Eine Kurzanalyse: Ist die Sunna eine Offenbarung?

Kategorien: Hadith und Sunna

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Diesmal wird eine Auffassung näher behandelt, die einem Gottergebenen diametral entgegen steht. Denn Gottergebene dulden in der Religion kein Menschenwerk neben Gottes vollkommenem Wort (6:115), schon gar nicht auf gleicher Stufe. Die Haltung mancher Traditionalisten, dass die tradierte Sunna eine Offenbarung sei und somit mit dem Koran auf gleicher Stufe stehe, ist nicht nur aus religiöser Perspektive offenkundig falsch, sondern auch anhand klarer Tatsachen innerhalb der Quellen unhaltbar, aus denen sich diese Behauptung speist. Merkwürdigerweise wird dies aber immer noch von nicht wenigen Traditionalisten für wahr gehalten. Es erfolgt zu Beginn ein Exkurs in Ahadith (die Mehrzahl von Hadith), um dem Leser die behandelte Thematik verständlich zu machen, wenn man von einer traditionellen Sunna spricht. Darauf folgt dann die Beantwortung der Frage, ob diese traditionelle Sunna mit dem Koran gleichwertig sei, wie manche Traditionalisten meinen.

 

Ein Überblick zu den Ahadith

Jene Quellen, zu denen sich alle tradierten Sunnas im Islam berufen, nennt man Ahadith. Diese wurden, unter vielen anderen Beurteilungen, auch in sahih (gesunde, authentische) Ahadith unterteilt und schlussendlich in so genannten sahih Werken zusammengestellt, welche diese Ahadith nochmal in Themen ordneten (zum Beispiel zum Gebet). Sahih Beurteilungen zu Ahadith wurden jedoch erst ungefähr zwei Jahrhunderte nach dem Ableben des Propheten eingeführt. Es gab zwar laut Ahadith schon vor dieser Zeit Beurteilungen, ob ein Hadith als sicher galt oder nicht, jedoch ist eine sahih Klassifizierung erst bei Bukhary zu finden. Er selbst gibt sich dazu auch als den Ersten an. Im Gegensatz zu Koranfragmenten ist aus heutiger Zeit gesehen kein einziger Hadith von vor ca. 150 Jahren nach Hidschra mehr nachweisbar. Natürlich könnte man dem entgegen bringen, dass es aber zur Zeit der Sammlung der Ahadith frühere Quellen gab. Jedoch ist diese These zuallererst nur eine Vermutung und nicht weiter hilfreich, da die Menge der Ahadith schon zu Bukharys Zeiten enorme Größen angenommen hatte. Die Tradenten der sahih Ahadith berichten hier selbst, dass große Mengen (95-99%) schon zu dieser Zeit als nicht authentisch (sahih) eingestuft werden mussten. Die sahih Ahadith machen also nur einen Bruchteil aller Ahadith aus.

 

Problematiken der tradierten Sunna

Eines sei hier vorweg erwähnt: Das Wort „Sunna“ findet im Koran nur in Bezug zur „Sunna Gottes (sunnatullah)“ Erwähnung (siehe dazu den Artikel: (Das Konzept der Sunna). Eine andere „Sunna“ wird nirgends im Buche Gottes erwähnt.

Gerne geben Traditionalisten der verschiedenen Strömungen im Islam an, „der Sunna“ zu folgen und meinen damit die Interpretation der Überlieferungen ihrer jeweiligen Gruppe, welche neben dem Koran Autorität haben sollen, in unserem Fall gar mit dem Koran nebeneinander stehen. Es zwingt sich hierbei natürlich die Frage auf, warum gerade eine bestimmte Gruppe nun die „richtige“ Sunna haben soll und die Anderen nicht? Denn liberale wie auch konservative Strömungen nehmen ihre jeweilige Sunna, mindestens im sunnitischen Spektrum, aus denselben Quellen. Die daraus resultierende offensichtliche Problematik fällt natürlich sofort ins Auge, denn: Wie soll ich zum Beispiel als ein Liberaler, der Bukhary eine Autorität gibt, einen stark Konservativen davon überzeugen, dass sein Hadith xy nicht stimmen kann, wo ich doch meine tradierte Sunna aus der selben Quelle beziehe wie er? Will ich Ahadith mit Ahadith widerlegen, die denselben Ursprung haben? Will ich den so genannten Koransieb benutzen, wo doch die Ahadith den Koran erklären oder detaillieren sollen? Also somit die Erklärung selbst eine Erklärung braucht? Obwohl der Prophet dort als Autorität gehandelt wird? Wusste der Prophet es nicht besser? Mit welchem Recht kann ich schlussendlich manche Ahadith ausschließen andere jedoch als authentisch sehen? Selbst wenn man sich hierbei nur die Sunna der vier sunnitischen Rechtsschulen anschaut trifft man auf ein Feld, welches so umfangreich und verwirrend ist, dass eine klare Haltung zu dieser Sunna in vielen Bereichen unmöglich wird. Ein Beispiel dazu ist, dass alle vier sunnitischen Rechtsschulen unterschiedlich beten oder beispielsweise eine Rechtsschule Meeresfrüchte zum Essen verbietet, die andere aber dies erlaubt. Fragezeichen türmen sich auf bei noch so vielen anderen nicht erwähnten Beispielen und dabei werden die Widersprüche der sahih Ahadith in Bezug zum Koran noch außen vor gelassen. Die Tatsache, dass je weiter man sich von der Zeit des Propheten wegbewegt, es dementsprechend auch mehr Ahadith gibt, ist ein großer Indikator dafür, dass man sehr viele Ahadith gefälscht haben muss und diese Praxis erwiesenermaßen auch nicht vor „sahih“ Ahadith halt gemacht hat. Es ergeben sich unter anderem folgende Problematiken, wenn man Ahadith eine Autorität zukommen lassen will:

  1. Warum haben wir keinen einzigen Hadith aus der Zeit des Propheten wie Koranfragmente?
  2. Warum wartet man mindestens an die zwei Jahrhunderte und sammelt, überprüft und hält sie erst dann schriftlich fest? Somit hat man keine zuverlässige Quelle, viel schlimmer noch: eine massiv verderbte Quelle!
  3. Warum hat der Prophet seine “Offenbarungen” oder Ahadith nicht in einem Buch niederschreiben lassen, wenn sie doch unerlässlich sind und somit auch gegen Fälschungen hätte vorbeugen können, die heute überall in sahih Ahadith anzutreffen sind?

Das Gegenargument ist dann immer, dass man ja die Ahadith damals mit dem Koran hätte verwechseln können.

  • Aber: Sie sind doch in unserem Fall sowieso Offenbarung?
  • Sind sie weniger wert? Mit welcher Begründung?
  • Hinzu kommt: Wie soll der unnachahmliche Koran (17:88) verwechselt werden?
  • Und warum hat man den Koran nicht mit “Ahadithoffenbarungen” kommentiert?
  • Es wird doch gerne behauptet, dass Ahadith den Koran erklären. Waren die Menschen damals zu unwissend ein Buch zu schreiben, welches Koran und Kommentar enthalten und man diese durch Erklärungen dem Leser hätte unterscheiden lassen können? Sie haben doch den Koran überliefert.

 

Die Quellenlage am Beispiel von Bukhary

Bukhary hat ca 230 Jahre nach dem Propheten angefangen, Ahadith zu sammeln und sie schriftlich festzuhalten. Sein Werk, das aus mehreren Bänden besteht, gilt als höchste Autorität bei den sunnitischen Anhängern. Bukhary hat die Ahadith nämlich nicht nur aufgezeichnet und gesammelt, sondern auch als sahih klassifiziert. Für uns wichtig ist, dass eine sahih Beurteilung eines Hadiths erst nach ca 230 Jahren erfolgte. Jene Ahadith, die für ihn als sicher galten, stufte er als “sahih” ein. Andere wiederum als weniger authentisch. Diese Formulierung erweckt beim Leser wahrscheinlich den Eindruck, dass es sich hierbei um einen logischen und nachvollziehbaren Vorgang gehandelt haben muss, es ist in Wahrheit aber eine Mogelpackung. Denn Bukhary hat die Beurteilung eines Hadiths mit “sahih” nicht unter nachvollziehbaren und Vernunft orientierten Kriterien erörtert, zum Beispiel nach dem Inhalt des jeweiligen Hadiths, sondern anhand seiner Überlieferungskette, ob diese zum Beispiel lückenlos war oder die Überlieferer selber als zuverlässig galten, was aber schon damals zu überprüfen nicht mehr möglich war, da die Zeitspanne zum Propheten und seiner Anhänger bereits viel zu weite Dimensionen angenommen hatte. Natürlich gibt es dementsprechend zu der Beurteilung von Überlieferern der Ahadith selbst auch gerne Widersprüche. So hat ein anderer Hadith-Sammler bekannt als Muslim (und Bukharys Autorität nahe kommend), 400 Überlieferer von Bukhary als nicht vertrauenswürdig eingestuft und Bukhary umgekehrt bei Muslim 600. Ferner verhält es sich dahingehend, dass Muslim andere Kriterien für “sahih” aufstellte und dementsprechend gibt es manche Ahadith bei Muslim, welche für ihn als sahih gelten, nicht aber bei Bukhary verzeichnet sind und natürlich auch umgekehrt. Deswegen werden heutzutage auch Bände zum Verkauf angeboten, die nur Ahadith enthalten, welche von Bukhary und Muslim zusammen als sahih eingestuft wurden. Anhand dieser Tatsachen ist es kaum verwunderlich, dass man beispielsweise in Bukharys sahih Zusammenstellung auf Ahadith trifft, die sich gegenseitig ausschließen. Der nächste Punkt ist, dass die Quellenmenge, die Bukhary analysiert haben will, so groß ist, dass dies schon allein mathematisch unmöglich ist. Bukharys Werk über Ahadith, die von ihm als sahih eingestuft wurden, sind ein fester Bestandteil des sunnitischen Islam, für sie nicht wegzudenken. Um so erschreckender ist es, wie verderbt selbst diese Ahadith sind, Bukhary diese aber trotzdem mit aufnahm (siehe dazu auch die Artikel: Koranischer oder sunnitischer Mohammed?, Zuverlässigkeit der Ahadith und Frauen im Koran und in der erfundenen Religion). Schaut man sich die dort enthaltenen Ahadith an, ist die Behauptung, dass man ein authentisches Werk vorliegen hätte, nicht mal ansatzweise haltbar. Man kann Bukharys “individuelle” Vorgehensweise bei der Beurteilung von Ahadith auch an folgendem Beispiel festmachen: Bukhary hat keinen einzigen Hadith von Abu Hanifa, zu ihm sich die Hanafitische Rechtschule als Gründer beruft und mit zu einer der vier sunnitischen Rechtsschulen gehört, überliefert – schlimmer, ihn harsch verurteilt. Gerne wird dann hierbei versucht diese Ahadith durch andere zu relativieren, also ein klassischer Zirkelschluss. Es würde Bände füllen die Ahadith einmal generell zu kritisieren, denn die Missstände in diesem Feld sind so enorm groß, dass ich es hier nur anschneiden kann (zur ausführlicheren Behandlung dieses Themas, empfehle ich aus unserer Homepage die Rubrik: Hadith und Sunna). Und was sagt der Koran?

 

6:21 Und wer ist denn ungerechter, als wer gegen Gott eine Lüge erdichtet oder seine Zeichen für Lüge erklärt? Denen, die Unrecht tun, wird es sicher nicht wohl ergehen. (siehe auch: 11:18)

 

So wurde dem Leser bis hierhin ein genereller Einblick in die großen Problematiken der Ahadith gegeben, damit ihm klar wird, dass es eben nicht die bestimmte, eine, klare Sunna außerhalb des Korans gibt und man nicht mal sagen kann, wo diese Sunna anfangen oder aufhören soll. Auch welche sahih Ahadith nun wirklich authentisch sind oder nicht, kann niemand mehr nachvollziehen. Die Widersprüche und Fehler innerhalb dieser Quellen sind schlussendlich sehr groß und deshalb hier auch nur angeschnitten. Von den Folgen der Ahadith für den Islam und die Menschen mal ganz abgesehen. Überhaupt ist diese Sunna aus dem Koran nicht herleitbar, sondern im Gegenteil: der Koran duldet keine anderen Quellen. Dies ist dann auch das ausschlaggebende Ausschlusskriterium für diese Sunna. Es ist also noch nicht mal relevant ob ein Hadith authentisch ist oder nicht, er ist koranisch nicht tragbar als jedwede Autorität innerhalb der Religion. Doch trotz dieser erdrückenden Tatsachen sehen die meisten Traditionalisten diese Quellen als unerlässlich. Der Koran ist für sie nicht ausreichend. Manche stellen sie gar mit dem Koran auf die gleiche Stufe.

 

7:3 Folgt dem, was zu euch von eurem Herrn herabgesandt worden ist, und folgt außer Ihm keinen (anderen) Schutzherren! Wie wenig ihr bedenkt!

 

Die koranische Haltung

Die traditionellen Sunnaanhänger, die menschliche Ahadithsammlungen mit dem Koran auf die gleiche Stufe stellen, berufen sich meist gern auf die Verse 53:1-4 des Koran. Sie argumentieren, dass Muhammad nicht aus eigener Neigung spricht, sondern Offenbarungen sein Geistesgemüt leiten. Eigentlich ein möglicher logischer Schluss, der große Haken an der Sache aber ist, was koranisch gesehen als Offenbarung gilt. Spricht der Prophet also nie aus eigener Neigung und nur aus Offenbarungen heraus? Und sind diese Dinge, die der Prophet verlautet, auf gleicher Stufe mit dem Koran? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die Offenbarung, von der hier die Rede ist, nur den Koran meint? Diese Fragen wollen wir jetzt genauer klären.

Der Koran erklärt sich als ein Buch, das eine “Klärung aller Dinge” (16:89 und 12:111) in der Religion (5:3) ist. Nun werden aber die Befürworter dieser Position hier entgegenbringen, dass zwar der Koran eine „Klärung aller Dinge“ ist, jedoch laut 53:1-4 der Koran auch andere Offenbarungen mit einschließe. Schauen wir uns aber dazu mal Vers 5:101 an, dort steht:

 

5:101 O die ihr glaubt, fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch offengelegt werden, euch leid tun, wenn ihr nach ihnen fragt zu der Zeit, da der Qur’an offenbart wird, sie euch (gewiß) offengelegt werden, wo Gott sie übergangen hat. Und Gott ist Allvergebend und Nachsichtig.

 

Der Koran duldet also keine Detaillierung seiner selbst, sie werden übergangen – von Gott selbst! Somit ist eine andersartige Sunna schon jetzt ausgeschlossen, da sie außerhalb des Korans liegen müsste. Dazu muss man auch die Frage stellen, wenn denn nun eine wie auch immer gehandhabte Sunna außerhalb des Korans Autorität haben soll, die erst Jahrhunderte später gesammelt und beurteilt wurde, voller Widersprüche ist, sich mit folgendem Vers vertragen soll, der schon viel früher da war:

 

5:3 Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam (Ergebung) als Religion für euch zufrieden.

 

Der Koran jedoch enthält keine Widersprüche (4:82). Kommen wir nun zum Propheten selber. Der Prophet ist laut Koran keine vollkommene Person (9:43, 66:1, 47:19, 48:2) wird aber an anderen Stellen gelobt. Somit hatte er schlussendlich einen außergewöhnlichen Charakter, was auch im Koran Anklang findet. Der Koran fordert den Propheten auf, nicht nach seiner eigenen Neigung zu gehen:

 

2:120 Wenn du jedoch ihren Neigungen folgst nach dem, was dir an Wissen zugekommen ist, so wirst du vor Gott weder Schutzherrn noch Helfer haben. (siehe zB auch: 2:145, 5:48, 5:49)

 

Wir sehen also, dass der Prophet durchaus eine eigene Neigung hatte und dementsprechend keinesfalls sein ganzer Gemütszustand als Offenbarungsquelle gemeint sein kann, wie man es in den Versen 53:1-4 vorgeben will. Wir müssen auch beachten, dass ein Prophet und ein Gesandter nicht dasselbe sind. Somit ist in den Versen 53:1-4 nur die Gesandtenfunktion gemeint, wonach ein Gesandter wie alle Gesandten nur die Botschaft, also den Koran zu übermitteln haben (16:35). Da Offenbarungen nicht vom Gesandten selbst kommen, sondern Gott sie ihm eingibt, haben wir dementsprechend keinen Widerspruch in den Versen, wenn diese Muhammad keine Neigung attestieren. Aber ein Prophet ist nicht vollkommen, wie wir aus den eben genannten Versen entnehmen können und so wird der Prophet mit seiner Gesandtenfunktion zusammen im Koran auch dementsprechend nur als Warner gesehen:

 

7:188 Ich bin nur ein Warner und ein Frohbote für Leute, die glauben. (siehe auch: 27:92, 35:23)

 

Wir sehen der Prophet und Gesandte ist nur ein Warner. Nun, womit hat er denn gewarnt? Schauen wir auf folgende Verse:

 

32:2-3 Die Offenbarung des Buches, an dem es keinen Zweifel gibt, ist vom Herrn der Weltenbewohner. Oder sagen sie: „Er hat es ersonnen“? Nein! Vielmehr ist es die Wahrheit von deinem Herrn, damit du ein Volk warnst, zu denen noch kein Warner vor dir gekommen ist, auf dass sie rechtgeleitet werden mögen.

 6:19 Sag: Welches ist das größte Zeugnis? Sag: Gott (, Er) ist Zeuge zwischen mir und euch. Und dieser Qur’an ist mir eingegeben worden, damit ich euch und (jeden), den er erreicht, mit ihm warne. Wollt ihr denn wahrlich bezeugen, daß es neben Gott andere Götter gibt? Sag: Ich bezeuge (es) nicht. Sag: Er ist nur ein Einziger Gott, und ich sage mich von dem los, was ihr (Ihm) beigesellt. (siehe auch 42:7, 7:2-3)

 

Wir erkennen, dass die einzige Funktion Muhammads ein Warner ist und dies anhand des Korans geschieht. Es gibt keinen einzigen Vers im Koran, der Offenbarung mit etwas Anderem als den Koran oder den vorangegangenen heiligen Büchern in Verbindung bringt. Was sagt der Koran weiter über Muhammad?

 

18:110 Sag: Gewiss, ich bin ja nur ein menschliches Wesen gleich euch… (siehe auch 41:6)

 

Über Muhammad wird also mit Berücksichtigung des Kontextes gesagt, dass er nur ein Mensch, nur ein Warner ist. Der nächste Punkt ist, was vor Gott nun als Offenbarung gilt. Folgende Verse beantworten die Frage:

 

2:22-23 … So stellt Gott nicht andere als Seinesgleichen zur Seite, wo ihr (es) doch (besser) wißt. Und wenn ihr im Zweifel über das seid, was wir unserem Diener offenbart haben, dann bringt doch eine Sura gleicher Art bei und ruft eure Zeugen außer Gott an, wenn ihr wahrhaftig seid!

17:82: Und Wir offenbaren vom Qur’an, was für die Gläubigen Heilung und Barmherzigkeit ist; den Ungerechten aber mehrt es nur den Verlust. (siehe auch: 2:23, 45:1-2, 12:2, 5:48)

 

Die Bejahenden der Frage “Ist Sunna eine Offenbarung” sollen uns jetzt aus dem Koran belegen, dass es andere Offenbarungen außerhalb des Korans und den vorangegangenen Büchern gibt. Es gibt im Koran nur folgende Einwände, die man machen könnte:

 

66:3 Als der Prophet einer seiner Gattinnen eine Mitteilung im geheimen anvertraute. Als sie sie dann kundtat und Gott es ihm offen darlegte, gab er (ihr) einen Teil davon bekannt und überging einen (anderen) Teil. Als er es ihr nun kundtat, sagte sie: „Wer hat dir das mitgeteilt?“ Er sagte: „Kundgetan hat (es) mir der Allwissende und Allkundige.“

 

Gott teilt also dem Propheten etwas mit, das im Koran keine Erwähnung findet. Im Vers kommt jedoch das Wort “Offenbarung” (arabisch: vahy) hier gar nicht vor und Gott es hier nur „offen darlegt“. Deswegen hat es mit dem Status “Offenbarung”, die für uns auch relevant ist, nichts gemein. Die Details in diesem Vers sind für uns sowieso völlig hinreichend, um daraus für den Glauben die nötigen Schlüsse zu ziehen. Nächster Vers:

 

8:6-7 und sie mit dir über die Wahrheit stritten, nachdem (es) klargeworden war, als ob sie in den Tod getrieben würden, während sie zuschauten. Und als Gott euch versprach, daß die eine der beiden Gruppen euch gehören sollte, und ihr (es) lieber gehabt hättet, daß diejenige ohne Kampfkraft euer sein sollte! Aber Gott will mit Seinen Worten die Wahrheit bestätigen und die Rückkehr der Ungläubigen abschneiden, …

 

Zwar hat sich Gott hier tatsächlich den Gläubigen in der Vergangenheit mitgeteilt, jedoch wird auch dazu Offenbarung selbst nicht erwähnt. Natürlich ist der Vers selbst Offenbarung und gibt uns alle nötigen Details, damit wir als Gläubige erkennen können was hier genau in der Vergangenheit mitgeteilt wurde. Zum Einwand, dass es hier außerhalb des Korans Offenbarung geben soll, kann man folgenden Vers aufzeigen:

 

16:101 Und wenn Wir einen Vers anstelle eines (anderen) Verses austauschen – und Gott weiß sehr wohl, was Er offenbart -, sagen sie: „Du ersinnst nur Lügen.“ Aber nein! Die meisten von ihnen wissen nicht.

 

Gott hat also in 8:6-7 die letzte Form dieser Geschichte, in einer für Ihn genügenden Weise, beschrieben. Wir haben also im Koran die vollkommene (5:3), ausführlich dargelegte (6:114, 11:1, 41:3, 41:44), vollständige (auch: vollkommene) (6:115), nichts ausgelassene (6:38) und alles erklärende (16:89, 12:111) Fassung der Offenbarungen, die für uns erlaubt sind (5:44,45,47). Ich möchte auch anmerken, dass Muhammad als Prophet, also nicht in seiner Gesandtenfunktion, sich zu beraten hatte (3:159). Warum soll sich Muhammad beraten da er doch nicht aus eigener Neigung spricht? Im Koran steht doch:

 

6:57 Das Urteil gehört allein Gott. Er berichtet die Wahrheit, und Er ist der Beste derer, die entscheiden.

 

Natürlich handelt es sich in 3:159 nur um weltliche Angelegenheiten, die der Prophet mit Einbeziehung seiner Landsleute zu entscheiden hatte und nicht um religiöse Belange. Doch wenn wir sagen, dass Muhammad nur Offenbarungen von sich gab, haben wir hier einen klaren Widerspruch zu 6:57.

 

Die Weisheit, die nicht die Sunna ist

Ich möchte noch auf ein weiteres Gegenargument eingehen. Es wird in Bezug zu dieser Argumentation gerne die Behauptung aufgestellt, dass zwar Offenbarung nicht direkt mit der tradierten Sunna in Beziehung stehe, jedoch die Weisheit, welche laut Koran Muhammad gegeben wurde, diese Sunna darstellen soll. Gerne wird dabei folgender Vers präsentiert, um diesem Argument Nachdruck zu verleihen:

 

3:164: Gott hat den Gläubigen wirklich eine Wohltat erwiesen, als Er unter ihnen einen Gesandten von ihnen selbst geschickt hat, der ihnen Seine Zeichen verliest, und sie läutert und sie das Buch und die Weisheit lehrt, obgleich sie sich zuvor wahrlich in deutlichem Irrtum befanden.

 

Hier möchte ich zuallererst den Leser darauf aufmerksam machen, dass von Weisheit die Rede ist, nicht aber von einer Sunna. Im Koran ist das Wort Sunna bekannt und findet, wie anfangs erläutert, nur in Beziehung zur Sunna Gottes Erwähnung. Aber auch aus den eigenen Quellen der Sunniten kann man unschwer erkennen, dass Weisheit unterschiedlich interpretiert wurde. Wenn wir zum Beispiel einer Überlieferung von Ibn Abbas glauben schenken wollen, so hält er selbst Weisheit für Koranwissen.

Die oben zitierte Verskonstellation kommt so mehrfach im Koran vor. Jedes mal fängt es in diesen Versvarianten immer damit an, dass Zeichen (der Koran) verlesen werden. Man kann dem Argument, dass Weisheit Sunna sein soll, folgendermaßen schnell entgegnen, indem man anführt, dass der Gesandte hier das Buch und die Weisheit nur mit dem Koran weitergibt. Jetzt ist die Behauptung „eine bestimmte Sunna muss das regeln“ nur noch an einer Frage zu klären: Verliest der Gesandte die Zeichen und die Weisheit nur aus dem Koran? Für die Bestätigung unserer These und die Bejahung dieser Frage seien folgende Koranverse genannt:

 

17:39 Das ist etwas von dem, was dir dein Herr an Weisheit (als Offenbarung) eingegeben hat. Und setze neben Gott keinen anderen Gott, sonst wirst du in die Hölle geworfen, getadelt und verstoßen.

10:1 Alif-Lam-Ra. Dies sind die Zeichen des weisen Buches.

 

Insbesondere Vers 17:39 folgt nach einer Fülle von Anordnungen für die Gläubigen in den vorherigen Versen, womit ein direkter Bezug zum Koran hergestellt ist. Auch folgende Verse bestätigen nochmals unsere These:

 

27:91-92 Mir ist nur befohlen worden, dem Herrn dieser Ortschaft zu dienen, Der sie geschützt hat und Dem alles gehört. Und mir ist befohlen worden, einer der (Ihm) Ergebenen zu sein. und den Qur’an zu verlesen. Wer sich nun rechtleiten lässt, der ist nur zu seinem eigenen Vorteil rechtgeleitet. Und wenn einer irregeht, dann sag: Ich gehöre ja nur zu den Überbringern von Warnungen.

 

Weitere Betrachtungen zur Bejahung der Frage, ob Weisheit nur dem Koran entnommen werden kann, finden Sie in den am Artikelende verlinkten Beiträgen. Die Befürworter der Behauptung, dass Sunna eine Offenbarung sei, können hingegen keinen einzigen Koranvers aufbieten, in dem Weisheit eine ergänzende Sunna sein soll. Es gibt keinen einzigen Vers im Koran, der Weisheit anders erklärt als in Bezug zur Offenbarung in den abrahamitischen Büchern. Sunna selbst wird, wie eben erwähnt, im ganzen Koran nur in Bezug zu Gott verwendet. Für diejenigen Leser, die eine traditionelle Sunna nicht als Offenbarung sehen, ihr aber trotzdem Autorität geben, kann man noch folgende Argumente aufbringen: Immer steht in diesen Verskonstellationen, dass der Gesandte „sie läutert”. Wenn wir argumentieren, dass dies mit der Sunna geschehe, widerspricht das eindeutig Koranversen, in denen Gott sagt:

 

28:56 Gewiß, du kannst nicht rechtleiten, wen du gern (rechtgeleitet sehen) möchtest. Gott aber leitet recht, wen Er will. Er kennt sehr wohl die Rechtgeleiteten.

 

Deswegen kann der Gesandte nicht über eine eigene Sunna rechtleiten/läutern. Der vorletzte Punkt dazu ist, dass wieder vom Gesandten die Rede ist und das ist auch in allen anderen betreffenden Verskonstellationen der Fall. Die einzige Funktion für einen Gesandten ist überall im Koran nur die Übermittlung der Botschaft. Sollte also der Gesandte außerhalb des Koran etwas hinzufügen, widerspricht das der mehrfach im Koran erwähnten einzigen Funktion, dass der Gesandte nur die Offenbarung zu übermitteln hat.

Für die Befürworter der Behauptung, dass Sunna eine Offenbarung sei, kommt in Bezug zum eben erwähnten Vers 28:56 noch folgende Frage hinzu: Wenn der Prophet selbst nicht rechtleiten kann, wen er will, obwohl er ja nach der Meinung der Befürworter nur Offenbarungen von sich gibt, wieso kann er dann nicht rechtleiten, wen er will? Hat er jetzt doch eine eigene Persönlichkeit oder Teilpersönlichkeit? Und wenn dem so ist, wie will man das denn nun genau trennen? Gibt es einen Koranvers, der das regelt? Wohl kaum! Ich schließe den Artikel mit folgenden Versen ab:

 

43:15 Und sie stellen Ihm einen Teil von Seinen Dienern (als Seinesgleichen zur Seite). Der Mensch ist ja offenkundig sehr undankbar.

6:155 Und dies ist ein Buch, das Wir (als Offenbarung) hinabgesandt haben, ein gesegnetes (Buch). So folgt ihm und seid gottesfürchtig, auf daß ihr Erbarmen finden möget!

 

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