal verwendet als „der Weiseste“ (95:8)
  • Dreimal als das Nomen ḥakam (حَكَم): Schiedsrichter/Vermittler
  • 20 Mal als das Nomen ḥikma (حِكْمَة): Weisheit
  • 97 Mal als das Adjektiv bzw. das Nominal ḥakīm (حَكِيم): weise / der Weise

Wir werden in den nächsten Abschnitten sehen, dass in Tat und Wahrheit die Weisheit und das Buch eine Einheit bilden, die Weisheit also der Lesung innewohnt.

Es gibt viele Arten, wie diese Wurzel in der Lesung verwendet wird. Eins ist aber immer klar: Die Weisheit ist stets Gott und Seiner Offenbarung zu verdanken und die einzige Quelle der Weisheit ist Gott mit Seinem Wort und Wirken.

Wenn wir uns mit der Frage befassen, wie der Prophet urteilte und warum man in der Gottergebenheit nur mit der Offenbarung urteilen darf, so lesen wir:

 

5:48 Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, das zu bestätigen, was von dem Buch vor ihm (offenbart) war, und als Wächter darüber. So urteile (uḥkum) zwischen ihnen nach dem, was Gott herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen entgegen dem, was dir von der Wahrheit zugekommen ist.

 

Hier ist es eindeutig, dass nur nach der Offenbarung zu urteilen erlaubt ist, dass es demnach nur eine Sunna geben kann, nämlich Gottes Sunna. Der Prophet urteilte also nach der Lesung (vgl. auch 7:203) und zwar nur nach dieser. Daraus können wir schließen, dass auch alle vorherigen abrahamitischen Religionen nach ihren jeweiligen Büchern zu urteilen hatten, denn laut der Lesung ist die Gottergebenheit keine neue Religion, sondern die Bestätigung der vorangegangenen Bücher. Bereits Abraham nannte sich und seine Mitgläubigen Gottergebene (22:78).

 

3:79–80 Nicht gebührt es einem Menschen, dass Gott ihm die Schrift, die Weisung (al-ḥukm) und die Prophetie zukommen lässt, und der danach zu den Leuten sagt: Seid mir Diener anstelle Gottes. Sondern: Seid ein Vorbild dabei, wie ihr die Schrift zu lehren und wie ihr zu studieren pflegtet. Und nicht befiehlt er euch, dass ihr die Engel und die Propheten als Herren nehmt. Befiehlt er euch etwa das Ableugnen, nachdem ihr Ergebene seid

 

Wir erinnern uns daran, dass ein „und“ in der Lesung nicht zwangsläufig bedeutet, dass hierbei unterschiedliche Einheiten in einer Aufzählung gemeint wären. Vielmehr sehen wir in diesem Vers auf deutliche Art und Weise, dass sie miteinander eng verbunden sind. Die Prophetie besteht darin, das Buch Gottes als Offenbarung zu erhalten und die darin innewohnende Weisheit den Menschen zu verkünden.

Die Verse 3:79–80 sind auch eine eindeutige Ansage, sich die Propheten nicht zu Herren zu nehmen und sich ganz auf Gott und Sein Wort zu konzentrieren – geradeaus direkt mit Gott die Verbindung aufzubauen, ohne Nebenwege einzuschlagen in religiösen Belangen! Sollten andere ins Zentrum gestellt werden, wo Gott doch die Quelle allen Heils ist? Würde Gott uns die Beigesellung und Ableugnung anordnen? Die einzige Autorität ist und bleibt Gott:

 

42:10 Und worüber ihr auch immer uneinig seid, das Urteil (al-ḥukm) darüber steht Gott zu. Dies ist doch Gott, mein Herr. Auf Ihn verlasse ich mich, und Ihm wende ich mich reuig zu.

 

Auch hier sehen wir wie eben dargelegt, dass das Urteil bei Uneinigkeiten in religiösen Dingen Gott allein obliegt, dass sich der Prophet nur auf Gott verlässt und sich Ihm in Reue zuwendet – sich also ganz auf Ihn einstellt. Ist nicht dies der Monotheismus in seiner schönsten Weise, von unseren Propheten vorgelebt? So folgen wir seinem prophetischen Beispiel und verlassen uns allein auf Gott.

 

4:105 Gewiss, Wir haben dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, damit du zwischen den Menschen richtest (litaḥkuma) auf Grund dessen, was Gott dir gezeigt hat. Sei kein Verfechter für die Verräter!

 

Gott gibt also dem Propheten das Buch, damit er zwischen den Menschen richte. Der Satzteil „was Gott dir gezeigt hat“ bezieht sich auf die in der Lesung vorhandenen moralischen, ethischen wie auch sozialen Prinzipien, die gemäß der Wahrheit offenbart wurden. Dies wird in der Betonung der Wahrheit im Vers sichtbar, die dem Buch innewohnt. Hier wird nochmals die Einheit Gottes ersichtlich, nämlich dass Gott in religiösen Angelegenheiten die einzige Autorität (6:114) und unser einziger Lehrer ist (55:1–2).

Die Lesung liegt uns heute vollständig vor und Gott hat uns dort  alle Urteile, die religiöse Belange betreffen, zu seiner Vollkommenheit mitgeteilt. Gott will im vorangegangenen Vers 4:105 dem Propheten nahelegen, nicht seinen Neigungen gemäß zu handeln. Denn das Buch und ihre Urteile sind eine Sache, die Durchführung und die damit verbundene Konsequenz eine andere. Der Prophet war nämlich nur ein Mensch (18:110) mit allen damit verbundenen Stärken und Schwächen. Denn der Vers 4:105 betont diese Haltung im letzten Satz: „Sei kein Verfechter für die Verräter!“

Und als nächstes muss man sich fragen, wie soll sich eine menschliche Sunna mit den oben behandelten Versen verstehen lassen, die nur der Offenbarung Platz einräumen? Und wieso wird in der Lesung nur Gottes Sunna erwähnt? Darüber hinaus muss die Quelle für die Religion rein und ohne Makel sein und wir finden in der Lesung selbst gleich mehrere Beispiele, die die Sünden des Propheten behandeln (47:19, 48:2). Die Offenbarung selbst wird hingegen als rein bezeichnet:

 

98:2 Ein Gesandter von Gott, der gereinigte Blätter vorliest

 

Wir sehen, eine Offenbarung muss ohne Makel sein und die traditionell gelehrte Sunna ist es nicht. Die traditionelle Sunna ist menschlichen Ursprungs, da bisher niemand behauptet hat, Buchārī oder Konsorten seien ebenso Gesandte Gottes, die in Seinem Namen gehandelt hätten. Allein diese Umstände verunmöglichen es, der traditionellen Sunna irgendeine religiöse Autorität zu verleihen.

Wir fassen das Bisherige zusammen:

  • Gott lehrte den Propheten die Lesung (55:2) und nur die Lesung.
  • Der Prophet wie auch alle Gläubigen dürfen nur dem Herabgesandten, also der Lesung folgen (7:3, 7:203).
  • Der Prophet selbst ist keine weitere Quelle, kein weiterer Herr, wie es 3:80 und 6:19 und auch weitere Verse klar machen.
  • Gott allein steht das Urteil zu (6:114, 5:44 usw.).

Es ist also sehr deutlich, dass der Prophet nur nach dem offenbarten Buch urteilte und keine andere Quelle benutzen durfte und dass nur Gott urteilen darf in religiösen Angelegenheiten. Der Vers 6:114 wird tiefgreifend mit dem Monotheismus verknüpft, denn der Vers sieht nur einen Schiedsrichter vor – Gott allein. Seine Gesetze sind im Buch, die ohne Sekundärquellen auskommen. Die Lesung wurde hier als „ausführlich dargelegt“ beschrieben, somit erübrigt sich die Frage, ob die Lesung Einzelheiten ausgelassen habe, die durch die traditionelle Sunna ergänzt werden müssten. Durch die rhetorische Frage des Verses wird jegliche Quelle außer Gott für überflüssig und auch ungültig erklärt.

 

6:114 Soll ich denn einen anderen Schiedsrichter (ḥakam) als Gott begehren, wo Er es doch ist, der das Buch, ausführlich dargelegt, zu euch herabgesandt hat?

 

Außerdem sagt Gott von der Lesung:

 

11:1 Alif-Lam-Ra. (Dies ist) ein Buch, dessen Zeichen eindeutig festgefügt und hierauf ausführlich dargelegt sind von Seiten eines Weisen und Kundigen.

41:3 Ein Buch, dessen Zeichen ausführlich dargelegt sind, als eine arabische Lesung, für Leute, die Bescheid wissen

 

Es lässt sich aber die Frage stellen, ob Gott denn Seine Befehlsgewalt weiter delegiert und sie in dem Sinne dann indirekt wirken lässt? Gibt es also noch andere Verse, die die Einheit und alleinige Autorität Gottes untermauern und somit die vorige Frage verneinen? Es folgen Verse, die besonders die alleinige Autorität Gottes hervorheben, indem gerade betont wird, dass Er seine Befehlsgewalt nicht aufteilt:

 

18:26 Sag: Gott weiß am besten, wie (lange) sie verweilten. Sein ist das Verborgene der Himmel und der Erde. Wie vorzüglich ist Er als Allsehender, und wie vorzüglich ist Er als Allhörender! Sie haben außer Ihm keinen Schutzherrn, und Er beteiligt an Seinem Urteil (ḥukmihi) niemanden.120

11:12 Vielleicht möchtest du einen Teil von dem, was dir offenbart wird, verlassen und deine Brust ist dadurch beklommen. Dies, weil sie sagen: „Wäre doch ein Schatz auf ihn herabgesandt worden oder ein Engel mit ihm gekommen!“ Du bist aber nur ein Warner. Und Gott ist Sachwalter über alles.

12:40 Anstelle seiner dient ihr nichts außer Namen, die ihr und eure Väter benanntet. Dafür ließ Gott keine Ermächtigung herabsenden. Gewiss, das Richten (al-ḥukm) ist nur Gottes. Er befahl, dass ihr keinem außer ihm dient. Dies ist die wertvolle Lebensordnung, doch die meisten Menschen wissen nicht

6:57 Sag: Ich halte mich an einen klaren Beweis von meinem Herrn, während ihr Ihn der Lüge bezichtigt. Ich verfüge nicht über das, was ihr zu beschleunigen wünscht. Das Urteil gehört allein Gott. Er berichtet die Wahrheit, und Er ist der Beste derer, die entscheiden.121

 

Die vier oben genannten Verse machen mit Aussagen wie „Das Urteil (al-ḥukm) ist allein Gottes“, „Und Er beteiligt an Seinem Urteil (ḥukmihi) niemanden“ oder „Und Gott ist Sachwalter über alles“ klar, dass weitere Quellen neben Gottes Worten keine Autorität haben können. Sie unterstreichen die alleinige Autorität Gottes und zeigen auf, dass es nur die Sunna Gottes gibt. Wenn wir uns die Frage stellen, welche Befugnisse der Gesandte durch Gottes Worte, also durch die Lesung erhält, so finden wir unter anderem folgende Verse dazu:

  • Dem Gesandten obliegt nur die Verkündigung. (5:92, 64:12)
  • Der Gesandte ist nur ein Warner. (88:21, 79:45, 13:7, 11:12)
  • Der Gesandte hat die Botschaft klar zu übermitteln. (16:44)

Es gibt noch viele weitere Verse, die die alleinige Autorität Gottes hervorheben, ich will hier nur mit drei Versen diese Angelegenheit ein letztes Mal verdeutlichen:

 

12:67 … Gewiss, das Richten (al-ḥukm) ist nur Gottes. Auf Ihn vertraue ich und auf Ihn sollen sich die Vertrauensvollen verlassen.

25:2 Er, Dem das Königreich der Himmel und der Erde gehört, Der Sich kein Kind nahm und Der keinen Teilhaber an der Herrschaft hatte und alles erschuf und ihm sein Maß wohlbemessen gegeben hat.

28:70 Und Er ist Gott. Es gibt keine Gottheit außer Ihm. Ihm gehört das Lob im Ersten und im Letzten. Ihm gehört das Urteil, und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht.

 

Nach diesen und anderen Versen ist es schwer eine Gewaltenteilung vorzunehmen, dass auf der einen Seite die Lesung stünde und auf der anderen Seite die menschliche Sunna (entgegen der göttlichen Sunna). Gott, „der keinen Teilhaber an der Herrschaft hat“, und von sich aus sagt, dass das Urteil (ḥukm) allein Seines ist und Ihm das Richten gehört, reicht den Gläubigen aus.

 

12:80 Als sie es bei ihm aufgegeben haben, gingen sie gerettet davon. Der Älteste von ihnen sagte: Wisst ihr nicht, dass euer Vater von euch, auch bevor ihr euch von Josef entledigt habt ein verbindliches Versprechen vor Gott entgegengenommen hat. Ich werde das Land nicht verlassen, bis mein Vater es mir erlaubt oder Gott richtet (yaḥkum Allāh), und er ist der beste der Richtenden (al-ḥākimīn).

95:8 Ist Gott nicht der Weiseste der Richtenden (bi-aḥkami al-ḥākimīn)?

5:50 Erstreben sie etwa das Urteil (al-ḥukm) der Ignoranz? Wer ist ein besserer Richter (ḥukm) als Gott für ein Volk, das überzeugt ist?

 

Wir sehen also überaus deutlich, dass die Weisheit und die daraus abgeleiteten Urteilssprüche Gott allein gehören. Es gibt auch klare Aussagen in der Lesung, dass die Lesung selbst die Weisheit darstellt. Wie etwa in Kapitel 17, in welchem beginnend ab Vers 22 ethische Prinzipien und Gesetze erklärt werden, welche ein Gläubiger umzusetzen hat. Dies geht weiter bis Vers 38 und im darauffolgenden Vers lesen wir:

 

17:39 Diese sind von dem, was dein Herr dir von der Weisheit offenbarte. Und setze zu Gott keine andere Gottheit, sonst wirst du in die Hölle geworfen, verschmäht und verstoßen sein

 

Die vorhergehenden Verse werden also direkt als Teil der Weisheit des Herrn beschrieben. Insofern sehen wir in diesem Beispiel, dass die Verse ein Teil der Weisheit Gottes sind. Im nächsten Schritt werde ich aufzeigen, dass diese laut der Lesung eine Einheit sein müssen. Das Prinzip der Einheit von Buch und Weisheit wird also auch von der anderen Richtung her aufgezeigt.

 

2:231 … So nehmt euch Gottes Zeichen nicht zum Spott und gedenkt Gottes Gunst an euch und dessen, was Er aus der Schrift und der Weisheit (al-ḥikmah) auf euch herabsandte, euch damit zu belehren. Und seid Gottes achtsam und wisst, dass Gott in allen Dingen wissend ist.

 

Auf Arabisch heißt es:

 

ولا تتخذوا ءايت الله هزوا واذكروا نعمت الله عليكم وما أنزل عليكم من الكتب والحكمة يعظكم به واتقوا الله واعلموا أن الله بكل شىء عليم

Transliteration:
wa lā tattachiḏū ʾāyāti-llāhi huzuwān waḏkurū niʿmāta-llāhi ʿalaykum wa mā ʾanzala ʿalaykum min al-kitābi wal-ḥikmati yaʿiẓukum bihi wa-ttaqū-llāha wa ʾaʿlamū ʾanna-llāha bikulli schayʾin ʿalīmun

 

Das große fette Wort im Arabischen wird in der Übersetzung als „damit“ wiedergeben und transliteriert „bihi“ ausgesprochen. Wären nun die Schrift und die Weisheit zwei verschiedene Dinge, müsste für den Bezug auf diese beiden verschiedenen Dinge die Dualform benutzt werden, nämlich bihimā (بهما) oder zumindest der Plural bihim (بهم). Der im Vers verwendete Bezug ist aber singular! Somit sind die Schrift und die Weisheit eine Sache, oder anders gesagt: Die Weisheit wird als der Schrift innewohnend angenommen.

Alles in allem kann bekräftigt werden, dass die traditionelle Aufteilung in Buch als die Lesung und Weisheit als die angebliche prophetische Sunna auf einem missglückten, geradezu peinlichem Fehlverständnis des Begriffs „Weisheit“ und der Wurzel selbst beruht, wobei ich hier etliche Verse zitierte, die Gott allein Autorität zusprechen und die Gott allein als Quelle der Weisheit klarstellen.

gehorcht dem gesandten

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beispiel 1 – Die Aufgabe der Gesandten und „gehorcht dem Gesandten“

Da wir nun die Werkzeuge und die Fallen des Verstehens kennengelernt haben, möchte ich in diesem Teil des Buches unsere Methodik an einigen Beispielen anwenden und beginne mit einer Kurzanalyse des Aufrufs aus der Lesung: Gehorcht dem Gesandten! Ich werde hierbei nicht an jeder Stelle deutlich erwähnen, welcher Schritt wo angewandt wurde, sondern es geht hierbei mehr darum zu vermitteln, was bei einer solchen Methodik für Ergebnisse zu erwarten sind.

Natürlich sind die Beispiele bei Weitem nicht ausschöpfend analysiert worden, denn das ist nicht das Ziel dieses Buches. Bei vielen Beispielen könnte ich noch weiter in die Tiefe gehen. Jedoch möchte ich sie einfach und relativ kurz halten. Vielmehr geht es bei jedem Beispiel um die Betonung verschiedener Aspekte der vorgeschlagenen Methodik.

Wenn Sie nach den Beispielen in diesem Teil ein Gefühl erhalten haben, wie die Anwendung der vorgeschlagenen Methodik im Wesentlichen funktioniert, so bin ich bereits zufrieden.

Sie und ich begeben uns nun auf eine weitere, gemeinsame Reise durch die Lesung.

 

Beispiel 1 – Die Aufgabe der Gesandten und gehorcht dem Gesandten

Die Lesung beinhaltet zahlreiche Stellen, in denen von den Gläubigen gefordert wird, dass sie gegenüber dem Gesandten gehorsam sein sollen, wenn sie Gott gehorchen wollen (3:31–32, 3:132, 4:80, 5:92, 24:52, 24:56, 64:12, 72:23). Dabei stellt Gott aber auch klar, dass Gehorsam gegenüber dem Gesandten in Zusammenhang mit Gehorsamkeit gegenüber der überlieferten Botschaft und nichts anderem steht. Traditionalisten bringen dann gerade aufgrund dieser Verse Argumente vor wie: „Es wird uns befohlen, den Vorschriften Gottes und des Propheten zu gehorchen, was wir nur durch den Koran und die Sunna bewerkstelligen können“. Dass dies auf einem tiefgreifenden Fehlverständnis und einer falschen theologischen Verortung dieser koranischen Aussage beruht, werde ich gleich zeigen.

Erstens ist zu betonen, dass in den besagten Versen der Prophet nur als Gesandter (rasūl) genannt wird. Zweitens ist anzumerken, dass Mohammed auch namentlich erwähnt wird in der Lesung, nämlich dreimal in Bezug auf seine Gesandtenfunktion (3:144, 33:40, 48:29) und einmal in 47:2, in der er im direkten Bezug zur Herabsendung erwähnt wird. Den Vers 61:6 könnte man unter Umständen ebenso hinzuzählen, obwohl dort nicht der Name des Propheten beschrieben wird, sondern eine Umschreibung als „aḥmad“, aber auch dieser Vers betont die Gesandtenfunktion von Mohammed.

Nirgends stoßen wir auf eine Aussage wie „Gehorcht Gott und Mohammed“. Einzig und allein die Aussage „Gehorcht Gott und Seinem Gesandten“ wird verwendet. Also ergibt sich der Gehorsam gegenüber dem Propheten nur in seiner Funktion als Übermittler der Botschaft. Die Lesung selbst wird in einem anderen Vers als „das Wort eines edlen Gesandten“ (69:40) beschrieben und gleich drei Verse später (69:43) als „eine Herabsendung vom Herrn der Welten“, um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen. „Gehorcht dem Gesandten“ bedeutet deshalb nicht, dass er eine persönliche Vorgehensweise hatte, der man gehorchen soll, als ob sie Gottes Offenbarung sei. Gott befiehlt dem Propheten zu sagen, dass er zwar unfehlbar in der Überlieferung der Botschaft ist, aber Fehler begehen könnte, wenn es um seine eigene Meinung geht:

 

34:50 Sage: „Wenn ich irregehe, gehe ich nur aufgrund mir selbst irre. Wenn ich rechtgeleitet bin, so geschieht das durch das, was mir mein Herr offenbart. Er ist hörend und nahe.“

 

Das, was ihm offenbart wurde, ist natürlich die Lesung selbst, was wir leicht aus einer anderen Stelle der Lesung verstehen können (6:19). Der Gesandte darf hierbei in keiner Sache, sei sie noch so klein und scheinbar unbedeutend, von den Richtlinien Gottes abweichen (10:15–18, 17:73–75, 69:40–47). Als er aus Versehen jedoch einmal abwich, wurde er von Gott getadelt und korrigiert (66:1). Die Lesung ist Gottes Buch und Sein Wort an uns. Dennoch hörten sie die Menschen aus dem Munde Seines Gesandten Mohammed (4:13, 9:1, 9:3, 9:29). Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass der Gesandte selbst keinerlei Autorität über die Verordnungen der Lebensordnung (dīn) besitzen konnte. Die Aufgaben des Gesandten, nur Verkünder und Warner zu sein, bedeuten dasselbe, denn der Prophet sprach Gläubige und Ableugner an. Für Gläubige ist es eine frohe Botschaft, eine Verkündigung, für die Ableugner aber eine Warnung (18:56, 6:70 – der Bezug zur Lesung wird in den Versen 6:54 und 6:55 klar).

 

33:21 Für euch ist ja im Gesandten Gottes ein schönes Vorbild…

 

Es wird gefragt, wie man diesem Beispiel folgen kann, ohne eine Quelle zu haben, in der beschrieben ist, wie sich der Gesandte verhielt. Dieser Frage will ich in diesem Buch nicht nachgehen. Den Interessierten empfehle ich die Lektüre meines Artikels „Koranischer oder sunnitischer Mohammed?“.97

In der Lesung ist in zahlreichen Stellen vom Gesandten die Rede, dessen einzige Pflicht die Verkündigung der Botschaft ist (5:92, 5:99, 16:35, 16:82, 24:54, 29:18, 42:48, 64:12), wovon wir zwei Verse zitieren möchten:

 

29:18 … Und dem Gesandten obliegt nur das deutliche Übermitteln.

16:35 Diejenigen, die beigesellten, sagten: „Hätte Gott gewollt, hätten wir nichts an seiner Stelle gedient, weder wir noch unsere Väter, und wir hätten nichts an seiner Stelle verboten.“ So handelten auch diejenigen vor ihnen. Obliegt denn den Gesandten etwas anderes als das deutliche Übermitteln?

 

Es sei hier betont, dass in Vers 16: 35 der Plural des Wortes „Gesandter“ verwendet wird (الرُسُل – ar-rusul) und demzufolge stets ein Bestandteil der göttlichen Sunna (sunnatullah) war, dass sämtliche Gesandten nur diese eine Aufgabe hatten, was das eigenständige Interpretieren der Lesung im Namen Gottes also ausschließt. Die Gesandten haben also nur die Botschaft zu übermitteln.

Eine der vorbildlichen Eigenschaften des Gesandten war es, dass er nur die Lesung befolgte (7:203). Wenn wir seinem Vorbild folgen möchten, dann gilt für uns auch, dass wir nur die Botschaft der Lesung ins eigene Leben übertragen und ebenso an unsere Mitmenschen übermitteln, ohne dabei Missionierung zu betreiben. Wir müssen, wie bereits erwähnt, uns auch daran erinnern, dass der Prophet nicht uneingeschränkt als positives Vorbild dient (9:43, 66:1).

In der Lesung wird der Charakter des Propheten an vielen Stellen umschrieben. Auch er war dem Glauben verpflichtet und hatte sich nur Gott zu unterwerfen. Der Prophet wird an mehreren Stellen ermahnt nicht seinen Neigungen nach zu handeln (2:120, 2:145, 4:135). Schließlich wäre eine menschliche Sunna nicht vollkommen wie Gottes Worte. Wir dürfen laut Gottes Wort auch keinen einzigen Unterschied unter den Gesandten machen (2:285), also können wir uns nicht auf einen einzigen beschränken und nur diesen als Vorbild nehmen. Wir haben auch an Abraham ein schönes Vorbild (60:4), und offensichtlich wurde uns keine „Sunna Abrahams“ überliefert. Die Lesung beschreibt die vorangegangenen Propheten in ihren Geschichten und genau da sind ihre Beispiele und Vorbildfunktionen zu finden:

 

12:3 Wir erzählen dir die besten Geschichten, indem wir dir diesen Quran offenbaren, da du zuvor von den Achtlosen warst.

12:111 In ihren Geschichten war ja eine Lehre für die Verständigen. Es war keine erdichtete Erzählung (ḥadīṯ), sondern eine Beglaubigung für das, was er zwischen den Händen hielt und eine genaue Darlegung für alles und eine Rechtleitung und Barmherzigkeit für die Leute, die glauben.

 

Des Weiteren führen traditionell eingestellte Muslime gerne folgenden Vers an:

 

59:7 … Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch. …98

 

Hier soll also die „Sunna“ gemeint sein, die über den Gesandten gesammelt sein soll. Doch wenn man den Kontext des Verses anschaut, wird schnell klar, dass hier etwas völlig anderes gemeint ist:

 

59:7 Was Gott Seinem Gesandten von den Leuten der Dörfer an Gütern zugeteilt hat, das gehört Gott, Seinem Gesandten und den Verwandten, den Waisen, den Armen und dem Obdachlosen. Dies, damit es nicht nur im Kreis der Reichen von euch bleibt. Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt an, und was er euch unterbindet, dessen haltet euch fern. Und seid Gottes achtsam. Gewiss, Gott ist hart in der Bestrafung.

 

Hier geht es also um die Beuteaufteilung, die von Gott dem Gesandten zugeteilt wird. Es wird nicht pauschal mitgeteilt, dass wir das Verhalten des Propheten blindlings annehmen sollen. Das Prinzip der Nachahmung (at-taqlīd) in der traditionellen Betrachtungsweise hat hier keinen Bestand. Vielmehr ist es so, dass der Gesandte Gottes von Gott eben Anordnungen mittels Offenbarungen erhält, die er zu verkünden und zu übermitteln hat. Diesen Anordnungen müssen wir Folge leisten, und genau in dem Sinne ist dann der Ausdruck „Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch.“ zu verstehen. Genau so und nicht anders wird dann auch der Schlusssatz im Vers besonders bedeutsam, indem wieder auf Gott hingewiesen wird, dass wir Gottes achtsam sein sollen.

Einer der weiteren häufig angeführten Verse ist 16:44:

 

16:44 … Und wir haben zu dir die Ermahnung hinab gesandt, damit du den Menschen klar machst, was ihnen herabgesandt wurde, und auf dass sie nachdenken mögen.99

 

Hiermit wird behauptet, dass der Ausdruck „damit du klar machst“ meine, der Gesandte brächte außerkoranische, zusätzliche eigene Erklärungen. Oft wird der Versteil dementsprechend als „damit du den Menschen erklärst“ übersetzt. Der Vers sei ein klarer Beweis dafür, dass wir das Verhalten und die Ansichten des Propheten zu befolgen hätten, um die Lesung vollends zu verstehen. Wenn wir diesen Vers auf diese Weise auslegen, widerspricht dies den zuvor genannten Versen, die Gott die alleinige, absolute Autorität zusprechen. Darüber hinaus lassen die Verse 75:19, 25:33 und 55:2 keinen anderen Schluss zu, als dass in erster Linie Gott die Lesung erklärt. Er hat uns die Lesung vollständig herabgesandt (6:114, 5:3). Sein Buch ist in Wahrheit und Weisheit vollkommen (6:115), und deshalb sollte der Prophet nur nach dem urteilen, was darin steht (5:44, 5:48). Es herrscht auch weitgehend Einigkeit, was diese Frage betrifft.

Schaut man 20 Verse weiter, sehen wir in 16:64 folgendes stehen:

 

16:64 Und Wir haben auf dich das Buch nur hinabgesandt, damit du ihnen das klar machst, worüber sie uneinig gewesen sind, und als Rechtleitung und Barmherzigkeit für Leute, die glauben.100

 

Auch hier wird wie in 16:44 das Wort „litubayyina“ benutzt, muss aber in der Bedeutung von „klar übermitteln“ verstanden werden, denn selbst wenn man mit „erklären“ (im Sinne von ausführlich verständlich machen durch den Propheten) übersetzen will, ist dies nur mit der Lesung selbst zu tun. 16:64 lässt nämlich nur eine Möglichkeit zu: Die einzige Bedingung ist die Erklärung oder die Klarmachung von dem, „worüber sie uneinig gewesen sind.“ Dies aber auch eben nur mit der Lesung, denn nur dazu wird sie hinabgesandt. Würde man in diesem Vers mit „erklären“ im Sinne von „zu verstehen machen“ übersetzen, also dass der Prophet eigenmächtig auslegen muss, damit die Lesung verständlich wird, würde das dem Sinn des Verses widersprechen, nämlich dem einzigen Grund, warum die Lesung hinabgesandt wurde. Folgender Vers unterstreicht diese These:

 

69:44–47 Und wenn er sich gegen uns einige der Aussagen selbst in den Mund gelegt hätte, hätten wir ihn gewiss an der Rechten gefasst. Danach hätten wir ihm sicherlich die Schlagader durchschnitten, und niemand von euch hätte ihn davor bewahren können.

 

Aus der Lesung wird ersichtlich, dass der Gesandte damals eine untergeordnete Rolle zu spielen hatte, sofern es die Auslegung und Interpretation der Schrift betraf. So steht in 10:15, dass er die Lesung nicht aus eigenem Antrieb ändern durfte. Wie oft wird der Prophet angehalten, nicht seinen Neigungen zu folgen und nur der Offenbarung zu folgen (2:120, 2:145, 5:48, 7:3, 10:15, 46:9, usw.)? Des Weiteren wird aus 25:33 nochmals deutlich, dass er eine passive Rolle innehatte, da die besten Erläuterungen (aḥsan tafsīr) ihm als Offenbarungen weitergegeben wurden. Wir können also dem Propheten nacheifern, indem wir unsere religiösen Antworten nur in der Offenbarung suchen.

Weiterlesen: Schlüssel zum Verständnis des Koran: Erklären, Offenbarung und Gehorsam

Siehe auch: Die erfundene Religion und die Koranische Religion – Kapitel 27: Was bedeutet „Gehorcht dem Gesandten“?

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Die Bezeugung als Heilmittel

Den aufmerksamen Studenten der Lesung stellt sich die Frage naturgemäß früh, wie man sich aus dem Zustand der Beigesellung befreien kann, wenn die Beigesellung eine unverzeihliche Sünde darstellt (4:48). Welches sind die ersten notwendigen Schritte? Was muss ich beachten, um nicht nach der Befreiung von der Beigesellung wieder erneut in diese Falle der Beigesellung zu tappen?

Es erscheint plausibel, dass wenn die Beigesellung unter anderem solches Übel wie zuvor beschrieben verursachen kann, das Gegenteil der Beigesellung, also die Vereinheitlichung der Autorität und die Akzeptanz der Einheit Gottes in jeglichen Belangen die Heilung mit sich bringen wird. In der Tat ist auch der erste Schritt zum Glauben, sich vollends Gott zu ergeben (aslama). Denn wie uns in den Versen 49:14–15 mitgeteilt wird, kommt vor der inneren Sicherheit, einem überzeugten Glauben (Īmān) die Ergebung, die Gottergebenheit (Islām). Der Glaube ist hierbei die gesicherte Überzeugung der Gegenwart Gottes in uns und um uns herum, also die Sicherheit im Herzen für sich selbst als auch die Sicherheit vor den Einflüssen der Satane. Wieso beschreibe ich den Glauben als gesicherte Überzeugung? Anders als üblicherweise so auf Deutsch wahrgenommen bedeutet Glaube (Īmān) nicht blindes Vertrauen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Wort um eine gefestigte, gesicherte Überzeugung sowohl aufgrund persönlicher Erfahrungen (subjektive Beweise) als auch aufgrund langen Studiums und wissenschaftlich gestützter Erkenntnisse (objektive Beweise) in der Wirkung und Wahrhaftigkeit der Worte und Zeichen Gottes in der Lesung wie auch in der Natur. Die Wurzel von ʾĪmān ist alif-mīm-nūn (ا م ن), was stets mit einer Sicherheit in der Grundbedeutung der Wurzel zu tun hat.75 Aus diesem Grund darf „Glaube“ in dem Sinne, wie es in der Lesung verwendet wird, nicht verwechselt werden mit der gemeinhin wahrgenommenen, deutschen Bedeutung von „Glaube“. Der gottergebene (islamische) Glaube ist eine auf Vernunft und Erfahrung aufbauende Sicherheit im Herzen und kein blindes Vertrauen. Diese Überzeugung dringt erst später in die Herzen ein (49:14–15), nämlich erst nach der Ergebung (Islām), also erst nachdem man ein Gottergebener (Muslim) wurde.

Erst muss man sich komplett lossagen von jeglichem Bezug zu dieser Welt und sich allein Gott dem Erlöser ergeben, Ihn allein als Quelle allen Heils akzeptieren. In dieser Ergebung ist die bewusste Bezeugung (schahādah) der Einheit Gottes (tawḥīd) als die zentrale Botschaft in jeglicher Hinsicht des Monotheismus zu verstehen. Man legt sein Seelenheil und sein Herz vollständig und allein in die Hand Gottes.

Die Bezeugung der Ergebung ist der folgende Ausdruck:

Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer dem Gott gibt.

Dies ist die vollständige Bezeugung der Ergebung. Kein weiterer Satz ist laut der Lesung nötig, um sich als Gottergebener (Muslim) zu identifizieren (3:18–19, 6:19). Dieser Satz und seine Bedeutung beherbergen das Heilmittel gegen den Virus der Beigesellung.

Die als erste Säule der Gottergebenheit bekannte Bezeugung (schahādah) dient dazu, sich zum Glauben zu bekennen, dass es keine andere Gottheit außer dem einen Gott gibt. Die arabische Entsprechung der Bezeugung lā ilāha illa-llāh und ihre Variationen davon76 kommen in der Lesung in 35 Versen 36 Mal vor und wird nirgends mit einem anderen Namen zusammen erwähnt bzw. ergänzt. Sich mit dieser Bezeugung nicht zu begnügen, während wir uns zum Glauben des einzigen Gottes bekennen, Gott allein nicht für ausreichend zu empfinden und neben Seinem Namen irgendwelche andere Namen zu erwähnen, stellt eine Form der Beigesellung dar. Als ob dieser Zustand nicht ausreicht, ist derjenige Vers, der die Bezeugung für alle Gottergebenen festlegt, der einzige Vers (3:18), der diese Bezeugung im selben Vers wiederholt, um die klare Botschaft zu vermitteln, dass kein Name irgendeines Gesandten erwähnt werden muss.

 

3:18 Gott bezeugte, dass es keine Gottheit gibt außer ihm, auch die Engel und die im Wissen Herausragenden, stehend für die Gerechtigkeit. Es gibt keine Gottheit außer ihm, dem Ehrenvollen, dem Weisen.

 

Jahre nach dem Ableben des Propheten Mohammed wurde dem gemeinsamen Spruch aller göttlichen Religionen „Es gibt keine Gottheit außer dem Gott“77 der Name Mohammed beigefügt. Mit dieser Handlung haben jene, die seinen Namen hinzugefügt haben, gegen viele Grundsätze der Lesung verstoßen, allen voran aber sich der Beigesellung schuldig gemacht. In gewissen Moscheen wurden neben Gottes Namen (nebst dem Namen Mohammeds) die Namen wie Abu Bakr, ʿUmar, Uṯman, ʿAli, Ḥasan und Ḥussein und andere idolisierte Namen beigesellt. Die Schiiten haben eine andere Form der Götzenkollektion und haben ihre Moscheen mit den entsprechenden Namen ihrer „Lieblinge“ versehen. Es gibt in der gesamten Lesung nur vier Verse, welche Mohammeds Namen beinhalten. Es kann Einwände geben, ob es denn falsch sei, diese Verse an die Wand der Moschee zu hängen. Wie wäre es, wenn man die Verse über die Hölle an die Wand hängt? Was ist mit den Versen über Jesus oder Moses? Was ist mit den Versen über die Heuchler und Lügner? Wenn die Wände der Gebetsstätten mit der ganzen Lesung verziert wären, gäbe es kein Problem. Aber wenn gewisse Verse ausgewählt werden, dann kommt es darauf an, welche Absicht dahintersteckt, um sicher zu sein, dass man nicht beigesellt. Wenn aus der Lesung Verse ausgewählt werden sollen, sollten wir nur die Verse nehmen, die allein über Gott berichten, wie zum Beispiel 39:44–45 oder 39:11–12. Nebenbei: Es gibt keine Pflicht, Verse an die Wand von Moscheen zu hängen!

 

2:285 Der Gesandte glaubt an das, was von seinem Herrn zu ihm herabgesandt worden ist, und (mit ihm) die Gläubigen. Alle glauben an Gott, seine Engel, seine Schriften und seine Gesandten: „Wir machen bei keinem von seinen Gesandten (den anderen gegenüber) einen Unterschied.“ Und sie sagen: „Wir hören und gehorchen, (dies ist) Deine Vergebung, Herr! Bei dir wird es (schließlich alles) enden.“

 

So wie bereits schon einige Christen haben viele sogenannte „Gottergebene“ (Muslime) die Gesandten unterschiedlich bewertet und stellten der Lesung widersprechende Behauptungen auf. Es wurden Hunderte von Aussprüchen (Aḥādīṯ) und Wundergeschichten erfunden, um den Propheten Mohammed über alle anderen Propheten zu erheben. Beispielsweise wurde das Geschwätz des „heiligen Ausspruchs“ (Ḥadīṯ qudsī), welcher besagt, dass das gesamte Universum nur wegen Mohammed erschaffen worden sei, Gott zugeschrieben:

 

law lāka law lāka lamā chalaqtu-l-ʾaflāka

In etwa wörtlich: Wärst du nicht gewesen, wärst du nicht gewesen, hätte ich die Universen nicht erschaffen!

 

Andererseits existieren zahlreiche Aussprüche, die Mohammed als Sex-Psychopathen darstellen. Allen voran ist das Buch von Buchārī voll mit abscheulichen Übertreibungen über das sexuelle Privatleben des Propheten. Diese sind heute dorthin zu verbannen, wo sie hingehören: in die Geschichte. All diese Erfindungen wurden dem Propheten aus unterschiedlichen Gründen angedichtet, etwa um religiöse Macht auszuüben, die eigenen sexuellen Triebe zu rechtfertigen und um die Massen in Schach halten zu können. Die verherrlichten Gelehrten, die ihre eigenen Sexfantasien dem Propheten Mohammed zugeschoben haben, werden ihre Taten zu rechtfertigen haben (6:112).

 

39:45 Wenn Gott ALLEIN genannt wird, schrecken die Herzen derjenigen, die nicht ans Jenseits glauben, zusammen in Abstoßung. Aber werden Idole neben Ihm genannt, beginnen sie sich wieder zu freuen.

 

Die große Mehrheit der „Muslime“ beharrt trotz der in Vers 3:18 mitgeteilten Bezeugung der Gottergebenheit darauf, Mohammeds Namen in der Bezeugung miteinzuschließen. Dieses Kriterium aus 39:45 stellt klar, dass diejenigen, die sich nicht daran erfreuen können, dass Gottes Name allein erwähnt wird, und auf jeden Fall Mohammeds Namen (oder auch irgendeinen anderen Namen) äußern möchten, in Wahrheit nicht ans Jenseits glauben, da sie sich nicht bewusst sind, dass sie gerade in dieser Angelegenheit geprüft und vor Gott gebracht werden. Jene, die nicht wirklich ans Jenseits glauben, sagen aus, dass die Lesung zum Verstehen zu schwer sei, und sie selbst dürfen laut 17:46 die Lesung nicht verstehen.

Einige Leserinnen und Leser fragen sich sicher auch, was es mit dem folgenden Vers auf sich habe, ob er nicht bestätige, dass wir Mohammeds Gesandtschaft zu bezeugen hätten.

 

3:86 Wie soll Gott ein Volk rechtleiten, das ableugnete, nachdem es glaubte und bezeugte, dass der Gesandte rechtmäßig ist, und zu ihnen kamen ja die Klarheiten. Doch Gott leitet das Volk der Ungerechten nicht recht.

 

Es steht in der Tat eine Ableitung der Wurzel sch-h-d (ش ه د) im Vers, die allgemein fürs Bezeugen von etwas steht. Betrachten wir die 160 Stellen in den 123 Versen78, in welchen Ableitungen dieser Wurzel vorkommen, so verstehen wir, dass diese Wurzel in unterschiedlichen Nebenbedeutungen verwendet wird.

„Bezeugen“ bedeutet in der Lesung nebst der offensichtlich wörtlichen Bedeutung auch

  • am Leben zu sein und den Monat Ramadan zu bezeugen (2:185) oder auch am Jüngsten Tag den Tag selbst erst nach dem Tod zu erleben (19:37),
  • eine Sache oder Angelegenheit, die für sich selbst offenbar ist (9:94, 9:105, 13:9),
  • durch Schlussfolgern und Gebrauch des Verstandes eine Angelegenheit im Hier und Jetzt nachzuvollziehen (12:26),
  • die Wahrheit im Hier und Jetzt zu erkennen (5:83, 22:28),
  • dass man nicht Zeuge sein kann, wie und wann Gott etwas offenbarte (6:144), da man dabei nicht anwesend sein kann,
  • die Anwesenheit von Engeln, die uns im Hier und Jetzt wahrnehmen (z.B. 17:78),
  • im Hier und Jetzt sich zu beraten und auszutauschen (27:32).

Insbesondere Verse wie 28:44, 37:150 oder 2:133 legen die Bedeutung dieser Wurzel fest, dass man stets im Hier und Jetzt etwas bezeugen kann. Insofern erhält dieser Vers auch eine besondere Betonung, wenn die Zeugen nach den Propheten noch einmal für sich erwähnt werden.

 

39:69 Die Erde wird im Licht ihres Herrn erstrahlen. Die Schrift (mit allen Angaben über die Taten der Menschen) wird hervorgeholt werden. Die Propheten und die Zeugen werden vorgeladen. Über die Menschen werden die Urteile gefällt, und niemandem soll Unrecht geschehen.79

 

Wir sehen also, dass die Propheten nicht immer Zeugen sein können, sondern höchstens für ihr eigenes Volk. Dadurch ergeben Verse wie 25:30 Sinn, dass der Prophet Mohammed erst am Jüngsten Tag begreifen wird, dass diejenigen, die sich „Gottergebene“ nennen, die Lesung verlassen haben! Erst am Jüngsten Tag bezeugt er dies, weil er erst dann den Umstand wahrnimmt und erkennt.

Die Art von Bezeugung, von der in 3:86 also die Rede ist, bezweckt eine andersartige, nicht wörtlich ausgesprochene Bezeugung. Es geht mehr um eine zeitlich bedingte Überzeugung, nämlich dass man überzeugt ist, dass Mohammed ein Gesandter war aufgrund seiner Botschaft, die er übermittelt hat. Das Volk war zugegen, wir aber nicht. Wir können also keine direkten Zeugen sein. Doch mit „Gesandter“ ist darüber hinaus nicht nur die Person Mohammeds gemeint, sondern auch die Lesung selbst, die ja zu uns durch den Gesandten übermittelt wurde, uns also auch zugesandt wurde. In dem Sinne kann man sagen, dass man zuerst zu bezeugen hat, dass die Lesung wahrhaftig ist, um überhaupt ein Gottergebener sein zu können. Wir können den Gesandten, also die Lesung, im Hier und Jetzt bezeugen. Den verstorbenen Menschen Mohammed, der nur einer unter vielen Gesandten ist, können wir nicht mehr bezeugen. Es geht hierbei um die innere Einstellung der Sache gegenüber, nicht, dass man irgendwelche Sätze in Form von Formeln über die Lippen bringt. Diese Glaubensformel, die Bezeugung der Ergebung, wurde nämlich bereits in 3:18–19 unabänderlich festgelegt.

Ich sage nicht, dass es eine Beigesellung darstellt, den Propheten Gottes als Diener und Gesandter anzusehen (mit dem Herzen zu bezeugen). Vielmehr besteht die Beigesellung darin, ihn oder irgendjemanden in der ausgesprochenen Bezeugung zu erwähnen, die nur Gott alleine gebührt (39:45, 3:18–19). Die Bezeugung, das erste Gebot Gottes, soll der ganzen Welt sagen, dass es nur einen Gott gibt, der immer existierte und für immer bleibt. Gott erwähnte ja den Propheten in der Lesung als Seinen Diener und als Seinen Gesandten. Deshalb glauben wir ohne Zweifel an diese Worte, die von Gott direkt kommen. Doch die Gesandtschaft des Menschen Mohammed bezeugen im Sinne einer aktiven Erfahrung können weder Sie noch ich, denn der einzige Zeuge, der es mit Sicherheit weiß, ist GOTT alleine.

 

2:133 Oder wart ihr Zeugen, als Jakob dem Tod nahe war? Da sagte er zu seinen Kindern: Was dient ihr nach mir. Sie sagten: Wir dienen deinem Gott, dem Gott deiner Väter Abram, Ismael und Isaak, einem einzigen Gott und ihm sind wir ergeben.

 

Hier antworten wir: Nein Gott, wir waren nicht Zeuge, aber wir glauben an sämtliche Deiner Worte, da wir unbedingtes Vertrauen in Dich haben und weil wir uns vollends Dir ergaben. Zwischen der Überzeugung, dass etwas geschehen ist, und dem Bezeugen einer Angelegenheit liegt ein großer Unterschied, der im soeben zitierten Vers angesprochen wird. Das Zeugnis Gottes entnehmen wir aus der Lesung, denn das ist die richtige Lehre ohne Zufügung oder Verminderung. Wer ist dann wahrhaftiger als Gott und Seine Lehren?

 

3:18 Gott bezeugte, dass es keine Gottheit gibt außer ihm, auch die Engel und die im Wissen Herausragenden, stehend für die Gerechtigkeit. Es gibt keine Gottheit außer ihm, dem Ehrenvollen, dem Weisen.

 

So bezeugen es Gott, die Engel und die Wissenden. Doch die, die nicht wissen, fügen Mohammed oder sonst irgendwelche ihrer Vorfahren diesem allerwichtigsten Satz hinzu.

Es ist leider oft so, dass Menschen blind das wiederholen, was sie von ihren Vätern gelernt haben. Das ist aber nicht der Sinn des Lebens. Denn sonst hätten wir genauso gut in irgendeiner anderen Gemeinde aufwachsen können und hätten dieselben Sätze wiederholt, die von dieser Gemeinde vorgegeben werden, ohne dabei nachzudenken, was richtig oder falsch ist. Der Grundsatz der Bezeugung ist hier im Vers deutlich zu sehen:

 

7:172 Und als dein Herr aus den Kindern Adams, aus ihren Rücken, ihre Nachkommenschaft nahm und sie gegen sich selbst zeugen ließ: „Bin Ich nicht euer Herr?“ Sie sagten: „Doch, wir bezeugen (es)!“ (Dies,) damit ihr nicht am Tag der Auferstehung sagt: „Wir waren dessen unachtsam“80

 

Der Glaube an Mohammed als den letzten Propheten und als ein Gesandter Gottes (33:40) sowie der Glaube an alle Propheten und Gesandten (2:285) ist der Grundsatz unserer Lebensordnung (dīn) und darf nicht fehlen, doch die ausgesprochene Bezeugung gebührt Gott alleine, denn Er hat ja die Welt erschaffen, und weder Mohammed noch irgendein Engel haben etwas mit der Bezeugung zu tun.

Der Irrglaube, man müsse Mohammed in der Bezeugung erwähnen, stammt von den Aussprüchen (Aḥādīṯ) ab. Aussprüche hin oder her. Die Religion ist Gottes und nicht in den Geschichten der Ahnen, die fälschlicherweise dem Propheten angedichtet wurden. Wenn wir etwas über Mohammed oder einen anderen Propheten wissen wollen, dann entnehmen wir das entsprechende Wissen aus einer sicheren Quelle: Die vom Schöpfergott offenbarte Lesung. Vermutungen können die Wahrheit niemals ersetzen.

 

10:36 Und die meisten von ihnen folgen bloß einer Vermutung; doch Vermutung nützt nichts gegenüber der Wahrheit. Siehe, Allah weiß recht wohl, was sie tun.81

 

Solche Vermutungen wie die Überlieferungen, die über einem Jahrhundert nach dem Tode des Propheten entstanden sind, enthalten leider viel Beigesellung (schirk). Ich will auch nicht die Lebensordnung Gottes nach meiner Vorstellung definieren, ich fordere nur dazu auf, Gottes Buch zu öffnen und mit mehr Verstand zu lesen. Denn nur so kann jeder wissen, ob das menschliche Gerede in den Aussprüchen (Aḥādīṯ) und auch sonst wo der Wahrheit entspricht oder nicht. Und nur so erlangt man die Freiheit des Denkens und der Selbstbestimmung. Denn jede Seele ist für sich verantwortlich. Die Gelehrten werden niemanden von der Hölle fernhalten können.

 

53:23 Es sind nichts außer Namen, die ihr und eure Väter benanntet, und für die Gott keine Ermächtigung herabsandte. Denn sie folgen nichts außer der Vermutung und dem, wozu die Seelen neigen, obwohl ihnen von ihrem Herrn die Rechtleitung zukam.

 

Edip Yüksels Kommentar zu diesem Vers:

 

„Die Beigeseller Mekkas besaßen eine abstrakte Auffassung des Polytheismus, der Beigesellung. Zu Zeiten Abrahams, in denen die Anbetung von Statuen weit verbreitet war, wurden die Formen der Beigesellung zwangsweise auf Grund der Bemühungen Abrahams verändert. Die Beigeseller, die glaubten, sie würden dem Weg Abrahams folgen, dachten, dass sie Monotheisten seien (6:23; 16:35), während sie die Namen der verstorbenen „Heiligen“ und der Engel, von denen sie glaubten, dass sie Gott nahe stünden, zwecks Fürsprache gedachten (39:3). Die Beigeseller haben nach Mohammed behauptet, dass die mekkanischen Beigeseller Statuen anbeteten, um die Ähnlichkeit zwischen ihnen und den mekkanischen Beigesellern zu vertuschen. Sie gedenken auf ähnliche Art und Weise der Namen von Mohammed, seinen Gefährten und von „Heiligen“ erneut zwecks Fürsprache. Laut Koran fasteten, pilgerten und beteten die Götzendiener Mekkas (8:35; 9:19,45,54; 2:199).“

 

Etwas Wichtiges möchte ich an dieser Stelle deutlich betonen:

Ein bloßes Aussprechen dieses Satzes der Bezeugung ist keinerlei Garantie für eine sofortige Heilung. Bezeugen mit den Lippen ist einfach und im schlimmsten Fall eine Selbsttäuschung (2:8–9). Erst das Verstehen, Fühlen und Umsetzen, also das Ausleben und das Bezeugen dieses Satzes im Herzen und mit jeder Faser des Körpers führt dazu, dass man sich von der Ignoranz befreit (48:11, 49:3). Erst, wenn wir Gott gegenüber die nötige Ehrfurcht empfinden, wie es Ihm gebührt, werden wir uns und unsere Seelen befreien können (39:67, 36:60, 39:17).

Eine kurze Auflistung der wichtigsten Überzeugungen, welche die Einheit Gottes ausmachen:
Die Weisheit und die Befehlsgewalt sind bei Gott allein. (12:40, 13:41, 4:174–175, 4:65, 33:36, 69:44–46, 6:14, Sura 114, 27:60–64, 21:22) Die Befreiung des eigenen Selbst wie auch von anderen von jeglichen Fesseln ist die ständige Aufgabe des Gottergebenen: Gott ist das einzige Ziel, der Dienst ist in erster Linie nur Ihm gegenüber (1:5, 3:64, 51:56), wobei keine intellektuelle, spirituelle, kulturelle, ökonomische oder sonstige Quelle, in menschlicher oder schriftlicher Form, als nicht hinterfragbar gelten kann. Gott allein ist der Absolute im Zentrum, und Gott allein ist die nicht hinterfragbare Autorität. Dies bedeutet beispielsweise als direkte Konsequenz, dass keine Form von Sklaverei Bestand haben kann, da Sklaverei bedeutet, Menschen als „Herren“ über andere zu erheben. Zur Sklaverei komme ich im zweiten Teil des Buches zurück. Dies bedeutet auch die Herausforderung der herrschenden Klasse, weil keine Regierung unbedingtes Vertrauen genießen kann.82

Der Gottergebene hat fernzubleiben von der Ableugnung Gottes und von der Ablehnung Seiner Zeichen in der Natur, den Himmeln und der Erde und in den Menschen. Dies bedeutet das eigene Bewusstsein dahingehend zu schulen, dass die Psychologie, die Mentalität der Ableugnung (kufr) bereits früh erkannt und abgelehnt wird.83 Auch die Ableugnung wird im zweiten Teil behandelt.

Es gilt das Prinzip: Keine Übertreibung (ghulū – غلو) im eigenen Glauben, indem wir uns ein Beispiel an den Leuten der Schrift nehmen. (4:171, 5:77 – Dies sind sämtliche Verse der Wurzel von ġulū.)

Es gibt laut Gottes Wort nur Gottes Sunna (tawḥīdu sunnatillah): mit „Sunna“ ist hier dasselbe Wort gemeint wie bei der dem Propheten nachträglich zugeschobenen „prophetischen Sunna“ (sunna nabawiyya). Sunna bedeutet hierbei „Weg“ oder „Gesetz“. Die Lesung verwendet dieses Wort nur in Bezug auf Gott und lässt uns unmissverständlich verstehen, dass Gottes Gesetz und Weg allein maßgebend sind und Sein Gesandter nichts Weiteres verkünden durfte. Gottes Weg allein ist die Sunna, das Gesetz. Dies betrifft nicht nur Sein an uns offenbartes Buch, sondern sämtliche Aspekte des Lebens, wie etwa Seine Naturgesetze, Sein Willen, Seine Barmherzigkeit usw. Das heißt, dass wir diesbezüglich keinen Kompromiss eingehen dürfen und zum Beispiel auch die Pflicht haben, eine gesunde, langfristig orientierte Einheit mit der Natur herzustellen. Jeder andere Weg als Gottes Sunna ist zum Scheitern verurteilt. (23:84–85, 19:93, 2:116, 39:67, 4:79, 34:28, 2:85, 2:44, 3:83, 22:18, 34:3, 2:29, 16:10–14, 57:3, 28:88)

Eine weitere Pflicht einer Gottergebenen oder eines Gottergebenen ist das Lesen und Studieren der Zeichen Gottes in der Lesung und in der Natur, um nicht dieselben Fehler unserer Vorfahren zu begehen (55:5, 10:5, 3:137, 6:11, 12:109, 16:36, 27:69, 29:20, 30:9, 42, 35:44, 40:21, 40:82, 47:10, 96:1, 22:46, 55:1 ff.). Sie haben dabei ihren Verstand zu gebrauchen und ihre Sinne optimal einzusetzen (10:100, 8:22, 17:36, 39:18, 10:38 – 39, 74:30, 2:269, 3:7, 13:19, 38:29). Wissenschaftliche Disziplinen wie Mathematik oder Physik, Biologie oder Chemie müssen bis zur Exzellenz vorangetrieben werden, um den Glauben mit tiefer Überzeugung sichern zu können. Siehe hierzu allgemein die 49 Verse und den Kontext dieser Verse, in denen die Wurzel zu „Verstand“ vorkommt: 2:44, 2:73, 2:75, 2:76, 2:164, 2:170, 2:171, 2:242, 3:65, 3:118, 5:58, 5:103, 6:32, 6:151, 7:169, 8:22, 10:16, 10:42, 10:100, 11:51, 12:2, 12:109, 13:4, 16:12, 16:67, 21:10, 21:67, 22:46, 23:80, 24:61, 25:44, 26:28, 28:60, 29:35, 29:43, 29:63, 30:24, 30:28, 36:62, 36:68, 37:138, 39:43, 40:67, 43:3, 45:5, 49:4, 57:17, 59:14, 67:10.

Es darf kein Stammestum, kein Rassismus, keinerlei Bevorzugung aufgrund irgendwelcher Zugehörigkeit oder gewissen Eigenschaften vorherrschen. Wir sind sozusagen als eine große Familie mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Hautfarben anzusehen. (49:13, 21:94, 4:1, 11:61, 16:5–7, 16:9, 16:22, 30:22)

Der Gottergebene hütet sich davor, seine eigenen Wertvorstellungen Gott aufzuerlegen. Beispiel: Er hütet sich vor der Illusion, dass nur weil eine Minderheit einer gewissen Meinung ist, diese Meinung nicht die Wahrheit sein kann, da Gott es angeblich nicht zulassen würde, dass so viele Menschen in die Irre gehen. Hier wird der Fehler gemacht, dass man das eigene Empfinden zu einem universalen, ja Gott angedichtetem Gesetz erklärt. Die Wahrheit braucht nicht die Mehrheit, um die Wahrheit zu sein. Gott ist nicht auf die Mehrheit angewiesen.

Insofern ist es zwar keine Garantie, immerhin aber ein positives Zeichen, dass die wahren Gläubigen in der Minderheit sind. Die Geisteshaltung, sich aufgrund der eigenen Mehrheit zu brüsten, wird von Gott scharf kritisiert (72:24). Der Mehrheit anzugehören ist kein positives Zeichen, wie den Versen der Lesung deutlich zu entnehmen ist:

  • Man geht in die Irre, wenn man der Mehrheit folgt. (6:116)
  • Die Mehrheit weiß nicht, dass Gott Zeichen herabsenden kann. (6:37)
  • Die Mehrheit weiß nicht, dass Gott den Lebensunterhalt beschert und Er der Versorger ist. (34:36)
  • Die meisten der Menschen sind Ableugner oder Beigeseller. (12:103,106; 16:83; 17:89; 30:42)
  • Die Mehrheit besteht aus Frevlern. (5:49,81; 9:8; 57:16,27)
  • Die Mehrheit glaubt nicht und hat keine Sicherheit im Herzen. (2:100, 11:17, 13:1)
  • Die meisten Menschen sind unachtsam und beachtungslos. (10:92)
  • Die meisten Menschen sind nicht dankbar. (2:243, 10:60, 12:38)
  • Die Mehrheit folgt nur der Vermutung. (10:36)
  • Die Mehrheit ist stur in der Ableugnung. (25:50)
  • Die meisten der Menschen sind Lügner. (26:223)
  • Die Mehrheit verabscheut die unangenehmen Wahrheiten. (43:78, 23:66)
  • Die meisten wenden sich von der Lesung ab. (41:4 – Und nicht etwa von der Sunna, den Aussprüchen oder sonstigen Zweitquellen)
  • Die meisten Ableugner verwenden ihre Vernunft nicht, sie setzen ihren Verstand nicht ein. (5:103)
  • Die meisten der Menschen wissen nicht, dass Gott die Toten auferwecken und dass der Tag der Auferstehung kommen wird. (16:38, 23:59, 45:32)
  • Die Mehrheit weiß nicht, dass die aufrechte Lebensordnung die Ergebenheit und der Monotheismus ist. (30:30, 3:19, 12:40)
  • Die meisten Menschen wissen nicht, wann der Tag des Gerichts eintreffen wird. (7:187)

Anders betrachtet sind die wertvollen Angelegenheiten, Menschen und Dinge öfters wenig oder in der Minderheit (ein Beispiel für eine Ausnahme wäre Vers 9:38, wonach das diesseitige Leben wenig ist im Vergleich zum Letzten):

  • Dankbar zu sein für die Gaben ist sehr wertvoll, doch es gibt nur wenige Dankbare. Dankbarkeit ist ein Zeichen der Gottergebenheit. (2:243, 10:60, 12:38, 34:13, 7:10, 40:61, 23:78, 27:73, 32:9, 67:23)
  • Diejenigen, die an Noah glaubten und von Gott errettet wurden, waren nur sehr wenige. (11:40)
  • Die Menschen sind im Verlust bis auf die wenigen, die glauben, Gutes tun und zur Wahrheit und Geduld ermahnen. (Kapitel 103, 38:24)
  • Obwohl das nachfolgende Volk von Moses beteuerte, dass sie selbstverständlich für Gott kämpfen würden, nahmen danach nur sehr wenige am Kampf teil. (2:246, 2:249)

Einfach gesagt:

Die Wahrheit ist, weil sie ist. (10:36, 6:116)

 

21:18 Doch wir schleudern die Wahrheit gegen das Falsche, und da zerschmettert sie es, und sogleich vergeht es. Und wehe euch wegen dessen, was ihr da schildert!

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beigesellung (Schirk): Nicht nur Statuen sind Götzen

Millionen von Gottergebenen (Muslimen) glauben heute eine monotheistische Religion zu leben, die aber eher der Beigesellung des Quraisch-Stammes vor der Prophetie Mohammeds ähnelt. Millionen von Menschen von Ägypten bis nach Iran, von Indien bis in die Türkei und in vielen anderen Ländern beten in den Moscheen eindeutig für Gott. Doch nach ihrem Gebet gehen sie über zu den Grabstätten ihrer „Heiligen“ oder gehen zu ihrem Scheich und bitten diesen um Gesundheit, Wohlstand oder Kinder, oder dass diese für sie bei Gott um diese Dinge bitten mögen. Gleichermaßen gibt es Millionen von „Gottergebenen“, die glauben, der Prophet Mohammed könne sie vor Gottes Urteil schützen. So beten sie in ihrem Gebet in der Rezitation des eröffnenden Kapitels zu Gott und versichern ihm, dass sie nur Ihm dienen und nur Ihn um Hilfe erflehen werden (1:5). Als ob sie dieses täglich mehrfach wiederholte Versprechen nie ausgesprochen hätten, bitten sie am selben Tag Mohammed, dass er für sie Fürbitte bei Gott einlegen möge! Wenn man sie auf diesen Widerspruch hinweist, meinen sie, dass sie Mohammed ja Gott nicht beigesellten, obwohl sie wissen müssten, dass der Prophet Mohammed nicht mal die Menschen retten kann, die er liebte (28:56)! Er konnte lediglich zu seinen Lebzeiten (!) nur diejenigen ermahnen, die bereits an Gott geglaubt und sich Ihm ergeben hatten (30:52–53). Nein im Gegenteil, denken diese Leute etwa, Mohammed könnte sie auch jetzt noch hören oder sehen, wobei uns in der Lesung mitgeteilt wird, wie überrascht er sein wird und sich bei Gott über sein eigenes Volk beklagt, dass diese die Lesung verlassen haben (46:9, 7:188, 25:30)?! Solange man ein Beigeseller (Muschrik) ist, wird man nie und nimmer errettet:

 

9:113 Nicht gebührt es den Propheten und denjenigen, die glaubten, dass sie für die Beigeseller um Vergebung bitten, auch wenn sie Nahverwandte wären, nachdem ihnen klar wurde, dass diese die Angehörigen des Infernos sind

 

Nein, sie wollen es auch dann nicht wahrhaben, dass sie in Tat und Wahrheit Mohammed zu Gott beigesellen und sich somit der Beigesellung schuldig machen, wenn ihnen folgender Vers ans Herz gelegt wird:

 

9:80 Ob du für sie um Verzeihung oder nicht um Verzeihung bittest, oder ob du siebzigmal für sie um Verzeihung bittest, Gott wird ihnen niemals verzeihen. Deshalb, weil sie nicht an Gott und Seinen Gesandten glaubten. Und Gott weist den frevelhaften Leuten nicht den Weg.

 

Sie verstricken sich danach in weitere Widersprüche und es ist klar, dass sie Mohammed zum Götzen, zum Beigesellten erhoben haben, ohne dass sie sich dessen bewusst sind oder bewusst sein wollen (10:18). Sie gehören zu jener Gruppe, die Mohammed am Jüngsten Tag ablehnen wird und seine „Fürsprache“ wird daraus bestehen, sie abzulehnen, weil sie entgegen der von ihm überlieferten Lesung ihn idolisierten, ihn zum Götzen erhoben und sich nicht allein auf Gott verlassen haben. Ähnlich werden viele Christen und Juden am Jüngsten Tag überrascht sein, dass sie von Gott als „Beigeseller“ verurteilt werden. Die sogenannten „Gottergebenen“ (Muslime), die von Mohammed Fürsprache erhoffen, sind was die Geisteshaltung betrifft nicht anders als diejenigen Christen, die ihr „Vater unser“ beten und danach hoffen, dass Jesus sie erlösen möge.74 Diese gesellen also Jesus Gott bei. Oder sie sind sogar noch weiter von der Wahrheit entfernt, wenn sie Jesus als Gott ansehen (5: 72, 22: 8), also zu Gottes Wesen etwas beigesellen, was selbst den evangelischen Lehren widerspricht (Markus 10: 18, Lukas 18: 19). Dabei ist es ganz einfach:

 

65:3 … Wer sich auf Gott verlässt, dem genügt Er. …

39:6 Genügt Gott Seinem Diener etwa nicht? …

 

Diese sogenannten „Gottergebenen“ gehören zu jenen, die die Botschaft der Lesung nicht verstanden haben und auch nicht verstehen werden, solange sie ihren Irrtum nicht als Irrtum akzeptieren – oder anders gesagt nicht bereit sind, ihr komplettes Weltbild, ihre gesamte Identität aufzugeben, was im Endeffekt nichts anderes ist als sich Gott zu ergeben und dem Irrglauben ein Ende zu setzen, man sei bereits rechtgeleitet.

Es ist hierbei wichtig zu verstehen, dass die Beigeseller vom Stamme Quraisch die Gebete genauso verrichteten wie wir heute, doch sie hatten damals ihre Götzen Allat, Al-‘Uzzah, Manat und weitere Beigesellte, um für Gesundheit, Wohlstand, Fürsprache oder Kinder zu bitten. Die Beigesellung ist im Prinzip gleich geblieben, nur die Beigesellten, die Götzen sind verschieden. Anders gesagt sind nur die Namen der Beigesellten neu.

 

12:106 Die meisten unter ihnen, die an Gott glauben, gesellen Ihm (andere) bei.

 

Es ist deshalb von äußerster Bedeutsamkeit, die Wahrheit zu verinnerlichen, dass nicht nur Statuen Götzen sein können, die Gott beigesellt werden, sondern beispielsweise auch:

  • Ihre Kinder (7: 190),
  • Ihre Eltern, Geschwister, Verwandten oder Ihr Ehepartner (9: 24),
  • Ihr Geschäft bzw. Ihre Arbeit (18: 35) und
  • Ihr Ego (25: 43).

Zu glauben, dass Gott der Schöpfer der Himmel und der Erde ist, schützt einen nicht vor der Beigesellung, dem Virus des Denkens, der sich in uns einnistet und unsere Gedanken verdreht (12:106), sodass in Tat und Wahrheit unser „Gott“ das ist, was uns am meisten beschäftigt. Merken Sie sich diesen Satz:

 

Ihr Gott ist wer oder was auch immer Ihre Gedanken die meiste Zeit beschäftigt.

– Rashad Khalifa

 

Gott weist uns in der Lesung selbst an, wie wir uns davor schützen können und ich möchte dies nur kurz anschneiden, da man auch dazu ein eigenes Buch verfassen könnte: Wir müssen Gottes häufig gedenken (33:41–42), wie zum Beispiel vor dem Essen (6:121) oder wenn wir über die Zukunft reden (18:23–24) oder allgemein unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollen. Es ist auch nicht von ungefähr, dass wir die Kontaktgebete (ṣalāh) regelmäßig verrichten müssen, da eine ständige, bewusste, richtig aufgebaute und tief empfundene Verbindung mit Gott, also in wirklichem Kontakt zu stehen mit Gott, von den Schändlichkeiten dieser Welt abhalten wird (29:45). Das Kontaktgebet (aṣ-ṣalāh) wird neben anderen zentralen Begriffen wie Läuterung (zakāh), Gerechtigkeit (qisṭ), Debatte (ḥadsch) oder Fasten (ṣawm) mit Gottes Erlaubnis in einem zweiten Buch näher betrachtet.

 

20:14 Wahrlich, Ich bin Gott. Es ist keine Gottheit außer Mir; darum diene Mir und verrichte das Kontaktgebet zu Meinem Gedenken.

 

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: 5. Verse gleichen Themas zusammenstellen

Die eine Schwäche bei den meisten Gottergebenen, die leider schon seit mehreren Jahrhunderten besteht, ist die Fähigkeit, die Verse ihrem Thema gemäß zusammenzustellen, um die dahinterliegende Bedeutung zu suchen. In der Lesung selbst steht, dass wir eine Zusammenstellung machen sollen – auch bekannt als der Befehl „rattil“:

 

73:2–4 Bleibe die Nacht auf, außer ein wenig: Ihre Hälfte oder verringere davon ein wenig oder füge dazu. Und ordne (rattil – رَتِّل) die Lesung auf ordnende Weise.

 

Wegen der falschen Bedeutung, die in den gängigen Übersetzungen wiedergegeben wurde, ist hier eine Erklärung vonnöten. Rattala (رتّل) steht als arabisches Wort im zweiten Verbstamm, was im Allgemeinen die Verstärkung der Bedeutung aus dem ersten Verbstamm andeutet. Alles in allem geht es bei dieser Wurzel um die „Wohlordnung einer Sache“, nämlich dass sie „regulär“ und „aufgeräumt“ ist. Das Wort „ratila“ kann nicht verwendet werden, wenn etwas irregulär oder nicht geordnet ist oder aus dem Konzept fällt. So wird auf Arabisch eine in einer Linie aufgestellte Reihe an Panzern „ratil dabābāt“ (رتل دبابات) genannt oder auch einfach „ein Konvoi von Panzern“. Wir würden „ratil“ nicht verwenden, wenn die Dinge nicht ähnlich wären. Auch wenn wir zum Beispiel eine Rede vorbereiten und die Rede in ihrem Aufbau ordnen und jemand ausdrücken will, dass der Redner die Zusammenstellung der Rede in ihren Einzelteilen gut strukturiert und die Aussprache klar und deutlich gestaltet hat, so sagt er oder sie einfach „rattala al-kalām“ (رتّل الكلام), weil sowohl der Inhalt als auch die Artikulation eine wohlgeordnete Art und Weise der Rede aufzeigen. Hier sei aber Vorsicht geboten, denn sowohl dieses Verb wie auch das Verbalnomen hierzu, tartīl ( تَرْتِيل ), wurde durch die Jahrhunderte hindurch auf eine einzelne Bedeutung beschränkt, was sich dann auch in die gängigen Übersetzungen eingeschlichen hat. Statt die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel als Grundlage zu nehmen, bei der es um diese Wohlordnung geht, wird dieses Wort nur noch im Sinne eines „langsamen Vortragens“ der Lesung verstanden, also nur noch im artikulativen Sinne, was aber den ganzheitlichen Sinn verfehlt.

Aus diesem Grund müssen wir, wenn wir irgendein Thema in seiner Tiefe studieren wollen, alle Verse, die dieses Thema behandeln und über das Buch hinweg gestreut sind, finden und in ihre „Zusammenstellung“ und „Ordnung“ (tartīl) bringen. Nach dieser Zusammenstellung ist der nächste Schritt das „Relativieren der Bedeutung“.

 

73:20 Gewiss, dein Herr weiß, dass du weniger als zwei Drittel der Nacht, die Hälfte oder ein Drittel von ihr aufbleibst, ebenso eine Schar von denjenigen, die mit dir sind. Und Gott bemisst sowohl die Nacht als auch den Tag. Er wusste, dass ihr ihn nicht erfassen werdet; deshalb vergab Er euch. So lest (iqra’ū) von der Lesung, was leicht ist. Er wusste, dass es unter euch Kranke geben wird und andere, die sich auf der Erde durchschlagen, um nach Gottes Gunst zu streben, und andere, die auf dem Weg Gottes kämpfen. So lest von ihm, was leicht ist und haltet den Kontakt aufrecht und steuert zur Verbesserung bei und hinterlasst bei Gott einen schönen Vorschuss. Was ihr für euch selbst an Gutem vorausschickt, werdet ihr bei Gott finden. Es ist besser und ein größerer Lohn. Und bittet Gott um Vergebung. Gewiss, Gott ist vergebend, gnädig.

 

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Ablesen eines Textes, einer bloßen Rezitation, und dem gründlichen Lesen, dem studierenden Lesen, dem verstehenden Lesen. Anders gesagt geht es hierbei darum, dass wir das Gelesene mit dem Rest der Lesung in Bezug setzen, dass wir also seine Bedeutung gesamtheitlich relativieren. Beim Vortragen eines Textes, wie etwa wenn eine Person die Nachrichten von einem Blatt Papier oder einem Teleprompter abliest, wird auf Arabisch eher “talā-yatlu” (rezitieren) verwendet und nicht „qara’a“ (lesen). Ein weiteres Beispiel haben wir, wenn eine Lehrerin in Physik ihren Schülern das Konzept der Relativität beibringt, so “taqra’u” (liest sie vor und erklärt dabei) die Bedeutung, ähnlich wie bei einer Vorlesung. Dies lässt sich auch aus den ersten Versen des 96. Kapitels ableiten:

 

96:1–5 Lies im Namen deines Herrn, Der erschuf. Er erschuf den Menschen aus einem Embryo. Lies! Dein Herr ist Der Edelste, Der durch den Stift lehrte. Er lehrte den Menschen, was dieser nicht wusste.

 

Hier wird dem Zuhörer oder Leser nicht einfach das bloße Lesen nahegelegt, sondern auch darauf hingewiesen, dass der Mensch durch den Stift lernt. Durch das flüchtige Lesen eines Buches hab ich es nicht studiert und deshalb nicht tiefgreifend begriffen. Es scheint so zu sein, dass das selbständige Wiederholen durch den Gebrauch des Stiftes das Wissen festigt. Durch den Stift, der heute auch in Form von Rechnern in Einsatz kommt, wurden die Wissensbücher geschrieben, auf denen wir unser Wissen aufbauen und das, was wir noch nicht wussten, mittels desselben Stiftes festhalten, dass es anderen Menschen dienlich sein mag. Dieser Vers legt uns also nahe, „lesen“ als „verstehendes, lernendes Lesen“ aufzufassen. Das Prinzip des ordnenden, verstehenden Lesens führt uns zum wichtigen Schritt, Verse zur selben Thematik auch gleichzeitig zu betrachten. Dies ist das Prinzip des „Das Eine sehen und an das Andere denken.“

 

Beispiel einer Zusammenstellung von Versen über dasselbe Thema – Scheidung

Wenn wir das Thema „Scheidung“ untersuchen, so sehen wir, dass das Thema über drei verschiedene Kapitel verteilt ist (Kapitel 2, 33 und 65), welche erst miteinander kombiniert ein komplettes Bild der Prozeduren und den Gesetzen bzgl. der Scheidung liefern.

 

2:226 Für diejenigen, die sich von ihren Frauen abwenden, ist ein Abwarten von vier Monaten. Und wenden sie sich wieder zu, so ist Gott gewiss vergebend, gnädig.53
2:227 Entschlossen sie sich jedoch zur Scheidung, so ist Gott gewiss hörend, wissend.
2:228 Und die in Scheidung stehenden Frauen selbst haben drei Menstruationszyklen abzuwarten und es ist ihnen nicht erlaubt zu verschweigen, was Gott in ihren Gebärmüttern erschuf, wenn sie an Gott und den letzten Tag zu glauben pflegten. Und ihre Ehemänner sind berechtigter, sie zurückzunehmen, falls sie eine Schlichtung möchten. So gilt für die Frauen Gleiches, wie über ihnen ist, in erkenntlicher Weise, und für die Männer eine Stufe über ihnen.54 Und Gott ist ehrenvoll, weise
2:229 Ist die Scheidung zweimal55, dann entweder in erkenntlicher Weise behalten, oder gutwillig freigeben.56 Und es ist euch nicht erlaubt, etwas von dem zu nehmen, was ihr ihnen zukommen ließt, außer wenn beide fürchten, die Grenzen Gottes nicht aufrecht zu erhalten. Fürchtet ihr aber, dass beide die Grenzen Gottes nicht aufrechterhalten, dann ist für beide kein Verstoß darin, worauf sie verzichtete. Jene sind die Grenzen Gottes, übertretet sie also nicht. Und wer die Grenzen Gottes übertritt – solche sind die Ungerechten
2:230 Ließ er sich dann von ihr scheiden, so ist sie ihm danach nicht erlaubt, bis sie einen anderen Partner heiratet. Lässt dieser sich von ihr scheiden, so ist es kein Verstoß für beide, dass sie zurückkehren, wenn sie meinen, dass sie die Grenzen Gottes aufrechterhalten. Jene sind die Grenzen Gottes, die Er klarstellt für ein Volk, das weiß
2:231 Und wenn ihr euch von den Frauen scheiden ließt und sie ihre Frist vollendeten, dann behaltet sie in erkenntlicher Weise oder gebt sie frei in erkenntlicher Weise. Und behaltet sie nicht aus Schadenfreude, um zu übertreten. Und wer dies tut, tat sich selbst Unrecht. So nehmt euch Gottes Zeichen nicht zum Spott und gedenkt Gottes Gunst an euch und dessen, was Er aus der Schrift und der Weisheit auf euch herabsandte, euch damit zu belehren. Und seid Gottes achtsam und wisst, dass Gott in allen Dingen wissend ist
2:232 Und wenn ihr euch von den Frauen habt scheiden lassen und sie ihre Frist vollendet haben, dann zwängt sie nicht ein, auf dass sie ihre Partner heiraten, wenn sie miteinander in erkenntlicher Weise zufrieden sind. Damit wird der von euch belehrt, der an Gott und den letzten Tag zu glauben pflegte. Dies ist lauterer für euch und reiner. Und Gott weiß, ihr aber wisst nicht

33:49 O ihr, die ihr glaubt! Wenn ihr gläubige Frauen heiratet und euch dann von ihnen scheiden lasst, ehe ihr Geschlechtsverkehr mit ihnen gehabt habt, so besteht keine Wartefrist von ihnen euch gegenüber, die eingehalten werden muss. Darum beschenkt sie und entlasst sie auf geziemende Weise.

65:1 O Prophet! Wenn ihr euch von den Frauen scheidet, beachtet die Wartezeit, die ihr genau berechnen sollt! Fürchtet Gott, euren Herrn! Ihr dürft sie aus ihren Wohnungen nicht ausweisen, es sei denn, sie begehen eine abscheuliche Tat. Das sind die Rechtsbestimmungen Gottes. Wer Gottes Rechtsbestimmungen übertritt, hat sich selbst unrecht getan. Du weißt nicht, vielleicht läßt Gott nach der Scheidung etwas Unerwartetes geschehen.
65:2 Wenn die Wartezeit ihrem Ende zugeht, dürft ihr die Scheidung rückgängig machen und die Frauen in Würde behalten oder euch würdig von ihnen trennen. Ihr sollt zwei rechtschaffene Leute von euch als Zeugen nehmen. Das Zeugnis vor Gott soll genau eingehalten werden. Damit soll der ermahnt werden, der an Gott und an den Jüngsten Tag glaubt. Wer Gott fürchtet, dem schafft Gott aus jeder Not einen Ausweg
65:3 und gewährt Gaben, von wo er sie nicht erwartet. Wer sich auf Gott verläßt, dem genügt Er. Gott setzt Seinen Willen durch. Für alles hat Gott Maß und Zeit bestimmt.
65:4 Für die Frauen, die in der Menopause sind, beträgt die Wartezeit drei Monate, wenn ihr Zweifel hegt. Die Wartezeit für Frauen, die keine Menstruation haben und schwanger sind, endet mit der Entbindung. Wer auf Gott hört, dem erleichtert Gott seine Angelegenheiten.
65:5 Das ist Gottes Vorschrift, die Er euch herabgesandt hat. Wer Gott fürchtet, dem tilgt Gott die schlimmen Taten, und dem erhöht Er den Lohn.
65:6 Laßt sie, euren Möglichkeiten entsprechend, in einem Teil eurer Wohnstätten wohnen. Ihr sollt sie nicht belästigen, um sie in der Wohnstätte zu beengen. Wenn sie schwanger sind, kommt ihr für ihren Unterhalt auf, bis sie gebären. Wenn sie eure Kinder stillen, habt ihr ihnen ihre Aufwendungen zu entrichten. Beratet darüber miteinander auf würdige Weise, wie es Brauch ist. Wenn ihr euch aber nicht einigen könnt, so soll eine andere Frau das Kind stillen.57

 

Hier ist eine Zusammenfassung dieser Regeln für die Scheidung, erhalten durch die Zusammenstellung der ähnlichen Verse:

  • Eine „Abkühlzeit“ von vier Monaten wird benötigt, bevor eine Scheidung überhaupt beginnen kann. (2:226)
  • Wenn immer noch auf die Scheidung bestanden wird, so müssen die Ehefrau und der Ehemann nach dieser Abkühlzeit während der Wartefrist im gleichen Haus zusammenbleiben. (65:1)
  • Wenn sich das Paar versöhnt, lässt sich der Scheidungsprozess widerrufen und die Wartefrist wird unterbrochen. (2:229)
  • Die Scheidung wird automatisch widerrufen, wenn die Partner während der Wartefrist geschlechtlichen Verkehr miteinander hatten. (2:226, 65:1)
  • Die benötigte Wartefrist beträgt drei Menstruationszyklen. Die Wartefrist bei Frauen, die keine Menstruation mehr haben, beträgt drei Monate. Die Zeit bei schwangeren Frauen beträgt solange, bis sie ihr Kind bekommen. (2:228, 65:4)
  • Es kann keine Wartefrist geben (bzw. es wird keine benötigt), wenn noch nie ein geschlechtlicher Kontakt stattfand. Es kann also wieder geheiratet werden. (33:49)
  • Wenn das Paar immer noch wünscht, die Scheidung nach der Wartefrist zu vollziehen, so werden zwei Zeugen gebraucht, um die Prozedur zu vervollständigen. (65:2)
  • Ist dies die dritte Scheidung, so kann das Paar nicht mehr miteinander heiraten, bis die Frau mit einem anderen Mann verheiratet war und sich geschieden hat. (2:230)

Wie in diesem Beispiel der Scheidung gezeigt wird, erbringt der simple Schritt der Untersuchung aller relevanten Verse eine sehr detaillierte Beschreibung der Scheidungsschritte, welche in jeder modernen und zivilen Gesellschaft angewandt werden können. In vielen Ländern hält man sich sogar an die koranischen Gesetze, wenn man die Gesetze des Landes befolgt! Statt diese Methodik anzuwenden haben viele Gelehrte unzählige, nicht mehr zeitgemäße, teils der Lesung extremst widersprechende Gesetze erfunden, die viel Leid hervorgebracht haben, wie etwa Steinigung oder die Strafe für die Apostasie. Es ist Zeit, sich nur noch an Gottes Lesung zu orientieren, denn:

 

 65:3 … Wer sich auf Gott verlässt, dem genügt Er. …