Gedanken zum Thema Spenden

Kategorien: Gesellschaft

Spenden und gegenseitige Hilfeleistung sind wichtige Themen im Koran. So wichtig, dass in der Sure 107 mitgeteilt wird:

Wehe denen, die beten, um gesehen zu werden, aber die Hilfeleistung verweigern!

Unterlassene Hilfeleistung an die Armen und Waisen, die im Koran ein Sinnbild für Bedürftige sind, wird mit einer Leugnung des dīn gleichgesetzt. Dīn bedeutet je nach Übersetzung jüngstes Gericht, Religion oder Lebensordnung.

Andere zentrale Begriffe im Koran sind bekanntlich ṣadaqa, womöglich aus der semitischen Wurzel für Aufrichtigkeit, und zakāh, aus der Wurzel für Vermehrung oder Reinigung bzw. Läuterung. Dabei meint ṣadaqa ursprünglich nicht wie im heutigen Gebrauch die freiwilligen Abgaben, sondern umgekehrt war ṣadaqa eine Art Steuer. Zakāh war eine Leistung unbestimmter Art und konnte auch aus nicht-Materiellem bestehen. Dabei kommt die Verbindung von zakāh und salāh, Hilfeleistung und Gebet, in 24 Versen vor. Einmal wird der Gegensatz zakāh und riba ([Wucher-]Zins) aufgestellt.

ṣadaqa kommt dreizehn Mal in vier verschiedenen Suren vor. ṣadaqa zu geben wird bei Pflichtverletzungen eingefordert. Diese wurde anscheinend vom Propheten Muhammad angenommen und verteilt.

9:60 Die Almosen (ṣadaqa) sind für die Armen und Bedürftigen und für die mit der Verwaltung (der Almosen) Beauftragten und für die, deren Herzen kürzlich wiedergewonnen wurden, für die (Befreiung von) Sklaven und für die Schuldner, für die Sache Gottes und für den Sohn des Weges; (Dies ist) eine Vorschrift Gottes. Und Gott ist wissend, weise.

ṣadaqa wird ebenso wie zakāh auch in Gegensatz zu riba gesetzt, wobei ṣadaqa als Verb auch im Gegensatz zu kaḏaba, leugnen, steht.

Immer wieder kommt die Frage auf, inwiefern man denen, die um Hilfe bitten, vertrauen soll. Auch hier lohnt es sich, im Koran nachzuschauen. Neben den vielen Aufforderungen, Hilfe zu leisten, finden sich einige wenige Spezifizierungen. Wir sollen nicht verschwenderisch übertreiben (6:141, 17:26, 25:67) und die wahren Bedürftigen bitten nicht oft um Hilfe (51:19).

Almosen, egal wie man es nennt, ist immer ein Ausdruck von Ungleichheit. Der Reiche lässt dem Armen ein Stück von seinem Reichtum zukommen. Das mag in der altarabischen Gesellschaft angemessen gewesen sein, aber heute geht es um mehr. Es geht um globale Gerechtigkeit, die nicht mit einem Almosen erreicht wird. Deshalb möchte ich auf einen anderen Begriff hinweisen, der im Koran ebenfalls des Öfteren vorkommt:

قسط Gerechtigkeit, so zum Beispiel in der Sure Al-Rahman:

وَالسَّمَاءَ رَفَعَهَا وَوَضَعَ الْمِيزَانَ
أَلَّا تَطْغَوْا فِي الْمِيزَانِ
وَأَقِيمُوا الْوَزْنَ بِالْقِسْطِ وَلَا تُخْسِرُوا الْمِيزَانَ ,

Übersetzung nach Bobzin:

Den Himmel hob er in die Höhe und stellte die Waage auf,
auf dass ihr beim Wiegen nicht übertretet!
So setzt das Gewicht in Gerechtigkeit, und lasst die Waage nichts verlieren!

55:7-9

Die Wurzel kommt 25 Mal in den verschiedenen Formen vor. Sie hat immer mit Gerechtigkeit zu tun, und zwar im Bild des Handels.

Heute können wir daraus lernen, auf einen fairen Handel zu achten. Das heißt nicht nur zweimal im Jahr eine Spende irgendwohin zu schicken und den Rest des Jahres bei Aldi und Kik zu kaufen. Denn dort werden die niedrigen Preise auf Kosten der Produzenten erreicht. Dies geschieht auf Kosten sowohl der Bauern in Deutschland als auch der Arbeiter in Billiglohnfabriken und auf Plantagen in Ländern der sogenannten Dritten Welt. Egal ob Muslime in Pakistan und Bangladesh oder Christen in den Maquiladoras in Mexiko oder Buddhisten in China – wir haben als Menschen für alle Menschen eine Verantwortung.

So schafft man Verhältnisse auf Augenhöhe statt der Zementierung von Hierarchien.

Das sollte zuerst kommen. Wenn dann immer noch Geld übrig ist, kann man es immer noch spenden. Sonst einfach ein Lächeln oder eine Hilfeleistung verschenken.