Koran

Wieso wird Maria im Koran, die Mutter von Jesus, Schwester Aarons genannt?

Wir suchen Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

19:27-28 Sie brachte ihn dann zu ihrem Volk. Sie sagten: „Maria! Du bist mit etwas Schmachvollem gekommen! Oh Schwester Aarons! Dein Vater war kein schlechter Kerl und deine Mutter war keine Unkeusche.“


Dieser Vers 19:28 erscheint für viele als ein Zeugnis einer Verwechslung, eines Widerspruches mit scheinbaren historischen Tatsachen, nämlich dass der Autor Jesus Mutter Maria im Koran, Tochter von Amran, mit ihrer Namensvetterin der Schwester von den Propheten Moses und Aaron, Miriam, verwechselt.

Doch was verbirgt sich genauer hinter dieser Äußerung? Und wieso sind einige Menschen so erpicht darauf, diesen Vers den Gottergebenen vor die Nase zu werfen in selbstgefälliger Manier? Indem sie sich auf eine einzelne von mehreren verschiedenen Möglichkeiten einschränken, glauben sie die Gottergebenen (Muslime) verunsichern zu können und aufzuzeigen, wie falsch es doch sei, diesem Weg des Koran zu folgen. Gott warnte uns bereits an anderer Stelle, dass es Leute geben wird, die Unfrieden stiften und spalten wollen durch mehrdeutige Verse:

3:7 Er ist es, Der das Buch zu dir herab gesandt hat. Darin sind Verse von festgelegter Bedeutung, welche die Grundlage des Buches sind, und andere, die mehrdeutig sind. Die aber, in deren Herzen Verderbnis ist, folgen den mehrdeutigen, im Trachten nach Zwiespalt und im Trachten nach Deutelei. Doch keiner kennt ihre Deutung als Gott und diejenigen, die fest gegründet im Wissen sind. Sie sprechen: „Wir glauben daran, dass alles von unserem Herrn ist.“ Und niemand bedenkt es, außer denen, welche Verständnis besitzen.


Diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind, wissen, dass es nirgends einen Widerspruch gibt (4:82). Dies bedeutet aber wiederum, dass wir sehr wohl mit der Situation konfrontiert werden, scheinbaren Widersprüchen gegenüber zu stehen, bis unser Wissen gemehrt wurde (20:114, 39:18, 17:36, 10:38-39).

Nun, welche Bedeutungen ergeben sich denn aus dem Vers 19:28? Eine mögliche Auflistung könnte wie folgt ausschauen:

  1. Wörtliche Bedeutung, sie ist die Schwester irgendeines Aarons.
  2. Wörtliche Bedeutung, sie ist die Schwester des Propheten Aarons.
  3. Halb-wörtliche Bedeutung, es besteht eine Verwandtschaft in geistiger und / oder blutsmäßiger Beziehung, dass sie denselben spirituellen Pfad wie der Prophet Aaron beschreitet, so wie Muslime auch Brüder von Mohammed sind und sein können.
  4. Der Gebrauch des Ausdrucks ist typologisch zu verstehen.
  5. Der Koran beinhaltet einen Fehler durch äußere Einflüsse, wie etwa Abschreibefehler oder falsches Wissen über die Bibel. Oder auch umgekehrt: die Bibel beinhaltet Fehler und wird durch den Koran korrigiert.
  6. Da in diesem Vers Menschen über Maria reden und sie zitiert wurden („sie sagten“), ein Zitat vollständig erfolgen sollte mit allen möglichen Fehlern und Wahrheiten, und die Aussage in ihrem Inhalt weder berichtigt noch bestätigt wird, ist das Ergebnis offen.

Rein objektiv gesehen sind all diese Möglichkeiten gleichwertig vom jetzigen Standpunkt aus, wobei eine oder mehrere dem gottergebenen, subjektiven Empfinden zuwider sein werden (wie etwa historisch betrachtet der zweite oder auch der fünfte Punkt, wobei wir den fünften hier nicht weiterverfolgen wollen). Betrachten wir also die ersten drei Punkte, die für uns am relevantesten erscheinen.

Punkt 1:

Zum ersten Punkt lässt sich sagen, dass „irgendeines Aarons“ geschrieben wurde, nicht „des Aarons“, den wir für den Propheten halten. Der könnte der Prophet sein, muss es aber nicht zwingend. Auch hier kann man von einer Verwechslung nicht reden, nur dass sie in unseren Köpfen geschieht. Oder gibt und gab es nur eine einzige Person mit dem Namen Aaron? Gibt und gab es nur einen Johannes auf der Welt? Oder Matthias, Lukas, Markus?

Das Buch Josua aus der Bibel ist benannt nach dem Ephraimiter Josua, der als Diener Moses dargestellt wird. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, wird der Name auch als Jesus transliteriert. Hier sehen wir also, dass Jesus nicht gleich Jesus sein muss. Wobei hier natürlich die Verwechslungsgefahr innerhalb der Bibel nicht besteht. Unter anderem deshalb ist im Koran die Rede vom „Jesus, dem Sohne Marias“, um ihn eindeutig zu benennen.

Diese Betrachtung schließt bereits für sich aus, dass eine Verwechslung oder ein Widerspruch vorliege, da die Verwechslung nicht im Koran, sondern in unseren Köpfen stattfand. Doch sie eröffnet weitere Fragen, nämlich: wieso sollte der Koran dieselben Namen für unterschiedliche Personen verwenden? Wenn dem so ist, wie steht es dann mit den anderen Namen von Propheten? Und wenn dem so ist, wer ist dieser „andere Aaron“ dann?

Punkt 2:

Diese Betrachtung hat zur Folge, dass die Bibel als historisch falsch datiert betrachtet werden muss oder falsche Daten zur Historie beinhaltet. Offensichtlich ist dieser Weg auch einer derer, die Zwiespalt und Zerwürfnis unter den Gläubigen hervorrufen kann.

Eine historisch-kritische Analyse des Pentateuch (die fünf Bücher Mose) ergibt beispielsweise, dass die Endgestaltung erst ca. 440 v. Chr. beendet sei, womit also die Geschichtsschreibung auch nicht einwandfrei von der jüdischen oder christlichen Tradition übernommen wurde. Im 16. Jahrhundert dachten Reformatoren wie Andreas Karlstadt, dass nicht Moses der Autor war, sondern Esra, der die fünf Bücher aus älteren Teilen der Thora redaktionell zusammengestellt habe. So ließe sich die Frage stellen, wurde die Bibel etwa entstellt und Maria ist doch die Schwester Aarons und Jesus ein naher Verwandter ihrer? Auch die Historie ist den neueren Entdeckungen untergeordnet und nicht alles muss so sein, wie es auf den ersten Blick scheint. Nur weil die Bibel älter ist, beinhaltet sie nicht automatisch mehr Wahrheiten, sie wurde ja auch redaktionell geändert, Menschenwort wurde mit Gotteswort vermischt. Aber all das endet in Spekulation über Geschichte und wir können heute nicht mehr objektiv unterscheiden. Wir laufen hierbei Gefahr, das Wort Gottes als Menschenwort zu kennzeichnen oder auch umgekehrt Menschenwort als Gotteswort anzusehen. Denn laut Koran ist in der Bibel definitiv das Wort Gottes. Dieser Weg führt momentan also ins Niemandsland und ist darüber hinaus ein den koranischen Prinzipien zuwiderlaufender Weg, weil er Zwiespalt stiften kann. Der Islam wahrt den Frieden, wo es nur geht, ohne die Wahrheit zu ignorieren.

Punkt 3:

Der dritte Punkt wird sprachlich dadurch begründet, dass in 19:28 das Wort „Ukht“ vorkommt (أخت, Pl. أخوات Akhawaat), dessen Wurzel aus den Buchstaben Alif-Kha-Waw (أخو) besteht. Diese Wurzel wird auch dafür verwendet, um die Bedeutung „Nachfahre“ oder „Verwandter“ zu vermitteln, was in den einschlägigen Wörterbüchern zu sehen ist. Auch andere Bedeutungsebenen werden mit dieser Wurzel übertragen. So wird beispielsweise أخوّة – إخوان (okhuwwah – ikhwaan) im Sinne einer Bruderschaft verwendet, auch um nah stehende Personen zu bezeichnen, wie etwa in einer Gemeinde oder durch Volkszugehörigkeit, ohne dass eine direkte Verwandtschaft angenommen wird. Das prominenteste Beispiel wären die politischen „Muslimbrüder“: ikhwaan-u-l-muslimeen. Auch bedeutet in der deutschen Sprache „sich verbrüdern“ (تأخى – ta’akhkha) oder „mit jemandem eine Bruderschaft schließen“ ja nicht, dass man nun ungleich wie vorher auf mirakulöse Weise plötzlich denselben Vater hätte. Sprache ist, was die Menschen daraus machen und insbesondere verhält sich Klassischarabisch als sehr bildhafte Sprache genauso. In der Zusammenfassung zur Wurzel Alif-Kha-Waw aus dem berühmten Lexikon von E.W. Lane lesen wir:

Alif-Kha-Waw = Male person having the same parents as another or a male only having one parent in common; person of the same descent /land/creed/faith with others; brother; friend; companion; match; fellow of a pair; kinsman; intimately acquainted.


Es ist theoretisch also möglich, dass es sich hierbei nebst der geistigen auch um eine blutsmäßige Verwandtschaft handelt, doch welche Gemeinsamkeit soll Maria im Koran mit Aaron haben? Sie ist selbst weder eine Prophetin, noch direkter Begleiter eines Propheten, noch Ähnliches. Dies ist leicht beantwortet: Sie war immerhin die Mutter eines der berühmtesten Propheten. Somit steht sie in der Linie der Propheten, familiär nah zu spirituell wichtigen Persönlichkeiten und selbst ein Vorbild für die Gläubigen als Auserwählte Gottes (3:42-43, 66:12). In 3:33-34 ist zu sehen, dass die verschiedenen Völker zwischen Adam, Noah, Abraham und der Familie Marias als Nachkommenschaften in Bezug zueinander gelten:

3:33-34 Gott erwählte Adam, Noah, die Sippe Abrahams und die Sippe Amrans vor den Weltenbewohnern, eine Nachkommenschaft, von der die einen von den anderen stammen. Und Gott hört und weiß alles.


Selbst hier kann es für einige immer noch danach aussehen, als wenn „der Autor des Koran“ ab und an die biblischen Personen, über die er gehört hat, verwechselt. Imran und Zacharias (66:12, 3:36-37) tauchen eigentlich in der Bibel nicht in Verbindung mit Jesus Mutter auf? Oder ist dem nicht so?

Die Antwort zu Zacharias ist: Er ist verheiratet mit Elisabeth, die aus der Linie des Aaron abstammt.

Lukas 1:5 Zu der Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester von der Ordnung Abija, mit Namen Zacharias, und seine Frau war aus dem Geschlecht Aaron und hieß Elisabeth.


Maria ist laut Lukasevangelium eine Verwandte Elisabeths. Maria wird ca. sechs Monate nach Elisabeth schwanger:

Lukas 1:26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.

Lukas 1:36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.


Wenn Elisabeth, die aus dem Geschlecht Aarons abstammt, und Maria Verwandte sind, ist Maria dann auch mit Aaron verwandt. Und so hätten wir eine Übereinstimmung der logisch und sprachlich beobachtbaren Zusammenhänge aus dem Koran mit den Inhalten der Bibel.

Zu Amram (‚Imran): Die Namen der Eltern von Maria (Mutter Jesu) werden in der Bibel nicht erwähnt bzw. nennen die kanonischen Evangelien im Neuen Testament nicht ausdrücklich die Namen Marias Eltern. Dem Argument, der Koran würde Maria (Mutter Jesu) mit der Schwester Aarons „verwechseln“, kann daher nicht gefolgt werden, da sehr wohl die Möglichkeit besteht, dass der Vater Marias (Mutter Jesu) in Wahrheit „Imran/Amram“ hieß – eben weil dieser nicht in den kanonischen Evangelien genannt wird, dafür aber im Koran. Es gibt nur eine apokryphe Schrift als Ursprungsquelle, das „Protevangelium des Jakobus„, in dem der angebliche Name des Vaters von Maria zum ersten Mal erwähnt wird. Man meint, weil in diesem besagten pseudepigraphischem Werk steht, dass der Vater (der Mutter Jesu) „Joachim“ hieß, müsse es sich beim im Koran erwähnten Namen des Vaters „Imran“ um eine „Verwechslung“ handeln.

Schaut man sich aber nun das „Protevangelium des Jakobus“ genauer an, so wird man schnell feststellen, dass es sich hierbei höchstwahrscheinlich um eine Fälschung handelt. Diese Schrift entstand erst im 2. Jh. n. Chr. und ist unter Christen selbst umstritten und kann aus mehreren stichhaltigen Gründen nicht als eine authentische Quelle in Betracht gezogen werden. Auch laut Gelehrten handelt es sich beim „Protevangelium des Jakobus“ definitiv um ein pseudepigraphisches Werk.

Als Pseudepigraphie (griechisch ψευδεπιγραφία – wörtlich etwa „die Falschzuschreibung“) bezeichnet man das Phänomen, dass ein Text bewusst im Namen einer bekannten Persönlichkeit abgefasst oder fälschlicherweise einer solchen zugeschrieben wird. Eine Schrift mit falscher Verfasserangabe nennt man dementsprechend das Pseudepigraph.

http://de.wikipedia.org/wiki/Pseudepigraphie


Eine Verbindung zwischen Aaron, Mose und der Maria (Mutter Jesu), so wie sie auch aus dem Koran heraus ersichtlich wird, wird hingegen auch von Bibelwissenschaftlern bestätigt:

Überraschenderweise bezeichnet der Koran Miriam / Maria, die Mutter Jesu, als Tochter von Imran / Amram (3,33-37; 62,12; Text Koran) und als Schwester Aarons (19,28). Was wie eine grobe Verwechslung zwischen der alttestamentlichen Mirjam und ihrer neutestamentlichen Namensvetterin aussieht, könnte jedoch auf eine tiefgründige Verbindung hindeuten: Auch in Mt 2 wird Jesus in Beziehung zur Mose-Geschichte gesehen (Kindermord in Ägypten und Bethlehem; Ägypten-Aufenthalt von Israel und Jesus).

http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/amram-und-jochebed-3/ch/38ea8630204622c6aaf45b8dbfae17fe/#h4


Dieser dritte Punkt zeigt uns auch, dass wir tatsächlich im Wissen fest gegründet sein müssen, um die Deutung eines einzelnen Wortes verstehen zu können im Kontext von Koran, Sprache und Bibel, und um erneut bestätigen zu können: wir glauben, dass jeder einzelne Vers wahrhaftig von unserem Herrn ist. Dieser Weg ist auch der Weg, der kein Herumdeuteln im Trachten nach Zwiespalt und Zerwürfnis beabsichtigt.

So möge uns unser Herr die Geduld geben und unser Wissen mehren und unser Licht vervollkommnen!

Menstruation und Beten im Islam, Fasten während der Menstruation…

Der Koran, der alles erklärt (16:89; 6:114), was wir für unsere Rechtleitung benötigen, schränkt einzig und allein den Geschlechtsverkehr ein, wenn es um die Menstruation geht.

 

 

Foto: Jennifer Hayes – CC BY-NC 2.0

 

2:222 Und sie fragen dich nach der Menstruation. Sage: „Sie ist eine Beeinträchtigung!“ So haltet Abstand von den Frauen während der Menstruation und nähert euch ihnen nicht (sexuell), bis sie gereinigt sind. Wenn sie sich reinigten, dann kommt zu ihnen, von wo euch Gott gebot. Gewiss, Gott liebt die Bereuenden und liebt die sich Reinigenden


Der Koran beinhaltet alles, was unsere Rechtleitung betrifft. Und so beschreibt er in diesem Vers alles, was die Menstruation angeht. Laut Koran ist Regelblutung eine Beeinträchtigung, ein Unwohlsein und Gott sieht für uns vor, dass wir während dieser beeinträchtigenden Phase keinen Geschlechtsverkehr üben. Unser Herr beschreibt die Menstruation nicht als eine spirituelle Unreinheit, sondern als eine Beeinträchtigung. Man soll sich auch nicht durch den nachfolgenden Satz verunsichern lassen, in dem das aus der Wurzel T-h-r (طهر) abgeleitete Verb (يطهرن – yaThurna, femininer Plural der dritten Person) verwendet wird. So wie das Wort „rein“ im Deutschen mehrere Bedeutungen in sich tragen kann, wie etwa in „eine reine Weste haben“, kommen die von der Wurzel abgeleiteten Wörter im Koran in unterschiedlichen Varianten vor:

  • materielle, körperliche Reinheit: 2:25, 2:222 (die ersten beiden Vorkommnisse im Sinne von „sich der Menstruation entledigen“), 3:15, 4:57, 8:11, 25:48, 76:21
  • geistige Reinigung: 2:222 (letztes Vorkommnis), 2:232, 3:55, 5:41, 9:103, 33:33, 33:53, 56:79 (die hier beschriebene Reinheit hat nichts mit der rituellen Waschung (غسل – Ghusl) vor dem Gebet zu tun*), 58:12,  80:14, 98:2
  • Geistige und materielle/körperliche Reinigung: 2:125, 3:42 (könnte auch als rein geistige Reinheit gelten), 4:43, 5:6, 7:82, 9:108 (ebenso möglich: nur geistige Reinheit), 11:78 (ebenso möglich: rein geistig), 22:26, 27:56, 74:4

* Koranisch gesehen bedeutet Ghusl, anders als in der traditionellen Lehre üblich, sowohl Ganzkörperwaschung als auch die Waschung vor dem Gebet, siehe 4:43 und 5:6 (und die Wortwahl des arabischen Textes), wohingegen aus 5:6 zu verstehen ist, dass طهارة – Tahaara im Kontext des Gebets (und nicht allgemein) durchaus als reine Ganzkörperwaschung verstanden werden kann. Achtung: Hier beim allgemeinen Ghusl bedeutet dies nicht, dass die Person in dem Moment körperlich unrein sei, um Missverständnisse zu vermeiden. Dies hat lediglich mit dem Gebet zu tun.

Es gab und gibt verirrte Menschen, die die Menstruation bei Frauen gar als eine göttliche Strafe ansehen. Ihre Ansichten und Interpretationsweisen haben auch ihren Weg in die Kommentaren und Tafsir-Bücher gefunden, wonach man eine Frau nicht nur sexuell nicht berühren, sondern gleich komplett vermeiden sollte. Dies wird ebenso ersichtlich in den Übersetzungen, welche die Menstruation in 2:222 wie folgt beschreiben bzw. das Wort (أَذًى – adhan) wie folgt übersetzen:

  • Khoury, Bubenheim, Rassoul: Leiden
  • Azhar, Ahmadeyya: Schaden
  • Paret: Plage
  • Zaidan: Beschwerlichkeit
  • Pickthall: Krankheit (illness) (sic!)
  • Qaribullah: Verletzung (injury)
  • Khalifa, Progressive Muslims, Amatul R. Omar: schädlich (harmful)
  • M. Asad: verwundbarer Zustand (vulnerable condition)
  • Ali F. Yavuz: eine verhasste Unreinheit (nefret edilen bir pisliktir) (sic!)

Wie wir sehen tun es sich die Übersetzer nicht gerade einfach, das Wort angemessen zu übersetzen. Auch während unserer Übersetzung von 2:222, die wir eingangs zitierten, hatten wir lange diskutiert. Insbesondere in gewissen Übersetzungen wie die von Paret, Pickthall oder von meinem persönlichen Favorit in der Kategorie „abstruseste Übersetzung“ Ali F. Yavuz sieht man deutlich, welch lausige Arbeit da verrichtet wurde bei der Übersetzung.

Im Koran kommt dieses Wort an 24 Stellen in verschiedenen Formen vor: 2:196 2:222 2:262 2:263 2:264 3:111 3:186 3:195 4:16 4:102 6:34 7:129 9:61 (2x) 14:12 29:10 33:48 33:53 (2x) 33:57 33:58 33:59 33:69 61:5

Dass es sich bei diesem Wort nicht um den Aspekt der „Schmerzen“ handelt, wird klar, wenn man bedenkt, was „schmerzhaft“ auf Arabisch heißt: مُؤْلِم – mu’lim oder أَلِيم – ‚aliim, was im Koran sehr oft in der Wendung ‚Adhaabun ‚aliimun (schmerzhafte Qual) vorkommt. Dieses Wort bedeutet auch nicht „Schaden“ (ضَرَر – Darar, türkisch: zarar) an sich, denn man betrachte Vers 3:111:

لن يضروكم إلا أذى وإن يقتلوكم يولوكم الأدبار ثم لا ينصرون

Sie werden euch nicht schaden (lan yaDurruukum), bis auf eine Beeinträchtigung (‚illaa ‚adhan). Wenn sie euch bekämpfen, werden sie euch den Rücken kehren und weglaufen. Keine Hilfe wird ihnen zuteil werden.

Hier wird das Wort zwar mit Schaden in Verbindung gebracht, aber dennoch sprachlich wie auch inhaltlich getrennt. Im Vers hätte auch ‚illa qaliilan (bis auf ein wenig) stehen können. Jedoch wird durch diese Wortwahl klar gemacht, dass das Wort in der Bedeutung schwächer als „Schaden“ (Darar) ist (das Verb yaDurruuna stammt von derselben Wurzel ab wie das Wort Darar) und damit etwas anderes ist als Schaden.

Dasselbe Wort kommt in den übrigen 23 Stellen in der Bedeutung „bedrücken, belästigen“ (zum Beispiel im Sinne einer Beleidigung, siehe 3:186 oder 6:34) oder „leiden“ (auf dem Wege Gottes „leiden“, siehe 3:195) vor, allgemein aber im Sinne von einer „Einschränkung“, weshalb wir uns für das Wort „Beeinträchtigung“ entschieden hatten. Nirgends, aber nirgends erhält es die Bedeutung „verhasste Unreinheit“! Es bedeutet auch in keinster Form „unrein“ oder „Schmutz“. Doch nur in 2:222 Stelle übersetzen gewisse Übersetzer dieses Wort anders.

Wieso erst dann, wenn es sich um Frauen handelt?

Traditionell wird gelehrt, dass eine menstruierende Frau spirituell und körperlich vor Gott unrein sei, und deshalb nicht beten, nicht fasten und die Pilgerfahrt nicht vollziehen dürfe. Der Koran, der alles erklärt (16:89; 6:114), was wir für unsere Rechtleitung benötigen, schränkt einzig und allein den Geschlechtsverkehr ein, wenn es um die Menstruation geht. Hätte Gott gewollt, dass Frauen nicht beten, nicht fasten und auch den Koran nicht lesen, so hätte dies Gott, Der weder wortarm noch vergesslich ist, mit Leichtigkeit erwähnen können. Sowieso enthält der Koran die Einzelheiten zu den Umständen, die dem Kontaktgebet im Weg stehen: Urinieren, Stuhlgang oder die spirituelle Unreinheit durch Geschlechtsverkehr (dschunub).

Eine menstruierende Frau hat zu beten und zu fasten und die Pilgerfahrt zu vollziehen. Sie kann den Koran auch zu jeder Zeit lesen. Falls die Menstruation eine erhebliche Beeinträchtigung ist und körperlich von der Frau viel abfordert, so kann sie das Fasten aufschieben (2:184f.). Jedoch ist dies keine allgemeine Regel und sehr individuell behaftet, da nicht jede Frau das Menstruieren als ein intensives Leiden erlebt.

Männer waren es, die diese Interpretation den Frauen aufgezwungen haben und wieder Männer waren es, die die menstruierenden Frauen von den Moscheen, vom Gebet, vom Fasten und vom Koran ferngehalten haben. Die patriarchalische Mentalität, welche die Frauen davon fernhält, Gott zu dienen, zu Gott zu beten und mit Ihm eine innige Verbindung aufzubauen wie etwa durch das Koranlesen, hat dafür gesorgt, dass sich viele Frauen, insbesondere die jungen Mädchen vor der Gesellschaft sehr verlegen fühlen können und ihnen das Gefühl gegeben, dass sie etwas im Körper haben, dass sie vor Gott unrein mache. Damit wurden sie in den Hintergrund gedrängt. Sie haben auch dafür gesorgt, dass auch die Frauen den Koran verlassen haben und von der Klage unseres Propheten angesprochen werden (25:30).

Die sogenannte Scharii’a, die durch die erfundenen und erlogenen Ahadith und mittels der Dutzenden Idschtihad der Gelehrten Jahrhunderte später eingeführt und dem letzten Propheten Gottes untergejubelt wurde (42:21), hat das diesseitige wie auch das jenseitige Leben der Muslime (arabisch für „Gottergebene“) ins Verderben geführt.

Die Gottergebenen, welche den Koran, den gesamten Koran und nur noch den Koran einhalten wollen, werden mit Gottes Hilfe und Erlaubnis diesen Aberglauben aufdecken und entlarven.

Die Geschichte von Moses und dem Gottesdiener

Eine im Koran sehr interessante Geschichte ist die Geschichte von Moses und einem Diener Gottes. Dieser Diener wird nicht näher benannt, doch es wurde ihm Wissen von Gott gegeben:

Dann fanden sie einen Unserer Diener, dem Wir Unsere Barmherzigkeit verliehen und den Wir Unser Wissen gelehrt hatten. [18:65]

Moses sagte zu ihm: „Darf ich dir folgen, auf dass du mich über das rechte Handeln belehrst, wie du gelehrt worden bist?“ [18:66]

Er sagte: „Du vermagst nimmer bei mir in Geduld auszuharren. [18:67]

Und wie könntest du bei Dingen geduldig sein, von denen dir keine Kunde gegeben worden ist?“ [18:68]

Er sagte: „Du wirst mich, so Allah will, geduldig finden, und ich werde gegen keinen deiner Befehle ungehorsam sein.“ [18:69]

Er sagte: „Nun gut. Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“ [18:70]

So machten sich beide auf den Weg, bis sie in ein Schiff stiegen, in das er ein Loch schlug. Er (Moses) sagte: „Schlugst du ein Loch hinein, um seine Mannschaft zu ertränken? Wahrlich, du hast etwas Schreckliches begangen!“ [18:71]

Er sagte: „Habe ich nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:72]

Er (Moses) sagte: „Stelle mich nicht meines Vergessens wegen zur Rede, und sei deswegen nicht streng mit mir.“ [18:73]

So zogen sie weiter, bis sie einen Jüngling trafen, den er erschlug. Er (Moses) sagte: „Hast du einen unschuldigen Menschen erschlagen, ohne dass (er) einen anderen (erschlagen hätte)? Wahrlich, du hast etwas Verabscheuliches getan!“ [18:74]

Er sagte: „Habe ich dir nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:75]

Er (Moses) sagte: „Wenn ich dich nochmal nach etwas frage, so begleite mich nicht weiter; von mir aus wärst du dann entschuldigt.“ [18:76]

So zogen sie weiter, bis sie bei den Bewohnern einer Stadt ankamen und von ihnen Gastfreundschaft erbaten; diese aber weigerten sich, sie zu bewirten. Nun fanden sie dort eine Mauer, die einzustürzen drohte, und er richtete sie auf. Er (Moses) sagte: „Wenn du es gewollt hättest, hättest du einen Arbeitslohn dafür erhalten können.“ [18:77]

Er sagte: „Dies führt zur Trennung zwischen mir und dir. Doch will ich dir die Bedeutung von dem sagen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest. [18:78]

Was das Schiff anbelangt, so gehörte es armen Leuten, die auf dem Meer arbeiteten, und ich wollte es beschädigen; denn hinter ihnen war ein König, der jedes Schiff beschlagnahmte. [18:79]

Und was den Jüngling anbelangt, so waren seine Eltern Gläubige, und wir fürchteten, er könnte Schmach durch Widersetzlichkeit und Unglauben über sie bringen. [18:80]

So wollten wir, dass ihr Herr ihnen zum Tausch (ein Kind) gebe, das redlicher als dieses und anhänglicher wäre. [18:81]

Und was nun die Mauer anbelangt, so gehörte sie zwei Waisenknaben in der Stadt, und darunter lag ein Schatz für sie (verborgen), und ihr Vater war ein rechtschaffener Mann gewesen; so wünschte dein Herr, dass sie ihre Volljährigkeit erreichen und ihren Schatz heben mögen – als eine Barmherzigkeit deines Herrn; und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen. Das ist die Bedeutung dessen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest.“ [18:82]

Bei dieser Geschichte handelt es sich um die Verdeutlichung genau einer Sache,  nämlich dass nichts so sein muss, wie es auf den ersten Blick scheint. Dies zu berücksichtigen hilft zu erkennen, dass der Mensch gar nicht in der Lage ist, die Geschehnisse, auf die er keinen Einfluss hat in ihrer letzten Konsequenz als gut oder schlecht zu bewerten. Gott steuert alles und es kann auch sein, dass eine augenscheinlich schlechte Tat in sich einen guten Kern trägt. Dies zu begreifen ist sehr schwierig, vor allem dann, wenn man bereits über ein festgefügtes Weltbild verfügt und einem der Blick für das Verborgene fehlt. Selbst die Propheten kennen nicht das Verborgene. Dies ist nur Gott bekannt und denjenigen, denen er dieses Wissen zu Teil werden lässt. Dies verdeutlicht auch die allegorische Bedeutung dieser Geschichte, denn niemand von uns kann behaupten, er habe Kenntnisse über das Verborgene. Meist sind wir Betroffene und Beobachter: wir sehen, dass ein Kind stirbt und halten es für ein grundsätzlich negatives Ereignis. Dies ist es auch, doch nicht im Lichte der Barmherzigkeit Gottes, denn womöglich wird dadurch ein noch viel größeres Leid verhindert.

Überlegen wir einmal: Der Fremde tötet einen Jüngling. Entweder ist der Jüngling ein guter Mensch, so erwartet er das Paradies und ist aller Prüfungen ledig. Für ihn eine an sich positive Situation. Dies sollten – bei aller Trauer – auch die Eltern nicht vergessen. Doch ist er ein schlechter Mensch, so ist sein Tod letztlich doch eine Erleichterung für die Eltern, die sie auf Grund des Trennungsschmerzes gar nicht wahrnehmen können, doch wird sie Gott letztlich darüber informieren, worüber sie sich grämten.

Der eine oder andere übereifrige Gläubige mag möglicherweise nun dazu neigen, in einer solchen Geschichte eine Aufforderung dazu sehen, plötzlich Dinge zu zerstören oder gar Menschen zu töten, wenn er bestimmte Dinge bzw. Situationen erwartet. Dies wäre jedoch eine grundfalsche Interpretation, denn es besteht ein Unterschied zwischen der Kenntnis und der Vermutung. In Vers 65 erfahren wir, dass der Fremde Wissen von Allah hatte. Wie anders hätte er erahnen können, wem das Schiff gehört und dass ein König Schiffe beschlagnahmt? Er wusste es nicht, doch Allah wusste dies.

Ebenso verhält es sich mit dem Jüngling. An dieser Stelle wird sogar der Plural (18:80) benutzt, während ein Vers zuvor der Fremde noch auf eigene Faust handelt, wenn er das Schiff zerstört. Man kann also sagen, dass in Vers 79 das Wissen durch eigene Taten genutzt wird, für die kein direkter Befehl Gottes vorhanden ist, während in Vers 80 der Fremde lediglich den Befehl Gottes ausführt.

Denselben Fall haben wir bei dem Schatz. Es wäre Anmaßend gewesen für den Fremden, zu entscheiden, ob nun der Vater oder die Kinder den Schatz finden sollten, da er nicht weiß, was die Zukunft bringt. Womöglich wäre der Vater ob des Reichtums dem Konsum verfallen und hätte alles verschwendet. Doch der Fremde stellt klar, dass er auch hier nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hat:

„[…]und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen.[…]“

Damit wird noch einmal ganz deutlich, dass diese Geschichte nur eine Parabel ist, die uns Demut gegenüber den Entscheidungen des Herrn lehrt. Ohne diese Demut würden wir es bei unserem Herrn nämlich nicht aushalten können, weil wir daran verzweifeln würden, da wir es  nicht greifen können. Wir stranden stattdessen bei der Frage, wieso Gott „Böses“ zulässt. Wieso er uns dieses oder jenes antut. Doch in Wahrheit ist es nur unser Denken, dass es zu etwas Bösem macht, doch alles, was Allah bestimmt ist in letzter Konsequenz doch gut und irgendwann wird Gott uns dies Deutlich machen, so wie der Fremde es auch Moses verspricht:

„[…]Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“

Salâh: Sowohl mit Geist als auch mit Körper

Oder: Anti-Sunna, Anti-Tradition, Anti-Ritualismus, einfach ANTI!

9.112 Diejenigen, die umkehren, dienen, loben, umherziehen, sich verneigen und niederwerfen, das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten, die Bestimmungen Gottes einhalten – verkünde den Gläubigen eine Frohbotschaft!

Beim Eintritt in gewisse Foren wird man heutzutage mit einem erstaunlichen Bild konfrontiert. Es ist in diesen Foren immer wieder zu sehen, dass der Mensch an sich rechthaberisch ist und dem Geiste eines Kindes entsprechend alles mögliche tun wird, um Recht zu behalten. Nicht nur das, er wähnt sich so sicher, dass vom bequemen Sessel vor dem Computer vergessen wird, dass man es mit Menschen zu tun hat. So wird man angegriffen, wenn man nicht derselben Meinung folgt oder ihnen in ihrem Lieblingsthema zustimmt. Es scheint, dass einige Personen dermaßen begeistert sind, ihre Gedanken und ihren Körper von einem Ritual zu befreien, dass sie beginnen, solch ein Ritual im Namen Gottes zu verbieten. Der Teufel packt sie genau dort, um sie nach den klaren Beweisen wieder in die Irre zu führen: sie sind vom Gefühl der Befreiung berauscht und beginnen, alles traditionelle abzulehnen und alles, was modern und neu ist, als Religion wahrzunehmen. Mit einer rational anmutenden Sprache führen sie unzählige neue Vermutungen ein, ohne diese zu belegen. Sie geben vor, vernunftgerecht vorzugehen und missachten einfachste Regeln des wissenschaftlichen Vorgehens. Sie lehnen Persönlichkeiten wie Gerd R. Puin oder C. Luxenberg ab, weil deren Argumente weit hergeholt und unhaltbar sind. Jedoch adoptieren sie die gleiche Vorgehensweise derer, die sie ablehnen, um ihr Gefühl der Befreiung von Traditionen immer wieder von Neuem aufleben lassen zu können.

In ihrer Zauberwelt werden Orte der Anbetung (Masâdschid) zu Unterordnungen (Plural!), Kontaktgebete zu bestimmten Zeiten zu Verbindlichkeiten zu bestimmten Zeiten reduziert. Ebenso mutiert das Heilige Haus Kaaba zum „Fundament eines sanktionierten Systems“. Verben oder Adverben werden ignoriert, von Präpositionen oder Grammatik ist noch lange nicht die Rede und lieber wird mal (bei gewissen Arabern) ein Wort in seiner Bedeutung komplett geändert oder einfach der eigene Dialekt beansprucht, um ja nicht der Tradition folgen zu müssen. Die Bedeutungen werden einfach frisch nach dem Gefühl der aktuellen Lage zugewiesen, um die bizarren Theorien zu rechtfertigen. Radikale Änderung erscheint wegen seiner Radikalität attraktiver, doch sind die Argumente schwach und unbegründet. Man hat begonnen die Sunna abzulehnen und kennt die Verse bestens, welche die Tradition kritisieren. Und da man von diesem Gefühl nicht mehr loskommt, folgt man allem, was dieser Radikalität entspricht; Hauptsache man ist gegen etwas, insbesondere gegen die Sunniten oder Schiiten. Aber am liebsten einfach gegen die Tradition.

Ich habe keine Zeit und auch nicht den Wunsch, alle Argumente hier aufzuführen, um die Fehler in der Logik aufzuzeigen. Dafür bräuchte es mittlerweile ein gesamtes Buch, um alles detailliert auszuführen: zahlreiche Fehler, Vermutungen und ungerechtfertigte Schlussfolgerungen. Ich werde auch keine Namen nennen, um die Argumente von den Personen unabhängig zu machen und um kein argumentum ad hominem zu ermöglichen.

Gemäß diesen Leuten muss aber jede Person, welche nicht ihrer Interpretation, ihren Schlussfolgerungen oder Vermutungen über gewisse Wörter oder Verse des Koran zustimmt, entweder ein Beigeseller (Mushrik) oder Ableugner (Kafir) oder zumindest irgendwie irregeleitet sein. Sie lassen einem auch keine Zeit, ihre Behauptungen zu studieren, zu überdenken und zu überprüfen. Ich hätte alles stehen und liegen lassen sollen, um ihre Position entweder sofort abzulehnen oder sofort anzunehmen. Ihre Argumente gründlichst zu studieren war entweder ein Luxus oder natürlich eine „Flucht vor der absoluten Wahrheit“! Ich soll also reflexartig entscheiden. Vermutlich haben diese auch reflexartig das Thema behandelt, weil es gewisse Gefühle in ihnen angesprochen hat.

Wir sehen alles so, wie wir sehen wollen,
bis wir es anders sehen müssen.

Natürlich nehme ich jede Meinung ernst (39:18), selbst dann, wenn ich diese Argumente bereits zehn Jahre zuvor in der Türkei kennenlernte. Manchmal hörte ich in einem Satz oder in ein paar Worten gar neue Argumente, und ich füge dies zu meinem Studium hinzu. Falls ich das Argument als sachlich und schlüssig sehe, zögere ich keinen Moment meine Haltung zu ändern. Ich würde niemanden beschuldigen, eine Sünde zu begehen, wenn sie oder er das Kontaktgebet (Salâh) nicht körperlich befolgt. Ich folge lediglich den Anweisungen Gottes in den Versen 20:114, 17:36 und 39:18.

Nur das, was aus Geduld und sorgfältiger Überlegung entsteht,
kann reifen und zu etwas Fruchtbarem gedeihen!

Ein paar Jahre zuvor, als ich sah, dass der Koran nur drei Gebete und nicht fünf aufführt, begann ich auch nur noch dreimal täglich zu beten. Ich erzählte davon einigen in meinem Umfeld, jedoch fanden diese das Argument als zu kompliziert und nahmen sich keine Zeit für ein näheres Studium. Ich würde jedoch niemanden in seinem Glauben hinterfragen, nur weil er fünf Gebete als Pflicht ansieht und nicht drei. Selbst heute noch gibt es Freunde, deren Argumente für das fünfmalige Gebet am Tag teils logischen Schlussfolgerungen folgen. Wo Menschen sind, sind auch Differenzen aufgrund ihres unterschiedlichen Grad an Wissens, an Erfahrung und ihres unterschiedlichen Hintergrundes. Und ich bin überzeugt, dass trotz dieser unterschiedlichen Ansichten eine Einheit in der Gemeinschaft gebildet werden kann, denn die wichtigste Angelegenheit besteht darin, Seine Religion Gott allein zu widmen.

Folgte ich dem gleichen Schema dieser Menschen, so würde ich jeden Menschen, der fünf Mal am Tag das Kontaktgebet einhaltet, der Beigesellung (Shirk) beschuldigen, der Kapitalsünde schlechthin. Wie kann ein Gläubiger einen anderen dessen beschuldigen nur aufgrund der Befolgung von Zusatzgebeten aus einem teils unterschiedlichen Verständnis des Koran? Wer sich vor diesem Drang nicht in Acht nimmt, fällt demselben Wunsch zum Opfer, aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses eine Spaltung herbeizuführen, im unbewussten Bestreben, einen neuen Kult oder neue Gruppe einzuführen, was vom Koran aufs Schärfste verboten wird. Sie schärfen ihre Argumente und nutzen es als wäre es ein heiliger nasser Lappen, dem man jedem ins Gesicht werfen sollte. Sie könnten gute Punkte haben, sie könnten sogar Recht haben. Aber sie übertreiben, indem sie entdeckte UNTERSCHIEDE als den Angelpunkt des Glaubens behandeln. Der Wunsch, eine eigene Identität zu entwickeln benebelt ihre Vernunft und sie erblinden den gemeinsamen Werten gegenüber. So wie Paulus nach Jesus etliche Tatsachen verzerrte, um Jesus‘ Botschaft von der von Moses zu unterscheiden, so wie sich die Gläubigen nach Paulus Christen nannten. So wie sich die Sunniten und Schiiten ihre Namen gaben nach dem Propheten Mohammed aufgrund einer rein politischen Frage. So wie sich die Schiiten untereinander und Sunniten untereinander wiederum unterschiedliche Sektennamen (Hanafi, Hanbali, Dschafari, Zwölferschiiten…) gaben. Dieses Muster der Spaltung ist fast allen Gruppen gemein, die eine bestimmte Religion, Sekte oder einen Kult vertreten.

4:142 … Und wenn sie sich zum Kontaktgebet hinstellen, stellen sie sich nachlässig hin, wobei sie von den Menschen gesehen werden wollen, und sie gedenken Gottes nur wenig.

77:48  Und wenn zu ihnen gesprochen wird: „Verneigt euch“, verneigen sie sich nicht.

Um es klarzustellen: anders zu verstehen und deshalb anders zu handeln ist nicht dasselbe wie Gottes Zeichen (ayaat) im Koran oder in der Natur abzulehnen. Sich dem Glauben an eine Ayah (Zeichen) oder Ayaat (Zeichen oder Offenbarungen) zu widersetzen ist Ableugnung und wird als große Sünde betrachtet. Wenn beispielsweise die Verse 9:128-129 Teil des Koran wären, wäre eine Ablehnung ihrer wichtig. Ähnlicherweise wäre es eine wichtige Angelegenheit, die Verse 9:128-129 zu akzeptieren, wenn sie keine Verse des Koran sind. Da der Code 19 diese Angelegenheit beinhaltet und als eine der größten Wunder (Ayaat) und als eine Prüfung bezeichnet wird, ist diese Frage eine Frage des Glaubens.

 

Was ist nun Salâh?

Nach dieser langen Einführung möchte ich hier die Gründe auflisten, weshalb ich nach all dem Anhören der Argumente immer noch die Kontaktgebete (Salâh) sowohl geistig als auch körperlich einhalte.

1- Es gibt Personen, die behaupten Sally oder Salâh bedeute nicht Gebet, sondern Hingabe, Unterstützung, Kontakt oder Verbindlichkeit. Darin ist eine gewisse Wahrheit enthalten. Wenn das Wort SaLLY nicht zusammen mit dem Verb iqamu verwendet wird, bedeutet es gewöhnlicherweise Unterstützung oder Ermutigung. Die Verse 74:43, 75:31 reflektieren diese Bedeutung. Ebenso bedeutet das Wort Salla in den Versen 2:157; 9:99,103; und 33:43,56 zu unterstützen. Es könnte auch sein, dass in Vers 5:106 das Wort Salla sich nicht auf das Ritual des Kontaktgebetes beziehen muss. Wenn das Wort Salâh mit dem Verb iqamu (Imperativform: verrichtet) verwendet wird, beschreibt es das zeitlich festgelegte Ritual, welches vorgängig einer Waschung bedarf (Wudu‘). Die restlichen Argumente, die die diese Verbindung zwischen diesem Verb und dem Wort Salâh untersuchen, sind schlicht nicht überzeugend.

2- Gewisse Personen, die das Glück haben, sich von den Ahadith befreien zu können, gehen in ein Fest der Verschwörungstheorien über und behaupten, die Worte hätten sich allesamt zwangsweise verändert, wegen irgendeiner verschwörerischen Ideologie der früheren Araber.

Das Wort al-beyt (das Haus), welches gewöhnlicherweise im Koran das von Abraham und seinen Kindern in Mekka erbaute Haus meint, solle eigentlich als „System“ übersetzt werden. Genauso solle Hadsch (die Pilgerfahrt zum Haus in Mekka) plötzlich als Debatte, Diskussion oder Herausforderung verstanden werden. Neue Bedeutungen alten Wörtern zuzuschreiben wäre prinzipiell nichts Verwerfliches, wenn es wesentliche koranische und logische Argumente gäbe. Die übliche Bedeutung dieser zwei Wörter erklären alle Verse, in denen sie vorkommen, ohne dass wir tiefergehende Einsichten benötigten. Die behaupteten neuen Bedeutungen hingegen sind nicht vorstellbar. Wie werden folgende Verse denn genau erklärt mit diesen „neuen Bedeutungen“: 2:158, 8:35 (in Bezug auf die Präposition ‚inda), 17:93 (luxuriöses System?), 28:12, 66:11 (System im Paradies?), 12:23, 2:125 und 22:26 (Gottes System brauche Reinigung?) und 8:5? Wie steht es um den Plural des Wortes (buyuut)? Sind das keine Systeme, oder wieso wird dies dennoch als Häuser verstanden?

3- Es ist wahr, dass in 16:49 Sadschda Gehorsamkeit und Unterordnung Gottes Gesetz gegenüber bedeutet. Wir sollten nicht von diesem Vers ausgehend folgern, dass alles eine Seele wie Menschen besitzt. Selbst mentale Prozesse folgen physischen Ereignissen. Selbst die Niederwerfung aller Geschöpfe ist physisch. Alles was wir beobachten und wahrnehmen können, ist physischer Natur. Atome unterwerfen sich Gottes System in der Natur, wenn sie interagieren. Wasser tritt in gewisse Zustände wie Eis, Dampf oder Flüssigkeit ein, die vier Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin bilden die Grundelemente der DNA und folgen Regeln der Codierung, die Gott vorbestimmte, und sie produzieren die DNA. Jede Zelle und jedes Organ in unserem Körper ordnet sich ins Gefüge ein. Dies sind alles physikalische Beispiele der Sadschda vor Gott. Kein Wunder, denn das gesamte Universum hat sich Gott ergeben (3:83; 13:15). Interessanterweise wird in diesen zwei Versen dieselbe Idee angesprochen, doch in 3:83 wird das Verb aslama (ergeben) verwendet, während in 13:15 das Verb yasjudu (niederwerfen) gebraucht wird. Dies ist ein starker, philologischer Hinweis dafür, dass beide Verben zur selben semantischen Ebene gehören. Ergebung in Gott ist nicht nur ein mentaler Vorgang, sondern ebenso eine physische Handlung, wie zum Beispiel hart zu arbeiten, Gottes Botschaft zu übermitteln, den Armen Speise und Kleidung zu geben, für Verbesserungen im Umfeld zu sorgen usw.

Moschee in Bascarsija SarajevoEinige verwenden 41:37, um die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir uns nicht niederwerfen sollen vor der Schöpfung im Glauben, dass wir Gott anbeteten. Gott benutze Sonne und Mond als Beispiele, welche insgesamt Tag und Nacht umfassen sollen. Dies ist nicht nur eine weit hergeholte Vermutung, sondern auch ein Missverständnis der arabischen Präposition „li“. Der Vers sagt nicht VOR Sonne und Mond, sondern FÜR/ZUR Sonne und Mond. Der Unterschied ist gewaltig. Um Zeiten zu beschreiben verwendet Gott im Koran Tag und Nacht und nicht Sonne und Mond. Der Vers verbietet des Weiteren auch nicht eine körperliche Niederwerfung für Gott, sondern die körperliche wie auch mentale Niederwerfung für andere als Gott.

In einigen Versen bedeutet Sadschda tatsächlich nur mentale Niederwerfung, während es in anderen Versen wiederum nur körperliche Niederwerfung bedeutet. Hier brauche ich bewusst nicht die Beschreibung „physisch“, da sowohl mentale (neuronale chemische Ereignisse) wie auch körperliche Prozesse physische Vorgänge sind. Die in 27:20-24 erwähnte Niederwerfung muss körperlich sein. 77:48 erwähnt hingegen mentale Beugung vor Gott. Der Vers 22:18 beschreibt beides: mentale wie auch körperliche Unterordnung vor Gott. Es gibt einige, die bei diesem Vers folgende rhetorische Frage stellen: „Hat irgendjemand je einen Teil dieser Schöpfung sich beugen und auf den Boden niederwerfen sehen können (Tiere ausgeschlossen)?“

Wieso sollte die Regel begründet sein, dass wir einen Teil (!) der Schöpfung nachahmen müssen? Was ist mit dem anderen Teil? Was ist mit dem gänzlich unbekannten Teil? Nur weil gewisse Dinge in den Himmeln und der Erde sich nicht vor Gott niederwerfen, indem sie ihr Gesicht nach unten zeigen in Demut, dürften wir dies nicht tun, damit wir „die Schöpfung imitieren“? Die Annahme ist hier falsch, dass alle Geschöpfe auf dieselbe Art die Niederwerfung vollziehen. Jedes Geschöpf, ob in den Himmeln oder auf der Erde, verherrlicht Gott (24:41, 57:1, 59:1, 59:24, 61:1, 62:1, 64:1), wir verstehen ihre Verherrlichung aber nicht (17:44). Wir sind ebenso angewiesen unseren Herrn Tag und Nacht zu verherrlichen. Dies tun wir aber nicht wie die Vögel oder die Planeten, nicht wie Atome oder Galaxien, sondern wie Menschen in unserer Sprache (3:41, 5:97, 7:206, 19:11, 20:130, 32:15, 40:55, 50:39-40, 52:48-49, 56:74, 56:96, 69:52, 76:26, 87:1, 110:3).

Mit dieser irreführenden Annahme, dass wir der Schöpfung zu folgen hätten, würden auch andere ähnliche Verse unklar werden, wie zum Beispiel 3:83. Dieselbe rhetorische Frage hier: „Hat irgendjemand je gesehen, dass ein Teil dieser Schöpfung Almosen gibt oder Gottes Botschaft überbringt oder den Koran liest und studiert?“ Nach der eben erwähnten Annahme müssten die (menschlichen) Gottergebenen also keine Almosen abgeben, den Koran nicht studieren, kein Radio hören, nicht fernsehen und keine Computer benutzen?!

4- Einige führen auch Vers 2:62 an, um das körperliche Kontaktgebet oder Salâh zu kritisieren. Nicht alle der erwähnten Gruppierungen würden sich beugen und sich auf den Boden niederwerfen. Sie würden wegen 2:62 offensichtlich nicht bestraft dafür. Aber die Menschen, die sich weigern, sich Gott zu ergeben und Seinen Anordnungen zu folgen, verdienen Seine Strafe.

Auch dies ist wiederum eine hastig geführte Schlussfolgerung. Die erwähnten Gruppen (Gläubige, Juden, Nazarener und jene von anderen Religionen) erlangen Erlösung von Gott, solange sie an Gott glauben, rechtschaffene Werke verrichten und an das Jenseits glauben (Konzept der Verantwortlichkeit eigener Taten). Ja, es mag sein, dass sich nicht alle dieser Gruppierungen beugen und niederwerfen. Jedoch ist es dasselbe mit dem Koran: nicht alle dieser Gruppierungen folgen und glauben dem Koran. Obwohl darin Gottes Anweisungen stehen.

Gott zieht jeden zur Rechenschaft aufgrund seiner Umstände. Jene, die die Zeichen von Moses sahen, werden für ihre Reaktion darauf zur Rechenschaft gezogen. Jene, die das Zeichen der 19 im Koran sahen, werden aufgrund ihrer Reaktion darauf zur Rechenschaft gezogen. Und so werden auch diejenigen aufgrund ihrer Reaktion zur Rechenschaft gezogen, denen angewiesen wurde sich zu beugen und sich niederzuwerfen. Erhielt doch jedes Volk einen Gesandten mit seinen eigenen Anordnungen (10:47, 22:34, 40:28).

5- Beziehend auf Vers 18:50 wurde auch schon gefolgert, dass es „keinen Bedarf gebe, sich auf den Boden niederzuwerfen, um Gott zu verherrlichen, denn dies sei uns nicht befohlen worden, sondern dass Gott von uns wolle, unseren Willen Seinem Willen zu beugen und zu unterordnen“. Diese so geäußerte Aussage mag als vernünftige Schlussfolgerung angesehen werden. Jedoch können wir die Art der Niederwerfung aus 18:50 nicht allen anderen Niederwerfungen gleichsetzen, da wir wissen, dass dieses Wort auch dazu verwendet wird, um die Bedeutung „demütig auf den Boden zu gehen“ wiederzugeben. Der Vers bezieht sich auf ein Ereignis, welches vor der Schöpfung des Lebens auf Erde geschah. Nebst dem ist dies eine Anordnung an Satan, ein aus Energie erschaffenes Wesen ungleich uns. Die Art und Weise der Niederwerfung von Satan und den Engeln muss nicht notwendigerweise die gleiche sein wie die unsrige.

6- Es soll nicht vergessen werden, was in Vers 4:102 steht. Die Gruppe, die sich bereits niedergeworfen hatte, wird durch diejenige abgewechselt, die sich noch nicht niedergeworfen hat. Diese sollen hervor treten, damit der Prophet das Gebet für sie „vorführen“ (aqamta) möge. Insbesondere aber der Hinweis, dass die Waffen nicht abgelegt werden sollen, es sei denn es regne oder man ist krank, bekräftigt den körperlichen Aspekt der Niederwerfung.

7- Ein Bruder erwähnte einmal folgendes:

Das entsprechende Wort wird meistens mit einem anderen Wort verbunden, das davor kommt: Khar’a (runter fallen). Dies verdeutlicht es uns, dass wir tatsächlich körperliche Niederwerfung vollziehen müssen. Würde man „Niederwerfung“ sofort als etwas Körperliches verstehen, bräuchte man auch nicht „Khar’a“ hinzufügen. Vers 12:100, welche die Erfüllung von Josefs Traum beschreibt, benutzt die Wörter „fallen“ und „niederwerfen“ zusammen.

Dies ist in der Tat interessant. Doch man darf nicht vergessen, was am Anfang des Kapitels, nämlich in 12:4 steht: in Josefs Vision, welche gerade das Ereignis aus 12:100 beschreibt, wird nur ein Wort verwendet: Sadschedeen (in der Bedeutung etwas ähnliches wie: sie waren sich am niederwerfen). Darüber hinaus wird ebenso David damit in Verbindung gebracht, der das Kontaktgebet verrichtete:

38:24 Und David merkte, dass Wir ihn auf die Probe gestellt hatten; also bat er seinen Herrn um Verzeihung und fiel kniend nieder (Kharra rukka’An) und bekehrte sich.

Hier wird Davids Reue klar als Niederknien beschrieben, sowohl geistig als auch körperlich.

Ich möchte gerne ihn und andere, die sich intensivst darum bemühen, den formalen Aspekt des Kontaktgebetes (Salâh) zu eliminieren, an folgenden Vers erinnern:

19:58 … Wenn ihnen die Zeichen des Allerbarmers verlesen wurden, fielen sie niederwerfend und weinend nieder (kharru sujjadan wa bukyan).

Der Staub und die Erschaffung des Menschen

86:5-7 So soll der Mensch doch hinsehen, woraus er erschaffen ist, Erschaffen aus herausströmendem Wasser das zwischen Hartem und Weichem (Tarā’ib) herauskommt.


Eine andere Form des Wortes „Tarā’ib“ ist „Turāb“, welche in Sure 3, Vers 59 zu finden ist:

Wahrlich, Jesus ist vor Gott wie Adam, den Gott aus Staub (Turāb) erschuf, als er sprach: „Er sei!“ und er war.


Das Wort „Turāb“, welches üblicherweise mit „Erde“ übersetzt wird, bedeutet auch schlicht Staub. Dieselbe Form dieses Wortes kommt auch in Sure 30, Vers 20 vor im Zusammenhang mit der Erschaffung des Menschen wie in den vorherigen Versen auch:

Zu den Zeichen Gottes gehört, dass Er euch aus Staub (Turāb) erschaffen hat, und nun seid ihr Menschen, die sich auf der Erde ausbreiten.


Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass das Wort „Turāb“ im Quran bis auf vereinzelte Ausnahmen (2:264, 16:59) immer in Verbindung mit „Schöpfung“ und „wieder Auferweckung“ vorkommt: 3:59, 13:5, 18:37, 22:5, 23:35, 23:82, 27:67, 30:20, 35:11, 37:16, 37:53, 40:67, 50:3, 56:47, 78:40.

Die anderen Formen hingegen nicht:

Tarā’ib: 86:7
Atrāb: 38:52, 56:37, 78:33
Matraba: 90:16

Die Frage die sich jetzt stellt ist, warum Gott die Erschaffung des Menschen im Quran immer wieder im Zusammenhang mit „Staub“ erwähnt? Die Antwort auf diese Frage finden wir in den Wissenschaften:

Stardust-Sonde

Bild: NASA

Am 7. 2. 1999 startete die NASA Sonde „Stardust“ ins Weltall, primäre Aufgabe dieser Sonde war es, kosmische Staubpartikel bzw. kosmischen Staub zu erforschen. 2004 passierte die Sonde den Kometen „Wild 2“ und lieferte erste Daten von den eingefangenen Partikeln. Die Daten, die von der Sonde zur Erde geschickt wurden, zeigten, dass sich in den Staubpartikeln Moleküle befinden, die als Voraussetzung für die Produktion von menschlichem Erbmaterial gelten. Dies führte unweigerlich zu der Annahme, das Leben auf der Erde höchstwahrscheinlich anhand von genau diesem kosmischen Staub entstanden sein muss, welcher die Lebensbausteine enthält, die nunmal dazu erforderlich sind, damit Leben überhaupt erst entstehen kann.

Und genau diese Lebensbausteine enthält überraschenderweise dieser kosmische Staub. Die Ergebnisse der Sonde liefern auch eine klare Antwort auf die Frage, wie überhaupt die ersten Moleküle auf der Ur-Erde entstehen konnten.

Es ist sehr überraschend, beeindruckend und gleichzeitig aufschlussreich, dass dieser so unbedeutende Staub womöglich eine so große Rolle in der Erschaffung des Lebens gespielt hat. Noch beeindruckender ist hingegen die Tatsache, dass im Quran dieser so unbedeutende Staub immer wieder im Zusammenhang mit der Erschaffung des Lebens erwähnt wird, anscheinend war genau dieser kosmische Staub Teil der Schöpfung, genauso wie das ja mittlerweile die modernen Wissenschaftler und Forscher mit Hilfe ihren modernen wissenschaftlichen Instrumenten und Forschungen herausgefunden haben, welche wieder einmal unbewusst den Göttlichen Ursprung des Quran bestätigen.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines kosmischen Staubkörnchens. Bild: J. Freitag/ S. Messenger

Das einfach aus dem Grund, weil schon vor über 1400 Jahren dieses Wissen im Quran verewigt wurde zu einer Zeit, in der es weder Weltallsonden gab, noch sonstige moderne wissenschaftliche Hightech-Instrumente (wie z.B. Staub-Analysatoren), so dass die damaligen Menschen fähig gewesen wären, genau diesen kosmischen Staub zu erforschen. Denn auch wenn man annehmen würde, dass damals die Menschen von diesem Staub gewusst haben, hätten sie ohne diese Instrumente nicht die Möglichkeit gehabt, diesen zu erforschen, geschweige denn um zum Ergebnis zu kommen, dass dieser kosmische Staub die Grundbausteine für die Produktion von menschlichem Erbgut enthält. Es kann sich hierbei nur um Göttliches Wissen handeln, welches sich womöglich schon seit Adam, seit der Entstehung der Gattung Homo sapiens, hier auf der Erde befindet.

67:3-4 (Er), der sieben Himmel in Schichten erschaffen hat. Und du kannst an der Schöpfung des Erbarmers kein Missverhältnis sehen. Wende deinen Blick zurück: Siehst du irgendeinen Mangel? Dann wende deinen Blick zweimal zurück. Dein Blick kehrt zu dir beschämt und ermüdet zurück.

Riba im Koran – Zins oder Wucherzins?

Schweizer Rappen

Bild: Florian Schlapbach, CC BY-NC 2.0

Bis vor Kurzem noch schwirrten in meinem Kopf vielerlei Fragen herum bezüglich der Frage, was „riba“ (üblicherweise als Zins oder Wucher wiedergegeben) ausmacht. Was ist das klassischarabische Wort für Zins? Hatten die Leute, die während der Offenbarungszeit zugegen waren, zwei verschiedene Worte für Wucher und Zins? Welche Gründe habe ich für die Übersetzung von riba im Koran als „Zins“ oder „Wucher“? Wo beginnt der Wucherzins denn genau? Wieso sollte ich fünf, zehn oder zwanzig Prozent als die Grenze zwischen eines teuflischen Wuchers und dem legalen Zins nehmen? Was würde es ökonomisch bedeuten, wenn ich zwanzig Prozent als fixen Wert für diese Grenze nehme, wo doch stetig fluktuierende Inflation und Entwertung stattfindet in der heutigen Wirtschaft? Kann ich mich gänzlich vom Zins befreien in der heutigen Zeit? Was empfinde ich gegenüber dem Zins als mathematischem Modell an sich? Ich sprach mit Freunden, besuchte Seminare über dieses Thema, las viel darüber, doch zu einem Ergebnis kam ich nicht – eben bis vor Kurzem.

Die Diskussion im Islam um riba im Koran hält schon seit Jahrhunderten an. Zahlreiche Gelehrten glauben, dass Wucher jede „fixe“ Prozentzahl meine in Bezug auf Einnahmen, die aufgrund Geldleihe oder Depositen gewonnen wurde. „Fix“ deshalb, weil damit derjenige, der das Geld leiht, von jeglichem Verlust ausgeschlossen wird. Die Einnahmen des Leihenden jedoch, die je nach Gewinn oder Verlusten variieren können, werden nicht als Wucher angesehen. Es gab andererseits wiederum viele, die nicht dieser Meinung waren und glaubten, dass Wucher lediglich das Verlangen maßlos übertriebener Zinsen oder Zinseszinsen bedeute. Je nach Meinung aber auch jeglicher unsittlicher Handel, bei dem eine Partei Nutzen aus der misslichen Lage des Anderen zieht. Nach dieser Ansicht wäre also das Ausleihen von Geld inklusive Zinsen zufriedenstellend, weil solange gegenseitige Übereinstimmung bestehe, könne Wucher auch als Handelsform betrachtet werden. Doch diese übersehen ganz klar den Vers 2:275 aus dem Koran:

2:275 Diejenigen, die die Riba verzehren, stehen nicht anders da, als wie derjenige dasteht, der vom Teufel durch Erfassung erschlagen ist. Dies deswegen, weil sie sagten, der Handel sei wie die Riba. Doch Gott erlaubte den Handel und verbot die Riba. …


Wenn Riba lediglich unmoralische Geschäftspraxis bedeutete, wie etwa Profittreiberei oder Ergaunern von Kredit, so wäre diese Angelegenheit eine moralische. Damit wäre sie aber auch leicht erkennbar als falsch. Jedoch scheint es eher so zu sein, dass Riba eine Aktivität meint, welche den legitimen Handel beinhaltet. Hierdurch wird es auch notwendig, die Riba vom Handel zu unterscheiden. Schließlich wird es aber doch wieder zu einer Frage der Moral, wenn wir die Langzeitfolgen der Verzinsung für die Gesellschaft betrachten. Es ist sehr wichtig, dass wir uns selbst ausbilden und darauf Acht geben, nicht überhastet Meinungen zu bilden, nur weil wir einem oder zwei Gelehrten zugehört haben. Erst eigenständiges, aktives Suchen nach allen möglichen Fakten bemächtigt uns dazu, eine ausgereifte Entscheidung aufgrund der Recherchen zu fällen. Oder in den Worten Immanuel Kants, dessen Doktorurkunde die Bismillah auf Arabisch beinhaltet:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
– Immanuel Kant


Bitte versteht mich nicht falsch, ich habe meine Ausbildung in Mathematik genossen, weshalb ich das Zinssystem aus rein mathematischem Aspekt an sich nicht mag, und nicht in Wirtschaft. Deshalb braucht es weitere Experten, die sich mit Ökonomie bestens auskennen, um bewerten zu können, wie sehr die Verzinsung der Wirtschaft schadet. Interessante Ansätze für ein Umdenken lassen sich finden, eine genauere Erörterung und Ausführung und die Prüfung der Umsetzbarkeit ist sicherlich auch vonnöten. Dies überlasse ich gerne den Experten.

Auf jeden Fall kann ich aber meine persönliche Meinung übers Verzinsen nicht mit dem religiösen Verständnis gleichsetzen. Da es nicht sogleich ersichtlich ist, wieso Verzinsung (Einnahmen mit fixen Prozentsätzen) verboten werden sollte, wenn es doch scheint, dass ein legitimer Handel zwischen zwei Parteien geschieht, der auf gegenseitiger Übereinkunft begründet ist, sollten die schädlichen Aspekte solcher fixer Einnahmen für die Gesellschaft näher durchleuchtet werden. Welche genauen Wirkungen hat die Verzinsung auf die Ökonomie? Und inwiefern wird eine von Verzinsung befreite Gesellschaft produktiver, stabiler und gerechter werden? Welchen Effekt hat die Verzinsung auf die Inflation, die Arbeitslosigkeit und die Defizite der Regierung? Und der dadurch verursachten Vergrößerung der Lücke zwischen arm und reich? Oder gibt es bereits Studien, die diese Fragen beantworten?

Semantik

Ich entschied mich letztes Jahr, ein Buch über das Auslegen und das Verstehen des Koran zu schreiben. Im Zuge meiner Recherchen und Verfeinerung meiner Auslegungsmethodiken kam ich dann auf Hinweise, die mich auf die Spur brachten. Diese Hinweise, die ich der Semantik entnahm, machen die vorhin erwähnten Fragen und ihre Antworten irrelevant. Denn, bei der Betrachtung von riba im Koran (2:261-281, 3:130-133, 30:39 und 4:161-162) ist aufgrund der verwendeten semantischen Bedeutungsebenen der Wörter riba und sadaqa klar, dass das Verbot nichts zu tun hat mit geschäftlichen Handlungen. Der Fokus des Verbots betrifft die Wohltätigkeit und das verzinste Leihen von Geld für wohltätige Zwecke. Dies wird von Gott im Koran verboten. Es ist verboten, Bedürftigen Geld zu leihen, und bei der Rückzahlung Zins zu verlangen. Sei dieser Zins nun niedrig oder hoch. Der Bedürftige braucht das Geld nicht, um Geschäfte abzuwickeln, sondern um seine Bedürfnisse nach Nahrung und Unterkunft zu decken. Er braucht es, um damit zu überleben. Dieses Dilemma auszunutzen wird von Gott verboten. Dem bedürftigen Freund oder Nachbar Geld zu leihen ist kein Geschäft, sondern ein rein humanitärer Akt – ein Akt der Wohltätigkeit. Dem Schwachen ist zu helfen, ohne seine Schwäche auszunutzen. Dieser bedürftige „Freund“ oder „Nachbar“ kann auch ein Staat sein, doch in erster Linie sind es Individuen oder Familien.

Inwiefern kann die semantische Bedeutungsebene gewonnen werden? Die Antwort ist zwar länglich, aber leicht und wie folgt: im Vorfeld auf das Erwähnen des Wortes riba im Koran können wir sehen, dass…

– … 2:262 betont, dass die Abgaben auf Gottes Weg weder Vorhaltung noch Schaden nach sich ziehen lassen dürfen. Dies wird in 2:263 nochmals rhetorisch verstärkt, dass in solch einem Falle gar freundliche Worte und Verzeihen besser seien als eine Spende (sadaqa). Weitere Verstärkung durch Gleichnisse in den darauf folgenden Versen.

– … 2:270 die Abgaben (nafaqa) erwähnt, Vers 2:271 die Spenden (sadaqât). Somit werden Abgaben und Spenden miteinander semantisch in Verbindung gebracht. Spenden werden also auch als Abgaben behandelt. Das Verb abgeben (oder auch ausgeben: yunfiq) wird an anderer Stelle (2:219) mit ‚Afw in Verbindung gebracht, das für alles steht, was wir als Überschuss verstehen und deshalb verzeihen können, es abzugeben, es also als Verzicht in Kauf nehmen.

– … dreimal das Verb abgeben in Vers 2:272 vorkommt und in der Absicht eingeschränkt wird auf den religiös moralischen Aspekt durch den Satz: „Und was ihr ausgebt, ist nur, um nach Gottes Antlitz zu trachten„. Die Abgaben haben also keinerlei geschäftlichen Aspekt zu berühren.

– … Vers 2:273 zeigt, dass die Spendenabgaben für die Armen sind. In Vers 2:274 wird diese Abgabe nochmals erwähnt.

Der folgende Vers erwähnt zum ersten Mal das Wort riba im Koran, im Vers als ‚Riba‘ belassen.

2:275 Diejenigen, die die Riba verzehren, stehen nicht anders da, als wie derjenige dasteht, der vom Teufel durch Erfassung erschlagen ist. Dies deswegen, weil sie sagten, der Handel sei wie die Riba. Doch Gott erlaubte den Handel und verbot die Riba. Wer also von seinem Herrn eine Unterweisung bekam und danach aufhörte, dann ist für ihn, was vergangen ist. Und seine Angelegenheit ist bei Gott. Und wer rückfällig wurde, jene sind die Gefährten des Feuers. Darin sind sie ewig


Bereits vergangene Verzinsungen von Spendenabgaben werden verziehen, vorausgesetzt, diese Verzinsung wird künftig unterlassen. Hier wird der Ernst der Lage richtig deutlich. Denn den Rückfälligen wird mit dem Feuer gedroht.

Äußerst interessant ist der Wortgebrauch des Wurzelstammes von riba im Koran im folgenden Vers:

2:276 Gott lässt die Riba vergehen und verzinst (yurby) die Spenden. Und Gott liebt keinen, der ableugnend, sündigend ist


Hier wird die Riba semantisch den Spenden (sadaqât) gegenübergestellt. Und um dies zu verstärken werden die Spenden verzinst, die nur für Gottes Wohlgefallen ausgegeben werden! Die Verzinsung der Spenden lässt sich aus Vers 6:160 verstehen, wonach alle gute Taten verzehnfacht werden vor Gott. Diese „gute Taten“ können aber nicht missbraucht werden, was 2:276 eindrücklich aufzeigt und in 2:275 verdeutlicht wird. Vers 2:277 erläutert das allgemeine Wesen der Gläubigen und erwähnt die Reinigung der Seele durch Wohltätigkeit (Zakâh, siehe auch die Wurzel zu diesem Wort). 2:278 ermahnt die Gläubigen, von der Verzinsung abzulassen.

2:279 Wenn ihr es aber nicht tut, dann sei euch ein Krieg von Gott und seinem Gesandten angekündigt. Und wenn ihr es bereut, so ist für euch euer Kapitalvermögen. Weder tut ihr unrecht noch wird euch unrecht getan


Der Gelehrte Jusuf ‚Ali glaubte allen Ernstes, dass es sich hier „nicht um einen Meinungsstreit, sondern um eine tatsächliche Kriegserklärung“ handle mit dem Ziel, die „Befreiung der Schuldner herbeizuführen, die ungerecht behandelt und unterdrückt werden“. Dies ist schlicht falsch. Dieser Krieg ist selbstredend kein Krieg, der mit Waffen geführt wird, sondern per Gesetz geregelt wird im diesseitigen Leben und per göttliches Urteil im Jenseits. Dies wird dadurch ersichtlich, dass ein Bereuen möglich ist. Bei einer echten Kriegsansage würde das Recht auf Leben nichtig erklärt werden, womit ein Recht auf Reue, was nach dem Tötungsakt im Krieg offenbar ein Ding der Unmöglichkeit wird, erlischt und eben gerade diesem Vers zuwider liefe. Vielmehr handelt es sich um einen spirituellen Krieg, den der schwache Mensch gegenüber Gott seinem Schöpfer nur verlieren kann (vgl. Vers 2:281). Der Gelehrte Darjabaadi sagte zu diesem Vers:

Im Qur’an stoßen wir auf zahlreiche andere Verbote, aber bei keiner anderen derartigen Anweisung werden so starke Worte verwendet. Durch all dies sollte nicht nur das Zinsunwesen allein, sondern jede andere Art von unlauteren Geldgeschäften unterbunden werden, damit anstelle des Kapitalismus eine neue Ordnung trete, in der Geiz durch Mildtätigkeit, Selbstsucht durch Mitgefühl und Zusammenwirken, Zins durch Sadaka und das Bankwesen durch das von der Öffentlichen Hand zu vergebende Geldmittel ersetzt wird.


Vers 2:280 ermahnt uns, den Schuldner nicht zur Zurückzahlung zu drängen, auch wenn das Recht am Grundkapital besteht. Jedoch ist es besser für unsere Seelen, im Trachten nach dem Antlitz Gottes, die gesamte oder auch einen Teil der Schuld zu spenden.

Der Vollständigkeit halber liste ich hier noch die anderen Bedeutungen des Wurzelstamms von riba im Koran auf:

  • anschwellen (‚rabat‘ in 22:5, 41:39),
  • vermehren/verzinsen (yarbu in 30:39, yurbi in 2:276)
  • zahlreicher (arbâ in 16:92),
  • ein Hügel oder eine Anhöhe (rabwa in 2:265, 23:50),
  • Oberfläche oder schwellend (râbyan 13:17)
  • sehr stark, im Sinne von hoher Kraft (râbyatan 69:10)

Lange Rede kurzer Sinn: Vers 2:276 genügt, um das Thema zu klären. Dies wird erreicht durch die Gegenüberstellung von ‚riba‘ mit Spenden. Die semantische Wortbedeutung wird klargestellt durch den Gebrauch des Verbes (yurbi) vom selben Wurzelstamm im Sinne einer unrechtmäßigen Vermehrung: der Verzinsung von Spendenabgaben.

Im kontextuellen Zusammenhang der Verse davor und danach wird die Angelegenheit klarer, die restlichen Verse sind unterstützend. Sich davon fern zu halten, wäre ratsam, da man ansonsten Gott und Seinem Gesandten den Krieg erklärt, den man nur verlieren kann.

Gepriesen seist Du, oh Herr! So leite uns Recht, auf dass wir Dir nahe sein können und fern von dem Weg, welcher Dein Wohlgefallen nicht erlangt. Konkretes Beispiel: irgendein Mensch, beispielsweise ein Nachbar, erlebt gerade eine schwere Zeit und hat kein gesichertes Einkommen und ist auf die finanzielle Unterstützung anderer angewiesen. Er leiht Geld, um die Miete und die Nahrung für sich und seine Familie sicherzustellen. Er versichert, mündlich oder schriftlich, dass das Geld zurückgezahlt wird. Wer hier auf das ausgeliehene Geld eine Verzinsung einführt, sagt Gott und Seinem Gesandten den Krieg an, da es dem Wort Gottes widerspricht, da das Ausleihen in diesem Fall ein humanitärer Akt sein sollte. Obwohl es keine Pflicht darstellt, wird uns geraten, Rückzahlungen nicht ganz einzufordern, sondern ganz oder auch einen Teil davon als Spende abzugeben, um seine eigene Seele zu reinigen vor Gott. Jedoch ist es auch rechtmäßig, das gesamte Kapital zurückzufordern. Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Geld von einer Privatperson oder einem Institut, wie etwa einer Bank geliehen wird.

Riba meint also die verbotene Verzinsung der Spendenabgaben und kein allgemeines Zinsverbot.


Nachtrag vom 10. Mai 2013:

Bruder Alkan machte mich auf folgende Verse der Bibel aufmerksam, die das Geschriebene aus der Bibel unterstützen, dass der verbotene Zins nur denjenigen Zins meint, der bei Spendenabgaben für Bedürftige („die Elenden“) entsteht:

„Falls du (einem aus) meinem Volk, dem Elenden bei dir, Geld leihst, dann sei gegen ihn nicht wie ein Gläubiger; ihr sollt ihm keinen Zins auferlegen.“
„Und wenn dein Bruder [d.i. ein Mitglied des Volksverbands] verarmt und seine Hand neben dir wankend wird, dann sollst du ihn unterstützen wie den [landlosen] Fremden [hebr. ger] und Beisassen [hebr. toschab, d.h. ein nichtjüdischer Ortsansässiger], damit er neben dir leben kann. Du sollst nicht Zins von ihm nehmen und sollst dich fürchten vor deinem Gott, damit dein Bruder neben dir lebt. Dein Geld sollst du ihm nicht gegen Zins [hebr. neshek, wörtlich Abbiss] geben, und deine Nahrungsmittel sollst du nicht gegen Aufschlag [hebr. marbit] geben.“
„Du sollst deinem Bruder keinen Zins [hebr. neshek] auferlegen, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht. Dem Fremden [hebr. nochri, d.h. einem Ausländer, der nur vorübergehend im Land weilt] magst du Zins auferlegen, aber deinem Bruder darfst du nicht Zins auferlegen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem Geschäft deiner Hand in dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen.“


Sprechende Ameisen

27:18 Bis dann, als sie zum Tale der Ameisen kamen, eine Ameise sprach: „O ihr Ameisen hinein in eure Wohnungen, damit nicht Salomo und seine Heerscharen euch zertreten, ohne dass sie es merken.“


Im Jahre 2009 haben Wissenschaftler eigentlich eher zufällig herausgefunden, dass Ameisen miteinander kommunizieren. Eine besondere Stellung hat dabei die Königin unter ihnen. Interessant ist dabei auch, dass der Koran in Vers 27:18 eine weibliche Ameise sprechen lässt.

Video über die sprechenden Ameisen:

Die Unterschrift des Schöpfers in der Natur ist klar zu sehen. Gepriesen sei Er!


27:19 Da lächelte er heiter über ihre Worte und sprach: «Mein Herr, gib mir ein, dankbar zu sein für Deine Gunst, die Du mir und meinen Eltern gewährt hast, und Gutes zu tun, das Dir wohlgefällig sei, und nimm mich, durch Deine Barmherzigkeit, unter Deine rechtschaffenen Diener auf.»


Weitere Fragen, die sich aus den Versen ergeben: Wie erkennen die Ameisen Salomon? Vom Geruch seiner Füße oder dem Klang seiner Schritte und den davon ausgelösten Wellen auf dem Boden? Auf welche Distanz hin hörte Salomon die Ameisen und worauf achtete er dabei? Es sei an Vers 20:114 erinnert:

20:114 Hoch erhaben ist Gott, Der wahre König. Beeile dich nicht mit dem Koran, bevor seine Offenbarung zu dir kam, und sage: „Gott, gewähre mir mehr Wissen!“


Weitere Links:

Frieden sei mit Ihnen!

Takiya / Taqiyya – Der Mythos des Lügens

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Einer der größten Mythen, die über den Islam im Internet kursieren und vor allem von islamophoben Menschen und aktiven Islamgegnern, die kein seriöses Wissen besitzen, verbreitet werden, ist der Mythos, dass Takiya (oder je nach Transliteration Taqiyah, Taqija, Taqiyyah oder Taqiyya – تقية) dem Muslim erlaube böswillig zu lügen, um Absichten zu vertuschen – insbesondere dann, wenn es „dem Islam dienlich“ sei. In hetzerischen Veröffentlichungen über den Islam wird ihnen immer wieder vorgeworfen, dass sie ihre „wahren Absichten“ verschleierten, im Konkreten die „Machtübernahme“ hierzulande und in Europa, und nach Außen ein anderes, „harmloseres“ Gesicht zeigten, als sie es eigentlich hätten. Das Interessante hierbei ist, dass der überwiegende Großteil der heute lebenden Muslime das Wort Takiya und die entsprechenden Verse nicht einmal kennt! Wie sollen diese also wissen, dass es ihnen angeblich erlaubt sei, zu lügen?

Dieses Scheinargument wird dazu verwendet, um dem Ansehen und dem Bild des Islam und dem Ansehen der Muslime zu schaden. So werden beispielsweise muslimische Prediger, die sich gegen die Zwangsheirat, Ehrenmord, Terrorismus oder Frauenunterdrückung und für die Demokratie, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, Wissenschaft und Gerechtigkeit aussprechen, schlicht als Lügner bezeichnet. Ihr Lieblingsargument: dieser Prediger würde sich doch lediglich auf Takiya berufen!

„Es gibt ja die Taquyya, die im Islam erlaubte Verstellung und Täuschung bei der Auseinandersetzung mit Ungläubigen. Die Ditib ist für mich die Materialisierung der Taquyya. Egal, wie die Antwort ausfällt: Ehrlich wird sie nicht sein. Das ist Taquyya. Die Erlaubnis für Muslime, Ungläubige zu belügen.“

Ralph Giordano, Schriftsteller


Erstens ist zu dieser Aussage zu sagen, dass im Islam nicht von „Ungläubigen“, sondern von Ableugnern (kuffar oder kâfirun, der Plural von Kafir) die Rede ist. Ableugner sind Menschen, welche die Wahrheit bedecken, vertuschen, verheimlichen oder verhindern, dass sie ans Licht gelangt. Rein theologisch wirft Herr Giordano den Muslimen also vor, dass sie gerade zu der Kategorie von Mensch gehören, der sie laut Koran auf keinen Fall angehören dürfen.

Takiya ist das Konzept des Überlebens in lebensgefährlichen Situationen. Zurück zu Takiya. Wir stehen vor einem logischen Paradoxon, wenn von nichtmuslimischer Seite her betrachtet wird. Wenn das Lügen aus welchen Gründen auch immer erlaubt wäre, wieso sollten man zugeben, dass man lügen darf? Wenn man lügen dürfte, dann würde man doch sicher auch lügen, wenn es darum geht, dass man nicht lügen dürfe. Wenn Muslime nicht lügen dürfen, dann müssen die Muslime sich daran halten und ebenfalls behaupten, dass man es nicht darf. Es kann nicht behauptet werden, dass man lügen dürfe, wenn die Muslime nicht lügen dürfen!

Aus diesem Grund werden die Islamgegner, welche einer blinden, religiösen Wut nachjagen und den konstruktiven Dialog in der Gesellschaft zu verhindern versuchen, egal was hier folgt dennoch dran glauben, dass Muslime lügen würden. Mit dem Ergebnis, dass die Muslime egal was sie tun dem negativen Bild nicht entgehen können. Sie sind bereits vorverurteilt – die Anklage wird bereits zur Verurteilung!

Der Begriff der Takiya ist somit ein Beispiel für islamisch nicht korrekt verwendete Begriffe, um religiöse Hetzerei zu treiben. Dieser Vorwurf hat im Islam keinerlei Grundlage. Der Fachbegriff Takiya wird in der einschlägigen Standardliteratur, welche für die Muslime gedacht ist, damit diese ihre Religion auch rechtens lernen, nie in diesem von den Islamophoben behaupteten Kontext verwendet.

Dieses fadenscheinige Argument dient Islamgegnern als Hauptargument gegen den Islam, sodass jeder positive Beitrag und jede positive Tat eines Muslims in Frage gestellt werden kann. Das Ziel dieser Menschen ist es, ein Bild vom Islam zu erzeugen und aufrechtzuerhalten, welches undurchsichtig, unmoralisch und gefährlich erscheint.

Was sagt der Koran zu Takiya?

In Wirklichkeit ist es islamisch gesehen verboten, zu lügen und zu manipulieren. Es ist dem Muslim keineswegs erlaubt, Unwahrheiten über den Islam zu verbreiten. Insbesondere wenn es darum geht, Dinge zu verheimlichen, damit im Gespräch diese Religion einem Nichtmuslim gefalle. Der Koran sagt jedoch unmissverständlich:

22:30 … und meidet das Wort der Lüge!

Dieser Vers allein reichte aus, um das unhaltbare Argument der islamophoben Menschen zu widerlegen. Gemäß Koran ist es auch nicht der Mensch, der einen anderen Menschen zur Rechtleitung verhilft, sondern nur Gott der Schöpfer. Nicht einmal Propheten können die Menschen rechtleiten oder zur Vergebung verhelfen (9:80, 28:56, 30:29, 43:40, 45:23). Wieso sollte also ein Bedarf auf muslimischer Seite bestehen, durch ungerechtfertigtes Lügen Gott dienen zu wollen? Würde man eine Falschaussage über den Islam machen, käme dies einer Erneuerung und Veränderung der Religion gleich. Dies ist jedoch im Islam strikt verboten. Neuerungen oder Modernitäten, oder aber auch Traditionen und Kulturen als Religion zu vermitteln ist so zu behandeln, dass es eine Beigesellung (shirk) weiterer Wesen zur Autorität Gottes bedeutet, die uns eine andere Religion vorschreiben, die nie von Gott verordnet wurde (42:21). Damit würde sich der Muslim theologisch gesehen vor Gott der Kapitalsünde schlechthin schuldig machen (4:48, 4:116).

Wieso sollte sich ein Gottergebener (ar.: Muslim) so verhalten, dass es Gottes Abscheu erregte?

61:2-3 O die ihr glaubt, warum sagt ihr, was ihr nicht tut? Welch schwerwiegende Abscheu erregt es bei Gott, dass ihr sagt, was ihr nicht tut.


Lassen Sie uns einen Blick in den Koran werfen, inwiefern Takiya erwähnt wird:

3:28 Die Gläubigen sollen sich nicht die Ableugner anstelle der Gläubigen zu Verbündeten nehmen. Wer das tut, hat nichts mit Gott, außer wenn ihr euch vor ihnen wirklich schützen müsst. Gott warnt euch vor Sich selbst. Und zu Gott führt der Lebensweg.

16:106 Wer Gott verleugnet, nachdem er geglaubt – den ausgenommen, der gezwungen wird, indes sein Herz im Glauben Ruhe findet – jene aber, die ihre Brust der Verleugnung öffnen, auf ihnen ist Gottes Zorn; und für sie ist eine gewaltige Strafe.


Im ersten zitierten Vers wird die Regel allgemein gehalten, während im zweiten Vers diese Regel ausgeführt und die Ausnahme behandelt wird, in der es für den Muslim möglich ist, seinen Glauben an den Islam und Gott zu verleugnen, wenn er dazu gezwungen wird – obwohl er im Inneren seines Herzens glaubt. Wohlgemerkt ist hier nicht davon die Rede, dass der Muslim lügen könne, um dem Islam zu dienen! Hier ist von der kompletten Verleugnung der eigenen Religion die Rede! Diese Fälle können auftreten, wenn Muslime Morddrohungen erhalten, durch Folter dazu gezwungen würden oder ihre Existenz fürs Leben sonst wie direkt bedroht wird. Es wird in der Geschichte überliefert, dass dies in der ersten Generation der Muslime geschehen sei. Nach der Überlieferung überlebte der Muslim Amar ibn Yasser die Verfolgung und Folter der Heiden und Beigeseller nur dadurch, indem er seine Zugehörigkeit zum Islam zurückwies. Seine Eltern taten dies hingegen nicht und wurden ermordet.

Die Erlaubnis zur Verleugnung seiner Religion in den oben erläuterten akuten Bedrohungssituationen bezieht sich vor allem auf Muslime, die sich in der Position einer unterdrückten Minderheit befinden. Gerade dies wird von den Hetzern ja nicht so gesehen. Hier wird also ein Ableugnen der eigenen Religion eher sogar noch provoziert, wenn nämlich die Situation entsteht, dass das öffentliche Ausleben der eigenen Religion bekämpft, nicht mehr toleriert und missbilligt wird und Anhänger einer Religion insgesamt unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Anders als es von Islamophoben und gewissen Orientalisten geglaubt und vor allem im Internet verbreitet wird, ist das Lügen im Islam verboten. Der Muslim hat sich an die Wahrheit zu halten. Noch gravierender wird es für den Muslim, wenn er Unwahrheiten über den Islam verbreitet, indem er bestimmte Regeln verändert, unumstößliche Prinzipien der Wahrheitshaltung auslässt oder Erneuerungen hinzu dichtet. Nicht einmal in Notsituationen dürfen islamische Regeln oder theologische Inhalte des Koran verleugnet werden! Das Lügen ist in diesen Fällen strikt verboten. Erlaubt ist lediglich, sich vom Islam loszusagen, wenn dadurch der eigene Tod oder auch der anderer wie etwa durch Folter oder Morddrohung vermieden werden sollte. Der Islam bietet also dem Muslim keinesfalls die Möglichkeit, Nichtmuslime über die Regeln und Glaubensinhalte der Religion anzulügen. Daher sind die Aussagen Giordanos und aller derer, die seiner Meinung zustimmen, schlicht und einfach falsch.

In der Geschichte fand die Takiya auch bei den Schiiten Anwendung, weil diese öfters von den Sunniten verfolgt und auch oft bedroht wurden. Sie erlebten durch die Hand vieler Sunniten Zwang oder Gefahr für Leib und Besitz und mussten ihre rituelle Pflichten missachten und den eigenen Glauben verheimlichen.

Das arabische Wort Taqiyya stammt von der Wurzel waqa (وقى) ab, was soviel bedeutet wie behüten, beschützen, bewahren, schützen oder sichern. In der Grundbedeutung dieser Wurzel wird also ersichtlich, weshalb es einem erlaubt wurde, in lebensgefährlichen Situationen den eigenen Glauben zu verleugnen – aus Schutz und zur Sicherung des eigenen Lebens und das anderer. Und interessanterweise ist auch genau diese Wurzel die Quelle des arabischen Wortes „muttaqii“, das als Bezeichnung für jemanden im Koran gebraucht wird, der sich gegenüber dem Bösen hütet, sich in Sicherheit bringt vor dem, was schädlich und verletzend ist und zu guter Letzt achtsam ist seiner Pflichten gegenüber anderen Menschen und vor allem Gott. Aus diesem Grund übersetzen wir dieses Wort „al-muttaqiin“, welches im Koran an 49 Stellen vorkommt, als die Achtsamen. Dieses Wort kommt im Koran oft in Verbindung mit denen vor, die Wahrhaftigkeit pflegen.

2:177 (Die Aufrichtigen sind diejenigen,) die ihre Vereinbarung einhalten, wenn sie vereinbarten, und die in der Not, im Leid und wenn es schlimm zugeht, geduldig sind. Das sind die Wahrhaftigen und das sind die Achtsamen

39:33 Diejenigen aber, die mit der Wahrheit kommen und sie für wahr halten, das sind die Achtsamen.


Takiya ist zusammenfassend gesagt das Konzept des Überlebens in lebensgefährlichen Situationen.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Diakritik und Vokalisation: 65:4 – Heiraten mit Kindern?

Es ist bekannt und durch Manuskripte belegt, dass die sogenannte Diakritik ( إعجام – iʿdschām) und die Vokalisation ( تشكيل – taschkīl, diese umfasst auch die sogenannten حركات – ḥarakāt) der arabischen Buchstaben wie auch die speziellen Symbole und Buchstaben, die als Anweisung für eine genaue Rezitation gelten, erst nach der Offenbarungszeit der Lesung eingeführt wurden, demnach also keineswegs zum ursprünglichen Original gehörten. Es gibt den sogenannten „Rasm“ ( رسم ) der arabischen Buchstaben, also die “Spur” der Buchstaben, in denen diese diakritischen Zeichen nicht vorkommen. Viele der ältesten Manuskripte, welche die Lesung sehr oft nur teilweise beinhalten, sind in diesem Rasm, also ohne diakritische Zeichen, niedergeschrieben. Hier Beispiele von alleinstehenden, ähnlich aussehenden Buchstaben mit diesen „Punktierungen“ (diakritischen Zeichen):

 

ب ت ن ث
ف ق
ز ر
ص ض
ج ح خ
ع غ
ط ظ
د ذ

 

Hier ein Vergleichsversuch für die deutsche Sprache:

 

i ı
ö o
ä a
ü u
b p
q d

 

Ohne diese Punktierungen oder kurzen Striche können die Buchstaben nicht unterschieden werden und nur der sehr geübte Leser (auch für arabische Muttersprachler keine einfache Aufgabe) wird mittels des Kontexts ermitteln können, um welche Worte es sich hierbei handelt. Wer hier in der Forschung von Manuskripten profunde Beiträge leisten will, muss nicht nur die arabische Sprache sehr gut beherrschen, sondern ebenso den arabischen Text der Lesung sehr gut kennen.

Die wichtigste wissenschaftliche Frage ist, seit wann diese diakritischen Zeichen, diese „Punktierungen“ eingeführt wurden. Denn regelmäßig niedergeschrieben wurden diese diakritischen Zeichen erst seit etwa dem zehnten Jahrhundert, also einige Jahrhunderte nach der Offenbarung der Lesung. Auf jeden Fall können wir aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse davon ausgehen, dass die Existenz, also das Vorhandensein dieses Systems der diakritischen Zeichen, als sehr früh angenommen werden muss, also sehr nahe zur Offenbarungszeit der Lesung und deshalb die heute vorhandene Punktierung Sinn ergibt. Weitere Informationen lassen sich in der einschlägigen Fachliteratur zu diesem Themenbereich finden16 und an dieser Stelle sei besonders das Projekt „Corpus Coranicum“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hervorgehoben. Bei der Hermeneutik in diesem Buch werden die klassischen diakritischen Zeichen in der Lesung als korrekt vorausgesetzt.

Noch eine kleine Anmerkung zu den Manuskripten. Es gibt laut Professor Tayyar Altıkulaç 2720 Schreibunterschiede, wie etwa fehlende, zusätzliche oder andere Buchstaben, zwischen dem sogenannten „Koran des Kalifen Uṯmān“ im Topkapı-Museum (Istanbul) und der modernen Koranausgabe in der sogenannten „uṯmānischen Orthografie (ar-rasm al-uṯmānī)“ im Kairiner Koran (1924) und im Madina-Koran (1985).17 Davon, dass alle Korankopien völlig identisch seien und sich niemals in auch nur einem Buchstaben unterscheiden würden, kann nicht die Rede sein. Da die Schreibunterschiede aber marginaler Natur sind und an der Bedeutung des Textes kaum etwas ändern, wird sie für die in diesem Buch präsentierte Hermeneutik auch keine Rolle spielen.

 

Falschlesen des Korans und seine Folgen – Heiraten mit Kindern?

Ein weiterer, äußerst wichtiger Betrachtungspunkt ist die Vokalisation. Diese wird im heutigen Dialektarabisch wie auch im modernen Standardarabisch selten gebraucht. In den heutigen Kopien der Lesung findet sich der arabische Text aber durchvokalisiert wieder. Das sieht dann zum Beispiel in Kapitel 9, Vers 3 in etwa wie folgt aus:

 

وَأَذَٟنٌۭ مِّنَ ٱللَّهِ وَرَسُولِهِۦٓ إِلَى ٱلنَّاسِ يَوْمَ ٱلْحَجِّ ٱلْأَكْبَرِ أَنَّ ٱللَّهَ بَرِىٓءٌۭ مِّنَ ٱلْمُشْرِكِينَ ۙ وَرَسُولُهُۥ ۚ فَإِن تُبْتُمْ فَهُوَ خَيْرٌۭ لَّكُمْ ۖ وَإِن تَوَلَّيْتُمْ فَٱعْلَمُوٓا۟ أَنَّكُمْ غَيْرُ مُعْجِزِى ٱللَّهِ ۗ وَبَشِّرِ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ بِعَذَابٍ أَلِيمٍ

 

Der arabische Wortlaut ohne Vokalisation und ohne die Zeichen des Tadschwīd würde wie folgt ausschauen:

 

وأذن من الله ورسوله إلى الناس يوم الحج الأكبر أن الله برىء من المشركين ورسوله فإن تبتم فهو خير لكم وإن توليتم فاعلموا أنكم غير معجزى الله وبشر الذين كفروا بعذاب أليم

 

Es sieht freier aus mit „mehr Luft“ zwischen den Buchstaben. Hierin liegt jedoch eine Tücke. Falls Sie sich fragen, wie das auf Deutsch ausschaute, so versuchen Sie einmal folgenden „unvokalisierten“ Text aus Vers 9: 3 zu lesen, bei dem die in der Aussprache kurzen, inneren Vokale entfernt wurden:

 

und ein Ankndgng vn Gtt und Seinm Gsndtn an die Mnschn am Tag dr großn Plgrfhrt, dss Gtt los und ledg ist dr Gtzndienr, und ebns Sein Gsndtr.18

 

So sieht vergleichsweise der arabische Text aus. Bedenken Sie hierbei auch, dass der oben zitierte Text im modernen Deutsch geschrieben wurde. Stellen Sie sich nur einmal vor, wie schwieriger es wird, einen „unvokalisierten“ Text aus Goethes Werken oder aus altdeutschen Texten zu lesen. Dann erhalten Sie einen kleinen Vorgeschmack darauf, welcher Herausforderung Sie begegnen werden, wenn Sie die Lesung auf Arabisch unvokalisiert verstehen wollen. Betrachten wir den Auszug aus dem dritten Vers des neunten Kapitels:

 

أنََّ الله بَرِىءٌ مِنَ المُشْرِكِينَ وَ رَسُولُهُ

 

Ungefähr übersetzt als: dass sich Gott lossagt von den Beigesellern, ebenso Sein Gesandter. Der unvokalisierte Text ist dann:

 

ان الله برىء من المشركين و رسوله

 

Jetzt kann es schnell passieren, wenn man den Text falsch liest, dass sich der Sinn wie folgt ergibt: dass Gott losgesagt ist von den Beigesellern und dem Gesandten.

Dieser Fehler tritt auf, weil falsch rasūlihi ( رسَُولهِِ ) anstelle von rasūluhu ( رسَُولهُُ ) gelesen wurde. Aus dem unvokalisierten Text konnte dies der Ungeübte nicht unterscheiden, weil es keine Zeichen oder Vokalisierung gab, die die richtige Aussprache angezeigt hätten. Die Zeichen oder Akzente zur Vermeidung solcher Probleme wurden erst später eingeführt und entwickelten sich im Wesentlichen dann zu den heutigen bekannten Formen Fatḥa (َ a, oft Anzeige für den akkusativen Fall), Kasra (ِ i, oft für den genitiven Fall) und Damma ( ُ u, oft für den nominativen Kasus)19. Natürlich ist es klar, dass sich Gott nicht vom Gesandten lossagen würde. So würde man schnell aus dem Kontext wissen, dass eben ein Ḍamma und nicht ein Kasra gesetzt werden sollte.

An dieser Stelle haben diejenigen aufgepasst, die dieses System der Vokalisation, der Diakritik und der besonderen Buchstaben in den Versen übernommen haben. Denn sie wussten, dass sich Gott nicht lossagen würde von Seinem eigenen Gesandten. Dennoch waren diese Menschen, deren Beiträge zur arabischen Sprache zweifellos noch heute bedeutend sind, fehlerbehaftete Wesen wie jedermann. So sind also diese in der ursprünglichen Lesung nicht vorhandenen Zeichen nicht als Teil des koranischen Textes zu verstehen, sondern im Allgemeinen als gutgemeinte Ratschläge für den ungeübten Leser. Einige Male ist es passiert, dass ihre Arbeit unvorsichtig war und deshalb Fehler beinhaltet, die ich gleich aufzeigen werde. Dies lässt sich auf verschiedene Fehlerquellen zurückführen, wie etwa Fehler ideologischer (zum Beispiel aus einem patriarchalischen Blickwinkel heraus), exegetischer (Apologetik und Philosophie), kultureller wie auch trivialer Natur (Verschreiber). Wichtig ist hierbei aber anzumerken, dass diese Fehler an manchen Stellen immense Auswirkungen haben können auf das Verständnis dieser Textstelle. Dies werden wir am Beispiel des Verses 65:4 verdeutlichen, wo je nach Lesart die Heirat mit Kindern als erlaubt angesehen werden könnte.

Im Falle einer Scheidung der Ehe beschreibt die Lesung bestimmte Wartefristen, um beide Parteien vor einer übereilten Entscheidung zu schützen. Gott hat für uns den Vorgang der Scheidung so gestaltet, dass beide Parteien bestmöglich geschützt sind. Es besteht kein Zweifel, dass Gottes System einer hohen, gesellschaftsorientierten Ethik entspricht, die für uns gut ist. Die Probleme bezüglich ihrer Umsetzung entstehen leider durch die schlechten, unvorsichtigen, traditionell behafteten Übersetzungen, die sich an klassischer Lesart orientieren und diese nicht oder nur ungenügend hinterfragen. In Bezug auf das Heiraten von Frauen, die noch keine Regelblutung haben, also noch Kinder sind, ist der Einfluss der Aussprüche (aḥādīṯ), nach denen der Prophet Kinder geheiratet haben sollte, leider auch in den deutschen Übersetzungen von 65:4 sichtbar20:

 

Azhar21: Für eure Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, beträgt die Wartezeit drei Monate, wenn ihr Zweifel hegt. Die gleiche Wartezeit gilt für Frauen, die noch keine Menstruation haben. Für die Schwangeren endet die Wartezeit mit der Entbindung. Wer Gott fürchtet, dem macht Gott alles leicht.

Adel T. Khoury: Und für die von euren Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, falls ihr da Zweifel hegt, gilt eine Wartezeit von drei Monaten. Und ebenso für die, die keine Menstruation haben. Für die, die schwanger sind, ist die Frist erreicht, wenn sie gebären, was sie (in ihrem Leib) tragen. Und wer Gott fürchtet, dem schafft Er Erleichterung in seiner Angelegenheit.

Ahmadiyya22: Wenn ihr im Zweifel seid (über) jene eurer Frauen, die keine monatliche Reinigung mehr erhoffen, (dann wisset, daß) ihre Frist drei Monate ist, und (das gleiche gilt für) die, die noch keine Reinigung hatten. Und für die Schwangeren soll ihre Frist so lange währen, bis sie sich ihrer Bürde entledigt haben. Und dem, der Allah fürchtet, wird Er Erleichterung verschaffen in seinen Angelegenheiten.

Rudi Paret: Und wenn ihr bei denjenigen von euren Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, (irgendwelche) Zweifel hegt, soll ihre Wartezeit (im Fall der Ehescheidung) drei Monate betragen. Ebenso bei denen, die (ihres jugendlichen Alters wegen noch) keine Menstruation gehabt haben. Und bei denen, die schwanger sind, ist der Termin (maßgebend), an dem sie zur Welt bringen, was sie (als Frucht ihres Leibes in sich) tragen. Wenn einer gottesfürchtig ist, schafft Gott ihm von sich aus Erleichterung.

Bubenheim / Elyas: Und diejenigen von euren Frauen, die keine Monatsblutung mehr erwarten, wenn ihr im Zweifel seid, so ist ihre Wartezeit drei Monate; und ebenso derjenigen, die (noch) keine Monatsblutung haben. Diejenigen, die schwanger sind – ihre Frist ist (erreicht), wenn sie mit dem niederkommen, was sie (in ihren Leibern) tragen. Und wer Allah fürchtet, dem schafft Er in seiner Angelegenheit Erleichterung.

M. A. Rassoul: Wenn ihr Zweifel hegt (über) jene eurer Frauen, die keine Menstruation mehr erhoffen, (dann wisset, daß) ihre Frist drei Monate beträgt, und (das gleiche gilt für) diejenigen, die noch keine Menstruation gehabt haben. Und für die Schwangeren soll die Frist solange dauern, bis sie zur Welt bringen, was sie getragen haben. Und dem, der Allah fürchtet, wird Er Erleichterung in seinen Angelegenheiten verschaffen.

Amir Zaidan: Und diejenigen von euren Ehefrauen, die keine Menstruation mehr erwarten – solltet ihr Zweifel haben – so ist ihre ´Idda drei Monate lang, ebenso für diejenigen, die noch keine Menstruation hatten. Und für die Schwangeren – deren Frist endet, wenn sie entbunden haben. Und (wer) Taqwa gemäß ALLAH gegenüber handelt, dem gewährt ER in seiner Angelegenheit Erleichterung.

 

Durch eine schreckliche, falsche, ḥadīṯische Verzerrung dieses Verses wird in fast allen Übersetzungen die Wartezeit für Frauen, die noch keine Menstruation hatten, d. h. Kinder, ebenfalls beschrieben. Dies würde aber logisch gesehen bedeuten, dass Kinder überhaupt schon geheiratet werden dürften! Es ist bekannt, dass die anti-koranische, traditionelle Sunna Aussprüche enthält, die den Propheten Mohammed mit der Behauptung der Pädophilie beleidigen, dass er ʿAīsha im Kindesalter geheiratet hätte. Solche Heuchler, schreckliche Missetäter und Ableugner möchte ich auf die Verse 6: 112–116 und ebenso auf Psalm 37 aufmerksam machen!

Der vokalisierte, arabische Wortlaut des Textes:

 

وَالّٰىٔ يَئِسْنَ مِنَ ٱلْمَحِيضِ مِن نِّسَآئِكُمْ إِنِ ٱرْتَبْتُمْ فَعِدَّتُهُنَّ ثَلَٟثَةُ أَشْهُرٍۢ وَالّٰىٔ لَمْ يَحِضْنَ ۚ وَأُو۟لَٟتُ ٱلْأَحْمَالِ أَجَلُهُنَّ أَن يَضَعْنَ حَمْلَهُنَّ ۚ وَمَن يَتَّقِ ٱللَّهَ يَجْعَل لَّهُۥ مِنْ أَمْرِهِۦ يُسْرًۭا

 

Drei Probleme bestehen bei den oben zitierten Übersetzungen:

1. Das Wort „ebenso“ oder die Äußerung „das gleiche“ kommt im arabischen Wortlaut nirgends vor! Obwohl die arabische Sprache diese Wörter umfasst (بالمِثْل – bil-miṯli für das gleiche/ähnliche und كَذَلِكَ – kaḏalika für „ebenso“ oder أَيْضًا – ayḍan für das Wort „auch“), haben die Übersetzer entweder wider besseren Wissens einfach von anderen Übersetzern abgeschaut und den Wortlaut übernommen oder aber sie dachten aufgrund der dem Propheten angedichteten Aussprüche, die ihn der Pädophilie beschuldigen und besagen, dass er ʿAīsha im Kindesalter geheiratet habe, dass dies eine scheinbar bedenkenlose Übersetzung sei. Oder sie hatten einfach Angst, der menschengemachten Tradition zu widersprechen. Sie haben wohl auch deshalb beim Lesen das der Lesung nachträglich hinzugefügte Symbol „dschīm“ nach „lam yaḥiḍna“ als scheinbar zwingenden Stopp genommen:

 

وَالّٰىٔ لَمْ يَحِضْنَ ۚ  وَأُو۟لَٟتُ ٱلْأَحْمَالِ

 

Dieser erhöhte Buchstabe (ج) ist ein Zeichen des Tadschwīd (die Lehre der klassischen Regeln der „richtigen“ Koranrezitation) und steht kurz für waqf dschā’iz ( وقف جائز ), wörtlich erlaubter Stopp, und soll einen empfohlenen oder erlaubten Stopp innerhalb eines Verses anzeigen. Durch solch einen Stopp wird unter Umständen wie in diesem Vers die Bedeutung des Satzes festgelegt, indem die Verbindung zum vorherigen Teil des Verses festgelegt wird. Ohne diesen Stopp kann sich die Bedeutung ändern.

Es sei nochmals wiederholt, dass diese Zeichen kein zwingender Bestandteil der ursprünglichen Schrift sind.

Der arabische Wortlaut ohne Vokalisation und ohne die Zeichen des Tadschwīd schaute wie folgt aus:

 

والءى يئسن من المحيض من نسائكم إن ارتبتم فعدتهن ثلثة أشهر والءى لم يحضن وأولت الأحمال أجلهن أن يضعن حملهن ومن يتق الله يجعل له من أمره يسرا

 

2. Des Weiteren steht im arabischen Wortlaut auch das Wort „noch“ nirgends geschrieben, denn es verstärkt den falschen Eindruck, dass es sich hier um Kinder handle. Einzig Khourys Übersetzung lässt dieses Wort aus, Paret und Bubenheim setzen es in Klammern, um anzudeuten, dass es nicht in der Lesung steht. Alle anderen übersetzen schlicht falsch, indem der Eindruck entsteht, das sei doch der koranische Text.

3. Zu guter Letzt würden die Übersetzer auch erst dann Recht haben, wenn das zweite „allā’i“ (الّٰىٔ – femininer Plural von „diejenigen“ im klassischen Arabisch, im heutigen modernen Standardarabisch bekannt als allātī – اللاتي) vor der Stelle stünde, in der von den schwangeren Frauen die Rede ist. Aber selbst dann ließe sich darüber streiten, ob dies der gewohnten koranischen Grammatik entspricht. Die Trennung zwischen den Frauen, die keine Menstruation hatten, und denen, die schwanger sind, ist in den Übersetzungen künstlich hergestellt, die der Lesung widerspricht. Die Wortwahl ist sehr präzise und das „und“ (wa) im Ausdruck „und schwanger sind“ stellt klar, dass es zum vorigen Satzbeginn dazugehört. Zu diesem Wort „wa“ komme ich bald wieder zurück.

Die sinngemäß korrekte Übersetzung, welche keinen Widerspruch mit der restlichen Botschaft der Lesung erzeugt, müsste lauten:

 

65:4 Für die Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, beträgt die Wartezeit drei Monate, wenn ihr Zweifel hegt. Die Wartezeit für die, die keine Menstruation haben und schwanger sind, endet mit der Entbindung. Wer Gottes achtsam ist, dem erleichtert Gott seine Angelegenheiten.

 

Bild: penso (lina menazzi) / CC BY-NC 3.0

Bild: penso (lina menazzi) / CC BY-NC 3.0

Das bedeutet, dass Frauen, die keine Menstruation haben und schwanger sind, warten müssen, bis sie ihr Kind zur Welt gebracht haben. Es ist also nicht abzuleiten, dass Kinder eine etwaige Wartezeit hätten. Erst wenn man blind und ohne Verstand der traditionellen Lesart der Lesung folgt, könnte man zum Schluss gelangen, zu dem auch die Übersetzer gelangten.

Die Lesung nennt zwar keine konkrete Zahl als Heiratsalter, doch ist aus ihr zu verstehen, dass das Heiratsalter einhergeht mit der geistigen Reife sein Leben selbst zu regeln (4:6) und dem Wissen, was das eheliche Leben ausmacht (4:34–35, 30:21). Ohne dies weiter ausführen zu wollen, kann gesagt werden, dass damit direkt die Möglichkeit der Heirat von Kindern ausgeschlossen wird. Somit ist die traditionelle Übersetzung eine der Lesung selbst widersprechende Variante, die nunmehr ignoriert werden sollte.

Es überrascht nicht, dass der Vers 65:4 aufgrund von den Ergänzungen wie Hadīṯ und Sunna und den Gelehrten verzerrt wurde, welche die Lebensordnung der Gottergebenheit (Islām) mit heidnischen Vorstellungen vermischen und die eine Freikarte suchen, um ihre körperlichen Triebe auszuleben. Es ist bedauerlich, welch satanischer Einfluss in den patriarchalen und pädophilen Köpfen der sich als „Muslime“ ausgebenden Gelehrten zu sehen ist! Es ist bedauerlich, dass selbst heutige Übersetzer nicht aufmerksam lesen, was im arabischen Wortlaut wirklich steht, und dies nicht mit dem Rest der Lesung vergleichen.

Gott bewahre uns vor solchen Leuten, die uns ihre Weltsicht mittels ihren Übersetzungen als Lebensordnung verkaufen wollen, die Gott nie verordnete!

 

42:21 Oder haben sie etwa Teilhaber, die ihnen als Religion verordnet haben, was Gott nicht erlaubt hat? Und gäbe es nicht den Urteilsspruch, wäre es zwischen ihnen entschieden worden. Und für die, die Unrecht tun, ist eine schmerzhafte Pein bestimmt.23

 

Was ist nun die Moral? Falls Sie genügend Arabisch verstehen, dass Sie die Vokale selbst setzen können, dann gehören Sie zu einer glücklichen Minderheit und können mehrdeutige Passagen, wovon es einige gibt, selbst entdecken und analysieren. Falls Sie überhaupt kein Arabisch können, bleibt Ihnen nichts anderes übrig als eine Person Ihres Vertrauens zu fragen, die dies kann und Ihnen hierbei hilft. Im Normalfall und anders als in diesem Beispiel sind diese Zweideutigkeiten aber von geringer Auswirkung, weshalb Sie auch ohne dieses Wissen bei einer guten Übersetzung der Lesung tiefgreifende Interpretationen selbst anstellen können. Im besten Fall können Sie den arabischen Wortlaut mit einer Transliteration entziffern und mit ein wenig Übung wissen Sie auch, wie Sie diese Wörter und Wortstämme in den Wörterbüchern nachschlagen können. Ich empfehle Ihnen diesen Weg einzuschlagen, wenn Sie nicht gleich eine komplett neue Sprache erlernen können oder wollen. Doch vorteilhaft ist es zumindest, die arabischen Buchstaben zu lernen, um ein Wort in seiner geschriebenen Form wiedererkennen zu können, was Sie im Normalfall einige Abende kosten wird.

 

Transliterationen verwenden

Wie Transliterationen hilfreich sein können, um auch ohne Arabischkenntnisse gewisse Begrifflichkeiten zu studieren, sei an folgendem Beispiel demonstriert:

 

Transliteration eines Teils des Verses 10:5
huwa allaḏī dschaʿala asch-schamsa ḍiyā’an wa al-qamara nūran wa qaddarahu manāzila litaʿlamū ʿadada as-sinīna wa al-hisāba …

 

Dies ist die transliterierte Form der arabischen Wörter. Die Transliteration wurde eingeführt, um auch Menschen den Zugang zu ermöglichen, die der arabischen Sprache nicht sehr mächtig sind aber dennoch wissen wollen, was dort genau steht. So können wir aufgrund dieser Transliteration eine Aufstellung der Wörter wiedergeben:

  • Huwa: er
  • allaḏī: (ist) derjenige
  • dschaʿala: er machte
  • asch-schamsa: die Sonne
  • ḍiyā’an: als Leuchte
  • wa: und
  • al-qamara: den Mond
  • nūran: als Licht
  • wa: und
  • qaddarahu: er maß ihm zu
  • manāzila: Stationen
  • litaʿlamū: damit/auf dass ihr wisst
  • ʿadada: (die) Anzahl
  • as-sinīna: der Jahre
  • wa: und
  • al-hisāba: die Rechnung
  • usw.

Nun wissen Sie bereits, dass asch-schams „die Sonne“ bedeutet und werden nun in jeder Transliteration das Wort wiedererkennen können. Zumindest können Sie dadurch nachprüfen, ob ein behauptetes Wort auch wirklich vorkommt. Auf diese Art und Weise werden Sie auch erkennen können, dass abhängig vom Vers unterschiedliche Übersetzer dasselbe Wort ganz anders wiedergeben.

Es kann durchaus sein, dass Sie zu Beginn gewisse Wörter schwer erkennen, doch sind Sie auf diese Weise auf jeden Fall unabhängiger als ohne eine Information zu einem bestimmten Vers. Transliterationen finden Sie im Internet wie auch als gedruckte Bücher, obwohl die gedruckte Variante wesentlich teurer ist.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Wieso wurde der Koran auf Arabisch offenbart?

In diesem Kapitel werden wir die arabische Sprache in ihrem rudimentären Aufbau ein wenig näher kennenlernen und der Frage nachgehen, weshalb die Lesung auf Arabisch offenbart wurde. Ebenso werden wir die Grundlagen für die Hermeneutik erarbeiten und Beispiele hierfür vorführen.

 

Die arabische Sprache

Ich glaube, dass wenn die Lesung vernünftig in andere Sprachen übersetzt wird, sie ihre Eigenschaft der Heilung und der Rechtleitung nicht verliert. Nichtsdestotrotz kann man die Sprache nicht gänzlich ignorieren.

 

Glaube und Methodik vor Kenntnis der Sprache

41:44 Hätten wir sie zu einer fremdsprachigen Lesung gemacht, hätten sie gesagt: „Hätten ihre Verse nicht ausgeführt werden müssen?“ Fremdsprachig oder arabisch? Sage: „Sie ist eine Führung und eine Heilung für die Gläubigen.“ Die Ableugner aber sind schwerhörig in ihren Ohren und sie (die Lesung) ist für sie unzugänglich. Sie sind so, als werde ihnen etwas aus großer Entfernung zugerufen.

 

In irgendeiner menschlichen Sprache musste die Lesung offenbart werden, sonst wäre sie nicht verständlich für uns. Die Lesung ist aber anders als andere Bücher. Die erste Voraussetzung, um sie zu verstehen, ist eine rechte und ehrliche Absicht. Sei es sogar der beste Arabischkenner der Welt, wenn diese Absicht nicht gegeben ist, kann die Lesung nicht recht verstanden werden. Den ehrlichen, aufrichtigen Gläubigen wird, gleich welche Muttersprache sie auch haben mögen, der Zugang zur Lesung versprochen (41:44), da sie als Rechtleitung und Heilung für die Gläubigen beschrieben wird. Darüber hinaus werden in der Lesung die Menschen nicht mit „O ihr Arabischkenner“ angesprochen, sondern mit “O ihr Gläubigen”. Die Wahrheiten der Lesung sind nicht eingeschränkt durch die Mängel der menschlichen Sprachen. Der Lehrer ist Gott persönlich (55:2, 75:19). Den Ableugnern jedoch wird kein tieferer Zugang gewährt, selbst wenn sie Professoren und Experten der arabischen Sprache wären:

 

17:45 Und wenn du die Lesung liest, machen wir zwischen dir und denjenigen, die nicht an das Letzte10 glauben, einen unsichtbaren Vorhang.

18:57 Wer ist ungerechter als jener, welcher an die Zeichen seines Herrn erinnert wurde und sich dann von ihnen abwendete und vergaß, was seine Hände vorausschickten. Gewiss, Wir legten über ihre Herzen Hüllen, sodass sie sie (die Lesung) nicht begreifen, und in ihre Ohren Schwerhörigkeit; und wenn du sie zur Rechtleitung rufst, dann werden sie sich niemals rechtleiten lassen.

56:77–79 Dass dies wahrlich eine edle Lesung ist in einer geschützten Schrift. Keiner kann sie berühren, außer den Reinen.11

 

Arabisch zu können und zu beherrschen ist nicht gleichbedeutend mit einer automatisch gewonnenen Einsicht in die tiefsten Erkenntnisse der Lesung. Mit Gewissheit werden die Menschen ihn verstehen können, sei es durch Übersetzungen oder andere Wege, wenn ihre Herzen und ihr Verstand für Gottes Botschaft offen und rein sind, sie also zu den Reinen aus 56:79 gehören. Nur die Gläubigen, die ihren Verstand gebrauchen (10:100), die ihre vergangenen Ahnen und die Religionsgelehrten nicht idolisieren (2:170; 5:104), die nicht von Vermutungen abhängen (10:36), die nicht etwas spöttisch verfolgen, worüber sie kein Wissen haben (17:36; 6:115) und die ihre Lebensordnung (dīn) Gott allein widmen, verstehen die Botschaft der Lesung. Gott lehrt sie die Lesung. Er kann die Geschehnisse so einleiten, dass sie die Lesung richtig verstehen. Gott ist der Herrscher aller Welten, auch der inneren Seelenwelten, und der beste Rechtleiter.

Jene, die ihren Verstand nicht gebrauchen und ihren eigenen Gelüsten und Neigungen folgen, ihre Ahnen idolisieren, Vermutungen und Spekulationen wie die dem Propheten angedichteten Aussprüche (aḥādīṯ) zu ihrer Religionsquelle erheben und jene, die in der Religion Gott andere Gesetzesgeber beigesellen (wie zum Beispiel Buchārī, dem bekanntesten der Aussprüche-Sammler) könnten ihr Leben lang versuchen, die Lesung zu verstehen, doch ihnen ist es verwehrt.

Auch wenn natürlich der Aufrichtigkeit gegenüber dem Schöpfer eine höhere Bedeutung zuteil wird, so kann man die arabische Sprache und ihre Feinheiten dennoch nicht ignorieren. Denn das klassische Hocharabisch der Lesung ist ein Arabisch des siebten Jahrhunderts. Nichtaraber gelangen erst durch den mühsamen Erwerb der Sprache zum Arabisch der Lesung. Wenn jedoch gewöhnliche Araber ihn lesen, verstehen sie kaum die Hälfte des Geschriebenen – rein sprachlich betrachtet. Aus diesem Grund ist es kein Wunder, dass sich die Araber schwer tun im Forschen und Verstehen, insbesondere in der theologischen Verortung der Inhalte. Eine fehlende Auseinandersetzung mit den Inhalten der Lesung führt dazu, dass der Inhalt eher oberflächlich behandelt wird und sich somit viele Fehler einschleichen. Die Nichtaraber haben hier einen immensen Vorteil gegenüber Arabern, weil sie sich selbst nicht durch ihr „Arabischkönnen“ hinters Licht führen, sie sich auch nicht mit der bloßen Rezitation begnügen, sondern durch verstehendes Lesen der Übersetzungen die Lesung besser kennen als so mancher „Muslim“. Bei ihnen basiert der Glaube nicht auf dem, was ihnen auf Basis von Hörensagen und Tradition erzählt wird, sondern sie kommen aus einer eher freieren Denkweise. Selbst ausgebildete Theologen greifen auf unzeitgemäße, teils gravierend rückschrittliche Aussagen von Theologen des 9. und 10. Jahrhunderts zurück, weil sie dies im Studium so erlernt haben.

Eine angemessene Vorgehensweise im Verstehen der Lesung ist also vonnöten, die frei ist von jeglichen Zwängen der Gelehrten, jedoch auch ihre Werke berücksichtigt und das Gute aus ihnen herausholt. Sowohl das Ignorieren der Gelehrten wie auch die blinde Traditionsbefolgung werden aufgrund der ideologisch geprägten Vorgehensweise zu schlechten Ergebnissen führen.

 

39:18 Die dem Wort zuhören und dem Besten von ihm folgen. Sie sind es, denen Gott den Weg gewiesen hat, und sie sind es, die mit Verstand begabt sind.

 

Präzision und Effizienz der Sprache

Arabisch ist eine der effizientesten Sprachen der Welt, insbesondere dann, wenn es um präzise Gesetzestexte geht. Da die Lesung unter anderem auch ein Buch mit Gesetzen ist, war es wesentlich, dass solche Gesetze klar formuliert werden müssen. Gott wählte vermutlich die arabische Sprache für Sein Wort aus dem offensichtlichen Grund, dass sie für diesen Zweck äußerst tauglich ist. Arabisch ist einzigartig in seiner Effizienz und Exaktheit. Beispielsweise wissen wir auf Deutsch nicht, ob das plurale „sie“ männliche oder weibliche Personen beschreibt. Auf Arabisch gibt es ein „sie“ für Männer (هم – hum) und ein „sie“ speziell für die Frauen (هن – hunna).12 Es gibt sogar ein “sie” für zwei Männer (هما – humā) und ein “sie” für zwei Frauen (هاتان – hātāni).13 Rashad Khalifa schreibt zur Effizienz der arabischen Sprache folgendes:

 

Ich habe die Effizienz der arabischen Sprache zu schätzen gelernt, als ich zum Beispiel Vers 2:228 übersetzt habe. Dieser Vers mahnt die in Scheidung lebende Frau eindringlich, ihre eigenen Wünsche, sich von ihrem Mann zu scheiden, aufzugeben, wenn sie merkt, dass sie schwanger ist und der Ehemann sich wieder versöhnen will, da das Wohl des Kindes Vorrang hat. Die Effizienz der arabischen Sprache war sehr hilfreich dabei, dieses Gesetz festzulegen. Jede andere Sprache hätte es fast unmöglich gemacht darzulegen, wessen Wünsche verdrängt werden sollen, zumindest nicht in so wenigen Worten, wie wir es in 2:228 sehen. Zum Beispiel wird das Wort „Qālatā“ in Vers 28:23 mit vier Worten übersetzt: „die zwei Frauen sagten“. Das ist die Effizienz der Arabischen Sprache.14

 

Ein weiterer möglicher Grund, wieso Arabisch als Offenbarungssprache gewählt wurde, ist die Tatsache, dass „sie“ (singular) und „er“ auf Arabisch nicht zwangsläufig das angeborene Geschlecht implizieren. Dies hat eine wichtige Konsequenz auf das Wort „Allāh“, oder „der Gott“. Wenn deshalb auf Gott als „Er“ Bezug genommen wird, deutet dies überhaupt kein Geschlecht an. Gott sei gepriesen, Er ist weder männlich noch weiblich. Der Gebrauch von „Er“, um auf Gott zu verweisen, trug deshalb zu einem falschen Bild von Gott bei. Daran änderte sich auch nichts durch Äußerungen wie „Vater“, womit Gott angesprochen wird. Sie werden in der Lesung nie einen derartigen Bezug zu Gott finden.

Es ist allgemein falsch nach einem biologischen Geschlecht im grammatikalischen Geschlecht zu suchen. In der deutschen Sprache verhält es sich auch auf ähnliche Art und Weise. „Der Tisch“ ist auf Deutsch männlich, obwohl „er“ keinem menschlich-biologischen Geschlecht zugeordnet werden kann. „Das Mädchen“ ist in gleicher Weise sächlich, obwohl es biologisch feminin ist! Gott ist also weder männlich noch weiblich noch sächlich. Gott ist einzigartig und steht über diesen menschlichen Kategorisierungen.

 

Flexibilität und gleichzeitig hoher Erhaltungsgrad

Eine Nebenerscheinung ist, dass es Lehrbücher gibt, die Arabisch lehren, und zwar aufgrund der Lesung. Die Lesung ist so eingerichtet, dass die gesamte Grammatik, alle Formen und alle syntaktischen Variationen darin vorkommen. So braucht man, um die gesamte Grammatik des modernen Standardarabisch zu lernen, keinen weiteren Text als die Lesung. Dazu empfehle ich das Buch von Alan Jones von der Cambridge Universität, „Arabic Through The Quran“. Es gibt zwei Besonderheiten der arabischen Sprache, die ich an dieser Stelle hervorheben möchte: Erstens können aus einem einzigen Wort nicht nur 35 neue Wörter gebildet werden, sondern mindestens 100 – unter besonderen Umständen sogar noch erheblich mehr, was der arabischen Sprache einen unglaublichen Reichtum beschert, zumindest in der Theorie. Zweitens bauen die Regeln für die Neubildung von Wörtern darauf auf, dass ein Wort aus drei (selten vier) Konsonanten gebildet wird. Die Grundlage der arabischen Wörter sind die Wortstämme, die aus drei Konsonanten bestehen. In der Lesung gibt es nur eine Handvoll Wörter, die vier Konsonanten haben. Die Beugung und Abwandlung der Wörter geschieht im Allgemeinen dadurch, dass man bestimmte Vokale dazwischen fügt. Wenn also von vornherein klar ist, welche Konsonanten es sein müssen, und die Beugungsschemata einheitlich sind, dann können die Vokale auch nicht variieren, oder nur sehr wenig. Und die Regeln umfassen, welche Vokale “dazwischen gestopft” werden. Ein Beispiel: Die drei Konsonanten k-t-b ( ك ت ب ) bilden eine Wurzel, deren Grundbedeutung das Aneinanderreihen von Einheiten, insbesondere von Buchstaben vermittelt. Einfacher ausgedrückt: Diese Wurzel hat mit „schreiben“ zu tun. So heißt dann „kataba“ ( كتَب ) er schrieb, „kutiba“ ( كتِب ) es wurde geschrieben und „yaktubu“ ( يكتب ) er schreibt. Aus derselben Wurzel wird dann „kitāb“ ( كتاب ) abgeleitet, was „Buch“ oder „Schrift“ bedeutet, weil ein Buch auch geschrieben wurde. Ein weiteres Beispiel: die drei Konsonanten q-r-’a ( ق ر أ ) bilden die Grundbedeutung „lesen“. Aus demselben Wortstamm wird auch das Wort al-qur’ān (القرءآن) gebildet, was deswegen „die Lesung“ oder auch „das Vorgelesene“ bedeutet.

KoranMan kann nicht einfach irgendein ausländisches Wort nehmen und es nach Belieben umwandeln, wie es beispielsweise auf Türkisch ginge. Es wurden zwar gewisse Wörter übernommen, etwa „kumbyūtir“ für Computer, aber im Großen und Ganzen wird dies nicht oder nur in der Umgangssprache gebraucht. Man kann einfach ein neues Wort erzeugen, wann immer es gebraucht wird, und jeder, der die arabische Grammatik kennt, weiß, wie das geht.

Ich möchte dies anhand eines Beispiels verdeutlichen: Sie haben einen kleinen Sohn, 9 Monate alt, und er hat eins von diesen modernen Dingen bekommen, in dem er sitzt – das „Ding“ hat Räder und er soll dadurch angeblich lernen zu gehen. Es wurde Ihnen geschenkt. Wie heißt so ein Ding auf Deutsch? Lauftrainer? Gehmaschine? Laufmaschine? Wir haben keine Ahnung, wie es auf Arabisch heißen soll, aber es wurde automatisch „masch’schāya“ genannt – aus den drei Konsonanten m-sch-y (م ش ي), welche zusammen „gehen“ bedeuten, und in dieser Abwandlung einfach „Gehmittel“ heißt, so wie „naẓẓāra“ Sehmittel (Brille) oder „darrādscha“ Fahrrad bedeutet. Alles Wörter, die nach dem gleichen Muster gebildet wurden.

Man kann eine Zahnbürste beispielsweise Miswak oder Siwak (s-w-k) nennen, das sind zwar unterschiedliche Beugungsformen, es sind aber nicht verschiedene Wörter. In verschiedenen Gegenden wird entweder das eine oder das andere Wort benutzt. Fest steht, dass beide Wörter gültig sind, und beide sind hocharabisch. Man kann aber anstelle von Miswak nicht sagen Musbek oder Sobak oder andere Neubildungen, denn dann sind die Konsonanten geändert, und es ist ein gänzlich anderes Wort.

Man kann natürlich anstatt Dār (Haus) auch Bayt (Haus) sagen. Das ist egal. Man kann ja auch auf Deutsch umgangssprachlich Blaukraut anstatt Rotkohl sagen, das ändert ja nicht die Sprache an sich. So sind einige arabische Wörter in Vergessenheit geraten und andere sind heute gebräuchlicher. Wir könnten natürlich auch sagen: Er verabschiedete sich, anstatt wie früher „er empfahl sich“. Beides ist korrektes Hochdeutsch. Korrektes Hocharabisch beinhaltet auf dieselbe Weise viele Ausdrucksweisen, die heute nicht mehr gebraucht werden. Sie sind aber trotzdem unverändert korrekt.

Angesichts dieses ungeheuren und in der Welt einmaligen Reichtums der arabischen Sprache und angesichts der Tatsache, dass zur Wortneubildung immer gleichbleibende Konsonanten gebraucht werden, ist Arabisch eine Sprache, die sich nur sehr wenig für grundlegende Veränderungen anbietet. Es ist eine Sprache, die aufgrund ihrer Natur so etwas wie eine Kunstsprache
(und Hochsprache) ist, die sich aber nur sehr wenig ändern wird. Aus dem gleichen Grund wird angenommen, dass Arabisch auch als eine der ältesten noch gesprochenen Sprachen überhaupt gilt.

 

„Die von den arabischen Nationalgrammatikern mit unermüdlichem Fleiße und bewundernswerter Hingabe aufgestellten Regeln haben die klassische Sprache in allen ihren Aspekten phonetisch, morphologisch, syntaktisch und lexikalisch so umfassend dargestellt, daß ihre normative Grammatik einen Zustand der Vollendung erreicht hat, der keinerlei Weiterentwicklung zulässt.“15

 

Beachten wir dazu, dass die immer gleichbleibenden Wortbildungsmuster dazu führen, dass unheimlich viele Wörter gleich klingen, nur mit anderen Konsonanten. Das heißt, dass sich diese Wörter reimen. Aus dem gleichen Grund ist es sehr einfach, Gedichte auf Arabisch zu schreiben. Man hat sich im Ausland immer darüber gewundert, dass sich die ganze Lesung reimt, wenn man sie vorträgt, so als wäre die Lesung ein langes Gedicht. Das bedeutet, dass sich die Lesung auf Arabisch besonders einfach einprägen lässt. Wie viel einfacher ist es doch zum Beispiel Al-Fātiḥa oder An-Nās oder ein anderes Kapitel auf Arabisch auswendig zu lernen als auf Deutsch. Dies ist meiner Ansicht nach ein weiterer Grund für die Erwählung der arabischen Sprache für die Lesung, damit sie in aller Ewigkeit unverändert bleibt.

Die Schriftsprache des klassischen Arabisch ist identisch mit der Schriftsprache des modernen Standardarabisch – und zwar unabhängig davon, ob die Vokale gesetzt werden oder nicht. Nur die Aussprache ist unterschiedlich, und die beruht wiederum auf den Vokalzeichen, die im täglichen Leben nie benutzt werden.

Nur die Lesung wurde von Anfang bis Ende durchvokalisiert, damit auch „Ausländer“ wie wir, die nicht Arabisch muttersprachlich können, wissen, wie die Lesung ausgesprochen wird. Die Lesung ist auf Arabisch zudem noch mit anderen Zeichen versehen, die besagen, wo Pause gehalten wird, und Hinweise auf die Ausdrucksweise geben. Dies sind dann die Regeln der klassischen Rezitation (aḥkām at-tadschwīd).

Es gibt übrigens eine arabische Redewendung: „ḍaʿa an-nuqāṭ ʿalá-l-ḥurūf“ ( ضع النقاط على الحروف – wörtlich: Setze die Punkte auf die Buchstaben) – oder zu Deutsch: „Sprich jetzt Klartext mit mir“.

Halten wir fest: Wenn die Konsonanten und die Vokalbehandlung bewahrt werden, wie soll sich die Sprache dann ändern? Die arabische Sprache ist damit eine Weltsprache, die sich sehr wenig ändert und deshalb bestens für die Offenbarung geeignet ist.

Zu den Zeichen der Lesung gehört auch, dass sie auf Arabisch offenbart wurde.

Die besten Erkenntnisse sind die eigenen Wahrnehmungen und die Wahrheit steht immer vor der eigenen Nase, wenn das Herz dabei offen ist.