Verbot des Selbstmords – auch in spiritueller Hinsicht

Kategorien: Theologie & Auslegung

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verstoßenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Es gibt einen Vers im Koran, der den Selbstmord verbietet (4:29). In Vers 4:29 lautet der entsprechende Teil auf Arabisch:

ولا تقتلوا انفسكم

Transliteriert: wa la taqtulū anfusakum
Wörtlich: Und tötet nicht euch euer selbst

Die korrekte Übersetzung lautet also: Und tötet nicht euer Selbst.

Dass durch Vers 4:29 der Selbstmord verboten wird, ist denke ich klar. Denn wenn berücksichtigt wird, dass das unrechtmäßige Töten eines Menschen in 5:32 als eine schandvolle Tat abgelehnt wird, erscheint 4:29 in klarerem Lichte, dass es sich dabei um das Behandeln des Selbstmordes geht, da bereits das Töten von anderen Menschen in einem anderen Vers behandelt wurde.

Dabei ist aber auch zu beachten, dass Gott die Worte nicht umsonst so wählt, wie sie im Koran stehen. Die Formulierung „Und tötet euch nicht selbst“ ist sowohl im Arabischen wie auch im Deutschen, Türkischen und Englischen mehrdeutig. Da der Koran nicht nur einen einzelnen Menschen anspricht, sondern die ganze Menschheit, sind viele Formulierungen, welche die Menschen wie z.B. in diesem Vers direkt ansprechen, im Plural offenbart worden. Tötet euch nicht selbst bedeutet also zweierlei, was Yaşar Nuri Öztürk in seiner Übersetzung versucht hat wiederzugeben: tötet euch nicht gegenseitig UND begeht keinen Selbstmord.

Unser Körper wurde uns von Gott geschenkt. Für einen Gottergebenen (arab.: Muslim) sollte es m.E. eine selbstverständliche Pflicht sein, die Geschöpfe Gottes zu achten. Das schließt auch sich selbst ein. Deshalb ist von Übertretung die Rede. Allerdings endet es auch nicht hier mit der Bedeutungsvielfalt des Verses.

Prinzipiell ist alles, was aus dem Koran abgeleitet werden kann und dem Koran nicht widerspricht, als gültig anzusehen. Ein gutes Beispiel dafür ist gerade dieser Vers, der alles abdeckt. Einerseits ist hier vom wörtlichen Töten die Rede, andererseits beschreibt der Koran die Ableugner (Kafir) als spirituell tote Menschen (35:22, 6:122; 27:80; 30:52). Damit kann „tötet euch nicht“ auch als der andere Tod verstanden werden, da ja von Übertretung die Rede ist. Ich töte mich in dem Sinne, dass ich nicht errettet bin, wenn ich schlecht oder betrügerisch handle. Diese Sicht wird eben auch in 2:195 erläutert. Man tötet sich selbst, wenn man Gottes Schranken überschreitet und sich nicht an Gottes Wort hält, da man dann das ewige Leben durch eigenes Fehlverhalten nicht erhalten wird.

Es ist eine der wunderbaren Eigenschaften des Koran, dass mit sehr wenigen Worten sehr viele Themen abgedeckt werden. Aber dies ist wiederum ein anderes Thema.